A/N: Ein ganz großes Danke an SilverRose17 für das Review! #freuz# Schön, dass dir die Story gefällt. ;-)


2. Kapitel: Gespräche

„Wie nanntest du ihn?", fragte der dunkelhaarige Elb leise, kaum dass der blonde Nandor außer Hörweite war.

Haldir wandte sich wieder ihm zu. „Elenion", antwortete er ebenso leise. „Warum fragst du?"

Aearion runzelte einen Moment die Stirn. „Ich kann nicht sagen warum, aber sowohl der Name als auch der Elb kommen mir bekannt vor."

Haldir warf Elenion einen kurzen Blick hinterher. „Mir ist nicht bekannt, ob er sich einmal bei euch in Lindon aufhielt. Überhaupt weiß ich nicht besonders viel über ihn."

„Ist er ein Galadhrim?"

Haldir überlegte einen Moment. „Ich glaube nicht, oder zumindest lebte er nicht immer hier. Wenn ich mich recht erinnere, erst seit den letzten hundert Jahren." Der Galadhrim gab sich keine Mühe, zu verbergen, dass der Elb ihn auch nie besonders interessiert hatte. Fragend sah er Aearion an. „Wieso ist dir dies so wichtig?"

Aearion zuckte nachdenklich die Schultern. „Ich möchte schlicht wissen, aus welchem Grund er mir bekannt vorkommt."

Haldir überlegte einen Moment. Schließlich sagte er: „Alles, was ich dir zu ihm sagen kann, ist, dass er seit etwa hundert Jahren zu den Kriegern gehört, welche mir zugeteilt sind. Meistens wacht er an der Südgrenze, manchmal aber auch im Osten. Aufgefallen ist mir an ihm kaum etwas... Nur anfangs hatte er einige Schwierigkeiten mit einem anderen Grenzwächter, Taragion. Ich kann nicht sagen, warum, doch sie schienen sich bereits bei ihrer ersten Begegnung nicht leiden zu können. Einige Male gerieten sie auch in ernstere Streitereien, allerdings gingen sie nie so weit, dass ich es für nötig gehalten hätte, einzuschreiten... Heute geht Taragion Elenion aus dem Weg und dieser hält es ebenso."

Aearion hatte wieder die Stirn gerunzelt. „Taragion... War er nicht einer von den Elben, die vorhin von der Ostgrenze kamen?"

Haldir nickte. „Ja. Derjenige, der gefragt hat, ob ich ihn für übermorgen vom Dienst freistellen kann."

„Ich ahnte es... Auch mir war er nicht sonderlich sympathisch."

Haldir seufzte. „Ich mag ihn offen gesagt auch nicht gerne", sagte er sehr leise, wie um zu verhindern, dass ein anderer Elb es hörte. „Er ist recht hochmütig und ich sehe nicht aus welchem Grund. Es gibt nicht viel, womit er sich brüsten könnte. Zwar ist er in allem nicht schlecht, allerdings auch nicht gut – anders als Elenion. Dieser ist zwar unverständlicherweise im Bogenschießen schlecht, kann aber umso besser mit dem Schwerte umgehen... Ich habe ihn manches Mal beobachtet und glaube, dass sein Geschick dem meinigen nur wenig nachsteht, wenn er mich auch nicht übertrifft."

Der dunkelhaarige Elb warf ihm einen überraschten Blick zu. „Ist er so gut?"

Haldir nickte mit einem etwas gleichgültigen Gesichtsausdruck. „Allerdings. Warte es ab, bis du ihn einmal siehst."

Aearion ging zu einem Mallorn hinüber und lehnte sich gegen den Stamm, bevor er Haldir wieder fragend ansah. „Worin liegt Elenions Fehler beim Bogenschießen?"

Haldir runzelte die Stirn, worin Aearion ein Zeichen dafür sah, dass er mit seinen Fragen langsam die Geduld des Galadhrim strapazierte. „Ich weiß es nicht... Er verfehlt das Ziel bei weitem."

„Doch wenn nur dies das Problem ist, müsste es sich mit etwas Übung legen, oder?"

„Tut es nicht", erwiderte Haldir mit einem kaum merklichen Seufzen. „Wobei ich sagen muss, dass er, wenn er sich überhaupt noch zum Üben bewegen lässt, sehr schnell entmutigt aufgibt. Ich habe manchmal das Gefühl..."

Haldir zögerte einen Moment und warf einen raschen Blick in die Richtung, in die der blonde Elb verschwunden war, bevor er weitersprach. „Manchmal glaube ich, er will es nicht schaffen. Es ist, als wollte er nur hin und wieder seinen Freunden beweisen, dass er es wirklich nicht kann, anstatt dass er versucht, es zu lernen."

„Denkst du dies ernsthaft?", fragte Aearion überrascht. „Auf mich wirkte er nicht wie jemand, der sich weigert, etwas zu lernen."

Haldir schüttelte den Kopf. „Dies wollte ich nicht sagen. Was ich sagen wollte, ist... vielleicht ist etwas vorgefallen, das ihm die Lust am Bogenschießen verdarb. Ich glaube, aus einem mir unbekannten Grund will er es nicht mehr können."

„Also denkst du, er kann es?"

„Nachdem ich sah, wie vertraut er mit dem Bogen ist, kann ich mir schwerlich vorstellen, dass er damit nie gekämpft haben soll. Er spannt und zielt zu geschickt. Und zudem wird der Umgang mit Pfeil und Bogen den Kindern aller Elbenvölker beigebracht."

Aearion ließ sich unter dem Mallorn zu Boden gleiten und blickte nachdenklich zu zwei Elben, einem dunkelhaarigen und einem silberblonden, hinüber, die sich ein Stück entfernt im Schwertkampf übten.

Haldir ließ sich neben ihm nieder und folgte seinem Blick. „Laindir und Berion", sagte er leise. „Beide sieht man oft zusammen mit Elenion, wenn auch weniger häufig als Anuron und Forondir. Die drei scheinen sehr gute Freunde zu sein, besonders Elenion und Anuron. Ich teile sie immer wieder gemeinsam zum Grenzdienst ein, dabei habe ich ein recht gutes Gefühl."

Aearion überlegte kurz, dann schüttelte er den Kopf. „Ich glaube nicht, dass ich Anuron bereits begegnet bin."

„Das glaube ich auch. Aber erinnerst du dich an Forondir? Er kam vorhin kurz nach Taragion."

„Ja, ich glaube, an ihn erinnere ich mich", antwortete Aearion.

„Wie gesagt, er ist der dritte."

Eine Weile beobachteten sie schweigend, wie die zwei Elben sich gegenseitig über den Übungsplatz trieben.

„Sie sind beide recht geschickt", sagte Aearion schließlich leise. „Aber der eine von ihnen – der Blonde – scheint ausdauernder zu sein."

„Ja, Laindir hält länger durch. Wenn es Berion nicht gelingt, ihn zu entwaffnen, bevor er in seinem Rhythmus ist, kann er nur noch mit Glück gewinnen."

Kaum hatte er den Satz ausgesprochen, durchbrach Laindir plötzlich Berions Deckung, das Schwert des Elben sauste in hohem Bogen durch die Luft und landete ein paar Meter weiter auf dem Boden. Berion ließ sich offensichtlich erschöpft zu Boden fallen.

Laindir sagte lachend etwas zu ihm, bevor er sich umwandte und das Schwert seines Freundes holte. Nachdem er es Berion zurückgegeben hatte, streckte Laindir ihm die Hand hin, zog ihn hoch und zusammen verschwanden sie kurz danach im Wald auf der anderen Seite des Platzes.

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Elenion hatte sich unterdessen auf den Weg zu den Pferdeställen gemacht. Er ließ seinen Hengst Galadon nur selten alleine, nicht einmal für wenige Tage. Er war der Sohn seiner Stute Sîdhiel, die leider inzwischen gestorben war, und ihr nicht sonderlich ähnlich.

Während Sîdhiel immer ein gelassenes und ruhiges Tier gewesen war, das sich selbst durch eine Schlacht nicht nervös machen ließ, war Galadon sehr temperamentvoll, wenn auch genauso wenig nervös wie seine Mutter. Elenion hatte eine Weile Schwierigkeiten mit ihm gehabt, weil er anderen Hengsten gegenüber aggressiv war und sie angriff, wann immer sich eine Gelegenheit bot, aber inzwischen war dies vorbei gegangen.

Bei den Weiden angekommen, sah Elenion sich kurz um, stellte aber fest, dass die Pferde in den Ställen sein mussten.

Kaum hatte Elenion den Stall betreten, in dem Galadon gewöhnlich stand, wieherte dieser ihm auch schon laut und nahezu vorwurfsvoll entgegen. Rasch ging der Elb hinüber und strich über die weichen Nüstern des Tieres. Ein Blick über die Schulter sagte ihm, dass er allein im Stall war.

„Du hast mir gefehlt, Galadon", flüsterte er. Der Elb klopfte den Hals des Hengstes. „Manchmal frage ich mich..." Elenion verstummte, als einige andere Elben eintraten.

Elenion blieb einige Zeit bei Galadon. Obgleich er wusste, dass auch in seiner Abwesenheit für den Hengst gesorgt wurde, vergewisserte er sich, dass er genug Futter und Wasser hatte und es ihm auch sonst gut ging. Einen Moment wunderte er sich, dass die Pferde nicht auf der Weide waren, nahm dann aber an, dass Rychveldir, der Elb, der für die Ställe verantwortlich war, sie früher hereingeholt hatte.

Gerade, als Elenion den Stall wieder verlassen wollte, hörte er Stimmen vor dem Tor. Eine der Stimmen erkannte er sofort. Elenion hielt inne und trat dann wieder zu Galadon. Er bemerkte, wie Taragion, als er den Stall betrat und ihn erblickte, sofort mitten im Satz verstummte, doch Elenion würdigte den anderen Elben keines Blickes.

Er wartete ab, bis Taragion und seine Begleiter die Pferde hinausgeführt hatten. Erst als er sich sicher war, dass sie verschwunden sein mussten, wandte Elenion sich wieder um.

Stirnrunzelnd blickte er zu den nun leeren Abteilungen hinüber, in denen die Pferde gestanden hatten. Er konnte sich nicht erinnern, dass Taragions Pferd immer schon in diesem Stall gestanden hatte... Jedenfalls war er dem Elb hier nie begegnet. Aber vielleicht lag dies auch einfach daran, dass Taragion zu anderen Zeiten unterwegs war als er.

Seufzend schlang Elenion Galadon noch einmal die Arme um den Hals und lehnte sich an ihn, dann machte er sich auf den Weg hinaus.

Draußen erblickte er gleich Berion sowie Laindir, welcher dem Nandor rasch entgegen lief. „Da bist du also, Elenion!", rief er. „Wir ahnten bereits, dass du nach Galadon siehst."

Elenion lächelte. „Ich musste doch wissen, ob es ihm gut geht", erwiderte er. „Ich sah euch vorhin auf dem Übungsplatz, wusste jedoch nicht, wie lange ihr noch üben würdet. Berion, ich denke, du bist besser geworden. Du hast mehrere Angriffe Laindirs abgewehrt, welche dir vor einigen Tagen noch Schwierigkeiten machten."

Berion nickte erschöpft. „Ich war heute in sehr guter Form –allerdings reichte es nicht", fügte er mit einem Blick auf Laindir hinzu.

„Ärgere dich nicht", tröstete ihn der blonde Galadhrim amüsiert, bevor er sich an Elenion wandte. „Denk dir, gestern gelang es ihm sogar, mich zu entwaffnen. Auch wenn er nicht schnell genug war, mich zu hindern, mein Schwert gleich wieder aufzuheben."

„Früher besiegte ich dich weit häufiger", murrte Berion und sah dann Elenion an. „Dies kommt, weil Laindir so oft mit dir übt, dadurch wird er immer besser. Ich werde zwar auch besser, jedoch nicht so schnell wie er."

Laindir schien Mühe zu haben, ein Lachen zu unterdrücken. „In dem Fall solltest auch du mit Elenion üben, Berion. Dies dürfte dir gut tun."

„Wenn ich noch schneller verliere, entmutigt mich das nur", brummte Berion.

‚Genau wie bei Elenion im Bogenschießen, würde Anuron jetzt sagen', dachte Elenion. ‚Und Laindir denkt dies auch, nur spricht er es nicht aus, und das ist gut so. Auf ihn wäre ich wütend, bei Anuron würde ich es hinnehmen.'

Leise seufzend strich sich Elenion eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Sagt, was habt ihr nun vor?", fragte er, hauptsächlich, um das gespannte Schweigen zu überbrücken.

Laindir und Berion wechselten einen Blick, dann zuckten beide die Schultern. „Wir wollten dich begrüßen, über die Zeit danach hatten wir uns keine Gedanken gemacht", erklärte Laindir. „Hättest du etwas dagegen, ein wenig mit mir zu üben?"

Berion warf Laindir einen amüsierten Blick zu. „Da möchte ich dabei sein – so werde ich zumindest vorher wissen, welche Tricks du später an mir ausprobierst. Und ich möchte Zeuge deiner Niederlage sein."

Elenion schmunzelte. Es war kein Geheimnis, dass Laindir sich oft einige Bewegungsfolgen von ihm abschaute und danach gegen Berion einsetzte. „Nun gut. Dann lasst uns gehen!"

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Wieder auf dem Kampfplatz angekommen, warf Elenion einen raschen Blick dorthin, wo vorher Haldir und der dunkelhaarige Elb gestanden hatten, doch sie waren nicht mehr da. Natürlich, Forondir hatte ja gesagt, dass Haldir von der Herrin erwartet wurde... Und der Andere?

Als Elenion bemerkte, dass Laindir ihn fragend anblickte, wandte er sich eilig wieder ihm zu. Gemeinsam gingen sie ein Stück weiter in die Mitte des Platzes, zogen dann gleichzeitig die Schwerter und näherten sich einander langsam.

Nun, mit dem Schwert in der Hand, spürte Elenion, wie er sich entspannte. Nein, entspannen war nicht das richtige Wort. Etwas in ihm beruhigte sich, die Fragen, die Bilder, die ihm immer wieder kamen, verschwanden. Deswegen mochte er es, sich im Schwertkampf zu üben. Gerade dabei kam er zur Ruhe, anders als beim Bogenschießen, das ihn nur in Aufruhr versetzte.

Elenion duckte sich zur Seite, als Laindir den ersten Angriff ausführte, erst den zweiten Schlag wehrte er ab. Schnell trafen ihre Schwerter aufeinander, doch noch waren beide dabei, sich in ihren Rhythmus einzufinden.

Elenion war früher soweit, er wusste es und nutzte es aus. Mit ungeahnter Schnelligkeit zuckte sein Schwert vor, dann wieder zur Seite. In einem echten Kampf hätte er Laindir bereits verletzen können, doch den beiden Elben ging es hierbei nur um das Entwaffnen.

Elenion spürte, dass Laindir ein wenig zornig darüber war, dass er ihn bereits in die Defensive gedrängt hatte. Der Elb würde nicht aufgeben, besonders nicht in dem Bewusstsein, dass Berion zusah, und es würde ihn verärgern, wenn Elenion so schnell gewann.

Der Nandor jedoch ließ sich davon nicht beeinflussen. Sollte er eine Möglichkeit finden, seinen Freund zu entwaffnen, so würde er es tun.

Wahrscheinlich ahnte Laindir dies, denn er bemühte sich wirklich, Elenion keine solche Möglichkeit zu bieten und dies gelang ihm gut.

Der Kampf ging weiter. Beide Elben waren absolut konzentriert, und obwohl Laindirs Geschick nicht an Elenions heranreichte, schaffte er es lange, sich ihm zu widersetzen und hin und wieder selbst Angriffe zu führen.

Am Ende war es jedoch trotzdem Elenion, der gewann. Als Laindirs Verteidigung einen Moment, sei es durch Erschöpfung oder Unachtsamkeit des Elben, schwächer wurde, zuckte Elenions Schwert nach oben, traf klirrend auf das Laindirs und schlug es ihm aus der Hand.

Elenion atmete ein paar Mal tief durch, dann schob er sein eigenes Schwert in die Scheide und blickte Laindir an. Der Galadhrim schien erschöpft, aber zufrieden.

‚So lange hielt er selten durch', dachte Elenion. ‚Wahrhaftig, er hat allen Grund, zufrieden zu sein.'

Anerkennend nickte er Laindir zu, dann gingen sie gemeinsam zu Berion, welcher sich ein Stück entfernt unter einem Mallorn niedergelassen hatte. Auf dem Weg hob Laindir sein Schwert auf.

Berion wirkte durchaus beeindruckt. „Ich glaube, so gut sah ich euch beide noch nicht kämpfen", erklärte er nachdenklich. „Ich habe wahrlich kein Verlangen danach, euch als Ork über den Weg zu laufen."

Laindir und Elenion tauschten einen Blick und lächelten. „Auch dir sollte ein Ork nicht über den Weg laufen", erklärte Elenion freundlich, während er sich neben Berion setzte. „Du magst nicht so geschickt sein wie wir, aber gut bist du allemal."

„Dürfen wir euch stören?"


A/N: So, das nächste Kap wird wahrscheinlich etwas dauern, weil meine Betaleserin in Urlaub ist. Bis dahin, schreibt Reviews! 1. Freue ich mich sehr darüber, 2. Brauche ich sie um zu wissen, ob Interesse an der Story besteht!