Danke schön wieder für dein Review, Morgan :D Sorry, dass es so lang gedauert hat, aber ich musste meinen Plot nochmal umstellen - deswegen auch der Genrewechsel von Allgemein zu Drama. ;) Ich hoffe mal, das Kap gefällt dir wieder...
4. Kapitel: Erinnerung
Elenion lauschte. Er hörte Vogelgesang, doch noch deutlicher leise Atemzüge.
Er versuchte sich an den vergangenen Abend zu erinnern. Es gelang ihm nicht.
Schließlich schlug er die Augen auf. Verwirrt stellte er fest, dass er keineswegs auf seinem Talan war. Er befand sich bei Anuron und Forondir, die beide in der Nähe ruhten. Elenion selbst lag auf einem Diwan, eine Decke war eng um ihn geschlungen.
Der Nandor setzte sich mühsam auf. Dass ihm das schwer fiel, irritierte ihn noch mehr. Verwirrt schüttelte der Elb den Kopf um seine Gedanken zu klären, und versuchte abermals, sich zu erinnern. Langsam tauchten wieder einige Bruchstücke auf. Das Gefühl gestern am Bach... dann war er bei Galadon gewesen... Und dann...
Als die Erinnerung plötzlich auftauchte, spürte Elenion, wie ihm ein eisiger Schauder über den Rücken lief. Ja... Aber... Wieso? Wieso hatte er sich so das so in Gedächtnis rufen müssen?
Der Elb ließ sich zurücksinken und zog die Decke fest um sich. Tränen waren ihm in die Augen getreten.
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Die Sonne war gerade untergegangen. Er saß neben Sabine am Bett eines Mannes. Elenion warf ihr einen Blick zu und seufzte leise. „Ich glaube nicht, dass wir ihn am Leben halten können."
Sie schüttelte den Kopf. „Ich auch nicht. Aber versuchen müssen wir es."
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Ihr Kopf lag an seiner Schulter, doch er wusste, dass sie nicht schlief. „Warum tun sie das?", fragte er flüsternd. „Es ist Wahnsinn, du weißt das, sie spüren es alle. Warum tun sie es?"
Sabine seufzte. „Es lässt dich nicht los, Elenion, nicht wahr? Nicht einmal, nachdem wir den Tod eines Menschen erlebten."
„Er starb durch Krankheit, das ist etwas anderes. Sie haben diese Frau verbrannt, mitten auf dem Marktplatz. Überall standen Menschen, doch niemand hinderte sie. Wie könnte ich das vergessen?"
„Was hielt denn dich davon ab, etwas zu tun?"
„Du. Du hast mich zurückgehalten, das weißt du doch."
„Ja. Warum, glaubst du, habe ich das getan?"Ihre Stimme klang sanft und liebevoll.
Elenion runzelte die Stirn. „Ich weiß es nicht... Glaubst du, sie hätten auch mich verbrannt?"Die Furcht fehlte in seiner Stimme.
„Ich weiß nicht, was sie getan hätten", erwiderte Sabine leise. „Doch eines weiß ich: Es wäre nichts gutes gewesen. Ich brauche dich, Elenion."
Er strich ihr sanft durchs Haar. ‚Auch ich brauche dich', dachte er. ‚Aber das wirst du nie von mir hören.'
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Elenion stand neben Sabine. Nervös um sich blickend war eine Nachbarin zu ihnen getreten. „Ihr dürft hier nicht bleiben. Sie geben euch die Schuld am Tod dieses Mannes. Sie sagen, ihr habt seine Seele an den Teufel verkauft."
„Anders gesagt, sie halten uns für Hexen." Sabines Stimme klang erschöpft.
Elenion sah die Nachbarin an, wartete darauf, dass sie widersprach. Stattdessen jedoch seufzte sie und blickte zur Seite.
Ein paar Sekunden dauerte es noch, bis der Elb begriff, was das zu bedeuten hatte. Sabine hatte recht. Sie wurden beschuldigt, mit dem Teufel im Bunde zu sein. Mit jemandem, der nach Sabines Erzählungen Morgoth ähnlich zu sein schien. Elenion begriff es nicht. „Aber wir haben versucht, ihm zu helfen!", stieß er schließlich hervor. Nur mühsam gelang es ihm, seinen Zorn unter Kontrolle zu halten. „Wie können sie..."
Sabine legte ihm die Hand auf den Arm. „Lass gut sein, Elenion", bat sie ihn sanft. „Gisela hat recht. Nimm das Kind, bring es in Sicherheit. Bei meinem Bruder wird die Kleine gut aufgehoben sein. Ich packe solange das Nötigste zusammen und dann werden wir diesen Ort verlassen."
Elenion betrachtete sie ein paar Sekunden schweigend, dann jedoch nickte er. „Du hast recht. Wenn der Wahnsinn hier so um sich greift, ist es wohl die einzige Möglichkeit für uns, zu fliehen."Der Elb wandte sich ab und ließ die beiden Frauen stehen. Er verstand es nicht und egal was Sabine sagte, er würde es nie verstehen.
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Wieder wechselte das Bild. In seinen Armen hielt er ihre kleine Tochter. Einen Moment noch drückte er sie an sich, dann gab er sie Sabines Bruder. „Pass auf sie auf", bat er. „Wir kommen, sobald es uns möglich ist."
Der Mann nickte. Besorgt sah er Elenion an, öffnete den Mund wie um eine Frage zu stellen, doch der Elb ließ ihm keine Zeit. Ohne abzuwarten schwang er sich auf sein Pferd und ritt davon. Sein Herz zog sich schmerzvoll zusammen. Warum nur war ihm so elend zumute? Es war kein Abschied für immer... Er würde die Kleine wiedersehen... Er würde Sabine wiedersehen...
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Dann war er daheim. Das Haus war verlassen. Er suchte, mühte sich, gegen die Panik, die in seinem Inneren erwachte, anzukommen. Schließlich ging er hinaus, vielleicht war Sabine unterwegs, natürlich war sie das, wo sollte sie sonst sein?
In den Straßen war es ungewöhnlich still. Die wenigen Menschen, denen Elenion begegnete, wichen mit entsetzten Mienen vor ihm zurück, doch er nahm sie kaum wahr. Seine Füße trugen ihn weiter, weiter, bis zum Marktplatz. Dort sah er sie.
Auf dem Platz war ein Scheiterhaufen aufgerichtet und in Flammen gesetzt worden. In der Mitte des Scheiterhaufens stand sie, gefesselt. Er sah keinen anderen. Er sah nur sie.
Sabine hob den Kopf, blickte ihn an. Ein Paar grüner Augen, voll Schmerz und Verzweiflung. „Es ist zu spät... Du kannst nichts mehr tun."
Sie dachte diese Worte nur, dennoch hörte er sie in seinem Kopf. Er stolperte vorwärts.
Jemand griff nach ihm, zog ihn zurück. Elenion wehrte sich, versuchte, sich loszureißen. Erfolglos. Er wandte sich um zu dem, der ihn festhielt, blickte in ein Paar blauer Augen, in die Abgründe von Jahrhunderten. Der Mann schüttelte den Kopf. „Du kannst ihr nicht helfen. Geh!"
Elenion wandte den Blick ab, sah wieder zu Sabine. Etwas in ihm schien zu zerreißen. Ein letzter Blick auf die Frau in den Flammen, die Frau die er liebte. Dann war er fort, ausgestoßen von der Erde. Die Magie, die Magie in seinen Adern – er hatte sie nicht kontrollieren können.
Schwer landete er im Gras, zitternd blieb er liegen. Die Augen Sabines, ihr letzter Blick – in sein Gedächtnis eingebrannt für immer.
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Leise weinend krümmte sich Elenion auf dem Diwan zusammen. Der Schmerz war fast mehr, als er verkraften konnte. Warum? Warum hatten sie Sabine verbrannt? Und warum konnte er die Erinnerung nicht hinter sich lassen? Nach all der Zeit schmerzte es ihn immer noch so sehr.
Dann plötzlich durchfuhr es ihn. Dieser Mann, der Mann der ihm gesagt hatte, er solle gehen – er kannte ihn. Es war Aearion.
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Als Anuron erwachte, fiel sein Blick sofort auf Elenion, der inzwischen im Raum auf und ab ging. „Elenion?", fragte er leise. „Geht es dir besser?"
Elenion zuckte zusammen, er hatte nicht bemerkt, dass Anuron erwacht war. Ein paar Sekunden starrte er ihn an, dann hob er hilflos die Schultern.
Anuron stand auf, trat zu dem Nandor und strich mit der Hand durch sein blondes Haar. „Gut siehst du nicht aus", stellte er fest. „Doch wenigstens besser als gestern."
Elenion nickte, jedoch waren Anurons Worte nicht in seine Gedanken vorgedrungen.
Der Galadhrim musterte ihn, nahm ihn dann am Arm und zog ihn zum Diwan hinüber. „Setz dich erst mal."
Elenion gehorchte und Anuron ließ sich neben ihm nieder. „Was ist passiert, Elenion?"
Der Nandor zuckte zusammen. „Was – wieso?"Seine Stimme klang rau.
Anuron legte ihm einen Arm um die Schultern. „So, wie Forondir und ich dich gestern vorgefunden haben, kannst du nicht erwarten, dass wir uns keine Gedanken machen. Du sahst elend aus – vielleicht warst du bewusstlos, ich bin mir nicht sicher."
Elenion biss sich auf die Lippen. Schließlich schüttelte er den Kopf. „Tut mir leid, Anuron. Ich weiß nicht was geschehen ist, ich – kann mich nicht erinnern."Elenion holte einmal tief Luft und blinzelte, als ihm wieder Tränen in die Augen stiegen. „Zumindest bringe ich es nicht über mich, es auszusprechen." Er war sich nicht völlig sicher, ob er den letzten Satz laut gesagt oder nur gedacht hatte, doch Anuron schlang die Arme um ihn und zog ihn in eine warme, tröstende Umarmung.
Ein paar Minuten vergingen. Obwohl ihm die Umarmung gut tat, wollten Elenions Gedanken sich nicht beruhigen. „Warum?", flüsterte er schließlich mit erstickter Stimme. „Warum war er dort? Ich wollte es vergessen."
„Vergessen kannst du nichts", erwiderte Anuron ruhig, „jedenfalls nichts, was für dich von Bedeutung ist. Du kannst nur verdrängen, aber damit ist das Erlebnis nicht fort."
„Willst du mir sagen, es sollte mir nichts ausmachen, dass er mich wieder daran erinnert?"Elenions Stimme zitterte, Tränen liefen über sein Gesicht.
„Das will ich nicht sagen", antwortete Anuron sanft, während er ihn enger an sich zog. „Natürlich schmerzt dich diese Erinnerung, das sehe ich ja. Doch, was immer passiert ist, du hast es überlebt und es ist Vergangenheit, nicht Gegenwart."
Elenion zuckte kaum merklich die Schultern und schwieg.
Die Stille wurde schließlich von Forondir unterbrochen, der sich streckte und die Augen öffnete. Sofort glitt sein Blick zu Elenion und Anuron hinüber. Er musterte den Nandor stumm, stand dann auf und trat zu den beiden. Auf Elenions anderer Seite ließ er sich auf dem Diwan nieder, griff nach ihm und schlang die Arme sowohl um Elenion als auch um Anuron, sodass der Nandor sich nun in der Mitte zwischen den beiden Elben befand.
Trotz der Tränen, die über sein Gesicht liefen, huschte ein mattes Lächeln über Elenions Lippen. In der Umarmung der beiden entspannte er sich langsam wieder, fühlte, wie er ruhiger wurde. Schließlich hob er den Kopf. „Ihr wisst, wie man jemanden tröstet, oder?", fragte er, während er sich die Augen trocknete.
Anuron strich ihm sanft durchs Haar. „Es scheint so."Er zwinkerte Forondir zu und dieser schmunzelte, während er sich an Elenion vorbei zu Anuron neigte und ihm einen Kuss auf die Wange drückte.
Der Nandor blickte aus dem Fenster. Die Sonne war schon aufgegangen und der Tag versprach schön zu werden. Anuron war seinem Blick gefolgt. Er runzelte die Stirn und wandte sich an Forondir. „Sag, habe ich heute früh Grenzdienst oder erst am Nachmittag?"
Forondir warf Elenion einen Blick zu und verdrehte lächelnd die Augen. „Eigentlich solltest du das wissen, oder? Doch wenn du Frühdienst hast, müsste Haldir jetzt wirklich wütend auf dich sein. Einfach nicht zu erscheinen, du weißt, was er davon..."
„Also habe ich heute Nachmittag Dienst?", unterbrach Anuron.
Forondir schüttelte vergnügt den Kopf. „Ich fürchte nein."
Anuron sah ihn nun deutlich verunsichert an. „Wie, habe ich doch Frühdienst?"
Forondir lachte. „Genau das. Allerdings morgen. Oh, bei den Valar, ist es zuviel für dich dir zwei Tage lang zu merken, wann du das nächste mal Dienst hast?"
Anuron überging die letzte Bemerkung seines Freundes und atmete erleichtert auf. „Musstest du mir einen solchen Schrecken einjagen?"Kopfschüttelnd wandte er sich an Elenion. „Die Elbenmaid hat sich übrigens gestern Nachmittag wieder nach dir erkundigt. Sie meinte, sie hätte gehört, du wärst von deiner Reise zurück."
Elenion verzog das Gesicht. „Sie kennt mich doch gar nicht."
Anuron sah ihn nachdenklich an. „Vielleicht doch. Sie erwähnte, dass sie dich bereits auf der Fest-Lichtung gesehen hat. Da dachte ich..."
Elenion schüttelte den Kopf. „Auf der Fest-Lichtung habe ich einige Elbenfrauen kennen gelernt, doch abgesehen von Eryniel und Gweneth ist mir keine in Erinnerung geblieben."
Anuron zuckte die Schultern. „Ich fand sie hübsch."
„Was willst du damit sagen?"
„Gar nichts."
„Gar nichts? Ich kann mich nicht erinnern, dass du jemals etwas gesagt hättest ohne Hintergedanken dabei zu haben."
„Das stimmt", bestätigte Forondir amüsiert. „Ich kann mich genau erinnern, wie..."
„Du hältst dich raus!", unterbrach Anuron, allerdings war ihm anzusehen, dass er das Schmunzeln nur mit Mühe unterdrücken konnte.
„Also?" Elenion zog eine Augenbraue hoch. „Was hast du vor? Willst du mich mit ihr zusammenbringen?"
„Nein, sicher nicht", erwiderte Anuron, während er das Gesicht verzog. „Für dich ist sie viel zu jung, wahrscheinlich zählt sie wenig mehr als hundert Jahre."
„Was will sie dann eigentlich von mir?"
„Wieso fragst du mich das? Frag sie!"
„In Ordnung, wenn du mir sagen kannst, wo ich sie finde", entgegnete Elenion gelassen.
„Kann ich nicht", antwortete Anuron seufzend. „Sie hat mich aufgesucht, nicht ich sie."
An dieser Stelle unterbrach Forondir sie mit belustigter Miene. „Ich will ja nicht stören, aber, Elenion, hast du heute noch Dienst?"
Elenion dachte nach. „Nein... Ich glaube nicht... Ich kann mich auf jeden Fall nicht erinnern."
„Siehst du, Forondir? Das passiert nicht nur mir", mischte sich Anuron mit einem Lächeln ein.
„Allerdings ist es bei Elenion nicht die Regel", erwiderte Forondir sanft, wandte sich dann aber wieder an den Nandor. „Ich habe heute Nachmittag Dienst. Soll ich Haldir sagen, dass du ein paar Tage Ruhe brauchst? So wie ich das sehe, könnte es nicht schaden, oder?"
Elenion zögerte, dann jedoch nickte er. „Doch, das wäre sicherlich gut. Du kannst ihm erklären, dass ich mit dem Tod Lissiels noch immer nicht zurecht komme. Dies dürfte als Erklärung reichen."
TBC...
A/N: Schade eigentlich, dass sich außer Morgan niemand die Mühe macht, ein Review zu schreiben :/
