Von der Schlangengrube in die Höhle des Löwen.

-o0o-

Unerklärlichkeiten

„Ich glaube die wird wieder wach"

„Finger weg, lasst sie doch mal atmen."

„Ach lasst sie doch einfach liegen. Wer so blöd ist, mitten am Tag in Ohnmacht zu fallen, hat es nicht besser verdient."

„Halt die Klappe, Malfoy!"

„Ich red, wie´s mir gefällt, Zabini, klar?"

Die Stimmen drangen an Sandras Ohren, aber ihr Gehirn weigerte sich irgendwie, die Information zu verarbeiten, die sie lieferten. Doch als es alles nichts mehr half, weil sie eben nicht mehr ohnmächtig war, öffnete sie die Augen. Sie lag auf dem Boden und ungefähr acht Leute starrten sie neugierig an. Und sie trugen immer noch Schuluniformen mit Hogwarts-Wappen darauf.

Weil es sich aber ziemlich dämlich anfühlte, so auf dem Boden herumzuliegen, setzte sie sich auf und starrte die anderen böse an. „Danke, dass ihr mich so erschreckt habt. Jetzt hab ich wirklich geglaubt, ich wäre in Hogwarts."

Ein blonder Junge, ungefähr siebzehn, sah sie abschätzig an und meinte: „Was meinst du denn, wo du sonst bist? So wie du aussiehst wahrscheinlich in irgendeiner Gosse."

Die anderen Jugendlichen lachten und stießen sich gegenseitig in die Rippen. Nur einer der Jungen schien nicht begeistert. „Nun lasst sie doch erstmal aufstehen. Ihr müsst ja nicht immer die Kotzbrocken spielen."Dann hielt er Sandra seine Hand hin und lächelte sie freundlich an.

„Zabini, der gute Geist von Slytherin.", grölte nun ein großer, kräftiger Junge und boxte den neben ihm stehenden gegen die Schulter. Der hatte ein ähnliches Kaliber wie er selber und grinste dümmlich.

Ein blondes Mädchen schob sich nach vorne, hängte sich dem Anführer an den Arm und meinte schnippisch. „Ach lasst doch Zabini sein neues Studien-Objekt. Wir müssen zu „Verwandlung". Ich hab keinen Bock, dass die olle McGonagall uns wieder so anbrüllt."

Der Angesprochene wand sich zu ihr um und knurrte. „Also los. Lasst die dusselige Kuh hier liegen. Muss sowieso aus Hufflepuff sein, so dämlich wie die guckt."

Dann drehte er sich um und wollte gerade losmarschieren, da rutschte Sandra heraus: „Besser als sich dauernd auf die gespaltene Zunge zu beißen, wie eine gemeine Schlange."

Der Blonde blieb stehe und fuhr auf dem Absatz herum. „Was hast du gerade gesagt?"Graue Augen bohrten sich in ihre und sie wünschte sich auf einmal sehr weit weg von hier. Doch dann fasste sie Mut. Wenn er ihr dumm kommen wollte, das konnte er haben.

Sie rappelte sich auf, stellte sich vor ihn hin und meinte mit ärgerlicherweise leicht zitternder Stimme: „Ich habe gesagt, dass ich bestimmt nicht stolz darauf wäre, in Slytherin zu sein."Wenn hier alle auf Hogwarts machten, dann konnte sie dieser Draco-Verschnitt nicht schrecken. Er war zwar ungefähr einen Kopf größer als sie, sah aber lange nicht so nett aus, wie in den Filmen. Seine Haare waren zwar ebenfalls hellblond, doch in seinem Blick lag ein derart stechender Ausdruck, dass sich Sandra innerlich unwillkürlich anspannte. Aber vielleicht gehörte das auch nur zur Rolle.

Jetzt wurde sein ungesund blasses Gesicht jedenfalls erst weiß, dann rot und dann brüllte er sie an: „Was fällt dir eigentlich ein. Erst stiehlst du, mir meine kostbare Zeit und dann wirst du auch noch frech. Weißt du denn nicht, wer ich bin?"Seine Hand zuckte zu seinem Umhang. Wahrscheinlich um einen Zauberstab zu zücken. Unheimlich wie gut er sich in seine Rolle eingearbeitet hatte.

„Mhm", sagte sie und legte den Finger an die Nase. „Ich weiß, du bist Rumpelstilzchen, stimmt´s?"Erstmal die Lage ein bisschen entspannen. Doch irgendwie ging der Schuss nach hinten los.

Er kam einen Schritt auf Sandra zu und zischte nun gefährlich leise: „Ich weiß zwar nicht, wer das sein soll. Aber wenn du mich veralbern willst, hast du dir den Falschen ausgesucht."

„Ok!". Sagte sie und hob abwährend die Hände. Offensichtlich waren auch Jung-Schauspieler empfindlich. „Du bist Draco Malfoy, schon kapiert. Nur keinen Stress. Ich bin schließlich ein Harry-Potter-Fan. Hab dich sofort erkannt."

Misstrauisch sah er sie an. „Was hast du mit Potter zu schaffen. Sollst du mich etwa ausspionieren? Dann hättest du dir aber wenigstens eine Uniform anziehen sollen. Das wäre unauffälliger. Vielleicht sollte ich mal ausprobieren, ob dich ein Furnunculus-Fluch besser tarnt."Er zog jetzt einen Holzstab hervor und fuchtelte damit vor Sandras Nase herum. Die wich instinktiv einen Schritt zurück, doch die beiden großen Jungen hatten sich hinter ihr aufgebaut.

„Crabbe und Goyle.", schoss es ihr durch den Kopf „Alles klar. Ich und meine große Klappe"

Dann ging der andere Junge von vorhin wieder dazwischen. „Du weißt, dass sie dich auf Beobachtung gesetzt haben, Malfoy. Lass den Scheiß und komm jetzt."

Doch bevor der noch etwas antworten konnte schallte eine kräftige Stimme durch den Gang. „Dürfte ich bitte erfahren, warum sie schon wieder ihre Mitschüler bedrohen, Mister Malfoy? Ich denke, wir hatten bereits ein ausführliches Gespräch über diese Unart, nicht wahr?"

Der Junge trat von Sandra zurück und ihr Blick fiel auf den alten Mann, den sie schon vorhin auf dem Foto gesehen hatte. Siedendheiß fiel ihr ein, dass sich das Foto auf dem Tagespropheten tatsächlich bewegt hatte. Sollte sie wirklich? Aber das ging doch gar nicht. Oder doch?

Der Mann war nun herangetreten und betrachtete die Anwesenden aus wachen blauen Augen, bis sein Blick an Sandra kleben blieb. Ein fragender Ausdruck entstand darin. Sie schluckte. „Professor Dumbledore.", hauchte sie und fühlte, wie sich ihr Kreislauf schon wieder zu verabschieden drohte.

Der Mann lächelte. „Ja, das bin ich. Und mit wem habe ich die Ehre?"

Sie versuchte sich zu erinnern, wie sie hieß. Sandra, genau. Nun sag es doch, schimpfte sie sich selber aus. „Sandra", bekam sie schließlich hervor. „Sandra Schultze und ich glaube, ich bin im falschen Film. Ist das hier wirklich Hogwarts?"

„Aber ja", bestätigte er. „Aber ich glaube nicht, wir uns schon einmal begegnet sind, Miss Schultze. Darf ich fragen, was Sie hier tun?"

„Das wüsste ich auch gerne. Ich war gerade noch in Oxford und jetzt das hier. Himmel, das ist ein Ding."Ungläubig sah sie noch einmal die anwesenden Personen an, dann fiel ihr Blick aus dem Fenster. Dort breiteten sich die Ländereien von Hogwarts in einer warmen Herbstsonne aus. Wenn man genau hinsah, konnte man in dem großen See, die Arme der Riesenkrake erkenne, die offensichtlich ein spätes Sonnenbad nahm. Dann sah sie wieder den weißhaarigen Man vor sich an. „Das ist ja echt ein dolles Ding, Ich bin wirklich hier."

Der hatte inzwischen sorgenvoll die Stirn gerunzelt und meinte bedächtig: „Ich denke wir sollten uns mal unterhalten. Die anderen sollte sich jedoch beeilen zu ihrem Unterricht zu kommen."

Murrend trollten sich die Schüler, wobei der blonde ihr noch einen hasserfüllten Blick hinterher schickte. „Na prima, erst zehn Minuten da und ich hab mir gleich das größte Ekel der Schule zum Feind gemacht.", dachte sie unglücklich doch dann nahm die Schule ihre Aufmerksamkeit in Anspruch.

Sie folgte dem Schulleiter durch die leeren Gänge. Offensichtlich war sie tatsächlich nicht mehr im normalen England. Zögerlich sprach sie den Mann neben sich an. „Ähm, Professor Dumbledore. Ich denke, ich kann das erklären."

„Das hoffe ich für Sie.", gab er zurück. „Aber wir werden in meinem Büro darüber reden."Also schwieg sie, die sie an dem Wasserspeier angekommen waren. Leise murmelte er das Passwort und sie ging hinter ihm die steinerne Treppe hinauf. Das Büro war tatsächlich voll gestopft mit allerlei Kram, von dem sie bei einigen Sachen nicht sicher war, ob sie nicht doch aus einem Filmfundus stammten. Er setzte sich hinter seine Schreibtisch und gebot ihr, sich auf den Stuhl zu setzen, der mit einem Mal davor stand.

Sie setzte sich gehorsam, aber dann fiel ihr Blick auf noch etwas Bekanntes. „Fawkes! Nein ist der schön.", rief sie automatisch. Der große, rote Feuervogel musterte sie aus klugen, schwarzen Augen und ließ beim Klang seines Namens ein leises trillerndes Geräusch hören.

„Sie scheinen sich ja hier gut auszukennen, Miss Schultze.", ließ sich der Schulleiter vernehmen und sofort riss sie sich wieder zusammen. Schließlich war das hier eine ernste Geschichte. „nun erzählen Sie mal. Wie mir scheint, sind sie nicht magisch begabt. Wie kommt es, dass Sie trotzdem hier in Hogwarts sind?"

„Es stimmt, ich kann nicht zaubern. Zumindestens nicht, das ich wüsste. Aber ich kenne sie alle aus den Büchern."Aufgeregt berichtete sie von den Romanen, dem Preisausschreiben, ihrem Gewinn und wie sie schließlich irgendwie hierher geraten war. Als sie geendet hatte, blickte sie der weißhaarige Mann besorgt an. Dann stand er auf und fing an, in dem kleinen Raum hin und her zu gehen.

„Miss Schultze, das ist wirklich ein Problem. Denn hier, wo Sie sich jetzt befinden, ist diese Geschichte, wie sie es nennen, die Wirklichkeit. Und ich denke nicht, dass es reichen würde, wenn wir sie einfach wieder in den Zug setzen und zurück nach London schicken, denn dort würden Sie vermutlich nicht in das London zurückkehren, das sie verlassen haben. Wir müssen klären, wie sie herkamen und dann einen Weg finden, Sie dorthin zurückzubringen."

Er blieb stehen und lächelte sie beruhigend an. „Bis dahin, sind Sie natürlich unser Gast, denn Sie könne, wie mir scheint, am wenigstens dafür, dass sie hier sind. So heiße ich sie denn auf der Hogwarts-Schule für Hexerei und Zauberei herzlich willkommen. Wir werden versuchen, eine geeignete Unterkunft für Sie zu finden und dann werden wir weitersehen."

Sandra strahlte. „Ist mir sehr Recht. Ich fühle mich durch ihr Vertrauen geehrt", sagte sie förmlich. Doch dann fiel ihr etwas Wichtiges ein. „Aber bitte nicht nach Slytherin schicken. Da bin ich als Muggel ja gleich unten durch."

Doch Professor Dumbledore lachte nur. „Seien Sie unbesorgt, darauf werden wir schon achten. Mister Malfoy hat sie ja schon ins Herz geschlossen, da werden wir sie vielleicht lieber gleich nach Gryffindor bringen. Offensichtlich wäre das am leichtesten für Sie, da sie die dort ansässigen Schüler ja gut zu kennen scheinen."

„Na dann ist ja gut.", seufzte sie erleichtert. Als ihr Magen vernehmlich grummelte fügte sie entschuldigend hinzu: „Tut mir leid, aber ich hab heute noch nicht viel gegessen."

„Dann sollten wir das ändern. Aber es wäre vielleicht besser, wenn wir nicht allen erzählen, wo Sie herkommen, Miss Schultze. Das würde viele Fragen aufwerfen. Wir werden sie einfach als... Lassen Sie mich nachdenken. Wir werden erzählen, dass sie meine Großnichte sind. Sie sind somit eine Squib und wollen hier ihre Ferien verbringen. Da niemand meinen Bruder Aberforth besonders gut kennt, wird auch niemand so leicht Verdacht schöpfen. Das wird gehen. Aber wir müssen sie umkleiden, denn so", er wies auf ihre Jeans und Turnschuhe. „würden Sie zu sehr auffallen. Ich werde ihnen etwas Angemesseneres bringen lassen."

„Alles klar.", meinte Sandra noch und so begann ihr erster Tag in Hogwarts.