Monster der Vergangenheit:

Remus Gedanken führten ihn wieder in zurück, zurück zu dieser schicksalshaften Nacht, in der sich sein Leben so drastisch veränderte.

Als er fünf war, lebten sie noch in Frankreich. Sein Vater nahm ihn mit zu einem kleinen Campingausflug. Dies war für einen Muggel nicht ungewöhnlich, sondern eher eine Art Ritual und so waren Vater und Sohn in dieser Nacht im Wald. Der Tag war anstrengend gewesen. Da keiner von beiden zaubern konnte, oder besser gesagt Remus seine Zauberkraft noch nicht lenken konnte und auch noch keinen richtigen Zauberstab besaß, mussten sie wie normale Menschen ihre Sachen selber tragen, das Zelt von Hand aufbauen, Essen kochen und alle Arbeiten erledigen, die bei einem Campingtrip so anfallen. Remus hatte trotz der Anstrengung viel Spaß an diesem Tag gehabt, bevor ihn die Müdigkeit übermannte und er am Lagerfeuer in den Armen seines Vaters einschlief.

Mitten in der mondhellen Nacht erwachte er wieder. Im ersten Moment wusste er nicht wo er war oder warum er aufgewacht war, doch ein im unbekannter Laut ließ ihn zusammenzucken. Hätte er damals gewusst was es war, wäre er vor Angst wie gelähmt gewesen, aber seine Unwissenheit ergänzte sich mit kindlicher Neugier und so betrat er die Lichtung vor dem Zelt, die in hellem Mondlicht stand. Es war eine wolkenlose klare Sommernacht. Der sternenbehangene Himmel, über den der Vollmond langsam seine Bahn zog, war ein unglaublicher Anblick. Kein Laut war zu hören, keine Äste die im lauen Wind knarrten, keine Grillen, nicht das kleinste Geräusch störte die Friedlichkeit der Szenerie. Doch da war es wieder. Das Heulen, das ihn aus seinen Träumen gerissen hatte. Diesmal war es näher als zuvor und die Neugier wich einem unbehaglichen Gefühl. Ein Rascheln im Gebüsch auf der andern Seite der Lichtung ließ Remus kurzzeitig erstarren, etwas Unbekanntes war nah, sehr nah. Aus seinem kurzzeitigen Schock befreit, ging er langsam rückwärts, die Augen nicht von den Büschen gegenüber nehmend und tastete sich zurück zum Zelt. Er atmete erleicht auf als er mit der Hand gegen den Stoff stieß und suchte die vom Reißverschluss umrahmte Öffnung. Als er sie gefunden hatte, drehte er sich von der Lichtung weg und stieg ins Zelt. Er hatte den Eingang schon zur Hälfte passiert, als ihn etwas schmerzhaft am Oberschenkel packte, seine Zähne ohne Mühe in sein Bein rammte und ihn zurück auf die Lichtung schleuderte. Ein lautes, fast triumphierendes Heulen erklang und kurz danach verblassten seine Erinnerungen.

Das Nächste, was er wieder bewusst wahr nahm, war das weiche warme Bett, in dem er sich befand. Er wusste nicht wie er hierher gekommen war, was passiert war, wie lang war er hier?

Als er die Augen wieder öffnete war heller Tag. Er kniff seine tränenden Augen sofort wieder zusammen. Das Licht brannte in seinen Augen. Das Geräusch eines Vorhangs, der zur Seite gezogen wurde, sagte ihm, dass er nicht allein im Zimmer war und veranlasste ihn die Augen wieder langsam zu öffnen. Verschwommen nahm er die Gestalt seiner Mutter wahr, die neben seinem Bett stand und ihm durchs Haar strich.

„Alles wird wieder gut! Du hast lange geschlafen... ich hatte solche Angst. Ich dachte wir würden dich verlieren. Drei Tage ohne einen Hinweis der Besserung... ", schluchzte sie mit tränenerstickter Stimme.

Remus wollte sie umarmen, brachte aber kaum die Kraft auf, seinen Oberkörper zu heben und wurde durch die heftig pochenden Schmerzen in seinem rechten Bein (und die Hand seiner Mutter auf seiner Brust) wieder ins Bett gedrückt.

Er keuchte auf. Warum tat sein Bein weh? Doch wie auf diese Frage wartend spielte sich ein Film in seinem Kopf ab.

„Was ist...? Wie bin ich...? Wo ist...?", stammelte er mit kratziger Stimme und unterdrückte dabei die in ihm durch die Schmerzen aufsteigenden Tränen.

„Er ist hier. Es geht ihm schon besser. Ihr hattet Glück.... Viel Glück!", antwortete Faith Lupin und Remus drehte seinen Kopf zum Nachbarbett, in dem sein Vater lag und ihn anlächelte.

Damals war es Remus nicht klar, aber mit den Jahren war er überzeugt, auch Trauer, Scham und Selbstvorwürfe gesehen zu haben. Nicht in seinem Lächeln, aber in seinen Augen.

Sein Vater erzählte ihm später was passiert war, nachdem er ohnmächtig geworden war.

Durch den Tumult war er aufgewacht, hatte Remus auf der Lichtung liegen sehen. Über ihn gebeugt ein Wesen, halb Mensch halb Tier, laut seinen Worten eher mehr Tier als Mensch. Wie er versucht hatte das Wesen mit einem starken Ast von Remus fern zu halten, was natürlich eine Verzweiflungstat war. Der erste Hieb saß zwar und traf den Werwolf am Rücken, doch war dieser davon unbeeindruckt und zerriss mit einem einzigen Schlag seiner Klauen den langen Stock und den rechten Arm seines Vaters. Zwar hatte er fürs Erste sein Ziel erreicht, den Werwolf von seinem Sohn abzulenken, doch befand er sich nun in unmittelbarer Gefahr vom Werwolf zerfetzt zu werden. Den zweiten Hieb konnte er grade noch mit den Resten seines Knüppels abwehren, aber die Kraft des Angreifers war einfach zu groß. Durch die Wucht nach hinten geschleudert, landete John Lupin in der Nähe des ausgehenden Lagerfeuers, doch die Attacke des Werwolfs war noch nicht beendet. Er heulte auf, um seinen finalen Angriff vorzubereiten und stürzte in John's Richtung.

Vielleicht war es das Adrenalin, vielleicht der Mut der Verzweiflung, oder einfach nur blanke Angst, die ihn dazu befähigten, die Glut mit beiden Händen zu greifen und sie im letzten Moment zwischen sich und das Maul des Werwolfs zu bringen. Er konnte es nicht sagen.

Das folgende Heulen aus Wut, Zorn, Erstaunen und Schmerz raubte ihm einige Sekunden die Sinne. Als er wieder halbwegs klar denken konnte, sah John den Werwolf heulend in den Wald rennen.

Er kroch zu seinem bewusstlosen Sohn, lud ihn sich auf die linke Schulter und schleppte sich durch den Wald. Wie lange es dauerte, ehe sie den Rand des Waldes erreichten und in der Nähe ein kleines Dorf fanden, wusste er nicht mehr. Dass das Adrenalin aber kurz nach Beginn des Fußmarsches seine Wirkung verlor, war ihm schmerzlich bewusst.

Im Dorf war er in eine noch geöffnete Gaststube gestolpert und hatte seine Frau angerufen, wobei er, kurz nach dem das Gespräch begonnen hatte, zusammengebrochen war.

Faith Lupin apparierte keine Minute später neben ihrem Mann und ihrem kleinen Sohn. Das Muggel anwesend waren, die diese eigentümliche Szene beobachteten, war ihr egal. Darum konnte man sich auch später kümmern. Sie stieß einen Tisch beiseite, warf ein Pulver ins Feuer das die Farbe der Flammen von orange-rot zu grün wechseln lies und brachte ihre Familie ins Saint Nostradamus, das Magierhospital, wo sich gleich 2 Heiler um John und Remus kümmerten. Erst als sie ihre Lieben gut versorgt wusste, gestattete es Faith dem Schock, der durch den Anblick der beiden blutenden Körper hervorgerufen wurde, durchzubrechen. Die nächsten Stunden waren nicht wirklich, eher mechanisch, ohne bewusstes Steuern. Keine Gedanken, keine Fragen, keine Gefühle störten sie während sie den Heilern geistesabwesend Fragen beantwortete oder einfach nur apathisch auf einem Stuhl vor den Krankenzimmer saß.

Erst als die Heiler das Zimmer verließen und ihr mitteilten das beide überleben würden und es schlimmer aussähe als es wäre, fiel alles von ihr ab. Erleichterung übernahm den Platz der Verzweiflung, Glück tauschte mit Trauer und Freude durchtränkte ihr Bewusstsein, das in den Letzten Stunden in weiter Ferne verweilt hatte.

Tränen füllten ihre Augen und rannen über ihre Wangen. Sie wollte zu Remus und John, wollte in ihrer Nähe sein, doch der Impuls wurde durch das sorgenvolle Gesicht des Heilers negiert.

„Mrs. Lupin?", fragte Curieux, der junge Heiler, der als letzter den Raum verlassen hatte. „Mir ist die schwierige Aufgabe zugefallen, ihnen die schlechte Nachricht zu überbringen.", begann er. „Das Tier, welches ihrem Mann und ihrem Sohn die Wunden beigebracht hat war... wie soll ich es sagen.... Ein Werwolf.

Ihr Mann hatte das Glück, nicht von ihm gebissen worden zu sein. Seine Verletzungen rühren von den Klauen dieser Bestie. Ihr Sohn Remus hingegen wurde ins Bein gebissen. Laut unseren ersten Tests hat er sich infiziert. Leider gibt es für dieses Leiden kein Heilmittel.

Ich habe schon Dr. Suave-Malsain benachrichtigt. Er wird ihnen helfen, sie beraten und ihnen Beistand leisten. Ich kann nur den menschlichen Teil ihres Sohnes versorgen, seine andere Hälfte jedoch übersteigt die Fähigkeiten der Zaubererwelt. Es tut mir leid Mrs. Lupin mehr kann ich nicht für sie tun."

Das zweite Mal, innerhalb weniger Stunden, verblasste die Welt um Faith Lupin. Das kleine Licht der Freude, darüber das die beiden wieder gesunden, wurde durch die Ansprache des Doktors in einem Schwarz aus Hoffnungslosigkeit ertränkt.

Keine Heilung. Ein gespaltenes Leben. Mögliche psychische Veränderung. Sichere physische Veränderung. Vollmondmetamorphose. Keine Kontrolle.

Immer wieder hallten die Auswirkungen eines Werwolfbisses in ihrem, ansonsten leeren, Kopf nach.

Erst als John ihre Hand in seine nahm bemerkte sie, dass es schon Morgen war. Sie hatte die ganze Nacht in ihrem Wachkoma verbracht.

„Es tut mir Leid...", sage er mit rauer Stimme. „...ich konnte nicht..."

„Dich trifft keine Schuld.", unterbrach ihn Faith. „Niemand hätte es verhindern können und außerdem habt ihr überlebt. Das ist mir momentan am Wichtigsten.", versuchte sie ihn zu beruhigen und strich sanft mit ihrer Hand durch sein Haar.

„Aber er wurde...", entgegnete John wieder in mattem Ton.

„Ja ich weiß, nachher haben wir ein Treffen mit Mr. Suave-Malsain. Danach haben wir immer noch Zeit uns Sorgen zu machen. Selbstvorwürfe bringen nichts mehr. Was passiert ist, ist passiert und keiner kann das mehr ändern. Wir müssen jetzt das Beste aus der Situation machen und Selbstvorwürfe gehören nicht dazu.", beendete sie ihre vorformulierte Rede, die sie nun, da Faith sie gehalten hatte, nicht mehr wirklich überzeugen konnte. Und dem Gesichtsausdruck von John zu urteilen war auch er dieser Meinung.

„Wer ist dieser Suave-Malsain?", fragte John.

„Er ist, soweit ich Dr. Curieux verstanden habe, eine Art Spezialist für Werwolfbisse. Er wird uns beraten und uns helfen, das Leben für Remus so angenehm, oder sagen wir nicht ganz so unangenehm zu gestalten.", antwortete Faith mechanisch, der durch die Frage ihres Mannes wieder die Prognose von Dr. Curieux ins Gedächtnis drang.

John merkte, dass ihre Gedanken abschweiften und vermied es, weitere Fragen in dieser Richtung zu stellen, da er bemerkte das auch sie keine Antworten hatte, die hätten helfen können. Außerdem war auch ihm das Thema nicht angenehm und so erkaufte er sich mit Schweigen noch eine Schonfrist bevor er alles erfahren würde.

Gegen Mittag dann klopfte es an der Tür zum Krankenzimmer der Lupins. Faith, die die Nacht durchgewacht hatte und im Laufe des Vormittags eingedöst war, schreckte hoch. John war immer noch wach, doch auch auf seinem Gesicht sah man Angst vor dem ihm bevorstehenden Gespräch. Remus hingegen lag immer noch, anscheinend schlafend, in seinem Bett und rührte sich nicht.

Faith ging, nachdem sie ihre Frisur etwas geordnet hatte, zur Tür und öffnete sie. Davor standen Dr. Curieux und ein kleiner, etwas rundlicher Mann mit einem roten Vollbart der an einigen Stellen schon etwas angegraut war. Faith schätze ihn auf ca. 60, obwohl er nicht so aussah, doch sein Auftreten erinnerte sie irgendwie an ihren eigenen Vater. Doch nur auf den ersten Blick, denn auf den zweiten entdeckte man den kleinen Jungen, der Abenteuer liebt und sich hinter seinen freundlichen, aufgeweckten Augen verbarg. Er war offensichtlich grade erst angekommen, da immer noch Regentropfen an seinem dunkelblauen Umhang herunter rannen.

„Kommen sie doch bitte herein", forderte Faith die beiden auf, doch Jules Curieux winkte ab.

„Entschuldigung Mrs. Lupin", entgegnete er, „ich habe leider noch in der Fluchumkehrabteilung zu tun. Aber sie sind bei Vincent in den besten Händen. Keiner hier könnte sie besser darauf vorbereiten was sie erwartet.

„Aber, aber ...Jules.", entrüstete sich Vincent Suave-Malsain, „was hast du den Leuten denn erzählt? Es ist bei Weitem nicht einfach, aber wenn man sich an einige einfache Regeln hält, dann sollte es kein Problem darstellen, ihrem kleinen Sohn eine halbwegs normale Kindheit zu ermöglichen. Jules hat einen Hang das Ganze zu dramatisieren. Das war schon im Studium so...", fuhr er an Faith und John gewand fort.

Die Wangen von Jules Curieux röteten sich leicht und etwas betreten nuschelte er eine kleine Entschuldigung in die Richtung der Lupins, was mit einem verschmitzen Lächeln und einem kleinen Zwinkern von Vincent Suave-Malsain kommentiert wurde. Danach schloss Mr. Curieux mit leicht betretenem Gesichtsausdruck die Tür und ließ sie allein.

Dr. Suave-Malsain stellte seine Reisetasche vor John's Bett ab, entledigte sich seines nassen Reiseumhangs und legte ihn über einen Stuhl.

„Ah ... da ist er ja. Sie haben doch nichts dagegen?", fragte Vincent, während er um das Bett ging in dem Remus lag und ohne eine Antwort abzuwarten, entfernte er auch schon den Verband von seinem Bein. „Ah ja, ja! Hui, muss ja ein ganz schön großer gewesen sein. Ziemlich tiefe Wunde. Selten, äußerst selten.", nuschelte er in seinen Bart.

„Bitte Mr. Suave, dürften wir erfahren, was sie so fasziniert?", unterbrach John seinen monologisierten Gedankengang.

„Wie? Was? ... Oh natürlich, bitte verzeihen sie meinen jugendlichen Übermut", erwiderte Vincent leicht verlegen, aber mit einem verschmitzten lächeln. „ Ich sollte ihnen vielleicht erst einmal einen Gesamteindruck geben."

Seine kurzzeitige Verwirrtheit sorgte wiederum bei den Lupins für ein leichtes Schmunzeln. Er benahm sich wie ein kleiner Junge, der das erste Mal mit seinem Kinderzauberstab ein paar Funken erzeugte.

„ Bitte", sagte er mit einem Zwinkern an die Lupins gewandt „ Vincent reicht völlig."

„Also", begann Vincent und mit einer kleinen, aber komplizierten Bewegung seines Zauberstabes erschien ein gemütlicher Sessel und ein kleiner Tisch, auf dem eine Teekanne und drei Tassen standen. „ Tee?", grinste er, während er sich selbst schon mal eine Tasse eingoss.

Völlig perplex vom (eigentümlichen Verhalten des angeblichen – die beiden waren sich nicht mehr sicher ob Dr. Suave sich nicht in der Tür geirrt hatte – Spezialisten nickten die Lupins ihm stumm zu. Nachdem er die anderen beiden Tassen mit Tee gefüllt und selbst einen großen Schluck der warmen Flüssigkeit getrunken hatte, lehnte sich Vincent in seinem Sessel zurück und schloss kurz die Augen. Man konnte es in seinem Gesicht arbeiten sehen; er suchte offensichtlich nach dem passenden Anfang für das, was er den Lupins mitteilen musste. Als er die Augen wieder öffnete war in seinem Blick nicht mehr der Schimmer des abenteuerlichen Jungen, jetzt war er der ernste alte Mann, den seine Statur erahnen ließ.

„Fälle wie der ihres Sohnes sind sehr selten. Normalerweise sterben Kinder die von Werwölfen gebissen werden dabei. Ich will ihnen nichts vormachen, es besteht immer noch die Möglichkeit, dass Remus die nächsten 2 Tage nicht übersteht. Das hat mit der Metamorphose, die grade in seinem Körper stattfindet, zu tun. Es ist ein sehr Kraft zehrender Prozess, den nicht mal einige Erwachsene überstehen."

Faith schlug die Hände vor den Mund und ihre Augen füllten sich wieder mit Tränen. Sie dachte das Schlimmste wäre überstanden.

„Ich weiß, dass es hart für sie ist. Er liegt so friedlich in seinem Bett, als würde er schlafen, aber glauben sie mir; in seinem Körper findet grade ein Kampf auf Leben und Tod statt. Es hilft nichts ihnen mehr Hoffnung zu machen als es angebracht ist, aber das er immer noch am Leben ist, deute ich als gutes Zeichen. Nach meiner Erfahrung sind nur wenige, die so jung einen Biss empfangen haben, lebend im Krankenhaus angekommen. Nun möchte ich aber zur Sache kommen. Heilung vermag weder ich, noch irgendjemand sonst, ihrem Sohn zu ermöglichen. Fallen sie also nicht auf irgendwelche Wunderheiler mit ihren abstrusen Praktiken herein. Kein Werwolf wurde bisher geheilt, in den meisten Fällen wurde es sogar noch schlimmer."

Er machte eine kurze Pause, in der er sich etwas Tee nachschenkte und die Lupins eindringlich ansah, um seinen Worten Bedeutung zu verschaffen. Nicht das das jetzt noch wirklich nötig gewesen wäre, aber er hatte schon zu viel erlebt, um nicht auf Nummer sicher zu gehen.

„Also, konzentrieren wir uns darauf wie wir Remus am besten helfen können. Als Allererstes natürlich ... zeigen sie ihm, dass sie ihn lieben. Lassen sie ihn es spüren wo immer es geht und sagen sie ihm so früh wie möglich was mit ihm passiert ist. Nur so wird er in der Lage sein, damit und mit sich selbst zu leben."

Irgendwie nahm dieses Gespräch einen anderen Verlauf, als Faith gehofft hatte. Sie hätte Zuspruch und Trost erwartet. Diese fast schon brutale Offenheit seiner Worte brach ihr fast das Herz, aber auf der andern Seite war sie auch dankbar dafür, so wussten sie immerhin was auf sie zukommen würde.

„Die ersten circa zwei Jahre werden noch harmlos werden. Seine Verwandlungen werden unvollendet sein. Im Gegensatz zu ausgewachsenen Werwölfen haben wir es hier mit einem Kind zu tun. Das wird ihn auch noch einige Zeit als Werwolf beeinflussen. Doch seine animalische Seite wird schneller reifen als er selber. In spätestens zwei Jahren wird sein wölfisches Ich eine blutdürstige Bestie sein, die ihren Instinkten folgt und nicht seinem Verstand oder Herz. Selbst sie wird er dann während seiner Metamorphose nicht mehr erkennen und statt seinen Eltern wird er in ihnen nur das sehen, was der Wolf in ihnen sehen würde - BEUTE. Bis es allerdings soweit ist, bleibt ihnen noch etwas Zeit, um nötige Vorkehrungen zu treffen. Was mich auch gleich zu meinem nächsten Punkt bringt. Frankreich ist kein sicheres Land mehr für sie. Das Ministerium hat seine Haltung was Gefährliche Mischwesen betrifft noch verschärft. Mittlerweile ist es jedem gestattet, ja es ist sogar erwünscht, Jagd auf sie zu machen. Daher empfehle ich ihnen so schnell es geht ihren Wohnsitz nach Schottland zu verlagern. Dort ist die Haltung gegenüber Werwölfen zwar auch nicht gerade freundlich, aber außer einer Melde– und Sicherungspficht ist dort ein sehr viel unbeschwerteres Leben möglich."

„Sicherungspflicht?", unterbrach John Lupin die Ausführungen von Mr. Suave. „Was haben wir darunter zu verstehen?"

„Nun, da gibt es verschiedene Möglichkeiten. Je nachdem was ihre finanziellen Mittel zulassen."

John Schluckte schwer. Genau damit hatte er gerechnet. Sie hatten zwar etwas Geld angespart, aber wenn sie jetzt noch umziehen mussten und sich dann noch um eine, für das schottische Ministerium sichere Unterbringung ihres Sohnes während der Vollmondphasen sorgen mussten, dann würde ihr Geld kaum reichen.

„Das Einfachste wäre natürlich ein stabiler Raum, am Besten im Keller, wo die Wirkung des Mondes durch einen nicht vorhanden visuellen Kontakt etwas geschwächt wird. Für die angesprochenen ersten Jahre wäre das eine durchaus zufrieden stellende Lösung des Problems. Die Schwierigkeiten werden erst beginnen, wenn der Wolf in ihm seinen Jagdinstinkt, den drang nach Blut, verspürt. Es ist kein sehr schöner Anblick, den ich ihnen gerne ersparen würde, wenn es in meiner Macht stände. Wenn ein Werwolf nie den Vollmond sieht und auch seinen Instinkten nicht nachgeben kann, so grausam diese auch für uns erscheinen mögen, dann wird er anfangen, seine Wut und Frustration über kurz oder lang an sich selbst auszulassen. Sie müssen verstehen, sobald der Wolf völlig in Remus erwacht ist, übernimmt diese Hälfte seines Geistes den Köper. Und kein Tier ist gerne gefangen und weggesperrt. Er wird Toben und sich selbst schwer verletzen."

Allein durch die Ausführungen von Vincent konnte Faith kaum noch Atmen. In ihr verkrampfte sich alles. Was konnten sie bloß tun, um Remus ein halbwegs normales Leben zu ermöglichen, ohne ihm noch mehr Schmerzen zu bereiten.

„Es muss doch auch eine andere, geeignetere Möglichkeit geben, dieser Sicherungspflicht nachzukommen, Dr. Suave.", wandte sie sich hoffnungsvoll an Vincent.

„Gewiss.", fuhr er sogleich fort und ein leichter Anflug von Zufriedenheit war kurzzeitig in sein Gesicht getreten. Offenbar war er glücklich, dass die Eltern des Jungen von der ersten Option nicht sonderlich begeistert waren.

„Wie gesagt für die erste Zeit wird Remus sehr gut mit der eben genannten Situation leben können. Er wird sich zwar bei jedem Vollmond ihn einen Werwolf verwandeln, da führt kein Weg daran vorbei, doch wird das Ganze erstmal nur die körperliche Ebene betreffen. Wenn er allerdings anfängt sich während des Vollmonds wilder zu gebärden, oder er sich erste kleine Wunden zufügt, sollten sie über eine andere Lösung nachdenken. Der helle Vollmond ist der ausschlaggebende Auslöser für die Metamorphose wie sie ja wissen. Durch meine Studien, die ich zwecks einer schmerzloseren Unterbringung gemacht habe, bin ich zu der mittlerweile durch Tests fast sicheren Erkenntnis gelangt, dass Mondgestein von der dunklen Seite des Mondes eine zwar nicht gegenteilige aber wenigstens abstoßende Wirkung auf Werwölfe hat. Sie können sich diesem Material einfach nicht nähern egal wie sehr sie danach begehren. Deshalb ist die Lösung auch relativ simpel, wenn man erstmal hinter das Geheimnis gekommen ist. Ihr neuer Wohnsitz, welcher natürlich auch ein größeres Grundstück umfassen sollte, muss einfach mit dunklem Mondstein eingezäunt werden. Dabei ist es mehr als ausreichend, alle 50 Fuß einen dieser Steine von etwa Taubeneigröße einen Fuß tief in der Erde zu vergraben. Natürlich müssen auch die Außenwände ihres neuen Heims einige dieser Steine aufweisen, um sie selbst vor ihrem Sohn zu schützen. Außerdem wäre es vorteilhaft, wenn sie in einer abgelegenen Gegend leben, am Besten in einem Wald oder Moor, wo Remus in den Nächten seinem Jagdinstinkt freien Lauf lassen kann, ohne Gefahr zu laufen, versehendlich einem Menschen zu begegnen. Aus diesem Grund ist mein Vorschlag auch Schottland, denn die Siedlungsdichte ist im Norden nicht sonderlich hoch und es ist einfacher unentdeckt zu bleiben. Aber sie werden sicherlich fragen warum so weit weg. Unerschlossene Gebiete gibt es ja auch in Frankreich."

John und Faith nickten ihm stumm zu, während er ihre Gedanken aussprach.

„Nun das ist ganz einfach, dunkles Mondgestein ist fast überall eine verbotene Substanz. Früher und leider auch heute wurde er für viele Rituale benutzt, die nicht grade dem unbedenklichen Zweig der Magie angehören. Für viele der dunkelsten Praktiken ist dieses Gestein sogar essenziell und wurde deshalb von den meisten Ministerien verboten.

Außerdem spricht für Schottland, dass ich ihnen dort auch weiterhin helfen kann. Durch meine Nachforschungen war es notwendig mich dort nieder zu lassen. Und dank meinen bisherigen Erkenntnissen habe ich sogar ein kleines Forschungsbudget vom St. Mungo´s bekommen, um meine bisherigen Ergebnisse zu beweisen. Deshalb schlage ich vor, dass wir uns gegenseitig helfen. Die Forschungsgelder haben es mir ermöglicht, vor kurzem ein Stück Land in Schottland zu erwerben, aber leider decken sie nicht die Ausgaben die ich tätigen muss, um genügend Material für die Sicherung dieses Geländes zu beschaffen. Wenn Ich ihnen also den Vorschlag machen dürfte, unsere Kräfte zu kombinieren um ihrem Sohn zu helfen?"

Irgendwie fühlten die Lupins das dies noch nicht alles war. Es hörte sich zwar nach der optimalen Lösung für Remus an, aber irgendwie schien das Angebot von Vincent Suave bisher nur ihnen zu helfen. Was hätte er davon?

Also entschloss sich Faith ihrem Gegenüber diese Frage zu stellen, auch wenn sie sehr direkt und etwas unhöflich war, aber schließlich wollte sie wissen worauf sie sich einlässt, wenn sie dieses verlockende Angebot annimmt.

Bei ihrer Frage schoss eine leichte Röte in das Gesicht von Vincent, der zwar davon ausgegangen war, die Frage gestellt zu bekommen, sie aber trotzdem lieber vorerst vermieden hätte. Er war sich nicht sicher wie sie reagieren würden.

„Nun, sicherlich bin ich nicht vollkommen uneigennützig. Wie gesagt noch ist es mehr Theorie als erprobte Methode. Das heißt, dass ich Remus während der Vollmondnächte ... nun ja ... „überwachen"würde und ihn sozusagen als Versuchskaninchen für meine Theorie brauche.

Mir bleibt leider nicht mehr viel Zeit um zu tun, was ich tun muss und durch seine Jugend wäre Remus der ideale Kandidat. Wenn er den Schutz überwinden kann, dann wäre er, jedenfalls in der ersten Zeit, nicht die Gefahr für einen Menschen, die ein ausgewachsener Werwolf darstellen würde, vorausgesetzt man reizt ihn nicht."

Von diesem Gespräch hatte Remus natürlich erst Jahre später erfahren. Seine Eltern hatten ihm zwar schon im Krankenhaus gesagt, was auf ihn zukommen würde, aber gewisse Einzelheiten und Details hatten sie für sich behalten.

Vor fast vier Jahren hatte er mit seinen Eltern Frankreich verlassen müssen. Die erste Zeit war es fast erträglich gewesen, wenn man mal von den Schmerzen, die die Metamorphose in jeder Vollmondnacht mit sich brachte, absah. Wie von Vincent prognostiziert, war er in den ersten knapp 18 Monaten selbst während des Vollmondes keine wirkliche Gefahr für irgendjemanden. Vielmehr war er eher die behaarte Ausgabe eines kleinen Jungen, als eine wilde Bestie, die alles zerfetzte, was ihr in die Finger kam. Leider traf auch seine zweite Prophezeiung zu und so war es ihm bald nicht mehr möglich nachts im Haus zu verweilen. Die Schmerzen und Qualen seiner ersten richtigen Verwandlung waren ihm noch gut in Erinnerung Zum Beweis, dass er es nicht geträumt hatte, musste er sich nur seine linke Schulter ansehen, die er sich selbst aufgerissen hatte. Mittlerweile waren zwar nur noch die fünf Narben, die er sich mit seiner Klaue zugefügt hatte zu sehen, aber sie erinnerten ihn doch immer daran, wie gefährlich er inzwischen während der Vollmondphase war.

Die unsichtbare Barriere die Onkel Vincent, wie sie Dr. Suave seid nun drei Jahren nannten, errichtet hatte, funktionierte. Sobald er sich dem dunklen Mondgestein näherte erlahmten seine Kräfte und nur mit Mühe gelang es ihm am Anfang sich wieder aus ihrem Einflussbereich zu entfernen. Mittlerweile kannte er aber sein Revier so gut, dass er kaum noch durch die Steine beeinträchtigt wurde.

Wieder sprangen seine Gedanken und führten ihn zu seinem elften Geburtstag. Er stand in seinem Zimmer, gezeichnet von seinem monatlichen Leiden das ihn nun seit sechs Jahren immer wieder heimsuchte. Seine braunen Augen, die er von seiner Mutter geerbt hatte, waren in der Zwischenzeit zu einem hellen Grau gewechselt. Auch sein volles haselnussbraunes Haar hatte eine hellgraue Strähne bekommen, die ihm immer wieder ins Gesicht fiel. Er war blasser als sonst, was aber nicht weiter verwunderlich war, da Vollmond erst zwei Tage zurück lag. Die Auswirkungen des Mondes waren für ihn immer früher und dann auch länger spürbar geworden. Der Wolf in ihm war stark geworden und hatte ihn auch während der restlichen Zeit ohne Verwandlung weiter verändert. Sein Gehör war feiner geworden, sein Sehen bei Nacht war nun fast permanent mit dem am Tage gleichzusetzen und auch Geruchs- und Geschmacksinn hatten sich verstärkt.

„Remus, Schätzchen", rief seine Mutter aus dem Wohnzimmer. „Komm bitte runter unser Besuch ist da und möchte das Geburtstagskind sehen."

Besuch? Welcher Besuch? Seit Onkel Vincent vor einem Jahr gestorben war, hatten sie nie Besuch gehabt und auch davor war höchstens er und manchmal ein Heiler vom St. Mungo´s ins Haus der Lupins gekommen. Er war so isoliert aufgewachsen. Richtig kannte er nur seine Eltern und Onkel Vincent. Die Heiler, die manchmal zu Besuch waren, hatten ihn immer nur als Forschungsobjekt betrachtet und so war seine Sympathie für unbekannten Besuch gering. Aber er konnte seinen Eltern keinen Vorwurf machen. Abgesehen von einigen unangenehmen Begebenheiten hatte er eine einsame aber schöne Kindheit. Er liebte seine Bücher die ihm von der Welt erzählten, die seinen Geist beflügelten und seine magischen Fähigkeiten forderten. Seit er acht war wusste er, dass er wahrscheinlich nie eine Zauberschule besuchen konnte und so unterrichtete seine Mutter ihn in den Fächern die er nicht aus Büchern lernen konnte. Remus wurde nervös. Wer würde heute an seinem Geburtstag hier auftauchen und warum? Aber dadurch, dass er in seinem Zimmer herumstand würde er nie herausfinden, wer dieser Besucher war und was er von ihnen wollte. Also machte er sich auf den Weg nach oben und betrat das Wohnzimmer.