A/N: Danke schön nochmal an MorganAbKynan für die Reviews ;)
3. Kapitel: Die Frau in den Flammen
Elenion, Laindir und Berion wandten sich überrascht um, als sie die Stimme hörten. Von ihnen unbemerkt hatten Haldir und der dunkelhaarige Elb sich ihnen genähert.
Der Galadhrimhauptmann warf einen Blick auf seinen Begleiter. „Dies ist Aearion", stellte er ihn kurz vor. An Laindir und Elenion gewandt fuhr er fort. „Wir beobachteten euch eine Weile. Ihr kämpft sehr gut." Wie üblich hatte seine Stimme einen gelassenen, wenn auch kühlen Klang, doch schwang ein Unterton mit, der Elenion verwirrte. War Haldir unruhig oder bildete er sich das ein?
Der Nandor sah Laindir an. Dieser erwiderte seinen Blick ebenso überrascht, doch ahnte Elenion, dass er aus einem anderen Grund verwirrt war: Es kam nicht oft vor, dass Haldir sich ihnen von sich aus näherte und wenn er es tat, ging es meist nur darum, wer wann Dienst hatte.
Elenion wusste nicht, was er antworten sollte. Fragend sah er zu Haldir auf und fragte sich im selben Moment, ob es nicht höflicher wäre, aufzustehen, da er, Laindir und Berion nach wie vor auf dem Boden saßen. Der Nandor stellte fest, dass Aearions Anwesenheit ihn unsicher machte und dies ärgerte ihn.
Und genau Aearion war es, der nun vortrat und neben ihm in die Hocke ging. Forschende, blaue Augen bohrten sich in die seinen. Elenion widerstand mit Mühe dem Impuls, den Blick abzuwenden. „Die Herrin Galadriel sagte, Ihr wärt einer der Nandor aus Lindon."
Elenion blinzelte. Aearions ruhige, fast sanfte Stimme passte nicht zu der stechenden Schärfe seiner Augen. „Das bin ich. Warum fragt Ihr?"
„Auch ich bin ein Nandor aus Lindon."
Es dauerte ein paar Sekunden, bis diese Nachricht zu Elenion durchdrang, dann zog er leicht eine Augenbraue hoch. „Tatsächlich? Selten nur kommen welche meines Volkes hierher." Der kühle, leicht abweisende Klang seiner Stimme war der einzige Hinweis darauf, dass Aearions durchdringender Blick die Nerven des Blonden auf die Probe stellte.
Aearion nickte und endlich sah er einen Moment zur Seite. „Ich bin als Bote hier." Wieder richtete er die Augen auf Elenion, der in der kurzen Pause seine innere Ruhe wiedergefunden hatte. „Als ich Euch heute Mittag sah, kamt Ihr mir bekannt vor."
„Auch ich hatte das Gefühl", erwiderte Elenion. „Doch kann ich nicht sagen, aus welchem Grund."
„Dies weiß auch ich nicht." Unvermittelt erhob sich Aearion wieder. „Haldir, lass uns gehen."
Ohne ein weiteres Wort verschwanden die beiden Elben ein Stück entfernt im Wald. Elenion blickte ihnen völlig überrascht hinterher.
„Was war los?", fragte jemand hinter dem Nandor. Dieser bemerkte daraufhin Anuron, der offensichtlich gerade hinzugekommen war und sich nun an seiner Seite zu Boden gleiten ließ.
„Ich verstehe es selbst nicht", antwortete Elenion verwirrt. Kurz berichtete er Anuron, was sich abgespielt hatte.
Auch der Galadhrim schien damit nichts anfangen zu können. Er zuckte die Schultern und wechselte dann das Thema. „Eigentlich wollte ich dich fragen, ob du heute Abend mit mir und Forondir essen möchtest."
Elenion lächelte ihm zu und nickte. „Sehr gern. Ich schaue auf dem Rückweg noch einmal nach Galadon, dann komme ich zu euch."
Anuron stand auf. „Wenn du nichts dagegen hast, begleite ich dich."
„Deine Gesellschaft ist mir willkommen." Auch Elenion erhob sich und lächelte den beiden anderen Elben zu. „Wir sehen uns morgen, Laindir. Haldir hat mich beauftragt, mit dir und Ríon an der Südgrenze zu wachen. Auf bald, Berion."
Die zwei Elben verabschiedeten sich ebenfalls freundlich. Laindir schien ehrlich erfreut als er hörte, dass er den Grenzdienst mit Elenion verbringen sollte, und dem Nandor ging es genauso. Abgesehen von Anuron fand er die Wache mit Laindir am angenehmsten.
Schweigend gingen Elenion und Anuron in Richtung der Pferdeställe.
Schließlich erklärte Anuron leise: „Ich wollte es vor Laindir und Berion nicht sagen, doch es überrascht mich nicht, dass Haldir und der andere – wie hieß er noch? – dir Fragen gestellt haben."
Elenion sah ihn verwirrt an. „Aearion heißt er. Wieso überrascht dich das nicht?"
„Weil sie bereits mir Fragen über dich gestellt haben", antwortete Anuron mit gerunzelter Stirn.
Elenion blieb vor Überraschung stehen. „Sie haben was?"
„Mir Fragen über dich gestellt", wiederholte Anuron, während er selbst stehen blieb und Elenion aufmerksam betrachtete. „Sie wollten wissen, ob du ein Nandor bist, wie lange ich dich schon kenne, ob ich weiß, wieso du solche Probleme mit dem Bogenschießen hast..."
„Was?" Elenions Wangen färbten sich leicht rot, was immer ein gefährliches Zeichen war. „Das hat sie nicht zu interessieren!", erklärte er hitzig. „Und solche Fragen sollten sie von vornherein unterlassen!"
Anuron nickte gelassen. „Genau dies sagte ich ihnen. Anfangs wollte ich nicht so direkt sein, insbesondere Haldir gegenüber, aber diese Frage fand ich schlicht unverschämt."
Elenion schloss die Augen und atmete einmal tief durch um sich zu beruhigen. „Das war sie auch, wenn du mich fragst." Er hatte wieder zu seiner üblichen Gelassenheit zurückgefunden. Mittlerweile hatte er leichte Kopfschmerzen, was ihm klar machte, dass er in letzter Zeit einmal zu oft aus dem Gleichgewicht geraten war. „Haben Haldir und Aearion dir gesagt, warum sie das wissen wollten?"
Anuron schüttelte den Kopf. „Nein... Am Anfang ignorierten sie es, wenn ich dies fragte, und als ich mich weigerte, auf die Frage mit dem Bogenschießen zu antworten, gingen sie wieder." Der Elb runzelte die Stirn. „Es ist möglich, dass sie vorhin so plötzlich gegangen sind, weil ich auftauchte... Vielleicht fürchteten sie, dass ich sie darauf ansprechen könnte."
Verwirrt schüttelte Elenion den Kopf. „Doch aus welchem Grund haben sie diese Fragen überhaupt gestellt? Und mir gegenüber nichts davon erwähnt? Aearion kenne ich kaum, doch glaube ich nicht, dass Haldir sich jemals zuvor so verhalten hat. Es passt nicht zu ihm."
„Stimmt", erwiderte Anuron. „Es passt nicht. Mehr kann ich dazu auch nicht sagen."
Elenion überlegte noch ein paar Sekunden, dann machte er sich mit langsamen Schritten wieder auf den Weg. Anuron ging schweigend neben ihm her.
Schließlich hob Elenion die Hand und legte sie dem Galadhrim auf die Schulter. „Wie dem auch sei, ich bin froh, dass du ihnen nichts gesagt hast", erklärte er leise. „Und beunruhigt bin ich auch. Von allen meinen Freunden haben sie genau den gefragt, der ihnen Antwort hätte geben können. Meinst du, sie ahnten dies?"
Anuron zögerte. „Vielleicht... Aber möglicherweise wussten sie auch nur, dass ich einer deiner engsten Freunde bin. Jetzt wissen sie natürlich, dass ich etwas wei", fügte er hinzu. „Wäre dies anders, hätte ich mich nicht geweigert, ihnen eine Antwort zu geben."
Elenion nickte leicht, dann blieb er stehen und umarmte Anuron kurzerhand. „Ich bin froh, dass ich dich habe", meinte er seufzend. „Ohne dich ginge es mir wohl nur halb so gut."
Anuron lachte. „Ich helfe dir gern, das weißt du doch."
Auch Elenion lächelte, während er Anuron wieder losließ und seinen Weg fortsetzte.
Dann erreichten sie die Pferdeställe. Als sie eintraten, huschte Elenions Blick über die Abteilungen, in denen die Pferde von Taragion und seinen Begleitern standen.
Während der blonde Nandor zu Galadon hinüber ging, fragte er Anuron: „Weißt du, seit wann Taragions Pferd hier steht? Oder war dies schon immer so?"
Anuron schüttelte leicht den Kopf. „Taragions Pferd steht in einem anderen Stall, aber es lahmt. Deswegen reitet er zur Zeit den Hengst dort drüben." Der Galadhrim deutete auf einen Rappen.
Elenion nickte langsam. „Ich verstehe." Seine Augen suchten Anurons. „Warum habe ich das Gefühl, dass mehr dahinter steckt, als du gesagt hast?"
„Weil du mich kennst?" Anuron seufzte. „Rychveldir bemerkte vorgestern, dass der Hengst lahmte. Daraufhin wurde er wütend und warf Taragion vor, ihm das verschwiegen zu haben. Du weißt, Rychveldir reagiert manchmal recht heftig auf solche Geschehnisse, Taragion ebenso. Er sagte, er sei seit mehreren Tagen nicht im Stall gewesen und so sei es ihm also gar nicht möglich gewesen, etwas zu bemerken. Seiner Meinung nach war es viel eher Rychveldir, der sich nicht gut genug um den Hengst gekümmert habe. Das hat Rychveldir als persönlichen Angriff angesehen und, nun ja... Der Streit ging die letzten Tage hin und her. Was wirklich passiert ist, weiß bis heute keiner." Anuron seufzte abermals. „Taragion ist nicht wie du, Elenion – er kümmert sich längst nicht so sehr um seinen Hengst. Aber dass er ihn bewusst schlecht behandeln würde, kann ich mir auch nicht vorstellen. Und, versteh mich nicht falsch, es kann durchaus sein, dass er länger nicht im Stall war."
Elenion klopfte nachdenklich Galadons Hals. „Es hört sich so an, als ob Taragion und Rychveldir sich beide in etwas hineingesteigert hätten", stellte er fest. „Das wäre bei ihnen auch nicht ungewöhnlich. Allerdings würde Rychveldir sich um ein Pferd, das seiner Obhut anvertraut ist, sicherlich nicht zu wenig kümmern."
Anuron zuckte die Schultern. „Wahrscheinlich hast du recht. Aber dir ist klar, dass auch du dich schnell in etwas hineinsteigerst, oder?"
Elenion schmunzelte. „Nun, richtig, auch bei mir wäre dies nicht ungewöhnlich. Das habe ich ja heute bereits bewiesen. Aber dass ich es zugebe, ist doch ein Fortschritt, oder?" Er zwinkerte Anuron zu und erhielt ein leises Auflachen zur Antwort.
Dann schwiegen beide eine Weile. Elenion striegelte Galadon, Anuron lehnte daneben an einer Trennwand.
Schließlich war es der Galadhrim, der das Schweigen brach. „Ich habe mir das noch einmal durch den Kopf gehen lassen, die Sache mit Haldir und... Aearion?" Als Elenion ihm zunickte, fuhr Anuron fort. „Auf mich wirkte Haldir nicht gerade glücklich… Ich bezweifle, dass er mit dieser Ausfragerei einverstanden war. Auch war es nur Aearion, der mir Fragen stellte... Haldir stand schweigend daneben."
Elenion hielt beim Striegeln inne und überlegte. „Ich habe kaum auf Haldir geachtet... Auch in meinem Fall war es Aearion, der mit mir sprach, und meine Aufmerksamkeit galt ihm. Aber, wenn ich nun darüber nachdenke... Haldir meinte nur, dass sie uns eine Weile beim Üben beobachtet hätten... doch er schien nicht recht zu wissen, was er sonst sagen sollte."
„Dies kommt bei Haldir selten vor", bemerkte Anuron.
Galadon stieß Elenion sanft an, woraufhin der Nandor mit einem Lächeln fortfuhr, ihn zu striegeln. „Ja, und ich glaube, es könnte daran gelegen haben, dass ihm die Sache unangenehm war. Auch seine Stimme klang etwas unruhig."
„Was wiederum darauf schließen lässt, dass all dies nicht nach seinem Willen war."
Elenion überlegte noch einen Moment, dann zuckte er die Schultern und wandte seine Aufmerksamkeit endgültig wieder Galadon zu. Was auch immer Aearion und Haldir zu diesem Tun getrieben hatte, heute wollte er der Frage nicht mehr nachgehen.
Als Elenion Galadon fertig gestriegelt hatte, sah er sich kurz um. Es gab keinen Grund, warum er den Hengst jetzt nicht allein lassen sollte.
Der Blonde winkte Anuron. „Gehen wir zu Forondir. Ich möchte ihn ungern warten lassen."
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Am nächsten Tag war Elenion sehr früh wieder wach und auf den Beinen. Die Sonne war noch nicht aufgegangen und die Sterne glänzten am Himmel.
Rasch zog Elenion sich an und machte sich auf den Weg zu Galadon. Für gewöhnlich sah er gleich nach dem Aufwachen und noch einmal abends nach dem Hengst, an freien Tagen ritt er meist auch aus. Heute jedoch war er zum Frühdienst eingeteilt. Das bedeutete, er würde den Großteil des Tages nicht da sein. Obwohl Rychveldir sicher gut für Galadon sorgen würde, wie er es immer tat.
Auf dem Weg zu den Ställen blickte Elenion immer wieder zu den Sternen auf. Er liebte die Sterne. Obwohl das bei allen Elben der Fall war, hatte sich der Blonde schon in seiner Kinderzeit immer gefreut, wenn seine Mutter ihm sagte, dass sich das Licht der Sterne in seinen Augen spiegle. In Gedanken dankte Elenion Elbereth, der Vala der Gestirne, für die Lichter am dunklen Himmel.
Elenion verbrachte einige Zeit bei Galadon. Dann, als schließlich die Dämmerung einsetzte, machte er sich auf zum Übungsplatz, der auch als Treffpunkt für diejenigen diente, die zum Grenzdienst eingeteilt waren.
Laindir stand bereits mit Ríon, einem dunkelhaarigen Galadhrim, den Elenion nur flüchtig kannte, und einigen anderen Elben dort. Haldir war ebenfalls anwesend, und, zu Elenions Verwunderung und Ärger, auch Aearion.
Elenion wusste nicht, warum er diese Abneigung gegen den Elb verspürte. Es war auch nicht wirklich Abneigung, es war... Der stechende Blick Aearions war ihm unangenehm; ebenso ließ ihn die Ausstrahlung des Nandors nervös werden, doch konnte er nicht erklären wieso.
Als Elenion neben Laindir trat, warf dieser ihm einen Blick zu und lächelte. „Bist du bereit?"
Elenion nickte, versuchte aber gar nicht erst das Lächeln zu erwidern, da er im selben Moment bemerkte, dass noch ein weiterer Elb anwesend war, den er lieber nicht gesehen hätte.
Taragion stand ein kleines Stück entfernt unter einem Baum und sah starr in die andere Richtung. Mehr als alles andere machte Elenion dieses Verhalten klar, dass der Galadhrim ihn bereits gesehen hatte. Der Blonde entschloss sich, Taragion zu übersehen.
Laindir warf noch einen kurzen, fragenden Blick zu Ríon, dann traten die drei Elben zusammen zu Haldir. Elenion fiel auf, dass Aearions Augen sich auf ihn richteten, doch war er in Erinnerung an ihre letzte Begegnung nicht bereit, ihn anzusehen.
„Wir sind vollzählig", erklärte Laindir an Haldir gewandt. „Sollen wir uns schon auf den Weg machen?"
Haldir wechselte noch ein paar Worte mit Laindir, die jedoch nicht mehr in Elenions Bewusstsein drangen. Angespannt mühte er sich, nur nicht in Aearions Richtung zu sehen.
Elenion war mehr als erleichtert, als Laindir sich abwandte. Rasch überquerten sie den Platz.
Aearions Blick folgte dem Blonden, bis die Schatten des Waldes ihn verschluckt hatten.
Der Tag verging, ohne dass Elenion auch nur ein anderes Lebewesen – abgesehen von den beiden anderen Wächtern und Tieren – zu sehen bekommen hätte. Laindir und er unterhielten sich auf dem Talan über Belanglosigkeiten, während Ríon meistens schwieg, aber aufmerksam zuhörte. Elenion hatte den Eindruck, dass der dunkelhaarige Elb für gewöhnlich nicht viel sprach und er störte sich nicht daran.
Es war bereits Mittag, als der Nandor hinabkletterte, um sich ein wenig zu bewegen. Unten angekommen sah er sich um, erwartete aber im Grunde nicht, etwas zu entdecken.
Nach einer Weile kam er an einen Bach, und da er durstig war, trank er ein paar Schlucke. Er hob den Blick wieder.
Vor seinen Augen zogen Nebelschwaden vorbei. Nebelschwaden, die verdeckten, was er einmal gesehen hatte, die verhüllten, was wiederzusehen er sich nun weigerte. Ihm war, als würde er in einen tiefen Abgrund gesogen. Die Dunkelheit um ihn vertiefte sich. Eine eisige Hand umklammerte sein Herz. Er wehrte sich gegen den Sog, schwamm gegen die Strömung, kämpfte darum, die Kontrolle zurückzugewinnen...
Elenion blinzelte. Am ganzen Körper zitternd lag er ausgestreckt auf der Seite. Neben ihm hörte er das leise Plätschern des Baches. Er spürte kalten Schweiß auf seinem Gesicht. Was war geschehen? Dieses Gefühl... Was war passiert? Oder eher, war etwas passiert?
Eine ganze Weile verging, bis er sich und seinen Körper wieder unter Kontrolle hatte. Dann wusch er sich das Gesicht und machte sich auf den Weg zurück zu Laindir und Ríon. Die beiden Galadhrim hatten offensichtlich nichts bemerkt, wofür Elenion sehr dankbar war, auch wenn er nicht verhindern konnte, dass beiden auffiel, wie schweigsam er plötzlich war.
Die Erinnerung an das, was eben geschehen war, ließ Elenion nicht los. Eine eisige Kälte hatte ihn ergriffen und ließ sein Innerstes erzittern.
Hätte Laindir ihn nicht darauf aufmerksam gemacht, hätte er wahrscheinlich gar nicht bemerkt, dass die Ablösung da war und sie zurück nach Caras Galadhon gehen sollten.
Auch auf dem Weg war Elenion sehr still. Er sagte nur etwas, wenn Laindir oder Ríon ihn direkt ansprachen, und auch das bekam er hin und wieder nicht mit. Doch nach einer Weile riss Laindir ihn mit einer Frage aus seinen Gedanken. „Ist etwas passiert?"
Elenion warf ihm einen raschen Blick zu. „Wieso?"
„Na ja... Du sagst kein Wort."
„Es geht mir gut." Das war alles, was Elenion sagte und mehr würden die beiden anderen auch nicht erfahren. Ríon blickte den Nandor mit gerunzelter Stirn an – wahrscheinlich war die Lüge in Elenions Worten einfach zu offensichtlich – aber weder er noch Laindir stellten weitere Fragen, bis sie Caras Galadhon erreicht hatten.
Zusammen gingen sie zum Übungsplatz, wo sie sich bei Haldir meldeten. Elenion bemerkte nicht einmal, dass Aearion ebenfalls dort war, so vertieft war er in seine Gedanken. Er bekam auch nicht mit, dass Haldir ihn fragte, ob er morgen wieder die Südwache übernehmen könne. Ebenso übersah er Haldirs Stirnrunzeln und Laindirs Schulterzucken, als von ihm keine Antwort kam.
Kaum hatten sie die Erlaubnis zu gehen, ließ Elenion Laindir und Ríon auch schon stehen und machte sich auf den Weg zu den Pferdeställen. Bei Galadon würde er seine Ruhe haben.
Das Laub raschelte unter seinen Füßen. Anders als in anderen Teilen Mittelerdes färbte sich das Laubwerk der Mallornbäume im Herbst nur golden. Erst im Frühjahr, wenn das junge Grün bereits nachgewachsen war und die Äste von gelben Blüten erstrahlten, verloren die Mellyrn ihre Blätter. Darum galt der Frühling als die schönste Jahreszeit in Lothlórien, denn dann war der Boden golden von den Blättern, auch das Laubdach glänzte golden und die Stämme der Mellyrn schimmerten silberfarben.
Elenion nahm all das wahr, doch anders als gewöhnlich erfüllte es ihn nicht mit Freude. Sein Herz schmerzte beim Gedanken an das Gefühl, das er gehabt hatte. Wie sehr hatte er sich gewünscht, das nie wieder erdulden zu müssen...
Bei Galadon wurde Elenion etwas ruhiger. Lange stand er einfach nur an den Hengst gelehnt und starrte vor sich hin. Dann begann er, ihn zu streicheln und zu klopfen. „Weißt du, Galadon…", flüsterte er. „Ich wüsste ja schon gern..."
Er fühlte das Fell des Hengstes nicht mehr unter seiner Hand. Wo war er? War er noch da?
Nebel wirbelten. Flammen loderten auf. „Nimm das Kind, bring es in Sicherheit..." Die Worte hallten in seinem Kopf.
Ein Paar grüner Augen, voll Schmerz und Verzweiflung. „Es ist zu spät... Du kannst nichts mehr tun."
Er stolperte vorwärts. Etwas in ihm schien zu zerreißen. Ein letzter Blick auf die Frau in den Flammen, die Frau die er liebte. Dann war er fort, ausgestoßen von der Erde. Die Magie, die Magie in seinen Adern – er hatte sie nicht kontrollieren können.
Schwer landete er im Gras, zitternd blieb er liegen. Die Augen Sabines, ihr letzter Blick. In sein Gedächtnis eingebrannt für immer.
Das erste, das Elenion wieder wahrnahm, war das schrille Wiehern eines Pferdes. Dann Anurons Stimme, heiser und erschrocken. „Forondir! Hier ist er!"
Rasche Schritte kamen näher. Elenion fühlte Hände auf seinen Schultern, spürte, wie ihn jemand auf den Rücken drehte. Unfähig sich zu rühren oder auch nur den Blick zu fixieren lag er da. Sein Gesicht fühlte sich feucht an. Sein Atem ging kurz und flach.
Wieder ein Wiehern, leiser diesmal, doch nicht weniger angstvoll.
„Er kommt schon wieder auf die Beine, Galadon", hörte Elenion Forondir flüstern. „Hab keine Angst, wir kümmern uns um ihn."
„Wir sollten ihn zu unserem Talan bringen", kam es dann von Anuron. Die Stimme des Galadhrim zitterte. „Glaubst du, du kannst ihn tragen?"
„Es wird gehen."
Elenion fühlte ein Paar kräftiger Arme, die sich unter seinen Körper schoben und ihn dann hochhoben.
„Es wird wieder gut, Galadon", flüsterte Anuron, wahrscheinlich ebenso um sich selbst zu beruhigen wie den Hengst. „Es wird wieder."
TBC...
A/N: Und jetzt schreibt mir doch bitte, wie's euch gefallen hat lieb schau ;)
