Epilog
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Einhundertfünfzig Jahre Später
Harrry lachte schallend los. "Das gibt's nicht, das ist genial!", prustete er. Es war erstaunlich, wie kräftig seine Stimme noch klang, für einen Mann seines Alters. "Fred, George, ihr seid die Größten! Auf euch!" Und er lehrte sein Rotweinglas in einem Zug. Die beiden Zwillinge, die man inzwischen darin unterscheiden konnte, dass George, im Gegensatz zu Fred, noch ein paar wenige Haare auf dem Kopf hatte, grinsten sich an. "Das Beste kommt ja erst noch, altes Haus." - "Was denn?", erkundigte sich Harry amüsiert und biss genüsslich von seinen Hühnchen ab...
AN: Nein, sooo plump mache ich das Ganze dann doch nicht! Sorry, kon- wollte es mir einfach nicht verkneifen ;-)). Fangen wir nochmal von Vorne an:
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Sieben Jahre waren seit dem endgültigen Tod Lord Voldemorts vergangen, der nun meistens Tom M. Riddle genannt wurde, jetzt wo sein wahrer Name publik und sein selbsterwählter immer noch gefürchtet war. Vieles hatte sich verändert in der Welt der Zauberer, das meiste zum Guten, doch einige Entwicklungen waren - zumindest in Harrys Augen - gegensätzlicher Natur.
Der Name Harry Potter war zum Synonym für Heldentum geworden, 'potter' insbesondere, war als Adjektiv für mutig, heldenhaft, aber auch hart im Nehmen oder spektakulär, in den Zaubererslang, besonders der jungen Generation, aufgenommen worden. Wohl eines der größten Lobe, mit denen man einen geglückten Stunt auf dem Quidditchfeld oder eine gewonnene Auseinandersetzung mit Lehrer oder Mitschüler bewertete, lautete: Das war wirklich potter von dir.
Harry hatte zu Anfang versucht, mit dem neuartigen Gebrauch seines Namens klarzukommen, sich daran zu gewöhnen, war aber kläglich gescheitert. Inzwischen ignorierte er ihn gekonnt. In seinem alltäglichen Leben beeinträchtigte es ihn kaum. Die Narbe auf seiner Stirn war fast zur Unkenntlichkeit verblasst, seine Kurzsichtigkeit hatte er in einem Selbstexperiment mit Heilmagie behoben, was eine Brille überflüssig gemacht hatte, und sein rabenschwarzes Haar trug er so kurz, dass es keine Chance hatte, wie früher in alle Richtungen abzustehen. Ein kleines Bärtchen unterhalb der Unterlippe, vervollständigte die Erscheinung des jungen Zauberers. Wenig an seinem Äußeren erinnerte noch an den 'Jungen der lebt' und da das Bild, welches ihn auf den Schokofroschkarten zeigte, noch aus dem siebten Schuljahr stammte, und die meisten Zauberer nie ein anderes Foto von ihm zu Gesicht bekommen hatten, wurde er selten erkannt.
Es war ihm mit Dumbledores Hilde gelungen, den Bau des Denkmals, das man ihm zu Ehren in der Winkelgasse hatte aufstellen wollen, zu verhindern. Wobei man vielleicht noch erwähnen sollte, dass er die Zauberer, die gekommen waren, um für die Marmorstatue Maß zu nehmen, einfach nicht an sich herangelassen hatte. Stattdessen war ein Mahnmal gebaut worden, das an die Zeiten des Terrors und die Zauberer, die aufgestanden waren, um ihre Welt zu verteidigen, erinnerte, und die Namen aller, die sich am Kampf gegen Voldemort aktiv beteiligt hatten, waren dort verewigt worden. Der Name Harry Potter war auf der vierten Seite des quadratischen Sockels zu finden, direkt über den Namen James und Lily Potter, ein Umstand, der allein dem Alphabet zuzuschreiben war.
Harry hatte versucht, sich aus dem Wirbel so weit es ging herauszuhalten. Fünf Tage nach dem Tod Tom M. Riddles war er, wundersamerweise, aus seinem Koma erwacht, kurz bevor sein totgeglaubter Patenonkel - offensichtlich verwirrt und ohne einen blassen Schimmer, was geschehen oder wie er dort hingekommen war - in den südlichen Gebirgsregionen Perus wieder aufgetaucht war.
Nur ein kleiner Kreis von Personen kannte eine andere Version der Ereignisse und nur ein sehr geheimer Bericht in den Archiven des Ministeriums, und ein etwas ausführlicherer in Dumbledores Unterlagen (dessen Darstellung der Geschehennisse, dank Tonks, von der im Ministeriumsbericht leicht abwich), dokumentierten etwas anderes.
Harry hatte sich nicht darum gekümmert. Er hatte den Orden der Merlin erster Klasse angenommen, Sirius' Erbschaft rückgängig machen lassen und hatte sich mit Feuereifer in die Vorbereitungen für seine NEWTs gestürzt, weniger aus Ehrgeiz, als um dem Trubel zu entkommen.
So war es denn auch nicht verwunderlich gewesen, dass er tatsächlich die, für die Aurorenausbildung erforderlichen, fünf E's bekommen hatte und nach diversen Tests seiner Fähigkeiten und Charaktereigenschaften zur Ausbildung zugelassen worden war, wobei ihm einer seiner Prüfer später im Vertrauen mitgeteilt hatte, dass man ihn auch ohne Schulabschluss genommen hätte.
Zu der erhofften Aussprache mit Ginny war es nie gekommen. Sie war während der Zeit im Krankenflügel fast nicht von seiner Seite gewichen, genauso wenig wie seine beiden besten Freunde. Sie waren bei ihm geblieben, obwohl er ganze 24 Stunden durchgeschlafen hatte. Dumbledore hatte den Dreien mit einem Zwinkern den Freitag frei gegeben und sie hatten die Zeit genutzt, um Harry bei seinen ersten, leicht wackeligen Schritten durch die Krankenstation zu helfen. Er hatte sich erst langsam wieder an den Gebrauch seines Körpers gewöhnen müssen. Und so war er auch am nächsten Tag nicht nach Hogsmeade gegangen, sondern hatte Ron und Hermine lediglich gebeten, ihm etwas aus dem Honigtopf mitzubringen.
Die beiden hatten zwischen den Zeilen gelesen und waren mit dem Rest der Schüler losgezogen, während Ginny mit ihm im Schloss zurückgeblieben war. Harry hatte sich aus dem Krankenflügel herausgewagt und gemeinsam waren sie eine Weile ziellos durch das Schloss spaziert, bis ihre Füße sie zum Raum der Wünsche getragen hatten. Dort hatten sich ihre Lippen wie von selbst gefunden und die noch ausstehende Aussprache überflüssig gemacht. Seit diesem Tag waren sie ein Paar und trugen jetzt schon seit bald zwei Jahren den gleichen Namen, ein Beispiel, dem Ron und Hermine vor ein paar Monaten gefolgt waren.
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"Weasley! Hey, Weasley!" Ein großer, kantiger Kopf war mit einem 'Plopp' im Kamin erschienen und wartete ungeduldig auf Antwort. Der junge Mann, der am Schreibtisch saß, sah erstaunt von dem Pergamentstapel auf, über dem er gebrütet hatte. "Ja, Todd?" Er hatte keine Ahnung, warum sein Kollege sich dazu herabließ, sich auf den Boden zu knien und den Kopf in den Kamin zu stecken, nur um mit ihm zu sprechen. Ihr Verhältnis war nicht gerade das beste.
"Ich habe hier einen Patienten, der dich sprechen will", kam die barsche Antwort aus dem Kamin. Der junge Heiler seufzte. "Todd, ich habe heute meinen freien Tag, kann das nicht bis morgen warten?" - "Nein, der alte Kauz hat ausdrücklich nach dir verlangt. Meine bescheidenen Heilkünste sind ihm wahrscheinlich nicht gut genug, er verlangt nach deiner Berühmtheit." Henry Todd spuckte die Worte förmlich aus. Er war einer der Wenigen, die mit den ungewöhnlichen Methoden und der Vergangenheit des Anderen nicht klar kamen und immer wieder darauf anspielten. "Und wenn du bis morgen wartest, könnte es zu spät sein, für den großen Dumbledore", fügte er übellaunig hinzu.
"Dumbledore liegt in St. Mungos?", rief der junge Mann ungläubig aus. "Todd, warum sagst du das nicht gleich? Ich komme sofort." Er sprang auf und polterte die wackelige Treppe des Fuchsbaus hinunter, um sich im Flur ein paar Schuhe anzuziehen. Keine halbe Minute später, erschien er im Apparierzimmer des Krankenhauses und passierte die magische Schleuse. Seit Beginn des zweiten Krieges war ein neues Sicherheitsbedürfnis entstanden, und die Maßnahmen, die man damals ergriffen hatte, waren nie wieder aufgehoben worden. Nachdem er sich von dem immer noch schlecht gelaunten Todd die Zimmernummer hatte sagen lassen, stürmte er los.
Schwer atmend stand Harry vor der Tür des Krankenzimmers und zwang sich, ruhig zu werden. Als sich seine Atmung wieder normalisiert hatte, drückte er vorsichtig die Klinke herunter und betrat das Krankenzimmer. Der ehemalige Schulleiter lag im Bett und schaute ihn mit seinen klaren, blauen Augen müde an. "Hallo Harry", sagte er matt. "Gut, dass du gekommen bist."
"Albus", erwiderte der Jüngere der beiden Männer, "Was machst du bloß für Sachen auf deine alten Tage?" Er legte dem alten Mann die Hand auf die Stirn und sondierte mit seinem Geist dessen Körper. Was er feststellte, erschrak ihn. Schwächeanfall. Todd hatte ihn zwar allem Anschein nach schon fachmännisch versorgt, trotzdem war es in seinem Alter fraglich, ob er die Nacht überstehen würde. "Wie fühlst du dich?", fragte er seinen ehemaligen Lehrer.
"Müde", antworte der. "Harry, sei ehrlich, wie steht es?"
Harry sah Albus ernst an. "Auf der Kippe. Aber du kannst es schaffen. Wenn du es willst."
Albus schloss die Augen und atmete einmal tief durch. "Aber du willst nicht", stellte Harry tonlos fest.
Der alte Mann öffnete die Augen und sah Harry, mit dem für ihn typisch funkelnden Blick, an. "Weißt du, ich denke, ich habe wirklich lange genug gelebt. Länger als die meisten, die ich gekannt habe. Irgendwann ist es Zeit zu gehen. Das heute hier, war wohl das Zeichen zum Aufbruch." Harry musterte seinen Mentor. Er sah alt aus, ja, aber längst nicht so alt, wie er wirklich war. Doch er strahlte nicht mehr die Kraft aus, wie noch vor sieben Jahren, als er im Kampf gegen Voldemort hatte stark sein müssen.
In den letzten Jahren war er merklich älter geworden und vor drei Jahren war er dann auch von seinem Posten als Schulleiter zurückgetreten, lange nachdem er seine anderen öffentlichen Ämter abgegeben hatte. Minerva McGonagall war nun die Schulleiterin von Hogwarts und er hatte ihr bereitwillig sein Büro überlassen, jedoch seine kleine Wohnung im Westturm behalten, da diese Schule für ihn alles, und ganz besonders ein Zuhause, bedeutete.
"Nach meinem Zusammenbruch bin ich hier wieder aufgewacht. Harry, bitte lass mich wieder nach Hogwarts verlegen. Es mag sentimental klingen, aber ich möchte gerne zu Hause sterben."
Harry nickte. "Das sollte sich einrichten lassen", sagte er mit trockener Kehle. "Möchtest du noch jemanden sehen? Soll ich irgendjemandem Bescheid sagen?"
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Harry kam an diesem Tag nur noch einmal kurz in den Fuchsbau zurück. "Harry, wo warst du die ganze Zeit? Ich dachte, du wolltest die Pläne für die Renovierung durchgehen. Außerdem warst du heute mit Kochen dran." Ginny war gereizt. Sie war heute von einer verdammt anstrengenden Schicht heimgekommen, hatte weder das versprochene Abendessen, noch ihren Mann oder auch nur eine Notiz von ihm vorgefunden und alles, was die Küchenuhr zu seinem Aufenthalt hatte sagen können, war 'unterwegs' gewesen. Auch Dobby hatte ihr nur sagen können, dass Harry, wie von der Tarantel gestochen, den Fuchsbau plötzlich verlassen hatte. Als sie seinen Gesichtsausdruck sah, sog sie scharf die Luft ein. "Harry James Weasley, was ist passiert?"
Er seufzte schwer und sah sie traurig an. "Albus wird diese Nacht sterben."
"Oh, Harry!" Sie zog ihn in ihre Arme und hielt ihn fest.
"Ist das denn so schlimm?", fragte sie.
"Nein", murmelte er in ihre Haare. "Aber er wird mir fehlen."
"Ich weiß. Er wird uns allen fehlen. Und dir ganz besonders. Wirst du nachher noch einmal zu ihm gehen?" Harry nickte. "Ja. Außerdem hat er mich zu seinem Nachlassverwalter bestimmt." Sie lächelte. "Ich denke, du warst für ihn so sehr der Sohn, den er nie gehabt hat, wie er für dich ein Großvater war."
"Hmpf", antwortete Harry. Er löste sich aus der Umarmung und sah ihr in die Augen. "Danke, Ginny." Erst jetzt bemerkte er, dass ihr Gesicht Spuren eines Kampfes trug und sich ein längerer Schnitt quer über ihre Wange zog, der aussah, als stamme er von einem Fluch.
"Anstrengende Schicht gehabt?" Sachte fuhr er mit einem Finger über den Schnitt und heilte ihn. Diese Methode war einer der Gründe, warum Kollegen wie Todd ihn nicht ausstehen konnten: Er heilte meist ohne Zaubestab, ohne Spruch, ohne Theorie, sondern ließ die pure Heilmagie direkt über Hautkontakt in den Patienten fließen. Dabei konnte er die benötigte Magie nicht nur besser dosieren, sondern auch oft dann, wenn normale Heiler mehrere verschiedene Sprüche brauchten, mit einem Zauber auskommen, da er, wie schon damals vor sieben Jahren, auf die reine, ungebändigte Magie zugriff und sie nicht durch irgendwelche Stäbe oder Sprüche in definierte Kanäle zwängte.
Ginny winkte ab. "Es ging."
Er schaute sie besorgt an. "Pass auf dich auf, ja?"
Die junge Aurorin gab ihm einen flüchtigen Kuss. "Mach ich doch immer."
"Von wegen. Du stürzt dich immer mitten ins dichteste Gewühl. Wenn du nicht aufpasst, bist du bald so vernarbt wie Mad-Eye."
"Nicht, dass du mir eine Chance dazu geben würdest, Heiler Weasley", entgegnete sie halb genervt, halb amüsiert. "Außerdem musst das gerade du sagen." Sie sah demonstrativ auf seine Stirn, auf der, bei genauem Hinsehen, noch immer die alte Narbe zu erkennen war.
Ihr eigener Entschluss, Aurorin zu werden, stammte noch aus ihren ersten Schuljahren, wobei Riddle mit seinem Tagebuch den größten Teil dazu beigetragen hatte. Nach den traumatischen Ereignissen in der Kammer des Schreckens und der Hilflosigkeit, die sie damals hatte erfahren müssen, hatte sie sich geschworen, nie wieder so naiv zu sein und eines Tages gegen die dunkle Seite zu kämpfen. Mit den Jahren war ihre Entschlossenheit immer größer geworden und seit dem Ende ihres dritten Schuljahres, als Harry plötzlich mit dem toten Cedric auf der Wiese neben dem Labyrinth wieder aufgetaucht war und panisch immer wieder wiederholt hatte, dass Voldemort zurück sei, hatte es für sie keinen Zweifel mehr über ihre Berufswahl gegeben. Schon allein aus Rache für das, war Voldemort ihr und ihren Freunden angetan hatte.
Dass sie nach dem Tod Voldemorts an ihren Plänen festgehalten hatte, hatte wohl einerseits an Harry gelegen, andererseits daran, dass der Beruf sie noch immer fasziniert hatte und es nach dem Krieg sowohl einen Mangel an Auroren gegeben hatte, als auch genug zu tun.
Molly hatte getobt. Es hatte eine unschöne und sehr lautstarke Auseinandersetzung zwischen Mutter und Tochter gegeben, schlussendlich aber hatte sich die gefürchtete Tigerin an der Sturheit ihrer Tochter die Zähne ausgebissen.
Harry hatte zwar ebenfalls eine Aurorenausbildung begonnen und sie gewissermaßen auch beendet, im Gegensatz zu Ginny hatte er allerdings nie einen Abschluss gemacht. Mit der Zeit war seine Begabung für Heilmagie, die sich seit seiner 'Wiederbelebung' immer wieder bemerkbar gemacht hatte, seinen Ausbildern aufgefallen und auf ihren Rat hin, hatte er nebenbei einen Kurs in magischer Sofort-Hilfe belegt, als Auror immer eine gute Idee.
Als im Training eines Tages seine Brille zerschmettert wurde und auch mit Magie nicht mehr zu reparieren gewesen war, war Harry am nächsten Tag ohne aufgetaucht - ein wenig müde, aber zur Überraschung aller mit einhundertprozentiger Sehschärfe. Daraufhin hatten ihm seine Ausbilder ein Angebot gemacht, das er nicht hatte ausschlagen können. Er hatte umgesattelt, den Schwerpunkt seiner Studien auf die Heilmagie verlegt, und dort auch seinen Abschluss gemacht, ohne jedoch das Aurorentraining ganz aufzugeben. Herausgekommen war ein Heiler und ein halber Auror, kurz gesagt, ein Feldheiler, der die Auroren auf Großeinsätzen begleitete.
Er hatte zwar auch ab und zu die kleine Krankenstation in der Aurorenzentrale betreut und sich allgemein um die Gesundheit der Truppe gekümmert, war aber die meiste Zeit aktiv 'draußen' mit dabei gewesen und dank seiner fast abgeschlossenen Ausbildung, auch oft genug direkt in das Geschehen mit einbezogen worden.
Vor einem halben Jahr schließlich, nachdem Ginny und er von einem längeren Auslandseinsatz in den USA zurückgekehrt waren, hatte er das Angebot, in St Mungos zu arbeiten, angenommen. Einerseits hatte er dort die Möglichkeit zu forschen, andererseits passte es ganz gut in die Zukunftspläne der Beiden. Irgendwann in nicht allzu ferner Zukunft wollten die Beiden Kinder haben und da Ginny dadurch gezwungen wäre, mindestens ein, vielleicht auch zwei Jahre Pause zu machen, war Harry in dieser Zeit ein nicht ganz so aufregender, regelmäßiger Job ganz Recht, bis er selbst seine zwei Jahre Babypause machen würde.
Obwohl das alles noch ein bisschen Zeit hatte, hatten die beiden schon angefangen, sich über die Renovierung des Fuchsbaus Gedanken zu machen, da das Weasley-Haus, trotz Magie, immer windschiefer wurde. Dass sie überhaupt dort eingezogen waren, war Molly zu verdanken, die geklagt hatte, das Haus wäre ihr alleine viel zu groß. Ginny war zuerst skeptisch gewesen und Molly hatte schwören müssen, nicht zu versuchen, ihrer Tochter irgendwelche Vorschriften zu machen. Erst dann hatte sie eingewilligt, da sie den Fuchsbau einfach liebte. Und Harry? Der war von dem leicht verrückten, total verwinkelten Haus mit dem unordentlichen Garten und seinen Gnomen schon immer begeistert gewesen.
Es war zu seinem Zuhause geworden, schon damals, als die Dursleys ihn nach dem Anschlag auf Arabella Figg hinausgeworfen hatten und die Weasleys ihn, ohne zu zögern oder einen weiteren Gedanken an die Gefahr zu verschwenden, bei sich aufgenommen hatten. Hatten sie ihn auch schon früher wie einen Sohn behandelt, war er seitdem wirklich ein Familienmitglied gewesen und es war ihm nur natürlich erschienen, Ginnys Namen anzunehmen, als das Thema zur Sprache kam. Es machte einerseits das offiziell, was schon seit Jahren war, und gab ihm andererseits die Möglichkeit, sich von dem Namen Potter zu befreien, der in den letzten Jahren immer mehr zu einer Last geworden war. Nicht, weil Harry seine Vergangenheit verleugnen wollte, nein, er akzeptierte was geschehen war und was er getan hatte. Es war die Gegenwart, die ihm zu schaffen machte. Sich selbst hatte er aus allem Wirbel heraushalten können, bei seinem Namen, war das nicht möglich gewesen. Der war ihm genommen worden, regelrecht entrissen und zum Gemeineigentum erklärt worden; ein jeder führte ihn im Munde, die Medien, die Werbung, die englische Zauberergemeinschaft in ihrem alltäglichen Sprachgebrauch. Und so hatte Harry ihn hergegeben, hatte sich von dem Namen Potter getrennt und ihn der Allgemeinheit überlassen, nicht ohne Bedauern und dem Gefühl, ein Stück seiner Identität zu verlieren, sowie einer Spur von Schuldgefühlen gegenüber seinen Eltern, ihren Namen nicht länger verteidigt zu haben. Da er andererseits ausgesprochen gern den Namen Weasley trug und sich absolut nicht mehr sicher war, dass er unter anderen Umständen, den Namen Potter behalten hätte, wischte er diese Schuldgefühle, bei den seltenen Gelegenheiten, an denen sie auftauchten, stets erfolgreich beiseite.
Er war jetzt Harry , Heiler im St. Mungos Hospital für magische Krankheiten und Gebrechen, verheiratet mit der besten Frau der Welt und verschwägert mit der tollsten Familie in der englischen Zauberergemeinschaft, sowie der klügsten Hexe Englands. Hermine hatte es sich zur Lebensaufgabe gemacht, fast vergessene, uralte, magische Schriften zu entschlüsseln, zu übersetzen und ihre Zaubersprüche auszuprobieren um sie auf ihre Tauglichkeit hin zu prüfen. Ron hatte sich eine weniger akademische, jedoch nicht minder anspruchsvolle Aufgabe ausgesucht: Mit Feuereifer und Hartnäckigkeit arbeitete er als Torhüter und Mannschaftskapitän daran, die Chudley Cannons aus ihrem Dauertief zu holen. Die beiden waren noch immer Harrys beste Freunde und die 'vier Weasleys' konnte man oft gemeinsam sehen.
Heute war Harry fast den ganzen Tag unterwegs gewesen, hatte Freunde, Bekannte und andere Leute, mit denen der ehemalige Schulleiter aus irgendeinem Grund noch einmal hatte reden wollen, aufgesucht und sie nach Hogwarts gebeten, nachdem er Dumbledore wieder in seine Wohnung zurückgebracht hatte. Nun machte er sich mit Ginny zusammen erneut auf den Weg dorthin.
Er hatte ein seltsames Gefühl des déjà-vu, als sie vor die Tore appariert waren und nun langsam zum Schloss hinauf wanderten. Das hatte er in den letzten sieben Jahren zwar schon unzählige Male getan, trotzdem fühlte er sich stark an jenen Abend im Juni 1998 zurückerinnert, als er diesen Weg gegangen war, in der Erwartung seinen eigenen 'Tod' mitzuerleben.
Sirius, seines Zeichens Professor für Verteidigung gegen die dunklen Künste und seit drei Jahren Hauslehrer von Gryffindor, erwartete sie am großen Eichenportal. Er umarmte sie beide. "Dumbledore ist oben in seiner Wohnung und wartet auf euch. Ich habe euch von seinem Fenster aus gesehen und bin runtergekommen. Mad-Eye ist auch da."
Harry war nicht überrascht. Alastor Moody war einer der ältesten Freunde Dumbledores, obwohl er um einiges jünger war, als der ehemalige Schulleiter. Ihn hatte Harry heute als Ersten aufgesucht und bei jedem weiteren Besuch im Verlauf des Tages, hatte er ihn an der Seite des Älteren angetroffen und er war ihm dankbar dafür gewesen.
Als sie in der kleinen Wohnung im Turm ankamen, saß Dumbledore in eine Decke gehüllt in einem seiner Chintzsessel und bat sie lächelnd, ebenfalls Platz zu nehmen. Den ganzen Abend über saßen sie da, redeten und erzählten. Dumbledore erzählte von Grindelwald, Moody von seinem Leben als Auror und dem ersten Krieg gegen Voldemort, Sirius von der Jugend der Marauder und Harry und Ginny berichteten von der Gegenwart. Zwar erzählten sie auch von ihren Zukunftsplänen, ihren Freunden und der Arbeit im Krankenhaus, doch die meiste Zeit ging es um die aktuellen Geschehnnisse in den USA.
Dort führte die CIA einen hochgeheimen, aber sehr effektiven Krieg gegen die ortsansässige Zauberergemeinschaft und ihre Auroren waren hoffnungslos überfordert. Harry und Ginny hatten es mit eigenen Augen miterlebt, da sie Teil des britischen Aurorenteams gewesen waren, welches das Ministerium zur Unterstützung der amerikanischen Kollegen in die USA geschickt hatte, und die beiden wussten nur zu gut, wie gefährlich die Lage dort drüben war. Oft war das Einzige, was sie hatten tun können, die betroffenen Familien rechtzeitig zu warnen oder zu evakuieren gewesen, und oft waren sie auch zu spät gekommen. Ganze Zaubererfamilien verschwanden und tauchten nicht wieder auf.
"Ich dachte wir leben im Jahre 2005", grollte Moody. "Aber wir scheinen ins Mittelalter zurückgefallen zu sein!"
"Die Renaissance der Hexenverfolgung", murmelte Sirius. "Aber warum? Hat die Muggelregierung in den USA tatsächlich Angst vor Zauberern?"
"Es ist eigentlich nicht wirklich die Regierung, der Geheimdienst macht das eher auf eigene Faust", erklärte Harry. "Die CIA ist eine sehr mächtige Organisation mit großen Geldmitteln und sie hat beschlossen, dass die versteckte magische Gemeinschaft eine Bedrohung für die amerikanischen Bürger darstellt."
"Das klärt noch nicht die Frage nach dem Wieso. Warum beschließt man plötzlich, dass eine ganze Volksgruppe gefährlich ist?"
"Kannst du dir das nicht denken, Sirius?", fragte Ginny. "Hexen und Zauberer sind mächtig, sie haben Fähigkeiten von denen die meisten Leute denken, sie würden gar nicht existieren, sie leben versteckt und im Untergrund; mit Hilfe von Magie entziehen sie sich der Kontrolle des Geheimdienstes und bekommen etwas Mysteriöses und Bedrohliches für diese Leute. Sie stehen ganz einfach unter Terrorverdacht, auch wenn der Gedanke total lächerlich und weit hergeholt ist. Für die CIA in ihrem Kontrollwahn reicht es aus."
Moody nickte. "So, wie damals Fugde und Umbrigde, als sie Albus gejagt haben, statt nach Du-weißt-schon-wem zu suchen", brummte er.
"Sitzt Umbrigde eigentlich immer noch in Askaban?", fragte Harry und wechselte damit geschickt das Thema. Er hatte diese Diskussion schon zu oft geführt. Die amerikanischen Auroren taten alles, was in ihrer Macht stand, Ginny, er und andere Zauberer und Hexen aus England hatten ihren Teil dazu beigetragen, sie in diesem Kampf zu unterstützen und taten es zum Teil noch immer. Die Zukunft würde zeigen, ob ihre Mühen erfolgreich waren, doch jetzt machte es wenig Sinn, dieselben Fakten immer wieder durchzukauen.
Harrys Richtungswechsel war erfolgreich gewesen und das Gespräch wendete sich erst Umbrigde und dann anderen Themen zu. Irgendwann verabschiedete sich Moody, Sirius zog sich zurück und Ginny machte sich auf den Weg nach Hause; Harry wollte die Nacht über da bleiben. Er steckte seinen alten Mentor ins Bett und schob sich einen Sessel heran. Eine Weile erzählten sie noch über dies und das und irgendwann bat der alte Mann seinen ehemaligen Schützling: "Erzähl mir von der Zwischenwelt, Harry."
Und Harry erzählte. Er war sich in späteren Jahren nie sicher, warum der alte Zauberer ihn darum gebeten hatte: Ob aus Neugierde, um für sich selbst Mut zu sammeln, oder vielmehr um Harry daran zu erinnern, dass der Tod nicht das Ende war; jedenfalls half es Harry und er spürte, dass er nun leichter würde loslassen können.
Eine Weile sagte keiner der Beiden ein Wort. Schließlich bemerkte Albus versonnen und gar nicht seinem üblichen Verhalten entsprechend: "Es ist schon seltsam, Harry. All die Jahre habe ich gelebt, während die Leute um mich herum gelebt haben und gestorben sind, ja einige wie deine Eltern, habe ich aufwachsen und sterben sehen. Von den Menschen, die für mich in meiner Jugend wichtig waren, lebt keiner mehr und nun werde ich ihnen folgen und all die Menschen, die ich zum Teil seit mehr als hundertfünfzig Jahren nicht gesehen habe, werden wieder da sein."
Dann fuhr er in seiner typischen Art fort: "Der Tod ist eines der größten Mysterien, Harry, und ich muss zugeben, ich bin mehr als nur neugierig, was mich jenseits des Nebels, wie Du es genannt hast, noch alles erwarten wird." Er lehnte sich in seine Kissen zurück.
"Ich werde dich vermissen, alter Freund", sagte Harry in die darauf folgende Stille. "Danke, dass Du all die Jahre für mich da gewesen bist. Ich werde dich in guter Erinnerung behalten, bis wir uns wieder sehen." Er lächelte leicht, als er hinzufügte: "Und ich werde meinen Kindern und Enkelkindern von dir erzählen."
Dumbledore schmunzelte. "Und ich werde Lily und James von ihrem großartigen Sohn erzählen, der inzwischen genauso alt ist, wie sie selbst."
Harry lachte leise. "Tu das. Albus?"
"Ja?"
"Du bist für mich immer wie ein Großvater gewesen."
"Danke Harry. Es freut mich wirklich, dass ich das für dich sein konnte. Du warst für mich immer wie ein Sohn."
"Ich weiß."
Sie lachten beide und unterhielten sich weiter über belanglose Dinge. Schließlich lag Harry zusammengerollt wie ein Fünfjähriger in seinem Sessel und schlummerte friedlich. Sein Atem ging ruhig und gleichmäßig, während der Dumbledores langsam schwächer wurde und in den frühen Morgenstunden schließlich stoppte. Als der erste Sonnenstrahl dieses Tages auf sein Gesicht fiel, lag ein friedliches Lächeln darauf.
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AN: Knapp 10 Jahre nachdem ich diese Story geschrieben und veröffentlicht habe, bin ich durch Zufall wieder auf dieser Seite gelandet und habe meine eigene Geschichte wieder gelesen. Mein Urteil: Einige Passagen sind mir heute total peinlich, andere finde ich überraschend gut. Aber ich schätze, das geht den meisten Leuten mit ihren 'Werken' so. Insgesamt habe ich mich dagegen entschieden sie zu löschen und nur diesen störenden Ballast namens 'Review-Antworten' entfernt. Was Euch nicht davon abhalten soll, ein kurzes Review zu hinterlassen, wenn Ihr Lust dazu habt.
Euer Jo.
