Viele schöne Dinge erreichen wir durch Geduld.
-o0o-
Epilog
Seufzend zog Sandra das nächste Buch zu sich heran. Einen ganz kurzen Augenblick bedauerte sie es, auf Professor Dumbledores Vorschlag eingegangen zu sein, doch dann klappte sie das leere Buch entschlossen auf und begann zu schreiben.
„Wirklich wissenswerte Wunder über Würmer" hieß der spannende Titel ihres neuesten Werkes und so langsam gingen ihr die Ideen aus, um die große Bibliothek von Hogwarts zu füllen. Sehnsüchtig wanderte ihr Blick zum geöffneten Fenster, durch das bereits die warme Sonne hinein strahlte. Seit Monaten war sie nun schon dabei den Weltenwanderern zu helfen, die Hintergründe der Harry-Potter-Welt mit Leben zu füllen.
Sie hatte nicht lange überlegt, als der Professor ihr angeboten hatte, dass sie zwar wach bleiben würde, sich jedoch völlig aus der Handlung der Original-Geschichte heraushalten müsse. So war sie nun in einem separaten Raum untergebracht und füllte Bücher mit Wissen für künftige Zauberschüler und erfand ab und zu zum Spaß mal ein kleines Fabelwesen, dass sich schleunigst aufmacht, die Welt zu erkunden, ihre Räume jedoch nicht verlassen durfte, da nicht feststand, wie die restlich Welt auf die fremde Fantasie reagiert hätte.
Sie blieb meistes alleine, nur der erste Weltenwanderer kam manchmal vorbei und erkundigte sich nach ihren neuesten Schöpfungen. Wirklich gut kam Sandra nicht voran, denn es wäre einfach zu viel Arbeit gewesen, alle Bücher selbst zu schreiben und außerdem würde sie die Geschichte bald verlassen können, wenn der nächste Band der Buchreihe abgeschlossen war. Dann würde sich auch für Sandra ein Tor öffnen, das sie wieder aus dieser Welt befreite.
Harry und die anderen hatte sie nur noch von Ferne betrachten dürfen, denn die Gefahr, dass sie in dieser Phase noch etwas anrichtete, war zu groß und hätte das Ende der gesamten Geschichte bedeuten können: So bleib ihr nur hier zu sitzen und Sachen zu erfinden, wie es die Weltenwanderer schon seit Jahr und Tag taten.
-
Am letzten Tag des Buches, holte der Weltenwanderer ab und sie machten sich auf den Weg zum Mädchenklo im dritten Stock, denn Sandra würde die Geschichte durch genau die selbe Tür wieder verlassen, durch die sie sie betreten hatte.
Schweigend lief sie neben ihm her, denn ihr gingen so viele Dinge durch den Kopf. Da waren Fragen, die sie inzwischen beantwortet bekommen hatte. Zum Beispiel die Tatsache, dass jede Welt eine Art Kontakt-Person zwischen den Weltenwanderern und dem Autor besaßen, denn die die meisten Autoren wären sicher nicht erfreut gewesen, wenn man ihnen gesagt hätte, das die tollen Ideen, die sie in ihren Büchern veröffentlichten, eigentlich gar nicht ihre eigene waren, sondern lediglich Dinge, die sich vor ihren eigenen Augen zu getragen hatten. Das war auch der Grund, warum Professor Dumbledore über so viele Sachen in der Zauberwelt einfach bescheid wusste, denn er war diese Kontaktperson in der Welt von Harry Potter. Er hatte augenzwinkernd zu Sandra gesagt, dass es manchmal gar nicht so einfach war, nicht zu viel zu verraten, weil man den Ablauf der Dinge ja nicht stören durfte. Daher hatte er regelmäßigen Kontakt mit einem der Weltenwanderer, die ihm immer genau das verrieten, was er gerade wissen musste, damit er die Autorin an die entsprechenden Stellen der Geschichte, die wichtig waren, schicken konnte.
Doch jetzt waren sämtliche Erinnerungen an Sandra und ihren Aufenthalt aus den Köpfen der Bewohner von Hogwarts verschwunden und auch Sandra würde es in wenigen Minuten sein. Als sie die Toilette betraten fiel ihr Blick automatisch in einen der Spiegel über dem Waschbecken. Jetzt hatte sie verstanden, was sie beim ersten Mal so gestört hatte, denn sie hatte sich trotz der Zeit, die sie hier verbracht hatte nicht verändert. Ihre Haare waren nicht gewachsen und auch das Makeup hatte die ganze Zeit fast nicht gelitten. Der Weltenwanderer hatte ihr erklärt, dass in ihrer eigenen Welt so gut wie keine Zeit vergangen war.
Sie sah den unscheinbaren Mann an. „Werde ich mich denn in England wieder finden?", fragte sie und versuchte nicht daran zu denken, dass sie Hogwarts nun gleich für immer verlassen würde."
„Nein", sagte der Weltenwanderer bedauernd. „Ich fürchte, an diesem Preissauschreiben war zu viel manipuliert, als das wir das zu lassen könnten. Du wirst ganz normal bei dir zu hause aus der Schule kommen. Aber wenigstens haben wir dir deine Klausur erspart, das ist doch auch was."
„Naja, wenn ich jetzt in den nächsten Wochen noch eine einzige Geschichte schreiben muss, werde ich wahnsinnig.", grinste Sandra zurück. „Das letzte, halbe Jahr reicht erstmal."
Der Mann lachte. „Du wirst die Lust wieder finde, das glaub mir mal. Aber vielleicht wird es ein paar Jahre bis dahin dauern. Doc ich bin recht zuversichtlich, dass du irgendwann mal deine eigenen Welt bekommst."
„Ob die auch so schön ist, wie die hier.", murmelte Sandra zweifelnd und versuchte nicht loszuheulen, indem sie tapfer gegen die Tränen anschluckte.
"Das liegt in deiner Hand, Sandra.", meinte er lächelnd. „Du allein kannst dafür Sorgen, dass deine Welt nicht stirbt, dadurch dass du dir besonders viel Mühe damit gibst, sie auszubauen."
Dann sah er auf seine Uhr. „Ich muss gehen, Sandra. Mach´s gut und sei nicht allzu traurig. Die Tür wird sich in fünf Minuten öffnen, du wirst es schon sehen. Bitte geh auch wirklich hindurch, denn sonst kann es sein, dass du für immer hier bleiben musst."
„Ginge das denn?", fragte sie erstaunt. Davon hatte noch niemand etwas gesagt.
„Ja, das ginge, aber dann könntest du nie mehr zurück. Es ist deine Entscheidung. Wenn du hier bleibst, wirst du die Erinnerung an den altes Leben vergessen und hier ein Mädchen wie jedes andere auch, wobei du dann zaubern könntest. Doch dann würdest du in deiner alten Welt in ein Koma fallen, aus dem du nie wieder erwachen würdest. Willst du das wirklich, Sandra? Überleg es dir, denn ich muss jetzt gehen. Aber denk daran, es ist deine Entscheidung"
Er winkte ihr noch kurz zu und verschwand dann durch die Tür, durch die auch Sandra gleich gehen würde. Kurz nachdem er hindurchgegangen war, find der Türrahmen an in einem sanften Licht zu glühen.
Sandra schluckte.
Das war er also, der Moment der Entscheidung. Doch eigentlich hatte sich Sandra schon entschieden. Sicher war es verlockend einfach hier zu bleiben, doch auch hier würde sie Probleme haben wie in ihrer eigenen Welt auch. Es half also nicht viel, sie würde sich in ihrem Leben alleine zu Recht finden müssen, hier wie dort.
Dann atmete sie einmal tief durch und öffnete die Tür. Vor ihr lag der Eingang in den Hausflur ihrer Wohnung und die hörte das Radio in der Küche leise spielen. Eines von Sandras Lieblingsliedern und in der Luft lag der Geruch von Schnitzel, das ihre Mutter wohl zum Mittag briet.
„Leb wohl, Harry!", sagte Sandra leise und trat dann durch die Tür in ich normales Leben.
Als sich die Tür hinter ihr schloss, blieben auch ihre Erinnerungen zurück und niemand in der gesamten Welt von Harry Potter wusste, dass es einmal ein ganz normales Mädchen gegeben hatte, das durch ihre Welt spaziert war.
