Turquenione: Es freut mich das es mir gelungen ist eine gewisse Spannung aufzubauen. ich weiß es ist noch sehr verwirrend. Vor allem da der Hauptheld´ ja noch unbekannt ist. Von Namen und Gestalt. Das wird sich legen, ich verspreche es.
Kapitel 3
Ich sehe, wie sich die Kante von mir entfernt - wie sie sehr schnell immer schlechter zu sehen ist und ich schließlich in der Dunkelheit verschwinde. Nichts ist um mich, nur die tanzenden Flocken des Schnees. Jeder Versuch, doch noch irgendwie die steinerne Wand zu erreichen, misslingt kläglich. Ein dumpfes Geräusch sagt mir, dass der Troll den Boden erreicht hat und dann schlage auch ich hart auf kaltem verschneitem Fels auf. Noch einen Atemzug lang spüre ich, wie der Schmerz mir meine Sinne in die Dunkelheit peitscht, ehe ich dann gnädigerweise in ihr versinke.
Das nächste, dessen ich mich entsinnen kann, ist das Gefühl der Nacktheit. Erst ein paar endlose Minuten später, in denen ich wieder gegen den Urgesang dieser Welt versuche anzukämpfen, bemerke ich, dass es nicht nur ein Gefühl ist, sondern die schlichte Wahrheit. Denn ich fühle nicht mehr die vertraute Schwere meiner Rüstung. Halb am Rande des Bewusstseins werde ich auch so langsam der Schmerzen gewahr, die meinen Körper auf sehr unangenehme Weise beanspruchen. Der Geschmack von Kräuteressenzen liegt auf meiner Zunge und auch der von frischem Wasser. Ein Geschmack, den ich zu keiner Zeit als bedrohlich empfunden hatte nur heute. Wer flösste mir dies alles ein und zu welchem Zweck? Je weiter ich in die wache Welt gleite, desto deutlicher bemerke ich etwas Fremdes in meiner Nähe.
Der Gedanke an den Steinlebenden und den Sturz danach ist zu frisch, als dass ich mit Vernunft reagieren kann. Panisch reiße ich die Augen auf, als etwas mein schmerzendes Bein berührt.
Wäre ich wacher und mein Köper freier von Schmerz, so wäre mir in diesem Augenblick aufgefallen, dass es sich um Angehörige der Schimmernden handelt und nicht um diese trollähnliche Kreatur. Doch ich bin es nicht.
Wäre ich wacher und mein Körper freier von Schmerz, so wäre mir ebenso aufgefallen, dass sie sehr überrascht zu mir sehen und einige Materialien zum verbinden von Wunden in den Händen halten. Doch ich bin es nicht.
Ich sehe nur eines und zwar meine Waffen und meine Rüstung am Boden hinter ihnen und sie in meiner Nähe. Zwischen mir und den Waffen. Und ich reagiere instinktiv wie man es mir schon vor langer Zeit beigebracht hatte und schlage demjenigen, der mich hält, mein freies Bein in das Gesicht, so dass er mich loslässt und ich mich vom Lager wälze.
Es ist eine Angelegenheit von höchstens einer Sekunde, bis ich von meinem Lager aufgestanden bin und schmerzhafte, humpelnde Schritte nach draußen durch die zierlichen Säulen mache. Mich fröstelt im zugigen Wind und die Übelkeit und der Schwindel kehrten so heftig zurück, dass ich mich zusammenreißen muss nicht hier und jetzt zu erbrechen. Ich bemerke durch den Nebel des Wahnsinns hindurch einen Befehl und noch bevor ich mich fragen kann, ob er mir oder anderen Gestalten gilt, die mich fangen und ketten sollen, sehe ich wieder in einen Abgrund zu meinen Füssen. Ich spüre wie das Grauen des Erlebten mich wieder packt und ich mich taumelnd nach hinten fallen lasse. Direkt in die Arme einer neuen Bedrohung. Ich kratzte das letzte bisschen Disziplin zusammen, um meine Panik niederzuringen und mich verzweifelt gegen den Griff zu wehren.
Durch den Wahnsinn, der mich gefangen hält, kann ich nicht einmal sagen, ob meine Schläge etwas treffen - obwohl der dumpfe Aufschlag wohl darauf hindeuten muss. Auch die wenig sanften Hände, die mich auf den Boden drücken und zu meinem Unglück mein Gesicht durch Zufall über die Kante legen, weisen wohl darauf hin. Erst dann fällt mir auf, dass die Hände zwar grob, aber nicht verletzend sind und die Worte, die gesprochen werden, sowohl an mich gerichtet sind, als auch eine einlullende beruhigende Wirkung haben. Mein Verstand driftet gefährlich nahe an den Schlaf heran, dessen ich dringend bedarf. Bevor ich mich den unwiderstehlichem Locken seiner dunklen Stimme hingebe, erkenne ich zu meinem Erstaunen, das der Abgrund´, welcher mich so entsetzt, keiner aus festem Stein ist, sondern sich als graue Säulen gewaltiger Bäume präsentiert.
Noch bevor ich denken kann an was für einem Ort ich mich befinde werde ich von dem Chorus dieser Welt davon getrieben.
Wie in einem trägen Fluss aus Musik und Gesang komme ich mir vor. Dem Ertrinken nahe. Denn die Wellen des Gesangs schlagen über mir zusammen, wie die Gischt auf hoher See. Es ist keine Stärke mehr übrig in mir, kein Wille; nicht einmal der, es schnell zu beenden. Dieses Mal rettet mich niemand, da bin ich mir sicher.
Ich fürchtete das Meer schon immer. Für jemand, der die Hälfte seines Lebens auf dem Rücken eines Drachen verbrachte, enthält es namenlose Schrecken. Und so setze ich auch dieses schreckliche Untergehen mit den salzigen purpurnen Fluten meiner Heimat gleich. Und doch lässt mich etwas aufhorchen in diesen sturmgepeitschten Meeren meiner Ängste. Eine einzige klare helle Stimme erhebt sich aus dem Chorus zigtausender. Und ich halte mich an ihr fest, wie an einer Planke aus festem Holz mitten im Ozean. Sie erscheint mir schön, diese Stimme. Jung, noch jünger als diese Welt, aber sie verletzt mich nicht. Ich verstehe die Worte nicht, aber ich begreife, von was sie künden. Denn vor meinen Augen entstehen Städte und Felder, Dörfer und Wälder, Farben und Formen und in beruhigend vertrauter Gestalt. Ich lausche und bin gebannt. Ruhig begleitet mich die Stimme, die mein Innerstes besingt. Und langsam versiegt das Gefühl, rettungslos verloren zu sein. Ich spüre wieder das weiche Laken unter mir und schmecke den eklen Geschmack meines eigenen Magens auf der Zunge.
Und ich höre etwas. Nicht die Stimmen in meinem Schädel die mich in den Wahnsinn treiben, sondern etwas anderes. Ich hörte es schon einmal und ich weiß, dass es mir gefällt. Und langsam entsteht, zu dem was an meine Ohren dringt, auch ein Bild in meinem Kopf; das süße Geräusch sich bewegender Blätter im Wind.
Der Wind. Der Wind!
Mein Freund, mein liebstes Element, Verbündeter und Grund all meiner Sorgen, geliebt unter den Flügel meines Draches und verachtet, wenn er sich stürmisch gegen mich stellt. Sanft höre ich ihn wehen, vertraut und wohlbekannt.
Ich bin den Tränen nahe und lausche mit angehaltenem Atem gebannt dem sanften Rascheln in den Zweigen. Ich beginne ihn zu riechen, schon fast kann ich erkennen, woher er mir entgegen weht und was er alles auf der Reise zu mir berührt hat. Nun bricht endlich mein Stolz in die Knie und ich beginne zu weinen. Nicht zögernd oder zurückhalten, sondern mit der ganzen Verzweiflung tauber, einsamer Monate die ich umherirrte, ohne auch nur ein einziges mal etwas anderes zu hören, als den urgewaltigen Gesang, der diese Welt geschaffen hatte.
Streichelnde warme Hände berühren meine Haut, und obwohl ich es früher nie geschätzt hatte, übermäßig berührt zu werden, komme ich nun den Händen entgegen, so ausgehungert nach Gesellschaft bin ich. Meine Augen öffnen sich zögernd und der Schleier meiner Tränen versiegt nur langsam. Als ich wieder klar sehen kann, blicke ich in Augen die nicht von dieser Welt stammen können. Eine Frau mit goldenem langem Haar, und blauen Augen...blauen Augen, in denen sich an diesem fast zu hellen Tag die Sterne widerspiegeln! Ich starre sie über die Gebühr des Höflichen an und versuche zu begreifen.
Als ihre sanfte Stimme erklingt mit Worten, die ich nicht verstehe, angesichts meines Erstaunens, ist mir klar, wer mich gerettet hat. Erst jetzt begreife ich, was sie mir sagt, sanft und zärtlich und auch besorgt. Sie sagt, ich soll schlafen und ruhen und ich tue es.
Als ich langsam wieder herfinde von den Pfaden meiner wirren Träume, habe ich beinahe Angst zu erwachen. Ich fürchte mich davor, dass die angenehme Stimme nichts weiter als ein Trugbild war. Hervorgerufen von meinem bröckelnden Verstand. Bis mir auffällt, dass es auch jetzt angenehm still ist, und ich wage es, die Augen zu öffnen. Ich wundere mich wirklich, dass dies angenehm, wenn auch nicht leicht, ist. Meine Lieder sind bleischwer, genau wie meine Glieder. Ein Versuch sie zu bewegen zeigt mir, dass ich zu schwach bin, auch nur meinen Arm in dem dünnen Hemd das mich kleidet zu bewegen. Je wacher ich werde, desto mehr bemerkte ich von meiner Umgebung und als ich den Kopf wende, um mich umzusehen, fällt mein Blick auf eine grau gekleidete Gestalt, die sich im hinteren Teil des Raumes an irgendetwas zu schaffen macht. Ich muss nicht fragen, wer das ist - ein Schimmernder, und auch nicht lange, was dieser dort treibt, denn er kommt mit einer flachen Schale auf mich zu, als er sich umwendet. Etwas an seinem besorgten Lächeln lässt mich verwundert die Stirn runzeln und als er sich neben mich an das Bett setzt und die Schale vorsichtig auf den Tisch neben mich stellt, verspüre ich, obwohl ich nur ein dünnes Hemd trage und praktisch hilflos bin, nicht den Wunsch von ihm abzurücken.
„Keine Angst, Ihr braucht mich nicht zu fürchten. Ich bin Bellsîr, ich bin Heiler und werde Euch helfen, wenn ich es vermag."Das war also Bellsîr. Ich hatte nicht den Hauch einer Idee, was ich von diesem Mann halten sollte.
„Wo bin ich hier?"frage ich mit einer Stimme, die mich an staubigen Sand erinnert.
„Ihr seid im Herzen des goldenen Waldes, in der Stadt Caras Galadhon. Man brachte euch vom Gebirge hierher."
Wald!? Ich bin schon so unendlich froh, überhaupt Gesellschaft zu haben und nun sagt mir dieser Bellsur, Bellsîr, wie auch immer, das ich mich in einem Wald befinde und in einer Stadt?! Ich erwarte halb und halb, dass er nun auch anfängt mich zu fragen, doch er tut es zu meinem Glück nicht, sondern lässt mich diese Neuigkeit erst einmal begreifen. Meine Gedanken beginnen abzuschweifen, ich fange wieder an mich zu fragen, wie ich in diese Welt gelangen konnte. Nach einigen stummen Minuten beginne ich, den hellblonden Mann zu mustern und er lässt es sich gefallen und bleibt sitzen. Sofort versuche ich, ihn auf Kampfgeschick und stärke einzuschätzen. Seine Hochgewachsene Gestalt ist schmal, aber ich kann fast körperlich spüren, dass dieser Heiler durchaus sehr fest zupacken kann. Seine grauen unscheinbaren Augen beobachten mich während dieser Zeit. Und als ich nun meinerseits beginne, ihn zu mustern, fällt mein Blick auf sein Haar und die Ohren, die durch die langen Strähnen die sein Gesicht umrahmen, hervorsehen. Verwirrt bemerke ich, dass sie spitz zulaufen. Ich will ihn etwas fragen, doch meine Stimme versagt mir. Der Heiler greift zum Tisch und hält mir dann einen hölzernen Becher hin.
„Darin ist Wasser. Wollt Ihr etwas trinken?"Ich nicke nur, zu einer Antwort ist meine trockene Kehle nicht in der Lage. Als ich den ersten Schluck nehme, kommt mir dieses Wasser so klar und rein vor wie nichts anderes, das ich in meinem Leben genossen hatte. Gierig trinke ich. Solange, bis der Heiler mir den noch immer gefüllten Becher entzieht. Er erklärt mir, dass es so besser sei, dass ich genug hätte für den ersten kräftigen Zug. Im geheimen stimme ich ihm zu, jedoch schweige ich.
Mir wird auf einmal klar, wie zerschlagen ich mich fühle. Die Schmerzen sind auszuhalten, obwohl ich mir wünsche, dass sie mich nicht so stark quälen. Ich schließe die Augen.
Den Schmerz aushalten zu müssen ist einer der wenigen Nachteile ein Bündnis mit einem Drachen eingegangen zu sein. Wir, die wir dieses Wagnis eingegangen sind, geben demnach ganz besonders auf uns Acht, da kein Mittel, ob von schlechter oder guter Natur, in der Lage ist, uns zu betäuben. Auf den ersten Blick ergibt dies keinen Sinn, es lässt höchstens einen sadistischen Zug in unserem Charakter erahnen. Doch wenn man bedenkt, dass es für ein fliegendes Wesen wie einen Drachen unweigerlich den Tod bedeutet, sollte er mehrer Dutzend Meilen über der Erde durch Gift das Bewusstsein verlieren, so erscheint es mit einem Mal klarer. Diese Eigenschaft überträgt sich auch auf ihre Menschenbrüder.
Und wieder fällt mein Blick von seinem Gesicht zu den spitzen Ohren.
„Ihr seid kein Mensch?"
„Nein, bin ich nicht. Wir nennen uns Edhil, Elben in dieser Sprache."
Ich nicke nur. Edhil sind mir nicht bekannt. Aber es erfreut mich, dass er so bereitwillig Auskunft gibt. Ich möchte gerne noch mehr Fragen stellen, denn nun da der Chorus des Wahnsinns verstummt ist, betrachte ich voll Staunen eine neue Welt. Ich frage, mich wie viel ich von ihr nicht gesehen hatte und ob sie tatsächlich so leer und öde ist, wie sie sich mir präsentierte. Ich bin ein Kämpfer und somit doch sehr viel gewohnt, jedoch ist mein Körper von der Monatelangen Qual arg geschwächt. Ich kämpfte gegen Menschen und Werwölfe, als sie noch nicht zu meinen Verbündeten gehörten. Auch schon gegen die beschworenen Ausgeburten der finstersten Höllen und verbal auch gegen den vampirischen Berater meiner Herrin, wohl mein größter Sieg. Doch gegen mich selbst? Kann man einen solchen Kämpf denn überhaupt gewinnen? Oder verlieren?
Meine Augen schließen sich vor Müdigkeit und bevor ich ganz in einen ruhigen und erholsamen Schlaf gleite, denke ich, dass nun keine Trauer in den Augen des silbernen Drachen liegt, und ich bereue es nicht.
