3. Morgengrauen! **Donnerstag - 13 Februar 1997**

"Argh!", hauchte sie noch bevor sie die Augen geöffnet hatte, doch der raue Klang ihrer Stimme bewies ihre schlimmsten Befürchtungen.

Sachte öffnete sie ihre viel zu schweren Lider und blinzelte einen Moment gedankenversunken an die weiße, rissige Decke. Kleine, feine Adern zogen sich an ihrer Oberfläche durch den Raum.

Ein leises Seufzen folgte, als sie die Augen etwas zusammen kniff und dann wieder gänzlich öffnete. Ihr Kopf schmerzte und ihre Kehle brannte vor Durst. Nein, es war Malfoys Kopf der schmerzte und auch Malfoys Kehle die brannte. Doch es war sie, die es spürte, denn momentan war dies ihre vorrübergehende Lebenshülle. So merkwürdig das auch klingen mochte.

Hermione hatte nicht viel über Seelenwanderung gelesen oder gehört, was wohl hauptsächlich daran lag, dass diese Art von Magie seid 1546 verboten war. Es war eine lange Zeit der Verhandlungen voraus gegangen, zwischen den Orden der schwarzen und der weißen Magie, welche heute vom Ministerium ersetzt wurden, bis diese sich schließlich auf ein Verbot geeinigt hatten.

Zu viele Magier hatten diese Art der Magie ausgenutzt um Krankheiten, Tod oder auch Todesstrafen auszuweichen. Denn war eine Seelenwanderung einmal vollzogen, ließ sie sich normalerweise nicht nachweisen und nur mit Einwilligung beider oder aller Parteien rückgängig machen. Natürlich wurde ein Körpertausch auch oft als Strafe verwendet, indem man einfach eine Seele zur Flucht aus ihre gewohnten Hülle zwang und diese gefangen nahm. In etwa in den Körpern von kleinen, hilflosen Tieren...

Sie stöhnte ein weiteres Mal schmerzvoll, während sie sich langsam aufrichtete.

"Es fühlt sich an wie ein Muskelkater. Pomfrey sagt es ist normal, weil die ganze Sphäre meines Körpers anders ist als bei deinem. Unsere Seelen müssen sich erst einmal... daran gewöhnen...", Malfoy lachte neben ihr heiser und legte den Kopf in seine linke Hand, die bis gestern um diese Zeit noch zu ihr gehört hatte.

Das ehemalige Mädchen musterte ihren Erzfeind, welcher sich gerade ihre Locken in den Nacken warf, eine ganze Weile stumm. Es war mehr als nur merkwürdig sich selber aus dieser Perspektive zu sehen. Es war, als würde sie in einen Spiegel sehen, der nicht existierte. Eine Gänsehaut durchfuhr ihren neuen Körper und Übelkeit stieg in ihrer Kehle hoch. "Das ist verrückt.", keuchte sie schwach und kletterte langsam aus dem Bett, um einige Schritte zu gehen.

Es war eigenartig. Heute Nacht fühlte es sich an, als würde sie in diesem Körper schweben, jede Bewegung war dumpf und fühlte sich fremd an. Doch nun konnte sie jede Bewegung spüren, welche schwerfällig ihrem Verstand entsprang, welcher allem Anschein nach schwer mit der viel zu schnellen Änderung ihrer Körpergröße, ihrem Gewicht und sicherlich auch des Geschlechts zu kämpfen hatte. Ihre Beine schliffen müde über den Boden, ihre Arme fühlten sich ungewöhnlich schwer an und jeder Muskel war verspannt und verkrampft. "Hat sie gesagt wie lange es dauern wird?"

Malfoy schüttelte den Kopf, jedoch ohne aufzusehen.

Hermione ließ sich kraftlos in einen der Stühle auf der anderen Seite fallen und bewegte langsam ihren Hals. Die Wirbel knackten leise und sie versuchte sich ein heiseres Lachen zu verkneifen, doch es gelang ihr nicht ganz. Das hier war mehr als nur grotesk. Sie war gefangen im Körper eines jungen Mannes, dazu noch in dem ihres Erzfeindes, doch obwohl dieser Körper gerade erst zarte 17 Jahre alt war, fühlte sie sich als wäre er mindestens 150.

"Was ist so lustig, Granger?", zischte der Slytherin wütend und blickte sie durch dunkelbraune Augen stechend an.

"Nichts!", erwiderte sie kopfschüttelnd. "Es sind nur die Nerven."

Malfoy antwortete mit einem schwachen Nicken.

"Wie geht es deinen?"

"Meinen was?"

"Deinen Nerven. Du warst heute Nacht etwas durch den Wind."

"Wundert dich das?"

"Nein."

Dann brach wieder Schweigen an und sie blickte einige Zeit verstohlen aus dem Fenster. Draußen schien die Sonne und sie fragte sich, wie spät es wohl sein mochte. Sie waren seid gestern morgen hier, es musste mindestens Mittag sein. Hatten sie wirklich so lange geschlafen? Über 24 Stunden, ohne sich auch nur ein kleines Bisschen erholt zu fühlen?

"Sie sind wach!", holte sie Madam Pomfreys Stimme zurück in die Wirklichkeit. Die Krankenschwester legte auf beide Betten zwei schwarze Bündel und blickte dann seufzend zu Boden. "Albus sagte, wenn sie wach sind und es ihnen soweit wieder gut geht können sie gehen. Geht es ihnen gut?", sagte sie schroff und blickte fragend in die Runde.

"Sicher.", schnarrte Malfoy herablassend. Hermione zog unglaubwürdig eine Augenbraue hoch.

Die Krankenschwester seufzte mitleidig. "Gut, dann ziehen sie sich an. In ihren Zimmern werden sie etwas zu essen vorfinden.", sagte sie jedoch schroff und verließ die Krankenstation wieder. "Ich und Albus sind jederzeit für sie da, sollte es Probleme geben.", rief sie ihnen zu, bevor sie die Tür hinter sich schloss.

Hermione zog zitternd die Luft ein und richtete sich langsam auf. Malfoy blickte regungslos zu Boden. Wahrscheinlich war er sich dieser Tatsache schon vor längerem bewusst geworden. Doch sie traf es erst jetzt und zwar wie ein harter Schlag, mitten in die Magengegend.

Sie hustete verlegen, als sie ihr Bett erreichte und vorsichtig über das Stoffbündel strich. Es war Malfoys Umhang und seine Kleidung. Vor dem Nachttisch standen seine Schuhe. "Uns bleibt wohl nichts anderes übrig, als...", ihr schien mit jedem Wort mehr und mehr Blut in den Kopf zu schießen.

"Sieht so aus.", erwiderte er matt und schwang die Beine über die Bettkante, um sich etwas umständlich das Nachthemd über den Kopf zu ziehen. Hermione atmete einige Male tief durch, bevor sie anfing das Hemd ihres Pyjamas aufzuknöpfen...

**

Ohne große Probleme und vor allem ohne zusammen gesehen zu werden, erreichten sie die Räume der Schulsprecher im dritten Stock. Im Grunde war dies kein Wunder, denn alle anderen Schüler hatten gerade Unterricht. Dennoch streunten genug Schwänzer, Lehrer und Filch durch die Gänge. Dennoch war ihnen das Glück wenigstens heute hold.

"Passwort?", hauchte die Statue, in Form eines kleinen Mädchens mit Harfe, am Eingang kichernd und musterte sie skeptisch. "Drachenherz", antwortete Granger errötend und Draco zog ebenso skeptisch eine Augenbraue hoch. Suchten sich die Schulsprecher das Passwort nicht selber aus?

Das Mädchen kicherte und schüttelte ihren steinernen Kopf. "Du gehörst nicht hierher." Dann blickte sie erwartungsvoll Draco an. "Drachenherz", wiederholte er mit seiner neuen, weiblichen Stimme und das Mädchen machte immer noch kichernd den Weg frei.

"Was war das?", fragte er herablassend, als sie den Gemeinschafts-, oder auch Aufenthaltsraum, betraten.

Granger errötete erneut und er blickte gequält in eine andere Richtung. Er hasste es sich erröten oder gar heulen zu sehen und in den letzten Stunden war dies mehr als genug passiert. "Was? Beth? Sie ist immer so aufgedreht.", hörte er sich selber nervös erklären. Es bereitete ihm immer noch eine Gänsehaut, sich selber von *außerhalb* zu sehen und sprechen zu hören.

"Nein, das Passwort!", sagte er beiläufig, während er die große und einladende Ledercouch vor dem Kamin begutachtete. Er hatte sich die Gemächer der Schulsprecher luxuriös vorgestellt, aber das hier sprengte alle seine Erwartungen. Wenigstens etwas gutes musste es ja haben, in diesem schrecklichen Körper zu stecken.

"Ach das. Das hat Robin ausgesucht.", antwortete Granger hektisch und stürmte zur Treppe links, was einen Augenblick die Befürchtung in ihm auslöste, sie würde sich und seinen Körper gleich eine entsetzliche Bauchlandung machen lassen. Doch glücklicherweise, und ebenso überraschend, hielt sie sich auf den Beinen. "Komm, ich zeig dir m-dein Zimmer.", murmelte sie am Absatz und stieg dann langsam die Stufen hinauf.

Draco folgte ihr langsam und etwas vorsichtig. Es fühlte sich mehr als merkwürdig an zu gehen und irgendwie fühlte sein Schritt sich ungewöhnlich... leer... an. Was ja eigentlich kein Wunder, sondern schmerzende Tatsache war. Selbst wenn seine Seele sich irgendwann an diese Hülle gewöhnen mochte, sein Verstand würde es nie und er hoffte, dass diese Situation sich so schnell wie möglich wieder rückgängig machen würde.

Grangers Zimmer war schlicht, aber dennoch deutlich weiblich eingerichtet. Mit zusammen gezogenen Augenbrauen musterte er die Kommode, auf der einige Bücher, aber auch Schminkutensilien und Bürsten zu sehen waren. Auch wenn es nicht mal annähernd so viele waren wie bei seinen Eroberungen, doch Granger war von eh und je ein kleines Mauerblümchen gewesen. Daran hatte sich auch nichts geändert, als sie in der fünften Klasse damit begonnen hatte sich ab und wann zaghaft zu schminken und ihr Haar vorteilhafter zu frisieren.

In den Regalen waren überwiegend Bücher - wie war es auch anders zu erwarten gewesen- und auf dem Bett saß ein großer, hässlicher Stoffbär. "Was ist das?", fragte er spöttisch und abermals machte ihn der Klang seiner Stimme fast wahnsinnig.

"Es ist von Ron.", sagte sie beiläufig und öffnete ablenkend den Kleiderschrank. "Hier sind meine Uniformen drin und auf der anderen Seite meine Freiz..."

"Granger, ich werde mich nachher selber umsehen, ich finde schon was ich brauche.", fiel er ihr unsanft ins Wort und öffnete die Tür, welche sich direkt auf der rechten Seite, neben der Kommode, befand.

"Da ist das Bad.", erläuterte Granger.

"Das sehe ich.", sagte er matt und schloss die Tür wieder. Dann blickte er sie einen Moment schweigend an. Sie strich sich nervös einige Strähnen hinter die Ohren und er hatte stark den Drang sie ihr vernünftig zu richten, verkniff es sich aber. "Hast du irgendwas...", er zog scharf die Luft ein, bevor er fortfuhr. "...mit Sankt Potter, Wiesel oder irgendwem sonst?" Seine Augen hafteten auf einigen Fotos auf dem Nachttisch, welche sie mit dem Rest des goldenen Trios zeigte.

Granger schluckte deutlich hörbar und blickte ihn verständnislos an. "Warum willst du das wissen?"

"Nicht das ich vorhätte deine Beziehungen normal weiterzuführen, aber ich denke ich sollte es wenigstens wissen."

Granger schüttelte schwach den Kopf und errötete heute schon zum tausendsten Mal. Draco seufzte genervt. "Könntest du wenigstens annähernd versuchen einen guten Draco Malfoy zu spielen?", zischte er.

Einen Moment blickte sie ihn durch dunkelgraue Schleier an. Dann zog sie scharf die Luft ein. "Andere Rollen, geistreichere zum Beispiel, würden mir besser liegen. Aber, ich werde mein bestes geben, wenn du das auch tust.

"Das tue ich immer."

"Das ist nicht genug."

Draco atmete ein paar Mal tief durch und schritt dann langsam hinüber zum Bett, um sich darauf nieder zu lassen. Die Federn quietschten leise unter seiner Last. "Ok, schließen wir einen Packt. Oder etwas ähnliches. Du gibst dein Bestes um *ich* zu sein und ich werde alles geben um eine möglichst glaubwürdige Version deiner Person abzugeben."

Die junge Frau, nunmehr der junge Mann, blickte einen Moment grübelnd zu Boden. "Lass uns noch ein paar Klausen einbauen.", sagte sie schließlich. Er nickte genervt.

"Ähm... Da wir nun... Ich meine, wir sind einige Zeit in diesen Körpern gefangen und wir müssen sie... hm... pflegen und so...", sie machte ein paar undeutliche Gesten mit Armen und Augen.

"Worauf willst du hinaus?", fragte er skeptisch und sie errötete erneut, doch um einiges heftiger, als die unzähligen Male zuvor. Doch das scherte ihn gerade nicht. Er konnte ahnen was Granger meinte, auch wenn sie in Rätseln sprach.

Diese hustete einmal verlegen, bevor sie langsam fortfuhr. "Naja... waschen und... duschen...baden und...so..."

"Waschen ist Ok..." Draco atmete etwas gequält aus. "... duschen und baden muss wohl sein, wenn wir wirklich mehrere Wochen so...festsitzen...", er stockte und spürte die quälende Wärme in seine, nein Grangers verdammten Wangen steigen. "Was das *und so* angeht..." Einen Moment blickte er zu Boden, während Granger verschämt zum Fenster starrte. "...wenn du es wagst mich irgendwie...*anzufassen*... oder ähnliches, wirst du es bereuen... *bitter* bereuen..."

**

Malfoy hockte auf ihrem Bett, in ihrem Körper und starrte sie durchdringend, mit zart geröteten Wangen, durch ihre eigenen Augen an.

Hermione lächelte erleichtert und beschämt zugleich. "Ok, dann sind wir uns einig. Klausel Nr. 1: Wir geben unser Bestes und Klausel Nr.2: Kein *und so*. Weitere Klauseln können wir später noch einbauen."

Der Lockenschopf nickte zustimmend, wenn auch immer noch mit einem tötungswilligen Blick auf dem Gesicht. Hermiones Blick streifte den Spiegel, es war eigenartig den *echten* Malfoy so verletzlich zu sehen. Seine Wangen waren stark gerötet, sein Haar wirr und seine Augen wirkten müde und trübe. Ein Klos bildete sich in ihrem Hals, bis sie sich selbst daran erinnerte, dass das was sie sah momentan nicht Malfoy, sondern *ihr* Spiegelbild war. Und doch irgendwie Malfoy...

Ein markerschütterndes Knacken von Gelenken ertönte, riss sie aus den Gedanken und sie blickte verwirrt zum Bett. Malfoy hatte sich der Länge nach auf diesem ausgebreitet und alle Viere von sich gestreckt. "Es ist zum Kotzen.", stöhnte er leise, bevor er wieder die Augen öffnete, welche er zuvor noch geschlossen hatte.

Hermione nickte zustimmen, auch wenn das nicht der richtige Ausdruck für ihre Situation war. Das hier war schon nicht mehr zum Kotzen. Soviel konnte sie nicht essen, wie sie kotzen wollte...

"Ok, ich bin müde und ich will dich wirklich nicht loswerden.", er blickte sie an, ohne wieder aufzustehen. "Zugegeben doch, aber nicht ganz... Du verstehst schon..."

"Ich verstehe.", erwiderte sie zustimmend. Sie hatte keinen Nerv weiter mit Malfoy einen Raum zu teilen, aber noch weniger wollte sie ihm schutz- und machtlos ihren Körper überlassen. Doch welche Wahl hatte sie?

"Weißt du wo unser Gemeinschaftsraum ist?"

"Naja..."

"Wunderbar. Das Passwort ist "Manticor" und dein Zimmer ist am Ende der Treppe, die nach oben führt. Die in der Mitte.", sagte er leise und zog seine Beine an, welche ächzend krachten. "Scheiße...", murmelte er, während sie langsam das Zimmer verließ.

"Ach ja, sei bitte freundlich zu Sankt Potter und Wiesel, Malfoy! Sonst bin ich unfreundlich zu Doggengesicht und deinen Gorillas.", warf sie bissig über ihre, um einiges breitere Schulter, als gewohnt und zum ersten Mal seid Stunden klang ihre Stimme wirklich wie die von Malfoy.

Dieser stöhnte vom Bett aus auf und sie hörte leise das Kissen rascheln. Wahrscheinlich hatte er den Kopf etwas gedreht. "Ich werde es versuchen. Noch was, egal was Doggengesicht dir erzählt, sie ist *nicht* meine Freundin."

"Und halte dich an die Klauseln, Malfoy!"

Er lachte bitter. "Keine Sorge, ich habe nicht den Drang diesen Körper mehr anzufassen als nötig..."

Hermione spürte wie ihr erneut das Blut in den Kopf schoss. Doch dieses Mal aus Wut und nicht aus Scham. Ohne etwas zu erwidern, verließ sie den Raum und schritt langsam und immer noch etwas unbeholfen die Gänge entlang.

Sie hatte die Kerkergewölbe noch nicht einmal erreicht, als sie es schon bereute...