Kapitel 4: Von Herzen, Essensrezepten und nassen Katzen

Und weiter geht's :-) Vielen Dank an Steeljren-Dag (Grüße an's Brautpaar ausgerichtet g) und Rycitia für die Reviews.
Macht weiter so :-)

----

Alfred wachte vor Sonnenuntergang auf. Während er sich noch fragte, was ihn überhaupt geweckt hatte, wurde sein Sargdeckel zur Seite geschoben und Sarahs Gesicht erschien in seinem Blickfeld. Verschlafen blinzelte er sie an.

"Was gibt's denn? Ist was passiert?"

"Nein, aber ich muss mit dir reden", antwortete Sarah leise. Sie zog den Nachwuchswissenschaftler aus dem gemieteten Sarg und mit sich.

Alfred folgte ihr zwei Treppen nach oben, in einen Fahrstuhl, drei Stockwerke weiter nach oben, wieder aus dem Fahrstuhl raus - und dann standen die beiden auf einer Art Dachboden, zumindest gab es eine Dachschräge. Allerdings bestand diese Dachschräge aus Glas und bot keinerlei Schutz vor dem Rest des Sonnenlichts, welches jetzt langsam dem Mondschein wich. Normalerweise wäre Alfred von der Panik gepackt worden, aber anhand der leicht abwesend wirkenden Sarah ignorierte er seine Bedenken, vor Allem, da die Sonne sowieso schon fast weg war.

Sarah stieß eine Glastür auf und trat hinaus auf das Dach von "King's Coffin" und ließ sich auf einem Liegestuhl nieder. Alfred setzte sich auf einen zweiten und schaute die junge Frau an. "Was ist los?", wollte er wissen.

"Als... ähm... ich wollte dich was fragen...", murmelte Sarah leise. "Und das ist mir etwas unangenehm." Sie schaute auf und damit dem jungen Wissenschaftler genau in die Augen. "Schieß los", sagte dieser und schaffte es tatsächlich, die Unsicherheit aus seiner Stimme zu verbannen. Er rechnete jedoch nicht mit einer erfreulichen Nachricht.

"Also... ach, ich mach's kurz." Sie holte tief Luft. "Ich habe keinen Trauzeugen. Und ich kenne kaum jemanden gut genug, als dass ich jemand anderen fragen könnte - außer dich. Zu Magda habe ich erst ein halbwegs gutes Verhältnis, seitdem wir beide Vampire sind. ich werd mich hüten, meine Eltern zu fragen und Herbert und der Professor stehen nicht mehr zur Verfügung. Und die von Catines kenne ich ja kaum..."

"Und warum ist dir das unangenehm, mich zu fragen?", unterbrach Alfred sie. Er ahnte nichts Gutes.

"Na ja..." Sarah wurde rot. "Mir ist natürlich aufgefallen... wie... naja, wie du reagierst, wenn wir beide miteinander reden - zumindest sonst. Oder damals, wenn ich mit dir geflirtet habe. Und der Professor hat mir auch einiges gesagt... du weißt schon, wovon ich rede", stammelte die Wirtstochter.

Alfred wurde noch röter als sie. "Und... und worauf willst du hinaus?"

"Nun... ach Alfred, der Professor meinte, du seiest in mich verliebt und... mein Gott, vergiss es, unter den Umständen kann ich dich doch unmöglich fragen, ob du mein Trauzeuge sein willst, wenn ich einen anderen Mann heirate!" Sarah sprach so schnell, dass sie sich fast an ihrer eigenen Zunge verschluckte. Sie senkte schnell den Kopf.

Ein kleiner Teil in Alfreds Gehirn fragte sich, ob es möglich war, dass er noch röter wurde. Der Rest versuchte zu verarbeiten, was Sarah da gerade gesagt hatte. Allzu viel bekam er von der Bedeutung nicht mit, aber hauptsächlich eins: Er würde für Sarah nie mehr sein, als ein guter Freund, sie würde ihn nie lieben. Alfred schluckte.

Bevor er überhaupt wusste, was er da sagte, sprudelten die Worte aus seinem Mund. "Ich würde aber trotzdem dein Trauzeuge sein."

Sarah hob überrascht den Kopf. Dann weiteten sich freudig ihre Augen. "Wirklich? Oh Alfred, danke!" Sie sprang auf und fiel Alfred stürmisch um den Hals, wobei sie Nachwuchswissenschaftler allerdings nach hinten riss und sie beide rücklinks vom Liegestuhl fielen.

Alfred atmete perplex aus und Sarah schob sich verlegen eine Strähne aus dem Gesicht. "'Schuldigung", murmelte sie. "Ist nicht schlimm." Alfred rappelte sich auf und half Sarah mehr oder weniger gentlemen-like auf die Beine.

"Ähm... vielleicht sollten wie wieder nach unten gehen..." Sarah warf einen Blick auf den Mond, der nun in seiner halben Pracht über ihnen leuchtete. "Die anderen vermissen uns vielleicht schon." Damit wandte sie sich zum Gehen.

Dieser kleine Teil in Alfreds Gehirn, der sich vor ein paar Minuten um das Rotwerden gesorgt hatte, beschloss nun, dass es endlich an der Zeit war, Sarah seine Gefühle zu gestehen, während der Rest der Wirtstochter hilflos hinterher schaute. Der kleine Teil griff auf den Rest über und Alfred fasste nach Sarahs Hand.

"Sarah... ich muss dir das jetzt sagen, denn wenn du verheiratet bist, werde ich mich nicht mehr trauen, das weiß ich jetzt schon." Alfred kam aus dem Rotwerden nicht mehr heraus. Sarah schaute ihn erwartungsvoll an.
"Wie auch immer der Professor es herausbekommen hat, er achtet ja normalerweise nicht so auf Gefühle... jedenfalls hat er recht." Alfred holte tief Luft - jetzt oder nie. "Ich liebe dich. Schon seit sich dich das erste mal gesehen habe. Deshalb bin ich dir ins Schloss gefolgt und deshalb wollte ich dich retten. Du bist der eigentliche Grund, warum ich nicht auf Herberts Anmachen eingehe und warum ich schon so oft Ärger mit dem Professor bekommen habe. Ich liebe dich."
Nach dem ersten "Ich liebe dich" waren dem Nachwuchswissenschaftler die restlichen Worte gar nicht mehr so schwer gefallen und er hatte diese Sätze sogar herausbekommen, ohne zu stottern. Während er dies bemerkte, fiel ihm auch Sarahs Gesichtsausdruck auf. Er spiegelte pures Mitleid wieder.

"Alfred, es tut mir leid", sagte sie, und man hörte ihr an, dass sie es auch so meinte. "Aber ich bin mir mit dem Grafen sicher. Ich hätte dich nicht fragen sollen, ob du... jedenfalls musst du es nicht machen, wenn du nicht willst."

Wieder schluckte Alfred. Seine Angebetete hatte ihre Gefühle sehr lieb rübergebracht, aber es tat trotzdem weh. Er wusste nicht, was er erwartet hatte. Gewiss keinen Sinneswandels Sarahs - aber das hier auch nicht.

"Doch, ich werde es machen", sagte er leise. Er lächelte gequält. "Mein Hochzeitsgeschenk für dich."

Dann drehte er sich auf dem Absatz um, damit Sarah die Tränen in seinen Augen nicht sah.

----

"Verdammt, wo sind die beiden?" Herbert schaute zum vierten mal in Alfreds Sarg. "Wir müssen bald los!"

"Sie werden wohl nicht verschollen sein, die tauchen bestimmt wieder auf." Professor Abronsius nahm einen Schluck Tee.
"Genau, sie können nicht verschwunden sein, die Sonne ist ja erst vor zehn Minuten untergegangen." Titania klappte ihren Sargdeckel zu und verstaute ihr kleines rotes Samtkissen in Bellas Rucksack. "Und da ist zumindest Alfred."

Sie deutete auf den jungen Wissenschaftler, der gerade in diesem Moment durch die Tür schlurfte.

"Alfred, macht es dir etwas aus, in unsere Kutsche zu kommen? Wir müssen etwas zusammenrücken, weil wir eine Kutsche weniger haben." Graf von Krolock half Koukol dabei, die Hochzeitsoutfits in eine große Folie zu wickeln. Alfred murmelte etwas wie "Kein Problem" und gesellte sich zu Abronsius und Julian, die inzwischen beide Tee tranken. Julian entging Alfreds unglücklicher Gesichtsausdruck - im Gegensatz zu den meisten anderen im Raum - nicht.

"Hey, kleiner, was ist los?", wollte er wissen und drückte Alfred ebenfalls eine Tasse Tee in die Hand. Eigentlich wollte Alfred niemandem etwas von seinem Liebesgeständnis erzählen, aber als Sarah die Küche betrat und mit ernster Miene auf den Grafen einredete, sprudelte alles aus ihm heraus.

In der Zwischenzeit hatte Ardora Herbert auf Trab gehalten - und ihn dabei auch daran gehindert, zu seinem Alfi hinüber zu gehen. "Nun komm, bedräng ihn nicht schon wieder", meinte sie und fuhr ihm durch das schlafzerzauste Haar. "Geh die Sache ein bisschen ruhiger an und überrumpel ihn nicht immer."
"Aber schau ihn dir doch mal an", entgegnete Herbert ungeduldig. "Es hat bestimmt Ärger gegeben!"
"Vielleicht", sagte Ardora und verfrachtete Herberts silberne Haare in eine schwarze Samtschleife. "Und wenn nicht, verschreckst du ihn vielleicht wieder." Sie drehte den Grafensohn so um, dass sie ihm in die Augen schauen konnte. "Ich kenn dich doch, du schläfst in Hotelsärgen nie gut, und wenn du nicht gut schläfst, benimmst du dich manchmal seltsam. Alfred kennt das nicht und womöglich baust du dann Mist. Warte erst mal ab, bis du was genaueres weißt." Sie gab ihm einen leichten Kuss auf die Wange und ging zu Magda hinüber, die gerade mit Chagal über irgendetwas diskutierte.

Eine Viertelstunde später war die Diskussion gegessen und die junge Magd blies zum Aufbruch. Koukol lenkte wieder die erste Kutsche, in der sich jetzt Graf von Krolock, Herbert, Sarah, Professor Abronsius, Alfred und Titania. In der zweiten Kutsche musste Chagal als Fahrer ran. In der Kutsche befanden sich Jonathan, Julian, Bella, Ardora, Magda und Rebecca.

Julian hatte darauf bestand, in der gleichen Kutsche wie Ardora zu fahren, denn er hatte die Geheimgespräche satt. Auf der Fahrt erzählte er Ardora genau das, was ihm Alfred zuvor berichtet hatte und Ardora informierte ihn von Herbert.

"Was steht eigentlich sonst noch an?", fragte Ardora, "vielleicht kann man die beiden mal in eine Arbeitsgruppe tun. Herbert könnte Alfi über seinen Liebeskummer wegtrösten..."

"Oh, seid bloß vorsichtig", warnte Jonathan. "Julian, ich kenne dich, wenn du dich in deine Kuppelversuche reinsteigerst..." Er schauderte.

"Hey!" Julian runzelte die Stirn, Ardora und Magda lachten.

"Also, ich finde die beiden sind ein süßes Paar", verkündete Magda. Rebecca warf ihr einen zweifelnden Blick zu, mit gleichgeschlechtlicher Liebe konnte sie sich nicht viel anfangen. Damit erntete sie ein "Guck nicht so" von Magda. "Mal sehen, vielleicht finde ich ja noch 'ne Arbeitsgruppe, wo ich die beiden reinstecken kann."

----

Magda fand nicht nur eine Arbeitsgruppe, sie musste eine neue aufstellen. Denn als die Vampire im Schloss ankamen, musste die junge Magd feststellen, dass sie wohl demnächst ihre Anweisungen genauer formulieren musste:

Freya, Lommel, die Teen- und Ewigkeitsvampire hatten zwar Unmengen an Lebensmitteln besorgt und sie auch so verstaut, dass sie nicht vergammeln würden, aber Magda hatte eigentlich damit gerechnet, dass sie das Essen zubereiten würden. Da dem nicht so war, griff sie die Gelegenheit beim Schopf und wies Herbert, Alfred, Julian und Ardora an, die Küche zum Kochen zu nutzen. Rebecca und Chagal meldeten sich freiwillig zum Schälen von Kartoffeln, Tomaten, Äpfeln und Orangen und verzogen sich mit den Lebensmitteln auf den Schlosshof.

"Mal sehen", murmelte Magda den Kupplern Julian und Ardora zu, "vielleicht schau ich gleich auch mal vorbei."

----

"Und, weißt du jetzt, was los ist?", fragte Herbert Ardora, als die beiden mit einigen Litern Blut zum Einkochen in deine zweite Küche gingen.
Während Ardora das Blut zusammen mit einer gewaltigen Menge Gelierzucker in vier Töpfe schüttete, erzählte sie Herbert alles, was sie herausbekommen hatte.

"Also, was hältst du davon, wenn ich versuche, ihn zu trösten?", wollte Herbert wissen und entfachte ein Feuer unter dem dritten Topf. Ardora zuckte mit den Schultern. "Ist eigentlich gut, aber denk dran: Nicht zu aufdringlich! Ich habe noch nie einen so schüchternen Jungen wie Alfred gesehen." Sie rührte in einem Topf herum. "Was wird das eigentlich?", fügte sie hinzu.

Herbert verdrehte genießerisch die Augen. "Blutmarmelade. Hausrezept von Tante Titania. Sag mal", er grinste. "In der Zeit, wo du jetzt hier bist... hast du denn ein... ähm... Exemplar der Begierde hier im Schloss gefunden?"

"Nun ja..." Ardora rieb sich verlegen den Unterarm. "Ich find Magda wirklich sehr nett. Aber sie hat ja Chagal", fügte sie etwas enttäuscht hinzu. "Und ich trau mich nicht, sie richtig anzusprechen..."

Herbert konnte nicht anders, er musste lachen. "Probier es halt. Ich weiß nicht, ob sie nur an einem Ufer schwimmt, vielleicht kannst du es ja rausfinden." Er grinste schelmisch und rührte weiter in dem Blut-Zucker-Gemisch.

"Au! Verdammt!", fluchte Chagal und schleuderte eine Kartoffel und ein Messer von sich.

Rebecca lachte. "In der Küche warst du schon immer eine Niete."

"Hey! Und es ist trotzdem eine Schande, dass wir keinen Knoblauch benutzen dürfen."

"Du würdest dran krepieren", bemerkte Rebecca trocken.

"Pah", schnaubte der dicke Wirt. "Ich kann eh kaum glauben, dass du überhaupt hier bist. Hast du keine Angst, gebissen zu werden?"

"Magda hat für meine Sicherheit garantiert." Rebecca griff nach einem Apfel und begann ihn zu schälen. "Ich weiß, dass du es wahrscheinlich lieber gehabt hättest, wenn ich zu Hause geblieben wäre, aber im Gegensatz zu dir hat deine Geliebte daran gedacht, dass es meine Tochter ist, die heiratet", zischte sie bissig.

Chagal schwieg und schaute nur auf die Kartoffel, die er noch immer nicht zu ende geschält hatte. "Ich bin froh, dass du da bist", sagte er dann leise. "War irgendwie komisch ohne dich. Außerdem... "Er grinste dreist. "Außerdem hab ich deine Salami vermisst."

Rebecca verdrehte nur die Augen und warf eine Orangenschale nach ihrem Mann.

"Jetzt komm schon!" Julian warf entnervt eine Erdbeere in ein Sieb über der Spüle.

Er und Alfred befanden sich in der ersten Küche und bereiteten die Desserts für den Junggesellenabschied der Frauen vor.

"Du kannst nichts dran ändern, was passiert ist - genau wie an Sarahs Gefühlen, auch wenn du ihr Trauzeuge wirst. Warum hast du den Job überhaupt noch angenommen?"

"Weiß nicht..." Alfred zuckte unsicher mit den Schultern. "Ich wollte, dass ich wenigstens noch eine Sache mit ihr verbinden kann, die auf Gegenseitigkeit beruht..."

"Also, Alfred, ich versteh dich nicht." Julian legte sein Knippchen beiseite. "Okay, Sarah hat dir einen endgültigen Korb gegeben, aber du vergiss mal wieder Herbert. Warum lässt du dich denn nicht einfach mal auf ihn ein?"

"Weil... wie gesagt, manchmal habe ich ein bisschen Angst vor ihm..." Alfred schoss das Blut ins Gesicht.

"Aber es kann doch unmöglich nur daran liegen. Was hast du gegen in?"

"Ich hab gar nichts gegen ihn", erwiderte Alfred heftig. "Aber es kommt mir einfach so komisch vor. Ich mein, er ist ein Mann. Und außerdem, so du das ausdrückst... wenn ich mich auf seine Anmachen einlasse, kommt mir das vor, als würde ich ihn ausnutzen. Ich liebe ihn doch nicht."

"Was nicht ist, kann ja noch werden." Julian musterte eine dunkelrote Erdbeere und biss hinein. "Wenn du einfach mitspielst, wer weiß, vielleicht schießt Amor dann ja doch noch einen Pfeil ab."

Der Nachwuchswissenschaftler schaute Julian zweifelnd an. "Meinst du?"

"Ach man, ich weiß es doch auch nicht", stöhnte Julian. "Ich hoffe es zumindest. Aber ich will nicht, dass sich Herbert nach der Hochzeit wieder bei mir ausheult. Ich hab ihn schon lange nicht mehr dermaßen verliebt gesehen, es wär wirklich schön, wenn du ihn wenigstens nicht mehr so vor den Kopf stoßen würdest. Er ist nicht so wie du denkst, er ist die Sanftmut in Person. Ich versteh gar nicht, wie du eine solche Angst vor ihm haben kannst." Julian schnappte nach Luft, er hatte während seiner Rede vergessen zu atmen. "Und außerdem... willst du denn die ganze Hochzeitsstimmung vermasseln?"

"Nein, natürlich nicht", murmelte Alfred und gab sich in Gedanken geschlagen. "Und ich werd auch versuchen, Herbert nicht mehr vor den Kopf zu stoßen."

Genau diesen Moment wählte das personifizierte Gesprächsthema, um mit seiner Cousine in die Küche zu taumeln. "Halloooo", trällerte Herbert und stolperte auf die Arbeitsfläche zu, um sich daran abzustützen.

Ardora kicherte leicht hysterisch, während Alfred und Julian einen verwirrten Blick tauschten. "Okay, gebt es zu, ihr habt Rum in die Marmelade gekippt", rief Julian.

"Nee, nee", lachte Herbert. "Wir haben da nur was gesehen..."

"Genauer gesagt bringt Magda gerade ihre schön aufgebaute Ordnung durcheinander", grinste Ardora.

"Und leistet sich gerade eine Wasserschlacht mit Chagal und Rebecca am Schlossbrunnen" ergänzte Herbert.

"Und das Beste: Professor Abronsius, der Graf und Sarah machen auch noch mit!" Ardora wischte sich eine Lachträne aus dem linken Auge.

Alfred starrte die beiden an wie Erscheinungen. "Der Professor und eine Wasserschlacht?", fragte er ungläubig.

"Ist noch Platz zum Mitmachen?", wollte Julian wissen - er liebte Wasserschlachten über alles.

"Na das will ich doch hoffen", grinste Herbert. "Kommt ihr mit?"

Ein paar Minuten später fand Koukol beide Küchen leer vor. Verärgert nahm er die Töpfe mit der Blutmarmelade von den Feuern und begab sich auf die Suche nach den Vampiren. Er war genauso erstaunt wie Alfred, den Professor pitschnass auf einer niedrigen Mauer hocken zu sehen, noch erstaunter aber, als er seinen Grafen erkannte, der seine Nichte Bella gerade erbarmungslos unter Wasser stippte.

Kurz und gut: Die Vampire hatten ihre Wasserschlacht auf den Schlossteich verlegt und inzwischen war fast die halbe Sippe daran beteiligt.

Herbert stapfte gerade patschnass auf die kleine Mauer zu und ließ sich neben Alfred nieder - allerdings nicht, ohne vorher am Professor vorbeizugehen und dabei seine silberne Haarmähne so zu schütteln, dass Abronsius, der zumindest halbwegs getrocknet war, von oben bis unten betropft wurde. Koukol machte ein fragendes Geräusch in die Richtung des Professors. Der warf Herbert nur einen garstigen Blick zu, bevor er sich auf den buckligen Diener des Grafen zu bewegte, um ihm die ganze Sache zu erklären.

"Whoa, also ich bin ja schon lange nicht mehr mit Lommel aneinander geraten, aber der hat ja einen festen Griff drauf, mannomann!" Der Grafensohn rieb sich den Hals.

Alfred lachte. "Freya auch. Sie wollte mich stippen und hat mir dabei fast den Arm gebrochen..." Bei der Erinnerung daran verwandelte sich sein Lächeln in ein Naserümpfen. Auch wenn er nicht ertrinken konnte, er hasste es, gestippt zu werden.

"French? Ja, das stimmt... sie war gerade 75 Jahre alt, da hat sie mir fast die Augen ausgekratzt - im wahrsten Sinne des Wortes... na ja, die beiden sind sich halt sehr ähnlich, aber sie sind schon okay." Herbert warf Alfred ein freundschaftliches Lächeln zu.

"Sag mal, ich bin ein bisschen verwirrt über die ganzen Leute... kannst du mich da mal aufklären?" Alfred warf einen stirnrunzelnden Blick auf Julian, der sich gerade lachend auf Ardora und Bella stürzte, und auf den Grafen, der seine Sarah und Titania aus dem Wasser ziehen wollte - Titania allerdings wurde von ihrem Mann wieder in den Teich gezerrt.

"Dann schieß mal los. Worüber soll ich dich aufklären?", fragte Herbert.

"Naja, über die Beziehungen zum Beispiel, die die alle untereinander haben. ich meine..." Der Nachwuchswissenschaftler deutete auf Bella, die jetzt ihrerseits Julians Kopf unter Wasser drückte, während Ardora versuchte, denselben wieder hoch zu holen. "Du hast gesagt, Bella und Ardora wären mal zusammen gewesen, aber..."

"Ach so was meinst du", unterbrach ihn Herbert. Ein nostalgisches Lächeln stahl sich auf sein Gesicht. "Das ist gar nicht mal wenig zum Erzählen. Also-" Er räusperte sich.
"Bella und Ardora. Dass die beiden zusammen waren, hab ich dir ja erzählt, aber sie sind auseinander. Sie verstehen sich zwar noch wunderbar, aber diese Seite der Liebe ist abgeflaut. Jetzt sind sie eher wie Schwestern. Julian und Ardora sind sozusagen beste Freundinnen. Als Dorie das erste mal mit hierhin kam, hat sie sich im Schloss verlaufen. Bella und ich haben sie wie wild gesucht, während sie unten in den Kerkern auf Julian gestoßen ist. Er hat ihr erst ein bisschen Angst gemacht, aber dann brachte er sie nach oben. Wir waren damals mal wieder zusammen, er freundete sich mit ihr an und er und Bella taten ihr bestes, um uns gegenseitig zu befreunden. Damals haben wir uns oft gestritten, aber irgendwann hat sie sich zu einer meiner Lieblingscousinen entwickelt." Er grinste. "Ob das was Gutes oder was Schlechtes ist, darüber lässt sich streiten."

Alfred sah ihn zweifelnd an.

"Nun guck nicht so", meinte der Grafensohn. "Sie ist absolut okay, hast du ja bestimmt selber festgestellt. Aber manchmal ist sie etwas seltsam, sie ist ja erst 84. Um nicht wie Frischling behandelt zu werden, tut sie oft so, als wären unsere alten Sitten und Gebräuche nichts Neues für sie, aber eine Hochzeit im Vampirstil kennt sie nun mal nicht. Bin mal gespannt, ob sie sich nicht doch noch blamiert." Herbert zwinkerte.

Alfred musste lachen. "Du bist ja fies. Ähm... und was meintest du mit 'damals waren wir mal wieder zusammen'? Ich dachte, das mit dir und Julian wäre schon lange her..."

Herbert konnte sich ein "Bist du eifersüchtig?" nicht verkneifen.
Alfred wurde schlagartig knallrot. "Natürlich nicht! Aber man wird sich doch mal wundern dürfen...", fügte er verlegen hinzu.

Der Grafensohn grinste. "Ja, es stimmt. Er war mein erster Freund, als ich Vampir wurde, aber die Beziehung hielt nicht sehr lange. Wir sind allerdings im Laufe der Jahrhunderte... weiß nicht, bestimmt fünf mal wieder zusammen gekommen. Bis es meinem Vater zu viel wurde." Herberts Gesicht verdüsterte sich. "Julian hat früher in der Gruft gewohnt, und als es meinem Vater langte, hat er ihn runter in die Kerker verbannt. Da ist er dann-" Er kicherte, "zu einem Teen-Vampir mutiert. Bella ist übrigens vorhin nicht grundlos Papa in die Mangel genommen worden, man sieht es ihr vielleicht nicht an, aber sie ist nur ein bisschen jünger als mein Vater. Also hat sie immer wieder versucht, Julian und mich zu verkuppeln. Hat ja auch ziemlich oft geklappt."

Jetzt lachten sie beide. "Und die Catines?", fragte Alfred weiter.

"Naja..." Herbert überlegte kurz, bevor er weitersprach. "Du weißt ja, Titania ist Papas Cousine. Ich nenn sie trotzdem Tante. Jonathan und Papa sehen sich ziemlich ähnlich, warum auch immer. Aber Jonathan ist etwas älter als mein Vater und ich glaube, Papa hat sich ein bisschen was von ihm abgeschaut. Titania hat Bella ausgebildet, besonders in Gesang und Tanz. Ich hab noch nie jemanden so gut Tango und Walzer tanzen gesehen. Lee ist eine echte Aufreißerin, sie hatte schon so viele Lover... naja, und French und Lommel sind nun mal die Jüngsten, noch etwas aggressiv und übermütig. Ich nehme mal an, deshalb hat Tante Titania sie nur einkaufen geschickt und ihre Klamotten selber besorgt", feixte Herbert.

Alfred rauchte der Kopf von diesen Informationen. Herbert betrachtete den Nachwuchswissenschaftler mit schiefgelegten Kopf.

"Mal ehrlich, du denkst doch bestimmt, dass unsere Sippe ein komplett unnormaler, chaotischer Haufen ist, oder?", fragte er.

Alfred schüttelte den Kopf. "Nein, sie sind schon in Ordnung... aber seltsam sind sie trotzdem. Alle miteinander", fügte er mit einem leichten Lächeln hinzu.

Herbert rutschte ein Stück näher an ihn heran und legte ihm den Arm um die Schultern - was Alfred sofort wieder beunruhigte. Herbert schien zu spüren, wie sich der junge Wissenschaftler anspannte und ließ einen Arm nur auf dessen Schulter ruhen. "Hör mal, du kannst mit allen von denen reden. Dir beißt keiner den Kopf ab, die werden sich höchstens mit Problemlösungsvorschlägen auf dich stürzen."
Wie gerne hätte der Grafensohn etwas anderes gesagt. Wenn Alfred sich nicht sofort bei seiner Berührung wieder unwohl gefühlt hätte, wäre Herbert wohl endlich mutig genug gewesen, ihm all seine Gefühle für ihn ins Gesicht zu sagen. Denn er war sich sicher: Andeutungen und Anmachen würden ihn auf lange Sicht kein Stück weiterbringen und Alfred schien mit Worten eh besser umgehen zu können als mit Taten.
Aber Herbert nahm sich genau in dem Moment, in dem sich sein Alfred wieder etwas entspannte, vor, ihn spätestens nach der Hochzeit endgültig für sich zu gewinnen.

----

"Wie s", gurrte Ardora träumerisch.

Sie und Magda hatten sich von der Wasserschlacht zurückgezogen, als sie bemerkten, dass Herbert Alfred in ein Gespräch verwickelte. Sie waren nach oben in den Eulenturm gestiegen und beobachteten die beiden.

"So viel zu den gemeinsamen Aufgaben", grinste Magda.

"Naja, hat ja auch so geklappt. Hoffen wir nur, Herbert vermasselt es nicht schon wieder." Ardora streckte sich und stellte sich hinter die junge Magd. Es stimmt, was sie Herbert erzähl hatte - sie mochte Magda sehr. Sie mochte ihre dynamische Art und bewunderte ihre Begabung in Sachen Organisation. Ob sie es einmal drauf ankommen lassen sollte, auch wenn Chagal sie pfählen würde, wenn er es herausbekommen sollte?

"Wohl eher Alfred", erwiderte Magda stirnrunzelnd und beobachtete, wie der junge Wissenschaftler sacht Herberts Arm von seiner Schulter schob.

"Och man!" Ardora schaute enttäuscht über Magdas Schulter. "Warum weicht er denn immer aus?!" Während sie sprach, legte sie der jungen Magd die Hände um die Schultern. Magda lehnte sich zurück, genau gegen Ardora.

"Das ist einfach bescheuert", seufzte sie. "Warum kann er nicht einfach mal seine Vernunft ausknipsen? Warum muss er sich immer fragen, ob alles, was er tut richtig oder logisch ist? Das hat mich schon früher an ihm genervt!"

Ardora lachte leise. "So impulsiv heute", murmelte sie und lehnte ihren Kopf an Magdas Haar.

Magda kam die Situation nun doch etwas seltsam vor - und erinnerte sie genau an das, was sie gerade am Schlossteich beobachtete. Und seltsam - irgendwie gefiel es ihr. 'Im Gegensatz zu Alfred', dachte sie, 'lass ich mein Herz entscheiden.'

Und als Ardora ihre Arme um Magdas Bauch schlang, begann die junge Magd sanft, diese zu streicheln.

----

"Sag mal, hab ich das, was Tante Titania erzählt hat, richtig verstanden? Du wirst Sarahs Trauzeuge?", fragte Herbert, als er und Alfred sich wieder ins Schloss begaben.

Koukol hatte der Wasserschlacht schließlich ein Ende gesetzt, indem er den Grafen und Chagal daran erinnerte, dass es noch viel zu tun gab.

"Ja", stöhnte Alfred. Er hatte den Gedanken verdrängen wollen - der eigentliche Grund, warum er Herbert über dessen Familie ausgefragt hatte. "Warum?"

"Na ja... erinnerst du dich noch an... unseren kleinen Walzer?"

Alfred errötete. Irgendwann in dieser Nacht hatte er aufgehört mitzuzählen. "Ja, sicher. Auch, wenn ich es eigentlich nicht will."

Herbert ersparte sich ein beleidigtes "Warum?" und überging den Kommentar. "Nun, ich hab die ja gesagt, dass sich Ardora in den vampirischen Hochzeitstraditionen nicht auskennt und sich vielleicht blamiert. Das möchte ich dir ersparen."

"Oh", machte Alfred. Ihm schwante nichts Gutes.

"Du kannst nicht tanzen, oder?", fragte der Grafensohn unvermittelt.

"Nein, hast du ja gemerkt", sagte Alfred leise. Er wusste nicht warum, es war ihm unangenehm, dass er damals nur so unbeholfen mit Herbert getanzt hatte. 'Wäre eigentlich schön gewesen, wenn wir damals richtig getanzt hätten', wisperte eine Stimme in seinem Kopf, die seine damalige Angst eiskalt ignorierte.

"Nun", fuhr Herbert fort, "Bei uns ist es Tradition, dass die Braut, beziehungsweise der Bräutigam zusammen mit ihren Trauzeugen den zweiten Tanz aufs Parkett bringen. Und ich hab festgestellt, dass Sarah tanzen kann..."

"Und? Was willst du damit sagen?", fragte Alfred unwirscher als beabsichtigt.

"Nun ja, ich biete dir hiermit einen kleinen Tanzkurs an." Herbert blieb stehen. "Und versuch erst gar nicht zu leugnen, dass du es nötig hast."

Er grinste. Etwa ein bisschen anzüglich?, fragte sich Alfred. Er hasste diese zweideutigen Bemerkungen von Seiten Herberts. Aber er konnte wirklich nicht verleugnen, dass er den Tanzkurs brauchte.

"Und wann?", fragte er vorsichtig.
"Wenn du willst, noch heute Nacht."
"Magda wird uns die Hölle heiß machen!"
"Lass mich mal machen", grinste Herbert "Was ist? Willst du? Es ist ja nicht mehr lang bis zur Hochzeit..."

"Na gut..." Alfred war sich wirklich nicht sicher, ob er sich gerade ein Eigentor geschossen hatte.

-----

Ich hoffe, es hat euch gefallen, ist wieder etwas länger geworden. Ich hoffe, das nächste Kapitel wird nicht lange auf sich warten lassen.
Ich beeil mich :-) Und ich hoffe, ihr reviewt wieder schön :)

Bye bye,
eure Aisa