Vielen Dank für die lieben Reviews. Es hat uns sehr gefreut, dass euch die story bisher so gut gefällt! Sorry, dass es mit Teil 3 etwas länger gedauert hat. Teil 4 werden wir schneller posten.
Aber nun erst mal viel Spa
…
Kapitel 3
Ungeduldig wartete Legolas an den großen Toren des Palastes. Die Sonne war kaum aufgegangen, doch hatten sie verabredet, bereits so früh aufzubrechen, um genügend Zeit zum Jagen zu haben. Legolas hatte nicht lange schlafen können, er war früh aufgewacht und obwohl noch Zeit gewesen war, war der Prinz aufgestanden. Er verspürte eine Vorfreude auf den Jagdausflug, die ihn nicht verließ und so wartete er weiter darauf, dass seine Freunde, die Zwillinge und Estel auftauchten.
"Legolas!", ertönte in dem Augenblick eine sehr vertraute Stimme und der Angesprochene drehte sich um und sah seinen Freunden entgegen. "Da seid ihr ja", sagte er, als sie schließlich bei ihm angekommen waren. Ein spielerisches Grinsen erschien auf seinem Gesicht. "Ihr seid zu spät."
Neldor lachte. "Entschuldigt vielmals, mein Prinz." Aearon, ein hochgewachsener Elb mit dunklen Haaren, nickte ernst und fügte hinzu: "Was können wir tun um Eure Vergebung zu erlangen?" Das belustigte Funkeln in seinen Augen verriet ihn jedoch.
Legolas lachte und schüttelte nur den Kopf.
„Nun warte doch!", drang Elladans Ruf aus dem Inneren seines und Elrohirs Gemach, nachdem Estel bereits zum zweiten Mal an dessen Tür geklopft hatte.
Nur einen Augenblick später öffnete schließlich der jüngere Zwilling und Estel konnte über dessen Schulter erkennen, dass Elladan noch dabei war, seinen Köcher mit Pfeilen zu bestücken.
„Wir kommen zu spät", sagte der Mensch.
„Guten Morgen, erst einmal", erwiderte Elrohir grinsend und legte sich schließlich einen kurzem Umhang um die Schultern, als Elladan endlich mit seinem Köcher fertig war und diesen samt Bogen umgeschnallt hatte.
„Jetzt können wir gehen", sagte er und klopfte seinem Ziehbruder auf die Schulter.
Estel nickte lächelnd und machte sich, den beiden voraus, auf den Weg.
„Ich mache mir Sorgen um ihn", flüsterte Elladan seinem Zwillingsbruder zu.
„Wieso?"
„Er steht doch sonst nicht freiwillig so früh auf."
„Das habe ich gehört", sagte Estel, ohne sich jedoch wirklich umzuwenden. „Und ich stehe immer dann auf, wenn es etwas Aufregendes, Neues zu sehen oder erleben gibt. Und da ich die Wälder hier noch nicht kenne …" Er zwinkerte den beiden Elben kurz über seine Schulter zu und führte sie dann weiter in Richtung der Tore des Palastes an.
Als Estel am Ende des breiten Ganges ankam, sah er, dass das Tor bereits geöffnet war. Von draußen drang Gelächter und dazu drei Stimmen an sein Gehör. Eine davon gehörte Legolas. Erst jetzt überholten die Zwillinge ihn jedoch und traten schneller nach draußen als Estel selbst. Die Sonne war noch nicht gänzlich aufgegangen und nur ein schwaches Licht strahlte durch die Wipfel der Bäume, als Estel schließlich vor Legolas stand, nachdem die Zwillinge diesen begrüßt hatten.
„Guten Morgen."
So gut seine Stimmung bereits zuvor gewesen war, als die Zwillinge mit Estel im Schlepptau durch die Tore ins Freie traten, wurde sie noch ein wenig besser. "Estel, guten Morgen", erwiderte Legolas den Gruß fröhlich. "Wie war eure Nacht?", fragte er, nun auch an die Zwillinge gewandt. "Habt ihr sie gut außerhalb der heimischen Betten verbracht?"
„Ich habe hervorragend geschlafen", antwortete Elladan, bevor sich ein schelmisches Grinsen auf seine Lippen legte. „Doch Elrohir konnte keine Ruhe finden. Er fürchtet sich vor Riesenspinnen und Fledermäusen."
„Das ist überhaupt nicht wahr. Glaube ihm kein Wort!", entgegnete Elrohir kopfschüttelnd, jedoch lachend und auch Estel lachte über die Scherze seiner Brüder.
„Bei den beiden kann man sich nie sicher sein, wem man nun glauben kann und wem nicht", sagte er und zwinkerte Legolas dabei zu.
"Hm, woher kenne ich das?", fragte dieser gut gelaunt und sah aus den Augenwinkeln zu seinen beiden besten Freunden hinüber, die unschuldig drein schauten.
"Zumindest kannst du uns auseinander halten", meinte Aearon, was ein leises Lachen von Neldor zur Folge hatte.
Legolas jedoch beschloss, die beiden für den Moment zu ignorieren und wandte sich wieder Estel zu. "Und du, wie hast du geschlafen?"
Estel hatte kurz unauffällig zu den Begleitern von Legolas gesehen, die, wie es schien, gute Freunde von ihm sein mussten. Er richtete seine Aufmerksamkeit wieder an den Prinzen und sah ihn lächelnd an.
„Ich habe sehr gut geschlafen. Danke", antwortete er. „Und du?" Erst als er die Frage ausgesprochen hatte, bemerkte er, wie äußerst dämlich sie gewesen war. Dies einen Gast zu fragen, war reine Höflichkeit, doch wenn Gäste ihren Gastgebern diese Frage stellten, war es ein wenig unnötig.
"Wundervoll", antwortete Legolas ehrlich und warf Estel ein erneutes Lächeln zu, ohne sich weiter Gedanken über die Frage zu machen. "Nun, wollen wir aufbrechen? Je schneller wir sind, desto höher sind unsere Chancen auf eine gute Jagd, besonders in den Morgenstunden."
Neldor nickte und nahm seinen Bogen wieder auf. "Ja, lasst uns gehen."
In zügigem Tempo setzte sich der Trupp in Bewegung, hinein in die geheimnisvollen Tiefen des Düsterwaldes.
Nach einiger Zeit schritten Legolas' Freude voraus, gefolgt von den Zwillingen, die die beiden Waldelben in ein angeregtes Gespräch über die besten Verfahrensweisen bei der Hasenjagd verwickelt hatten. Auch wenn sie meist ihre Stimmen kaum mehr erhoben als nur ein Flüstern, verriet ihr gelegentliches Lachen, dass sie sich bei den Diskussionen amüsierten.
„Deine Freunde scheinen sich gut mit meinen Brüdern zu verstehen", sagte Estel, der einige Schritte hinter den anderen neben Legolas ging.
Dieser nickte. "Das kann ich mir gut vorstellen", erwiderte er als hätte er dies befürchtet, doch war er froh darüber. "Und es scheint, als hätten sie ein Gesprächsthema gefunden, das sie alle mögen ... wohingegen ich es manchmal nicht mehr hören will, wenn sie darüber streiten." Leise lachte er bei diesen Worten, und noch mehr als Aearons Antwort zu ihnen herüberwehte.
"Legolas, das habe ich gehört!"
"Das war auch so beabsichtigt!", rief der Prinz zurück, bevor er sich wieder Estel zuwandte und recht plötzlich eine Frage aussprach, die ihm bereits einige Zeit im Sinn herumgegangen war. "Wie lange lebst du nun schon in Imladris?"
„Ich war noch nicht einmal drei Jahre alt, als meine Mutter mich nach Imladris brachte. Seit ich denken kann, war es meine Heimat. Ich kenne keine andere", antwortete der Mensch, während er mit halbem Ohr den nun hitziger werdenden Diskussionen der Vorhut lauschte. Doch die vier Elben waren noch immer in bester Stimmung und ihres Themas nicht müde, was Estel sehr erfreute.
"Nicht einmal drei Jahre alt?", fragte Legolas überrascht, bevor ihm klar wurde, dass dies noch überhaupt nicht so lange her war. Der Gedanke löste ein unbestimmtes aber seltsames Gefühl in ihm aus. Die nächste Frage zu stellen zögerte er. "Und kannst du … kannst du dich noch an die Zeit davor erinnern?
Estel sah zu Boden, während er lief, und zog die Augenbrauen grübelnd zusammen. „Nein, ich glaube, ich kann mich an nichts erinnern. Manchmal sehe ich Bilder, die ich keinem Platz in Bruchtal zuordnen kann, aber eine wirkliche Erinnerung habe ich nicht." Dann blickte er Legolas an und ein Funkeln in seinen Augen verriet, dass er eine Frage zurückgeben wollte. „Was ist deine frühste Erinnerung?"
Auf diese Frage hin war Legolas eine lange Zeit still, tief in Gedanken. Einige Male fiel ihm etwas ein, das er dann jedoch offensichtlich wieder verwarf. Letztendlich legte sich langsam der Hauch eines Lächelns auf seine Lippen und er antwortete. "Ich kann mich an diesen einen Augenblick erinnern … ich konnte damals noch nicht einmal auf meinen eigenen zwei Füßen stehen. Es war Abend, schon spät, und aus irgendeinem Grund konnte oder wollte ich nicht einschlafen, wie mir mein Vater später berichtete. Was ich jedoch noch weiß ist, wie meine Mutter an meinem Bett saß und leise für mich sang, so lange, bis ich endlich schlief." Legolas verstummte kurz, überlegte einen Augenblick und nickte dann langsam. "Ja, dies ist das erste, an das ich mich heute noch erinnern kann."
Estel sah verwundert zu dem Elben herüber, zutiefst beeindruckt und überrascht, dass er eine Erinnerung an einen so frühen Zeitpunkt seiner Kindheit hatte.
„Die meisten der schönen Kindheitserinnerungen haben irgendetwas mit der Mutter zutun", sagte er schließlich, ohne jedoch weitere Fragen zu stellen, auch wenn er neugierig war, zu wissen, was mit Legolas' Mutter geschehen war, ob sie noch lebte.
"Ich glaube, es ist oft so, ist man glücklich genug, seine Mutter in dieser Zeit seines Lebens noch zu haben", antwortete der Elb ein wenig nachdenklich. "Es sind meine frühesten und glücklichsten Erinnerungen, wie du bereits sagtest. Und ich bin froh, dass ich sie habe."
Legolas verstummte und seine Stirn kräuselte sich, jedoch nur so leicht, dass man es kaum bemerkte.
Estel glaubte in diesen Worten eine Antwort auf seine Frage zu finden. Er wünschte sich jedoch, er hätte sie nicht bekommen – es hätte keinen Anlass für sie gegeben.
Er wusste nicht, wie lange es her war, dass Legolas seine Mutter verloren hatte, doch ganz gleich ob nur Jahre oder Jahrhunderte dazwischen lagen, es musste nach wie vor schmerzlich sein, daran zu denken. Innerlich angestrengt suchte er nach Worten des Trostes, doch schließlich kam er zu dem Schluss, dass er keine fand. Stattdessen jedoch gingen ihm andere durch den Kopf.
„Ich bin noch sehr jung und versteh nicht viel von diesen Dingen", begann er. „Aber eines weiß ich. Erinnerungen kann einem niemand nehmen, ganz gleich was geschieht. Sie sind immer da, so lange man an ihnen festhält, und mit ihnen auch ein Stück der Zeiten, die man so sehr genossen hat." Er lächelte den Elben freundlich an. „Und sicherlich wird dieser Besuch in Düsterwald mit zu den schönsten Erinnerungen meines Lebens zählen."
Legolas wusste nicht genau warum, doch bewegten ihn diese Worte auf eine seltsame Art und Weise. So blieb er stehen und als Estel es ihm verwundert gleich tat und ihn verwirrt anblickte, trat er langsam einen Schritt auf ihn zu, hob nachdenklich eine Hand und strich dem jungen Mann flüchtig über die Wange. "Du bist ein sehr besonderer Mensch, Estel", sagte er leise.
Estel senkte den Blick und spürte, wie er leicht errötete. Legolas' Worte und seine Geste bedeuteten ihm viel, da er sich sonst unter fremden Elben oft ausgeschlossen oder zumindest nicht dazugehörig vorkam. In der Gegenwart des Prinzen war dies jedoch gänzlich anders. Zwischen ihnen hatte sich bereits eine Vertrautheit aufgebaut, wie der junge Mann sie selten erlebt hatte
„Psst!", sagte einer von Legolas' Freunden schließlich und bückte sich ein wenig herunter. „Ich glaube da vorne ist etwas."
Legolas und Estel näherten sich den anderen vier auf leisen Sohlen und spähten durch das Unterholz. Und tatsächlich: zwischen niedrigen Bäumen streiften einige Fasane umher.
"Was meint ihr, wird unser Koch zufrieden mit uns sein, wenn wir mit ein paar Fasanen zurückkehren?", fragte Neldor leise, seine Augen unablässig auf die Tiere gerichtet.
"Sicherlich nicht unerfreut", antwortete Legolas, der lautlos nach hinten in seinen Köcher griff, während seine beiden Freunde es ihm gleich taten.
Auch Estel nahm seinen Bogen zur Hand und bespannte ihn, doch in der Zwischenzeit hatten die fünf Elben längst gezielt – schnell im Gegensatz zu unerfahreneren Menschen aber dennoch sorgfältig und bedacht. Vier der fünf Pfeile trafen ihr Ziel und der fünfte verfehlte es auch nur, da der Fasan just in jenem Moment davon lief. Resigniert ließ der Mensch seinen Bogen wieder sinken und beglückwünschte die Elben zu ihrem Erfolg.
Legolas inzwischen hatte die erschossenen Fasane eingesammelt, ebenso wie die Pfeile, von denen jeder noch brauchbar war, und so gab er sie ihren Besitzern zurück. "Sollen wir weiter gehen?", fragte er schließlich. "Es ist früh, die Sonne steigt noch und wir könnten weiter Erfolg haben."
Die Zwillinge nickten. „Ja, und diese vier Fasane reichen kaum für uns."
„Aber nur, weil Elladan seinen Pfeil verschossen hat", kicherte Elrohir, woraufhin Elladan beleidigt die Arme vor der Brust kreuzte.
„Für uns allein würden sie schon reichen", sagte Estel dann. „Aber ich denke, die Ausbeute soll auch für die anderen bestimmt sein?"
Legolas nickte, womit die Sache recht schnell beschlossen war. "Wenn wir nur mit vier Fasanen zurück kehren, wird mein Vater uns sofort wieder in den Wald schicken", meinte er scherzhaft. "Er sagte mir heute Morgen, er hätte Lust auf Rehbraten."
Zwar hatte König Thranduil dies wirklich zu Legolas gesagt, als dieser ihm von ihren Jagdplänen erzählt hatte, doch ebenfalls nur spaßeshalber.
"Dann lasst uns gehen", meinte Neldor und nahm seinem Freund drei der Fasane ab um sie unter den anderen aufzuteilen.
Der Nachmittag war bereits weit voran geschritten, als der Jagdtrupp endlich einige Rehe im Wald ausfindig machte. Sie waren lange Zeit auf der Suche gewesen, doch auch eine etwas längere Mittagsrast, bei der die Zwillinge und Legolas' beide Freunde wieder einmal die Gelegenheit genutzt hatten, über so manche Jagdtechnik zu sinnieren, hatte einige Zeitverzögerungen bedeutet.
Hinter einigen niedrigen Büschen lauerten sie nun, während sie die Rehe beim Grasen beobachteten. Eines von ihnen stand auf einer kleinen Lichtung, doch drei weitere bewegten sich etwas weiter abseits durch das Unterholz.
„Wir sollten uns aufteilen", schlug Elladan vor.
„Wenn wir zunächst auf dieses hier schießen, werden die anderen entkommen", fügte Elrohir hinzu.
„Reicht denn ein Reh nicht?", fragte Estel und warf wieder einen Blick auf das Tier. Es war ein halbstarker Hirsch, noch recht jung aber kein Kitz mehr, ein stattliches Tier, das für ein festliches Mahl ausreichen würde.
„Und wenn wir es nicht erwischen?", fragte Elladan leise und zwinkerte seinem Ziehbruder zu.
Legolas hatte der leisen Unterhaltung gelauscht und schaltete sich nun, ebenso leise, ein, ohne den Blick von den Tieren zu wenden. "Nein, wir trennen uns nicht. Es wäre ein Risiko und heute möchte ich wirklich keines eingehen. Außerdem können wir nicht viel mehr als höchstens zwei der Tiere nach Hause transportieren und wenn wir schnell genug sind, werden wir heute mit reichlich Beute zurückkehren."
Somit schien auch dies entschieden, doch noch bevor die Elben sich hatten entscheiden können, wie genau sie nun vorgehen wollten, hoben zwei der Tiere plötzlich ihre Köpfe, ihre Ohren zuckten misstrauisch. Kaum einen Augenblick später witterten sie Gefahr und wie auf ein Kommando stob das ganze Rudel auseinander. Doch nicht wegen der Elben und des Menschen, wie man zuerst hatte denken können, denn in dem Moment tönte ein hoher, tierischer Schrei durch die Bäume, der jeden der sechs Jäger zusammenzucken ließ.
Estel schaute sich verwirrt um, als er den eigentümlichen Laut vernahm. Seine Sinne waren geschärft und sein Bogen gespannt, während seine Augen die Umgebung absuchten, doch noch immer konnte er nicht sehen, was die Geräusche verursacht hatte.
Die drei Waldelben jedoch schienen sofort verstanden zu haben, was vor sich ging. Nach einer weiteren Sekunde des Verharrens, waren sie plötzlich aufgesprungen, während es über ihnen und in vielen Metern Entfernung in den hohen Kronen der Bäume hektisch raschelte. Die Zwillinge waren ihnen gefolgt, doch selbst sie brauchten noch einen Moment, bis ihnen bewusst wurde, was die Rehe aufgeschreckt hatte.
Die Waldelben wollten sich schon in Bewegung setzen, diese schnelle Reaktion für sie nur natürlich, doch als Legolas' Blick auf Estel fiel, wurde ihm klar, dass dieser wohl noch nie mit Kreaturen dieser Art in Kontakt gekommen war.
"Komm, Estel", rief er deshalb, war mit zwei Schritten bei ihm und zog ihn auf die Füße. Neldor indes hatte aufmerksam die Baumkronen beobachtet, spannte plötzlich seinen Bogen und schoss seinen Pfeil ab, hinauf in einen der Bäume. Ein weiterer Schrei ertönte und ein Wesen fiel zu Boden, dunkel, behaart, von der Größe einer ausgewachsenen Hirschkuh und mit erschreckend langen Beinen.
Für einen Moment zuckte es noch, bevor es still lag.
"Wie viele?", fragte Legolas schnell, den Tod des Tieres überhaupt nicht beachtend.
Wie auf ein stilles Einverständnis hatten sie alle begonnen zu laufen, in die entgegengesetzte Richtung als jene, in die das Rudel geflüchtet war.
"Ich würde sagen zwanzig, bin mir aber nicht sicher", antwortete sein Freund, während Aearon ein weiteres Tier aus den Bäumen schoss.
Estel fühlte sich, als gefröre ihm das Blut in den Adern, als er die riesige Spinne sah. Er hatte von diesen Kreaturen gehört, doch noch nie eine zu Gesicht bekommen. Angst erfasste ihn wie noch nie zuvor in seinem Leben, als er das Rascheln über sich hörte und wusste, dass die Spinnen ihnen folgten. Dass selbst die Waldelben vor ihnen flohen, beunruhigte ihn und zum ersten Mal hatte er wirkliche Angst um sein Leben.
Auf den Kommentar seines Freundes hin nickte Legolas grimmig und wollte noch etwas erwidern, als zehn Meter vor ihnen plötzlich eine der Spinnen aus den Bäumen herab sprang und die Fliehenden anfauchte. Die Elben und Estel kamen abrupt zum Stehen, als noch weitere der Biester auftauchten, überall um sie herum. Sofort hatten die Elben ihre Bögen gespannt und Pfeile surrten durch die Luft.
"Neldor, Aearon", rief Legolas, der keine Sekunde beim Schießen inne hielt, "wenn wir getrennt werden, kümmert ihr euch um die Zwillinge oder Estel und seht zu, dass ihr sicher wieder nach Hause kommt. Wenn ihr eine Gelegenheit seht, hier herauszukommen, nutzt sie, solange ihr sie mit heraus bringen könnt!" Die beiden Waldelben nickten kurz und verständigten sich mit einem schnellen Blick. Legolas' Anweisung war keinesfalls unhöflich gemeint, doch kannten Elronds Söhne sich in diesem Wald lange nicht so gut aus wie jemand, der hier daheim war.
„Getrennt?", murmelte Estel mit geweiteten Augen. Er wollte nicht, dass die Gruppe getrennt wurde und im Schlimmstfall er alleine oder nur mit einem weiteren Begleiter durch diesen Angriff hindurch müsste. Sie mussten dafür sorgen, dass sie zusammen blieben, denn sonst wären sie dem überlegenen Gegner ausgeliefert. Er versuchte, dicht bei den Zwillingen zu bleiben, doch im selben Augenblick sprang eine der Spinnen von ihrem Ast und genau auf ihn zu. Estel erstarrte
Doch noch bevor sie den Menschen erreicht hatte, wurde sie zur Seite geschleudert und rührte sich nicht mehr. Zwei Pfeile steckten in ihrem Kopf, aber bevor Estel sich dies genauer besehen konnte, war Legolas neben ihm und zog ihn mit sich zur Seite, bevor eine weitere Spinne dort landete, wo sie eben noch gestanden hatten.
Erneut griff Legolas nach hinten in seinen Köcher und musste erschrocken feststellen, dass er kaum noch Pfeile übrig hatte. Hektisch suchten seine Blicke seine Freunde und die Zwillinge, die nun von ihnen durch zwei Spinnen getrennt waren, die sich in ihre Mitte hatten fallen lassen.
Endlich nahm Estel einen tiefen Atemzug und riss sich zusammen. Er bespannte seinen Bogen erneut und zielte auf eine der riesigen Ungeheuer, doch seine Finger zitterten und so verfehlte er sein Ziel. Im selben Augenblick jedoch sprangen vier der Spinnen auf ihn und Legolas zu und drängten sie weiter ab, fast so, als hätten sie vor, die Gruppe zu trennen. Woher Legolas dies geahnt hatte, vermochte Estel nicht zu sagen, doch machte er sich in diesem Moment auch keine Gedanken darüber. Stattdessen war seine Aufmerksamkeit auf das kreischende Monstrum gerichtet, dass sich schnell auf ihn zu bewegte. Rasch steckte er seinen Bogen weg und zog nun sein Schwert, mit dem er sich gleich sicherer fühlte als mit der Schusswaffe, obwohl sein Herz immer noch bis zum Hals schlug und seine feuchten Hände unruhig das Heft des Schwertes hielten. Mit einem wütenden Ausruf schwenkte er die Klinge, bevor er mit Kraft direkt in den schwarzen Leib der Kreatur stach, woraufhin diese mit einem grässlichen Laut zu Boden ging. Schon war er stolz darauf, eine von ihnen erlegt zu haben, doch die Freude über den besiegten Feind versiegte alsbald, als weitere der Spinnen auf ihn zu kamen.
Überrascht sah Legolas den jungen Menschen an. Mit Pfeil und Bogen hatte er alles andere als sicher gewirkt, doch sobald er sein Schwert in der Hand hatte, schien er viel ruhiger und geschickter als zuvor. Zwar hatte Legolas schon vermutet, dass Estel in vielen Kampftechniken unterrichtet worden war, doch zeigte er mit dem Schwert ungewöhnlich viel Talent, selbst in den kurzen Augenblicken, die er nun gekämpft hatte. Weiter konnte er sich jedoch nicht darüber Gedanken machen.
Zwei weitere Pfeile wurden schneller abgeschossen, als das Augen folgen konnte, doch schließlich musste auch der Elb seine Zwillingsdolche ziehen, da seine Pfeile verschossen waren.
Den vier Elben einige Meter weiter schien es ähnlich zu gehen – wenn auch etwas besser. Die Spinnen schienen sich nun, da sich durch einen glücklichen Zufall zwei von der Gruppe getrennt hatten, mehr auf diese zu konzentrieren, da sie eine leichtere Beute waren. Sobald
Neldor einen kurzen Augenblick Ruhe hatte, blickte er sich nach Legolas um. Was er sah, ließ ihn erstarren. "Legolas!", rief er und stürzte sich schon auf die Spinnen, die sie von ihm und dem jungen Menschen trennten.
Dieser hatte gerade eine weitere Spinne getötet, als sich zu seiner Linken plötzlich eine Lücke auftat – für einen Augenblick schienen die Spinnen, durch den Angriff von hinten, irritiert und sie wurde nicht sofort gefüllt.
"Aearon, Neldor, lauft!", rief Legolas, da er wusste, dass die Möglichkeit für seine Freunde gekommen war und er selbst diese Lücke vor Augen hatte. Seine Stimme besaß so viel Autorität, dass seine Freunde von den Spinnen abließen, wenn auch sehr zögernd, und ihm gehorchten. Die Zwillinge protestierten bereits lautstark, da sie ihren kleinen Bruder hier nicht zurücklassen wollten, doch zogen die beiden Waldelben sie unerbittlich mit sich.
Einer von Legolas' Dolchen bohrte sich gerade in das Auge einer der Spinnen und Estel selbst hieb einer weitern einige Beine ab, wodurch sich die Lücke kurzzeitig noch ein wenig vergrößerte – alles, was sie brauchten. Legolas musste den jungen Menschen überhaupt nicht auffordern. Gleichzeitig sprangen sie aus dem Kreis der Spinnen hinaus, die immer noch etwas verwirrt wirkten.
Endlich hatten Estel und Legolas hinter sich freies Feld, jedoch waren vor ihnen immer noch viele der Spinnen, die sich nun zwischen sie und die anderen vier gebracht hatte.
„Elladan! Elrohir!", rief Estel und wollte bereits den Weg zu seinen Ziehbrüdern beginnen, als sein Arm ruckartig festgehalten wurde.
"Komm mit", sagte Legolas nur, doch war er nun in die Rolle des Befehlshabers geschlüpft, der er in Abwesenheit seines Vaters war, und selbst wenn es nicht Estel war, für den dies galt, wagte auch er nun keinen Widerspruch.
"Ihnen wird nichts geschehen", fügte Legolas schnell hinzu, noch während sie zwischen zwei Spinnen hindurchschlüpften, die sich ihnen noch in den Weg stellen wollten, doch zu spät kamen. Sie beide langten mit ihren langen Beinen nach den Flüchtenden, doch konnten sie sie nicht mehr aufhalten. Eine Klaue streifte Legolas' Unterschenkel und zerriss den Stoff, was jedoch im allgemeinen Lärm völlig unterging. Legolas zuckte zusammen und stolperte kurz, doch nicht lang genug für die Spinne, um ihre Beute wieder einzufangen.
Innerlich rebellierte Estel gegen Legolas' Aufforderung, doch wusste sein Verstand, dass sie keine andere Wahl hatten als zu fliehen. Sobald die Gefahr hinter ihnen lag, konnten sie die anderen suchen. Der Mensch hoffte nur inständig, dass seine Ziehbrüder unversehrt bleiben würden. Einzig das Wissen, dass sie erfahrene Krieger waren, beruhigte ihn genug, um mit Legolas zu fliehen.
- TBC -
Und bitte lasst uns wieder wissen, wie es euch gefallen hat.
