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Kapitel 2


Endlich war es Legolas möglich, sich vom Mittagstisch zu entschuldigen und die Halle, in der er, sein Vater und einige andere Elben, unter anderem die Zwillinge, gespeist hatten, zu verlassen. Er hatte gehofft, Estel hier wieder zu sehen, doch dem war nicht so gewesen - der Mensch war nicht aufgetaucht. Gelegenheit, seine beiden Brüder nach seinem Verbleib zu fragen, hatte Legolas nicht gehabt und so hatte er einfach beschlossen, ihn selbst zu suchen, um sein Versprechen einzulösen.
Das Fest am Abend zuvor hatte bis spät in die Nacht hinein angedauert, doch für Legolas' Geschmack war Estel viel zu früh verschwunden gewesen. Eigentlich hatte er vorgehabt, sich noch einmal mit ihm zu unterhalten, doch war er von vielen anderen aufgehalten und in Gespräche verwickelt worden, sodass die Zeit nur so verflogen und Estel schließlich nicht mehr zu sehen war.
Legolas' erster Weg führte ihn direkt zum Gästegemach des Menschen, da er hoffte, ihn dort anzutreffen. Vor der Tür blieb der Elb schließlich stehen und klopfte leise.

Estel war so vertieft in das Buch, das auf seinem Schoß lag, dass er das Klopfen beinahe nicht gehört hätte. Nach dem Frühstück hatte er die Bibliothek des Palastes aufgesucht und dort ein interessantes Buch mit Geschichten und Liedern über die Elben Düsterwalds gefunden. Den gesamten Vormittag bereits hatte er darin gelesen, während er, an die Wand gelehnt, auf der breiten Fensterbank gesessen und die warme Luft des Frühlings eingeatmet hatte.
Er legte das Buch schließlich bäuchlings auf die steinerne Fensterbank und schritt zur Tür, um diese zu öffnen.
Sein Blick fiel auf den Prinzen und im ersten Augenblick war Estel überrascht, ihn hier zu sehen, in Gedanken immer noch in der letzten Geschichte versunken, die er gelesen hatte.
"Prinz Legolas, was kann ich für Euch tun?"

Einen kurzen Augenblick war Legolas verwirrt darüber, dass Estel anscheinend völlig ihre Abmachung vergessen hatten. "Ich ...", begann er, riss sich dann aber zusammen und antwortete: "Ich kam wegen unserer Abmachung von gestern Abend. Ich meine natürlich, wenn du im Augenblick nicht etwas Besseres zu tun hast..."

Estel musste gegen das Bedürfnis ankämpfen, sich mit der flachen Hand gegen die Stirn zu schlagen, und lächelte den Prinzen stattdessen entschuldigend an.
"Ja richtig, verzeiht. Ich wollte dies nicht vergessen. Es ist nur..." Sein Blick wanderte zurück zu dem aufgeschlagenen Buch auf der Fensterbank und er deutete mit einer Hand dort hin.
"Ich las soeben eine sehr interessante Geschichte, und nehme an, sie hat mich ein wenig in ihren Bann gezogen."

Legolas' Blick folgte der Geste des Menschen und auch er sah das aufgeschlagene Buch. "Oh, ich wollte dich nicht unterbrechen. Und bitte, sag du", fügte er schnell hinzu, als ihm einfiel, was er bereits am gestrigen Abend eigentlich hatte sagen wollen. Legolas stand noch immer vor der halb geöffneten Tür und fragte sich einen Moment lang, wie er sich nun weiter verhalten sollte. "Wenn du möchtest, kann ich später wiederkommen", sagte er schließlich, nachdem sie beide für eine Zeit lang still gewesen waren.

Estel winkte ab. "Oh nein, Ihr habt... du hast mich nicht unterbrochen." Es würde einige Zeit dauern, bis Estel sich an diese formlose Anrede gewöhnt hatte. "Das heißt, das hast du, allerdings kann ich das Buch auch zu einer anderen Zeit weiter lesen. Ich würde gerne auf dein gestriges Angebot zurückkommen, denn sicherlich gibt es hier sehr viel zu sehen, und ich weiß nicht, wie lange wir in Düsterwald bleiben werden."

"In Ordnung", erwiderte Legolas, froh darüber, dass Estel mit ihm kommen wollte. "Wenn du möchtest, können wir sofort gehen."
Während er dies sagte, betrachtete er den Jüngeren erneut unauffällig. Es war seltsam, dass dieser Mensch ihn so faszinierte, auf eine Art, die er noch nie erlebt hatte. Zwar musste er zugeben, dass er kaum etwas mit Menschen zu tun hatte, und dennoch ...
Schnell schüttelte Legolas seine Gedanken ab, als ihm bewusst wurde, dass er noch immer in Estels silbergraue Augen blickte, als könne er gar nicht mehr weg sehen.

"Gerne", sagte Estel lächelnd, wich jedoch dem Blick des Elben aus.
"Wartet ... ehm ... warte." Er ging schnell zu dem Sessel, auf dem seine Übertunika lag, und streifte diese über. Zwar war es bereits sehr warm, doch falls sie länger fort bleiben sollten, würde es kühler werden.
"Und wo gehen wir hin?", fragte er schließlich, als er die Tür seines Gemaches hinter sich geschlossen hatte und mit Legolas auf dem Gang davor stand.

"Wohin du willst", antwortete dieser und warf Estel ein Lächeln zu. "Ich kann dir den Palast an sich zeigen, alle möglichen Hallen und Räume; wenn du möchtest, können wir aber auch nach draußen in die Gärten gehen, bevor die Sonne zu sinken beginnt."

"Die Gärten wären schön. Vom Palast habe ich schon viel zu sehen bekommen, außer den berüchtigten Verließen, aber ich denke, diese sind nicht so einfach zugänglich." Gemeinsam setzten sie sich in Bewegung und schritten die breiten Stufen hinunter, die zum unteren Stockwerk führten.

Eine Weile wusste Legolas nicht genau, wie er ein Gespräch beginnen sollte. Noch kannte er Estel kaum und obwohl gerade dies ein Grund dafür sein müsste, viel neuen Gesprächsstoff zu finden, war dem seltsamerweise nicht so. Nicht im negativen Sinne, doch wusste der Elb einfach nicht genau, wie er taktvoll nach all den Dingen fragen konnte, die er wissen wollte. Legolas konnte sich nicht daran erinnern, dass ihm dies schon einmal passiert wäre.
"Was denkst du, wie lange werdet ihr noch bleiben?", fragte er schließlich, sich nur unterbewusst klar, dass er diese Frage schon einmal gestellt hatte.

Estel zuckte mit den Achseln. "Nun, ich hoffe doch, wir werden noch einige Zeit bleiben, jedoch muss ich mich nach meinen Brüdern richten. Und zudem wäre es Elrond nicht allzu Recht, wenn wir zu lange fort sind." Bei der Erinnerung an den besorgten Gesichtsausdruck seines Ziehvaters musste Estel lachen. "Er hält mich wohl immer noch für einen kleinen Jungen, der nur Dummheiten im Sinn hat und in Schwierigkeiten gerät. Dabei bin ich längst erwachsen ... Vielleicht liegt es daran, dass Elben langsamer aufwachsen."

Legolas erwiderte das Lächeln. "Das ist wohl wahr. Es wird schwer für ihn sein, dass du anders aufwächst als die Zwillinge ... schwer, aus der Gewohnheit heraus zu kommen."
Die beiden hatten inzwischen den Palast verlassen und die Gärten betreten. Legolas selbst liebte diesen Ort, er verbrachte sehr viel Zeit hier, wenn er ein paar Stunden für sich brauchte. Der Prinz dachte jedoch noch immer an Estels letzte Worte und so konnte er sich nicht helfen, als seine nächste Frage zu stellen, auch wenn sie sicherlich nie die höflichste war. "Estel, wie alt bist du?"

"Neunzehn", antwortete der junge Mann. Fast hätte er die Frage zurückgegeben, empfand es dann jedoch als unhöflich, auch wenn er sehr neugierig war. Er hatte keine Idee, wie alt der Elb neben ihm war. Er konnte nur wenige hundert Sommer erlebt haben oder gar fast so alt sein wie Elrond. Estel schob den Gedanken schließlich beiseite und begann, seine Umgebung genauer zu betrachten - und zu bewundern. Er hatte diesen Teil der Gärten zwar bereits zu sehen bekommen, doch ihre Schönheit faszinierte ihn immer wieder.
"Stimmt es, dass dein Volk früher um den Amon Lanc gelebt hat, wo heute Dol Guldur steht?" fragte er plötzlich wie aus heiterem Himmel.

Legolas war noch so sehr mit Estels letzter Antwort beschäftigt, dass er die Frage erst überhaupt nicht hörte. Neunzehn? Es stimmt zwar, dass der Mensch noch sehr jung aussah, doch wusste Legolas nicht viel darüber, wie Menschen alterten, und so musste er diese Information erst einmal verarbeiten. Schließlich wurde ihm jedoch bewusst, dass Estel bereits eine weitere Frage gestellt hatte. "Entschuldige, Estel, was sagtest du?", fragte Legolas nach, während er sich zwang, alle anderen Gedanken abzuschütteln.

Estel war kurz irritiert, dass Legolas seine Frage nicht gehört zu haben schien, doch wiederholte er sie bereitwillig. "Nun, ich habe eben dieses Buch mit alten Geschichten über die Elben Düsterwalds gelesen und dort wurde erzählt, dass die Waldelben früher im Süden um Amon Lanc herum lebten und dann immer weiter in den Norden wanderten. Stimmt es, und hast du dort auch schon gelebt?" Estel lächelte in sich hinein, nun würde er wenigstens einen Anhaltspunkt haben, wie alt Legolas war.

Ein Lächeln fand Legolas' Lippen, als er nun wusste, in welches Buch Estel so vertieft gewesen war. "Ja, es stimmt", antwortete er, während sie weiter unter den hohen Bäumen des Gartens hindurch schritten. "Ich war noch recht jung, doch kann ich mich gut daran erinnern, da ich meine Jugend dort verbracht habe. Durch den Schatten im Süden sind wir schließlich immer weiter nach Norden verdrängt worden und der Wald wurde dunkel und gefährlich." Ein trauriger Ton hatte sich in seine Stimme geschlichen, als er von diesen Dingen berichtete.

Wenn Legolas den Beginn der dunklen Bedrohung noch erlebt hatte, so musste er mindestens 2000 Jahre alt sein, so wusste Estel nun. Er hatte allerdings auch den Schatten bemerkt, der sich auf die Züge des Elben geschlichen hatte. Der Mensch konnte sich vorstellen, dass dies eine schwierige Zeit gewesen sein musste. Er wollte gar nicht daran denken, wie er sich fühlen würde, wäre Imladris durch ähnliche Schrecken heimgesucht.
"Ihr habt hier jedoch eine sehr schöne neue Heimat gefunden", sagte er schließlich, als er bewundernd zwischen den hohen Bäumen und den dazwischen wachsenden Sträuchern umher blickte, die nun in den schönsten Farben des Frühlings blühten.
Am Rande der Lichtung, auf der sie sich befanden, floss leise plätschernd ein Bächlein und zwischen zwei niedrigen Büschen mit zartgelben Blüten stand eine kleine Bank. Ihr Holz schien schon unzählige Sommer und Winter gesehen zu haben, und dennoch wirkte sie immer noch einladend.

Ohne darüber nachzudenken, steuerte Legolas eben diese Bank an. "Ja, das haben wir. Auch wenn die Welt um uns herum sich verdüstert, gibt es noch wenige Orte, an denen Frieden herrscht." Kaum hatte er diese Worte ausgesprochen, da fragte er sich auch bereits, wieso er dies gesagt hatte. Estel müsste es doch noch besser wissen als er selbst - schließlich war er in Imladris aufgewachsen.
Als sie die kleine Bank erreicht hatten, ließ der Elb sich auf ihr nieder, als wäre es eine Selbstverständlichkeit.

Zögernd blickte Estel Legolas an, bevor er sich schließlich neben den Elben auf die Bank setzte. "Die Bedrohung ist aber aus Düsterwald vertrieben worden", sagte er, sich scheuend, den Namen des Dunklen Herrschers auszusprechen. "Vielleicht wird es eines Tages gelingen, sie gänzlich zu besiegen. Man darf nur nie die Hoffnung verlieren." Er lächelte Legolas zuversichtlich an, bevor er seinen Blick wieder abwandte und die kräuselnden Bewegungen auf der Oberfläche des Baches beobachtete.

Legolas jedoch betrachtete den Menschen noch immer, seine letzten Worte in den Ohren. "Elrond hat dir wahrlich einen guten Namen gegeben", sagte er leise und beobachtete, wie Sonne und Schatten ein faszinierendes Wechselspiel auf Estels Gesicht malten.

Verlegen sah der junge Mann zu dem Düsterwadelben auf. "Nun, ich denke schon, dass der Name zu mir passt, denn bisher hat noch nichts mich dazu gebracht, die Hoffnung zu verlieren. Aber vielleicht bin ich auch einfach nur zu jung und naiv." Er schmunzelte über sich selbst, wohl wissend, dass viele eben genau dies von ihm dachten. Doch wie auch könnten sie anderes denken, wenn alle Personen um ihn herum Jahrhunderte älter waren als er?

Dieser Kommentar entlockte Legolas ein leises Lachen. "Nun, selbst wenn es so sei, hoffe ich, dass du dies nie verlierst", antwortete er ehrlich. Es war erfrischend, sich mit Estel zu unterhalten, er schien wirklich einen ansteckenden Optimismus auszustrahlen wohin er auch ging. Der Prinz seufzte leise und lehnte sich zurück, schloss die Augen und lauschte dem sanften Wind in den Baumkronen.

Estel wusste auf diese Worte nichts mehr zu erwidern. Es war eigenartig und ungewohnt für ihn, dass er von einem fremden Elben mit solcher Achtung betrachtet wurde. Nicht, dass man sonst unfreundlich zu ihm war, doch meistens hatte er den Eindruck, er war in ihren Augen nichts anderes als irgendein Mensch. Natürlich verhielt sich dies mit den Elben aus Bruchtal anders, aber bei Fremden war dies meistens so.
Statt etwas zu sagen, sah Estel Legolas nur an und beobachtete erstaunt, wie entspannt der Elb einfach nur die Sonnenstrahlen zu genießen schien, ein leichtes Lächeln auf seinen Lippen, sein Haar im Sonnenlicht glänzend wie flüssiges Gold. Jeder, der den Prinzen zu Gesicht bekam, würde unweigerlich zugeben, dass er wahrhaftig sehr gutaussendend, um nicht zu sagen schön war, und eine Frage schlich sich in Estels Gedanken, doch noch getraute er sich nicht, sie auszusprechen.
"Es ist wirklich schon sehr warm für Mai", sagte er dann und schalt sich innerlich für eine solch nichtige Aussage, nur um ein Gespräch aufrecht zu halten.

"Mhm", antwortete Legolas, ohne die Augen zu öffnen. Es überraschte ihn selbst, normalerweise entspannte er sich nie so in Gegenwart eines anderen, dass er selbst zu träge für ein einfaches ja' war. Schließlich raffte er sich zu einer wirklichen Antwort auf. "Ja, ich kann mich kaum an einen so warmen Frühling erinnern. Doch war bereits der Winter dieses Jahr nicht zu kalt."

"Das stimmt", antwortete Estel. "Aber das ist der Winter in Imladris nie, doch auch in den umliegenden Gegenden war er recht mild." Estel hatte wieder einmal das Bedürfnis, sich mit der Hand gegen die Stirn zu schlagen. Hier saß er nun mit dem Prinz Düsterwalds und fand kein interessanteres Thema als das Wetter. Doch da war noch immer diese Frage, deren Antwort ihn nur all zu brennend interessierte.
"Legolas? Darf ich eine persönliche Frage stellen?", testete er höflich an.

Schließlich hob Legolas den Kopf und sah Estel auf diese Frage hin an. "Natürlich darfst du das", antwortete er, ein wenig verwirrt über den zögernden Ton in des anderen Stimme, gleichzeitig aber neugierig, was der junge Mann wohl wissen wollte.

Die Antwort überzeugte Estel zwar nicht gänzlich - immerhin kannte er den Elben noch nicht allzu lange - aber er sprach seine Frage schließlich doch aus. "Bist du verheiratet oder verlobt?" Er war einfach zu neugierig zu wissen, ob außer seinen Brüdern auch andere Elben so viele Jahre lebten, ohne jemals die wahre Liebe gefunden zu haben. Die Vorstellung, man könnte sie innerhalb Tausenden von Jahren nicht erfahren, erschreckte Estel, denn so viel Zeit blieb ihm nicht, und er wollte sicherlich nicht sterben, ohne je geliebt zu haben.

Völlig überrascht blickte der Elb ihn an, bevor er auflachte. "Nein, Estel, weder das eine noch das andere. Aber wie kommst du auf so eine Frage?"

Estel biss sich auf die Unterlippe und senkte schuldbewusst den Blick. "Verzeih, ich hätte so etwas nicht fragen sollen. Es war nur ..." er stockte, um nach den richtigen Worten zu suchen. "Nun, da du noch erlebt hast, wie die Dunkle Bedrohung sich in Düsterwald ausbreitete, dachte ich, du müsstest mindestens schon 2000 Jahre alt sein, und dann fragte ich mich, ob du in all dieser Zeit ... nun ja ... ob man so alt werden kann, ohne wirklich einmal verliebt gewesen zu sein."

Nun, da er wusste, was hinter Estels Frage steckte, wand Legolas den Blick von ihm ab. "Nein, ich glaube nicht, dass man so lange leben kann, ohne einmal geliebt zu haben", antwortete er schließlich. Er spürte selbst, wie ein leises Gefühl der Trauer ihn überkam - oder nur die Erinnerung daran. Es war bereits so lange her, dass er daran denken konnte ohne noch zu trauern.

So neugierig Estel auch gewesen war, so sehr bereute er nun jedoch seine Frage, denn offensichtlich schien sie irgendwelche Erinnerungen in dem Prinzen zu wecken, die ganz und gar nicht angenehm waren. Vielleicht war er ja sogar einmal verheiratet gewesen und hatte seine Frau verloren ... wie es Elrond beinahe auch geschehen wäre, mit dem Unterschied, dass Celebrían in den Westen segelte, aber noch am Leben war.
"Es ... es tut mir leid ... ich wollte keine schmerzlichen Erinnerungen wecken", sagte Estel in einem ehrlichen Versuch einer Entschuldigung.

"Nein, entschuldige dich nicht", antwortete Legolas schnell und warf Estel ein schwaches Lächeln zu. "Es ist nicht mehr als das - eine Erinnerung. Der Tag ist viel zu schön für düstere Gedanken." Das war er wirklich, dachte Legolas und sah den Menschen neben sich erneut an. Das bedrückende Gefühl war recht plötzlich wieder verschwunden, als er in Estels silbergraue Augen blickte.

Estel atmete innerlich aus, denn er hatte nichts weniger gewollt, als Legolas zu verärgern oder gar zu verletzten. Und der Elb hatte Recht. Dieser Tag war wirklich wunderschön, nicht nur auf Grund des herrlichen Wetters, sondern auch, da Estel sich sicher war, einen weiteren Freund gefunden zu haben. Und dennoch war die Art, wie Legolas mit ihm sprach und auch wie er selbst sich dem Elben gegenüber verhielt, anders als mit seinen anderen Freunden in Bruchtal. Diese Freundschaften schienen rauer, geprägt von bissigem Humor und brüderlichen Späßen, doch was es war, das den Unterschied zu seiner gerade aufblühenden Freundschaft mit Legolas ausmachte, vermochte Estel nicht zu sagen.
"Warum kommst du nicht einmal wieder nach Imladris?", fragte er dann, als ihm wieder einfiel, dass seine Brüder gestern erwähnt hatten, Legolas sei schon einmal in Bruchtal gewesen.

Der Gesichtsausdruck des Prinzen erhellte sich sichtlich bei diesem Vorschlag. "Das würde ich sehr gerne", antwortete Legolas. "Es ist viel zu lange her, dass ich dort war, doch hatte ich kaum die Zeit, diese Reise in den letzten paar Jahren erneut zu machen. Obwohl ich Imladris an manchen Tagen sehr vermisse."
Es stimmte, dass, so sehr Legolas seine eigene Heimat liebte, seine Aufenthalte im letzten Heimeligen Haus von einem tiefen Frieden geprägt waren, den er so nirgendwo sonst erleben konnte. "Dann habe ich noch etwas, auf das ich mich freuen kann, wenn ein weiterer Besuch heißt, dich wieder zu sehen", fügte er lächelnd hinzu.

"Auch ich würde mich sehr freuen", erwiderte Estel lächelnd und es war in der Tat so. In der kurzen Zeit, in der er den Prinzen kannte, fühlte er sich in seiner Gegenwart bereits sehr wohl. Auch die anfängliche Scheu war nun von ihm gewichen und allmählich wurden ihre Gespräche heiterer und unbeschwerter. Es dauerte nicht lange, bis Legolas einige äußerst amüsante Anekdoten aus seiner Kindheit zum Besten gab oder sie beide so manchen Scherz machten. Doch bald senkte sich der Nachmittag dem Ende entgegen, und so kehrten sie zurück in den Palast, wo bald das Abendessen serviert werden würde. Nachdem Estel nichts zu Mittag gegessen hatte, war er bereits sehr hungrig, auch wenn ihm dies in der Zeit im Garten kaum aufgefallen war. Die angenehme Gesellschaft hatte ihn von solchen Gedanken abgelenkt.
Ein wenig bereute Estel, dass während des Mahls keine Gelegenheit gegeben war, sich genauso ungestört zu unterhalten wie am Nachmittag, doch bevor sich die meisten Gäste zur Ruhe begaben, lud Legolas Estel und die Zwillinge noch ein, mit ihm und einigen Freunden am nächsten Tag auf die Jagd zu gehen.
Voller Vorfreude schlief Estel in dieser Nacht in seinem Gemach ein.

TBC

Wir hoffen, auch dieses Kapitel hat euch gefallen. Bitte lasst es uns wissen. Das nächste wird dann wieder ein bisschen... anders... merh sag ich nicht ;)