Disclaimer: Mir gehört nichts, sondern dem Meister mit dem windigen Namen und diesem Kerl, der gern Schiffe-Versenken im großen Stil spielt.
Der Ruf des Raben
Prolog
Tritt ein Fremder! Keine falsche Scheu mein Freund, kommt näher. Meine Augen sind nicht mehr das was sie einmal waren müst ihr wissen und in den Hallen dieses Hauses herrscht immer Zwielicht. Sprecht Freund was führt euch zu unserer Türschwelle? Ihr sucht nach Geschichten? Wahrlich dass sind erfreuliche Nachrichten - nur wenige noch haben dieser Tage Interesse an dem leisen Wispern des Pergaments, dem beinahe unhörbaren Murmeln der Seiten mit dem meine papiernen Freunde ihre Magie spinnen – Besucher sind selten in diesem haus, dunkel ist es geworden und einsam. Es gibt hier Gänge in denen der Staub von Jahrzehnten unberührt liegt und kein Laut das flüstern der Bücher gestört hat seit ungezählten Sonnenläufen. Denn mich gibt es nur einmal und dieses Haus ist wahrhaft gewaltig, manche sagen sogar endlos....Aber ich gerade ins schwatzen und ihr mein junger Freund seit nicht den weiten Weg durch die Dämmerung gekommen um dem närrischen Gewäsch eines alten Mannes zu lauschen! Folgt mir nun, hinein in die Eingangshalle vorbei an den Steingargoylen, die in ewiger, triefäugiger Langeweile auf unser Treiben hinabglotzen. Hinauf nun auf die Galerie unter den Blicken jahrhunderteralter Engel und Dämonen aus wurmstichigen Eichenholz. Durch die Tür unter den staubigen Bannern, tiefer hinein in das Haus der flüsternden Bücher. Weiter durch Hallen und Säle, Kammern und Kemenaten, Treppenschächte und sich windende Gänge... wohin wir gehen, fragt ihr mich? Ich weiß es nicht. Die Geschichten werden uns führen, den in diesem Haus geht man seine Geschichten nicht suchen mein junger Freund. Nein man wartet darauf, dass sie einen finden – den sie haben ihren eigenen Willen. Für jedes Kind das dem Menschengeschlecht geboren wurde gibt es an einem bestimmten Tage eine, die er hören sollte, damit sie ihm Weisheit, Lachen und Weinen lehrt. Wenn man in diesen Gemächern wandert dann wird man schon von der richtigen Fabel gefunden. Aber Vorsicht nun mein Freund, unser Weg scheint heute abwärts zu führen in die Keller und die Dunkelheit. Bleibt nur nahe bei mir! Wandert nicht aus dem Lichtschein der Lampe, denn ihr müsst wissen wo Träume im Mondlicht tanzen, dort verbergen sich auch Nachtalben in den Schatten. Ah wir nähren uns unserem Ziel, ich kann es spüren die Erwartung, die in der Luft liegt schwer und aromatisch wie Weihrauch. Hier ist es – das Garn, das uns die Schicksalsgöttin gesponnen hat, so daß wir heute ihm heute lauschen können: Höret mein Freund! Seit so still wie der fallende Staub, dann werdet ihr das Flüstern hören mit dem dieses Buch uns berichtet von fremden Menschen und einer dunklen Zukunft, von großen Taten und großem Leid, von vergossenem Blut Unschuldiger und zerbrochenen Träumen. Horche, es erzählt von drei Männer, die am Kreuzweg stehen: einem jungen Falken mit zerschmetterten Flügeln und der reinen Flamme der Wahrheit in seinem Herzen. Seine Augen sehen tief in das Innerste der Menschen und das Wesen der Dinge. Die Dunkelheit und der Wahn, die er dort erblickt hat, haben dunkle Spuren hinterlassen, Narben auf seiner Seele und seinem Denken. Der zweite ist ein mordlustiger, alter Wolf, ein Raubtier narbenbedeckt und zäh wie eine alte Baumwurzel. Hart ist er und kalt, seine Zähne blutbefleckt. An den Überresten seines Gewissens fressen ein dutzend Dämonen. Der dritte: ein alter Fuchs sein Fell von der Farbe alten Rauhreifes. Von allen dreien hat er am tiefsten aus dem Brunnen getrunken den manche Weisheit nennen und andere Wahnsinn. Dieses Triumvirat ist gefangen in einem gnadenlosen Schachspiel, gegeneinander und gegen den alten Mann Tod, der gebeugt und knorrig ist wie eine alte Friedhofsweide und doch zeitlos, seine Augen schimmern wie polierte Silbermünzen. Zu seinen Füßen liegt zusammengerollt ein Mantikor, von dessen Fangzähnen blutiger Geifer tropft. Noch eine andere Geschichte wissen diese Seiten zu berichten: sie sprechen von einem Engel, einem Cherubim der Dunkelheit, einem Wesen mit Flügeln aus geschmeidiger Mitternacht, ihre Schönheit ist atemberaubend doch tödlich - gleich der einer Damaszenerklinge. Sie ist der Wendepunkt und der Scheideweg, die Königin auf dem Schachbrett und der unberechenbare Joker den beide Seiten zu beherrschen suchen. Zur ihr singen die Raben in ihren Liedern vom Ende aller Dinge, von Tod und Wiedergeburt. Willst du sie sehen? Leugne es nicht, ich erkenne das Begehren in dir. So tritt näher Fremder! Öffne das Buch, durchschreite das Tor zur Welt der Wunder und Schrecken! Dort kannst du die Flügel spreizen und mit dem Engel der Dunkelheit fliegen – wenn du es wagst.
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Das leise Surren der Wasserstoffzellen wurde vollständig vom Brausen der vorbeischießenden Luftmassen übertönt. Das Auto, das mit 250 km/h über den Nanobeton des Highways jagte war ein teures europäisches Modell, schwarz und ohne Insignien oder Kennzeichen. Der Wagen ruckelte einmal beinahe unmerklich, als sich sein Bordcomputer an einer wenig benutzten Ausfahrt aus dem Verkehrsleitsystemen der Autobahn ausklinkten und die Insassin das Steuer übernahm. Ohne merkliche Verringerung der Geschwindigkeit folgte der Fahrer durch eine Reihe von Abzweigung der zunehmend schlechter ausgebauten Straße in die Einsamkeit der Wälder, die selbst an diesem Herbsttag im Jahre 2045 noch zu finden war an der Nordwest-Küste Kanadas. Schließlich verließ der Wagen die Landstraße, die sich an der Küste des Pazifiks entlangwand und bog auf eine halb zugewachsene Zufahrt ein, die tiefer in eine dicht bewaldete Halbinsel führte. Der Weg endete schließlich an einem massiven, schmiedeeisernen Tor, das in eine graue Feldsteinmauer eingelassen war. Das Auto hielt auf dem unkrautüberwucherten Asphalt des Vorplatzes nicht weit entfernt von einem ähnlichen Modell, das im Schatten einer mächtigen, alten geparkt war. Ein flüchtiger Beobachter hätte die Insassin, die aus dem Wageninnern stieg leicht für einen Teenager halten können, höchstenfalls 20 Jahre alt – man brauchte ein scharfes Auge um die harten Linien zuerkennen, die Schmerz und Bitterkeit in die Samthaut gegraben hatten. Diese Illusion hätte aber auch nur so lange Bestand bis besagter Beobachter einen guten Blick auf die Augen der fraglichen Frau werfen könnte: Groß und dunkel waren sie, bodenlos und eiskalt wie leere Brunnenschächte in einer Mittwinternacht. Sie nährte sich mit schnellen Schritten einer etwa brusthohen Säule aus mattgrauem Metall, die im Schatten des Tores aufgepflanzt stand. Ihre immer wachsamen Sinne registrierten dabei sowohl die Bewegungsmelder und Infrarotkameras auf der Mauerkrone, als auch das ferne Summen der Wächterdrohnen. So war sie auch keineswegs überrascht als die KI des Überwachungssystems über die Kommunikationssysteme der Säule die übliche Warnung abspulte: "Zutritt Verboten! Dies ist ein für die Öffentlichkeit nicht zugängliches UN-Protektorat. Zugang nur für UN-Beauftragte ab einer Sicherheitseinstufung von Delta 5 oder höher. Ein Verstoß kann mit psychologischen Tiefensondierung Stufe 3 und Freiheitsstrafen bis zu 10 Jahren geahndet werden. Zutritt Verboten! Dies..... "Der codierte Impuls aus dem Chip, der in ihre Handfläche implantiert war lies die KI verstummen. Stattdessen fuhr eine Panzerplatte in die Terminalsäule zurück und offenbarte einen Touchscreen. Einen Handflächencheck und einen zwölfstelligen Nummerncode später schwang einer der Torflügel unter leisem Summen auf. Die Besucherin war jedoch noch nicht gänzlich zu frieden: „ KI lösche sämtliche Einträge über meine Anwesenheit aus deinen Speichern. Autorisierungscode: Z 2 Lambda 3 9 7 Omikron Etha B K 6 P 8 9 Omega 5."Jetzt erst glitt ihre schlanke Gestalt durch die Öffnung, die sich mit einem deutlich vernehmbaren Klicken hinter ihr schloß. Schnelle Schritte trugen sie über die Wiese, die ihr Dasein vermutlich als gut gepflegte Rasenfläche begonnen hatte, inzwischen stand das Gras jedoch hüfthoch. Moos und Schlingpflanzen hatten begonnen die ausgebrannten Hülle dessen zurückzuerobern was einmal ein Herrenhaus von monumentalen Ausmaßen gewesen sein musste. Leichtfüßig sprang die Unbekannte, die von anderthalb Jahrhunderten Seewind verwitterte Granittreppe hinauf und verschwand in der rußgeschwärzten Türöffnung. Glasscherben, Asche und zerbrochene Ziegelsteine knirschten unter den Sohlen ihrer Kampfstiefel. In dem teilweise herabgebrochenen, verkohlten Dachgestühl war das leise gurren von nistenden Tauben zu hören – die Besucherin jedoch schaute nicht auf. Sie hielt ihren Blick starr auf die lichteerfüllte Türöffnung am anderen Ende des Saales gerichtet und würdigte weder die düsteren Treppenschächte noch die von Schwärze erfüllten Zimmerfluchten und Gänge eines Blickes. Zu viele Erinnerungen lauerten hier im Schatten wie untote Geister. Ihre Schritte beschleunigten sich unmerklich bis sie den rückwärtigen Ausgang erreicht hatte und an den Stufen verharrte, die zum Seegarten hinabführten. Sie berührte kurz den Griff des KA-BAR Messers, dass in ihrer Ärmelscheide steckte, vergewisserte sich noch einmal, dass es schnell zu erreichen war. Bald würde es zu Ende sein, so oder so – vielleicht würde sie dann Frieden finden, ihre Dämonen zur Ruhe betten können. Vielleicht würden dann die beiden leuchtenden Saphiraugen endlich aufhören, ihre Träume heimzusuchen. Einerlei ob sie nun überleben würde oder nicht, es wäre ein Abschluß. Der Seewind trug das Krächzen eines Raben an ihr Ohr. Es klang beinahe – erwartungsvoll. Ihr Lächeln war grimmig, als sie sich auf die letzte Etappe ihrer Reise machte. Dort am Rande der Klippen, umspült vom Brausen der Brandung, im Schatten eines Haines mächtiger, alter Redwood-Bäume lag ihr Ziel: Die Stätte des Schmerzes und des Gedenkens.
