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- Einige Stunden zuvor -

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Die Sonne war noch nicht aufgegangen.

Es war dunkel. Kalt.

Und auch der seit mehreren Stunden ununterbrochen anhaltende Regen schien einfach nicht nachlassen zu wollen.

Durchgeweicht bis auf die Knochen glitt die komplett in schwarz gekleidete Person über den seit Jahrzehnten verlassenen und heruntergekommen Friedhof, die ebenfalls schwarze Kapuze so tief ins Gesicht gezogen, dass die darunter befindliche schneeweiße Todessermaske nur noch zu erahnen war.

Fast 2 Jahre war es nun her, als er das letzte Mal hier gewesen war.

2 Jahre, in denen er nicht Nacht für Nacht befürchten musste, dass der plötzliche, brennende und stechende Schmerz in seinem linken Unterarm ihn unweigerlich daran erinnerte, wer er war und was er zu tun hatte.

Nächte die, so wahr er dem Ruf des Dunklen Lords folge leistete, für ihn meist schmerzvoll aber informativ endeten.

Informationen für die er lebte.

Und er wusste: Die Offenbarung in wessen Diensten er wirklich stand, würde ihn früher oder später das Leben kosten.

Früher, wenn er zur falschen Zeit nicht konzentriert genug war und somit Voldemort, der ein begnadeter Okklumentor war, die Chance gab, die Mauer, die ihn selbst sowie auch Hogwarts und den Orden schützte, einzureißen.

Später, wenn es zum unvermeidlichen, finalen Endkampf zwischen den Guten, zu denen er mittlerweile ohne Zweifel gehörte, und der dunklen Macht kommen sollte, in dem er Seite an Seite mit dem Schulleiter Hogwarts, Albus Dumbledore, den anderen Mitgliedern des Ordens und wahrscheinlich sogar zusammen mit Harry Potter gegen Voldemort und dessen Todesser kämpfen würde.

Ein Verräter wie er es war, überlebte ein solches Zusammentreffen für gewöhnlich nicht.

Dafür würde Voldemort sorgen.

Severus Snape lächelte bitter in sich hinein, als er schnellen Schrittes Grabstein für Grabstein hinter sich ließ und auf das große, verfallene Gebäude, dass früher allem Anschein nach so etwas wie eine Totenkammer für kürzlich Verstorbene gewesen war, zusteuerte.

Heute glich es nur noch einer Ruine.

Der Regen hatte noch immer nicht nachgelassen, war sogar noch stärker geworden und Severus war sich nicht sicher, ob das Zittern, dass bei jedem Schritt seine Gliedmaßen unangenehm durchfuhr, einzig und allein von der nassen, kalten Kleidung, die klamm an seinem Körper klebte, herrührte oder ob es tatsächlich etwas anderes war.

Etwas wie Angst.

Rasch konzentrierte er sich so gut er konnte.

Leerte seinen Geist.

Furcht war nicht gerade das angebrachteste Gefühl wenn er in wenigen Minuten dem Dunklen Lord gegenüberstehen würde.

Die Gefahr, dass Voldemort wie so oft in die Köpfe seiner Untergebenen eindrang um diese auf ihre absolute Loyalität zu überprüfen, war einfach zu groß.

Severus konnte sich solche Emotionen schon seit Jahren nicht mehr leisten wenn er nicht schwach und verletzlich sein wollte.

Und er hatte es gelernt.
Gelernt bis zur Perfektion.

Die Angst verschwand.

Er lächelte ein weiteres Mal, diesmal fast bedauernd, gegen seine weiße Maske, als er daran dachte, wie alles angefangen hatte.

Es war so lange her.

Wie jung und naiv er doch damals war, als er sich zusammen mit den meisten seiner Slytherin-Mitschüler nach dem Schulabschluß den Todessern um Voldemort angeschlossen hatte.

Respekt und Ansehen.

Das war es, was er sich erhoffte, sich so sehr gewünscht hatte.
Etwas, dass er trotz seiner außergewöhnlichen Leistungen in der Schule und den überdurchschnittlichen Kenntnissen was Flüche, Zaubersprüche, schwarze Magie und Zaubertränke anging, niemals bekommen hatte.

Alles was er war, war der sonderbare Streber.
Der merkwürdige, dünne, fahlhäutige Junge, der seine aristokratische Nase lieber in die Schulbücher steckte, als Quidditch zu spielen oder irgendwelchen nervenden Mädchen zu imponieren.
Der durchgeknallte Freak eben.

Gut, einige wenige seiner Klassenkameraden, ausnahmslos irgendwelche unbeliebten Außenseiter wie er einer war und ein paar der Schüler aus den unteren Jahrgängen respektierten ihn.
Oder besser gesagt: Sie hatten Angst vor ihm.
Angst, dass er einem von ihnen bei dem kleinsten falschen Blick, der unscheinbarsten Bewegung, einen der unverzeihlichen Flüche auf den Hals jagte, welche er zweifellos allesamt beherrschte.

Und dennoch konnte er nicht leugnen, dass es ihm gefiel.

Er genoss es regelrecht, wenn die meisten dieser unwürdigen Schwächlinge nervös zur Seite sprangen und ihn ehrfürchtig dreinblickende Augenpaare verfolgten wenn er vorbeilief.
Meistens reichte einer seiner furchteinflössenden Blicke, die er sich bis heute bewahrt hatte, um innerhalb von Sekundenbruchteilen einen ganzen Bibliothekstisch für sich alleine zu haben.

Oh, wie er Gesellschaft schon damals verabscheute.

Manche Dinge hatten sich nicht geändert.
Andere wiederum, so wünschte er sich oft, hätte er am liebsten ungeschehen gemacht.

Oder wenigstens nach Zauberergesetz dafür gebüßt.

Auch wenn dies seinen Tod durch den Kuß der Dementoren oder die jahrelange Gefangenschaft in einer der dunklen, engen Zellen Askabans bedeutet hätte.

Wie viel Unrecht hatte er im Laufe dieser Jahre nur walten lassen.
All die Männer und Frauen.
Die Kinder.

Manchmal verfolgten ihre schmerzverzerrten Gesichter ihn noch heute und was würde er nicht alles dafür geben, jedem von ihnen sagen zu können, dass es ihm leid tut.

Nur, wie entschuldigt man sich bei den Toten?

Severus wusste es nicht.
Aber er wusste was er zu tun hatte.
Er würde Dumbledore und der guten Seite helfen Voldemort zu stürzen.
Das war das einzige was übrig blieb und wozu er nützlich sein konnte.

Allein die Aufnahmezeremonie in den Kreis der Todesser hätte ihn stutzig machen sollen.
Die seltsam unterwürfigen, schwarzen Gestalten, die regelrecht auf Knien krochen.
Das unwiderrufliche Einbrennen des Dunklen Mals.

Doch ein Mann namens Lucius Malfoy, der ein paar Jahre älter war als er selbst und schon längere Zeit zu den Handlangern des Dunklen Lords gehörte, ermutigte ihn.

Und Severus' Zuversicht war zurückgegehrt.

Erst als der unverzeihliche Cruciatus zum ersten Mal seinen Körper wie abertausende von Messerstichen durchdrang, er sich zu Füßen seines Herren vor Schmerzen wandte und das Gefühl hatte nie wieder über sich selbst bestimmen zu können, begriff er.

Aber es gab kein Zurück mehr.
Er hatte sich entschieden.

Er war Todesser und er würde als solcher leben.
Oder sterben.

Wahrscheinlich wäre Letzteres bereits vor geraumer Zeit eingetreten, wenn Dumbledore nicht gewesen wäre.
Albus Dumbledore.
Der berühmte, gutherzige und vor allem manchmal etwas zu gutgläubige Zauberer.
Und nebenbei gesagt: Der einzige, den Voldemort jemals fürchtete.

Severus erinnerte sich noch genau an den Tag, an dem er der dunklen Seite für immer abgeschworen hatte.

Er war Anfang 20 gewesen und soeben am tiefsten Punkt seines jungen Lebens angekommen, den man sich nur vorstellen konnte.

Die Bestrafungen durch den Dunklen Lord waren an diesem Tage, sowie auch schon in den davor vergangenen Wochen so schrecklich und unvorstellbar grausam gewesen, dass der Tod, wie langsam und quälend er auch kommen mochte, ein Geschenk dagegen sein musste.

Severus war mehr tot als lebendig, als er mit allerletzter Kraft in den verbotenen Wald apparierte und dort schließlich schwerverletzt zusammenbrach.
Warum genau er an diesem besagten Tag ausgerechnet dorthin geflohen war, wusste er bis heute nicht.

Schicksal, würden manche vielleicht meinen.

Albus Dumbledore war es, der den halbtoten, blassen und abgemagerten Jungen schließlich fand und wider der Meinungen anderer Lehrer, bei sich aufnahm.
Er kümmerte sich wirklich aufopferungsvoll um ihn, gab ihm Essen, Medizin und sogar eigene Räume in denen er sich bei Bedarf jederzeit zurückziehen konnte.

Dumbledore behandelte ihn mit der Zeit wie seinen eigenen Sohn.

Es dauerte jedoch nicht lange, bis das Ministerium, wahrscheinlich durch die Aussage eines erst kürzlich gefangenen Todessers, an Severus' Namen gekommen war und noch weniger lang dauerte es, bis der damalige Zaubereiminister mitsamt Anhang vor den Toren Hogwarts aufkreuzte und die Auslieferung des Ex-Todessers verlangte.

Und natürlich kam es wie es kommen musste.

Severus wurde der Prozess gemacht und jedes Kind wusste, was für eine Strafe einen Todesser, ob ehemalig oder nicht, erwartete.

Um so erstaunlicher war es also, dass Albus Dumbledore nur mit Hilfe seiner großartigen Überredungskunst und einigen scheinbar wirksamen Appellen an die Richter und die Anwesenden, das zu schaffen vermochte, was niemand mehr für möglich hielt.

Am allerwenigsten Severus, der Dank des gutherzigen, alten Zauberers ein weiteres Mal vor dem Tode bewahrt geblieben war.

Doch zu welchem Preis?

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So, das war das erste Chapter ... im nächsten erfahren wir, was genau Voldemort eigentlich diesmal im Schilde führt und ich sag euch, er hat nen echt bösen Plan, den Severus ganz und gar nicht toll findet und bei dem auch Draco eine kleine Rolle spielen wird -g-

Vorausgesetzt natürlich ihr wollt es überhaupt wissen :o)