Kapitel 4 Geisterjagd

„Was ist denn hier los?"

„Keine Ahnung, ich wollt sie nur wecken, aber irgendwie reagiert sie nicht."

Stimmen drangen zu Mirandas Ohr. Erst leise und dann immer deutlicher. Eine Hand umschloss ihr Handgelenk.

„Also, Puls hat sie noch."

Klatsch.

Ein Schmerz machte sich auf ihrer Wange breit. Langsam öffnete Miranda die Augen und erschrak sogleich. Jack saß über sie gebeugt auf dem Bett und sah sie forschend an.

„Geht doch", sagte er zufrieden, „da haben wir unsere Mademoiselle ja doch noch wach gekriegt."

Miranda setzte sich auf.

„He, warum habt Ihr das getan?", fragte sie empört.

„Na, weil du irgendwie nicht wach geworden bist", antwortete Jack. Erst jetzt bemerkte Miranda, dass Will ebenfalls in ihrem Zimmer stand.

„War gestern noch irgendetwas? Es machte ganz den Eindruck, als seiest du ohnmächtig gewesen", fragte Will. Miranda sah ihn nachdenklich an. Ja, irgendwas war tatsächlich passiert. Aber was? Plötzlich fiel es ihr wieder ein. Das Bad mitten in der Nacht. Die Gespenster. Oder hatte sie nur schlecht geträumt? Miranda räusperte sich.

„Also, Ihr werdet mich jetzt wahrscheinlich für verrückt halte, vielleicht war es auch nur ein Traum, aber ich glaube, ich hatte heute Nacht eine Erscheinung."

„Was denn für eine Erscheinung, Liebes?", fragte Jack zweifelnd.

„Na ja, ich habe in der Nacht noch ein Bad genommen und als ich wieder ins Bett ging, war alles normal. Doch ich war kaum eingeschlafen, da habe ich Stimmen gehört. Sie haben irgendwas gesagt, von wegen ich wusste doch, dass sie sich nicht hier umzieht´, und dann bemerkte ich eine eisige Kälte, die sich ausgebreitet hatte. Ich wollte mich vergewissern, dass das alles nur Einbildung war und habe mich umgeguckt, doch hier neben dem Bett standen Geister", berichtete sie. Jack und Will sagten nichts, sodass Miranda mit ihrer Erzählung fortfuhr. „Ich habe geschrieen, aber einer der Geister hat mir zu Schweigen geboten, sonst wäre das angeblich das Letzte, was ich in meinem Leben gesagt hätte, dann hat er mich drohend am Arm gegriffen, ja, und dann wurde ich ohnmächtig."

Miranda schaute in Jacks und Wills Gesichter und stellte erleichtert fest, dass sie sie offenbar nicht für verrückt hielten.

„Wie sahen sie denn aus?", fragte Will.

„Also, der eine war klein und dicklich, der andere groß und hatte ein Holzauge, soweit ich es erkennen konnte. Beide sahen aus wie Piraten."

Jack und Will tauschten alarmierte Blicke.

„Entschuldige uns bitte, aber wir gehen einmal kurz raus", sagte Jack. Einen Augenblick später hatte er mit Will den Raum verlassen.

„Das kann nicht sein", schloss Will, während sie sich draußen auf eine Holzbank setzten.

„Aber warum kann es nicht sein?", erwiderte Jack. „Ich meine, wenn es ein Traum gewesen wäre, warum sahen die Geister dann aus wie Ragetti und Pintel?"

„Vielleicht war es Zufall", antwortete Will, jedoch mit deutlichem Zweifel in der Stimme. „Na gut, so einen Zufall wird es wohl kaum geben", sagte er kleinlaut.

„Wir müssen es Elizabeth und der Crew erzählen", sagte Jack. Will nickte.

Miranda saß immer noch auf ihrem Bett. Sie halten mich für verrückt´, dachte sie verzweifelt. Aber ich kann einfach nicht glauben, dass es ein Traum gewesen sein soll!´ Sie stand auf, zog sich an und ging nachdenklich in ihrem Zimmer auf und ab. Plötzlich ging die Tür knarrend auf, herein kam Jack.

„Komm bitte mit nach oben. Wir müssen mit dir reden", sagte er. Miranda folgte ihm schweigend. Oben angekommen wartete bereits die gesamte Crew an einem großen Holztisch auf sie.

„Also", begann Elizabeth, nachdem Jack und Miranda sich gesetzt hatten, „wir müssen dir da etwas erklären."Und sie begann zu erzählen. Angefangen von Jacks erster Ankunft in Port Royal, über die Entführung Elizabeth' bis hin zu dem Kampf zwischen den Rotmänteln und der Crew gegen Barbossa und seine Meute, doch den wichtigsten Teil, nämlich den Fluch des Aztekengoldes, ließ sie unbewusst aus. Als sie geendet hatte, fand Miranda, die während der Erzählung still zugehört hatte, ihre Stimme wieder. „Und das ist tatsächlich war?" Elizabeth und die anderen nickten bitte. „Warum erzählt Ihr mir das?", fragte sie.

„Weil du die Geister, die du angeblich gesehen hast, vom Aussehen so beschrieben hast, wie Pintel und Ragetti, meine damaligen Entführer. Wir vermuten, dass sie Rache nehmen wollen", antwortet Elizabeth. Geschockt über diese Neuigkeit, sank Miranda nachdenklich in sich zusammen. Sie hatte also nicht geträumt. Doch was würde passieren? Wenn es stimmte, was Elizabeth sagte, dann schwebten sie allesamt in Lebensgefahr! Elizabeth riss sie aus ihren Gedanken.

„Bist du dir felsenfest sicher, dass einer der Geister dich berührt hat?", fragte sie. Miranda nickte stumm.

„Seltsam", mischte Anamaria sich ein, „wenn es Geister waren, wie konnten sie sie berühren?" Ein allgemeines Schweigen machte sich am Tisch breit. Offenbar waren alle sehr entsetzt über diese Nachricht. Die Rückkehr toter Piraten? Was hatte das zu bedeuten?

„Jack?", fragte Miranda am Nachmittag, als sie alle beisammen aßen.

„Was ist?", sagte Jack und legte eine Karte beiseite.

„Könnt Ihr mir eine Ausrüstung geben? Ich meine ein Schwert oder einen Dolch, irgendwas in dieser Richtung? Dann fühle ich mich sicherer", fragte sie. Jack dachte nach. „Ja, müsste eigentlich gehen. Möchtest du das Schwert haben, mit dem du gegen mich gekämpft hast?", erwiderte er. Miranda lächelte; das erste mal an diesem Tag. „Ja, gerne."

„Aber wenn diese Nacht etwas ähnliches passiert, reisen wir ab", sagte Gibbs und niemand erhob Einwand.

Am Abend saßen sie wieder in einer Kneipe. Miranda trank diesmal nichts, sie wollte einen klaren Kopf haben, wenn sie wieder einen der Geister zu Gesicht bekam. Wäre sie nämlich dann angeschwipst, hätte sie garantiert ein Problem.

Jack und die anderen nahmen ihre gewöhnten Mengen an Alkohol zu sich, was Miranda aber nicht störte. Sie war schon beruhigt darüber, dass dieser komische und ekelhafte John nicht da war.

„Hat wahrscheinlich Angst bekommen", grinste Jack nach Mirandas Bemerkung.

Diese Nacht gingen sie schon um ungefähr zwölf Uhr zu Bett. „Wir dürfen nicht zu müde sein, wenn einer der Geister auftaucht", hatte Jack Miranda den Entschluss begründet. Danach hatte er ihr das Schwert gegeben. Trotzdem machte Miranda sich Gedanken darüber, ob es ihr überhaupt nützen würde.

„Es sind Geister, dann sind sie doch garantiert transparent. Das Schwert müsste eigentlich durch sie durchgehen", sprach sie ihren Gedanken aus.

„Das kann natürlich sein, Liebes, aber er konnte dich auch berühren. Warum sollte es andersherum nicht gehen?", beruhigte Jack sie.

Mit etwas geminderten Sorgen ging Miranda zu Bett. Sie schlief erst nach einiger Zeit ein, da sie zu aufgeregt war. Doch nach einer halben Stunde schlossen sich ihre Augen.

Elizabeth lag in ihrem Bett. Es machte sie sehr nervös, dass Will nicht bei ihr war, doch auf dieser verdammten Insel gab es nur Einzelzimmer.

Griffbereit und unauffällig hatte Elizabeth ihr Schwert versteckt, doch sie war immer noch sehr unruhig.

Nach einer weiteren Stunde des Wachliegens verspürte Elizabeth eine grausame Kälte. Sie setzte sich ruckartig auf, griff nach dem Schwert und zündete eine Kerze an. Es war absolut still, doch die Kälte kroch langsam über ihre Haut in ihr Bewusstsein. Angst machte sich breit.

„Zeigt Euch!", sagte sie, griff nach dem Schwert und versuchte das Zittern in ihrer Stimme zu bannen, was ihr zu ihrer Überraschung auch gelang. Mit etwas mehr Selbstbewusstsein stand sie auf. Langsam schritt sie zur Tür, doch als sie sie öffnen wollte, war sie verschlossen. Was ist hier los?´, dachte sie verzweifelt.

„So sieht man sich wieder", ertönte eine grausam bekannte Stimmer hinter. Wie gelähmt drehte Elizabeth sich um und erblickte den Herr ihrer Alpträume. Captain Barbossa stand einen Schritt von ihr entfernt, auch er war ein Geist, was seine furchteinflößende Aura nicht gerade linderte.

„Was wollt Ihr?", fragte Elizabeth mit der festesten Stimme, die sie aufbringen konnte. Barbossa sah sie mit einem schrecklichen Grinsen an. Dann lachte er furchtbar auf und war verschwunden.

Elizabeth keuchte vor Angst und wandte sich wieder der Tür zu, die nun leicht geöffnet war. Schnell rannte sie auf den Flur. An wen sollte sie sich zuerst wenden?

Sie öffnete eine Tür nach der anderen und weckte die ganze Crew und Miranda.

Fünf Minuten später saßen sie alle an einem Tisch im Speisesaal.

„Was ist denn? Ist was passiert?", fragte Jack und unterdrückte mühevoll das herzhafte Gähnen, dass aus ihm herauswollte.

„Sie sind hier!", brach es aus Elizabeth heraus. „Barbossa war in meinen Zimmer!"

Die gesamte Mannschaft keuchte auf.

„Barbossa?! Der Captain persönlich?", fragte Gibbs geschockt. Elizabeth nickte.

„Wir müssen hier weg", bestimmte Anamaria, „sofort."

Kommentarlos erhoben sie sich und nach ein paar Momenten hatten sie sich draußen mit ihrem Hab und Gut versammelt.

„Lasst und gehen", sagte Jack. Miranda eilte zu ihm.

„Wo wollen wir denn jetzt hin?", fragte sie. Jack zuckte mit den Schultern.

„Ich habe keine Ahnung. Wir werden wohl einfach bei der ersten Insel anlegen, die wir sichten", antwortete er.

Sie hatten die Pearl schnell erreicht. Miranda und die Crew stiegen auf das Schiff und sie fuhren eilig los. Trotzdem hatte sie ein komisches Gefühl im Magen.

„Was ist, Kleine?", fragte Gibbs sie besorgt.

„Ich weiß nicht. Ich habe ein komisches Gefühl im Bauch. Das ist bei mir immer ein Zeichen für ein böses Ergebnis", antwortete sie und schaute auf die dunkle See.

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