Was damals geschah
Am nächsten Morgen herrschte eine angespannte Stimmung im Gryffindorturm. Niemand schien so recht ansprechbar zu sein. Die Gryffindors waren nicht betrübt über ihre Strafarbeit, sondern über Philomenas Zustand. Niemand erfuhr etwas von der eifrig arbeitenden Madam Pomfrey, die nicht zum Essen erschien und auch nicht den Krankenflügel verließ. Es stand anscheinend sehr schlecht um Philomena.
„Er war es!", rief Harry auf dem Weg zur großen Halle erzürnt. „Ganz bestimmt!"Er stürmte mit einem achtlosen Tempo durch die Gänge. Hermine und Ron hatten Mühe hinterher zu kommen.
Um sie herum kochte die Gerüchteküche über. Nicht wenige schoben die schwere Verletzungen Philomenas auf die Slytherins - jedoch kam selten einer auf Tarius zu sprechen.
„Wir gehen zu Dumbledore!", rief das Temperamentsbündel Ron. Er hatte Harry eingeholt. Hermine lief hinterher und zischte: „Nein! Du weißt, was dann passiert!"Ron verfiel in Schweigen und so schlossen sie sich dem Strom der zahlreichen Schüler an, die zum Frühstück stürmten.
„Warum eigentlich?", flüsterte Ron, als sie sich auf ihre Plätze fallen ließen. Harry und Hermine warfen ihm kurz verwunderte Blicke zu.
„Wie meinst du das?", fragte Harry.
„Na, warum hat Tarius etwas gegen Philomena?"Harry blickte zum Lehrertisch. Diese Frage hatte er sich schon oft gestellt, doch nie eine Antwort darauf bekommen. Philomena war in dieser Hinsicht sehr verschlossen. Als sein Blick am Lehrertisch entlang wanderte, entdeckte er Snape, der ganz danach aussah, als hätte er die Nacht durchgemacht. Er hatte bestimmt zahlreiche Zaubertränke zubereiten müssen und mit Madame Pomfrey um Philomenas Leben gekämpft.
Auch wenn Snape ein Ekel war – in der Hinsicht war Harry froh, dass er solche herausragende Kenntnisse in der Alchemie besaß.
„Sie will nicht darüber reden", antwortete Harry matt auf Rons Frage und den Blick von Snape abwendend.
„Es hat zumindest mit dem Mord in der Schule zu tun", flüsterte Hermine nachdenklich.
Stille.
Um sie herum herrschte sowieso eine erdrückende Stimmung, doch nun schien es Harry regelrecht platt zu drücken. Der Mord an ihrer Schule! Keine Zeitungen hatten davon berichtet! Harry war mit Ron auf neugierige Erkundungstour gegangen, als ihn noch seine Zweifel geplagt hatten, doch finden konnten sie nichts. Und sie wussten, dass das mit dem Mord stimmte. Doch keiner von beiden, weder Tarius noch Philomena, hatte je etwas davon berichtet.
Die nächsten drei Tage erwähnte keiner der drei Freunde etwas von dem Mord, denn es schien ihnen einfach zu Nerven zerreisend zu sein über Fragen zu diskutieren, auf die sie sowieso erst einmal keine Antwort erhalten würden.
Die abendliche Strafarbeit verzerrte sich gierig an den letzten Nerven der Gryffindors und auch die Lehrer schienen nicht mehr ganz auf der Höhe zu sein. Professor Sprout und Snape gaben mehr Hausaufgaben wie sonst, was bei Snape in einem Berg von Pergamenten ausartete.
Der Grund war ganz offensichtlich: Da Madam Pomfrey sich nicht um die verletzten Schüler kümmern konnte, mussten dass zwangsläufig die beiden Kräuterkundigen Lehrer machen. Schließlich hatten sie zwei ganze Mannschaften zu verarzten und Snape ertrug es gar nicht, wenn eine ganze Völkerwanderung in seinem Büro stattfand. Auch Professor Sprout schien sehr missgelaunt über die abendlichen Besuche der Schüler, die von dem wütenden Snape weggelaufen waren. Sie ließ ihre Laune in Kräuterkunde an den Schuldigen für die Miesere aus - Gryffindor und Slytherin - und verteilte schwere fast nicht zu lösende Aufgaben. Es hagelte etliche Strafpunkte, was gerade die Gryffindors noch niedergeschlagener machte. Eigentlich konnten sie ja überhaupt nichts dafür.
Hogwarts schien vor die Hunde zu gehen. Doch lag das nicht an dem Quidditchspiel, sondern an der drohenden Gefahr, die wie eine düstere Gewitterwolke über dem Schloss lag. Anders als Hermine, Ron und Harry, glaubten die Lehrer, dass der Anschlag auf Philomena von den Todessern ausgegangen war. Abends konnte man sich nicht mehr raus wagen, da um diese Zeit die Lehrer sich in den Gängen von Hogwarts heimisch fühlten. Draußen drehten oft zwei Lehrer ihre Runden und das Quidditchverbot hatte sich inzwischen auch auf die anderen beiden Häuser gelegt.
Doch die Nervosität zügelte sich etwas, als die Auroren eintrafen - Freunde von Dumbledore, die ihm noch etwas schuldeten. Sie postierten sich an den Eingängen von Hogwarts und durchstreiften Nachts das Schloss. Die Lehrer beruhigten sich langsam wieder - aber das änderte nichts an der Stimmung, die des Weiteren im Gryffindorturm herrschten. Sie waren keineswegs beruhigt, als McGonagall mit sichtlicher Erleichterung im Gesicht verkündete, dass das Schloss von nun an von Auroren bewacht wurde und die Schüler sich keine Sorgen machen brauchten. Die Quidditchmannschaft und Hermine sorgten sich eher um Philomena und der restliche Turm rätselte über den mysteriösen Angreifer.
Als die langwierigen drei arbeitsreichen, doch schweigsame Tage endlich vergangen waren, konnten sie endlich Philomena einen Besuch abstatten.
Professor McGonagall war gleich am Morgen zu ihnen gekommen und hatte ihnen berichtet, dass Philomena sich im stabilen Zustand befand und wieder erwacht war. Doch mit einer Miene, bei der Harry am liebsten sofort in den Krankenflügel gerannt wäre. McGonagall wollte nichts weiter zu ihren Zustand sagen und verschwand wieder. Sie durften Philomena erst nach dem Unterricht besuchen.
Der Unterricht ging müde voran. Harry starrte ständig nach draußen und passte nicht auf, Hermine meldete sich nicht einmal mehr und Ron klopfte nervös mit seinem Stift auf dem Tisch herum. In den ersten zwei Stunden hatten sie Verwandlung - McGonagall verstand sie vollkommen und stellte keine Fragen. In den anderen Fächern, Zauberkunst und vor allem Zaubertränke, wurden sie zur Aufmerksamkeit ermahnt, was jedoch nicht viel half. Als nach Zaubertränke Snape endlich das Stundenende verkündete, stürmten die drei - um einige Punkte erleichtert - unter den verwunderten Blicke der Gryffindors und Slytherins gleich als erstes nach draußen. In den Kerkern ging es seit dem Quidditchspiel sehr ruhig zu, da niemand ein gänzliches Flugverbot riskieren wollte und deswegen gaben die Slytherins auch keine bissigen Kommentare von sich.
Harry, Hermine und Ron bremsten schliddernd vor dem Krankenflügel ab. Harry wusste nicht wieso, doch sein Herz klopfte ziemlich schnell und das lag nicht daran, dass er so schnell gerannt war und dabei fast einen Sechstklässerin mitgenommen hatte. Zitternd klopfte er an der Tür an, die zum Krankenflügel führte. Hermine und Ron sagten nichts. Zu angespannt waren ihren Nerven.
Einige Minuten verstrichen, bevor sich Madam Pomfrey dazu entschloss die Tür zu öffnen.
„Was..."Madam Pomfrey wollte wahrscheinlich gerade zum Schimpfen ansetzen, doch dann erblickte sie die drei sorgenvollen Gesichter. Ihre Miene änderte sich schlagartig. Ihr Gesicht versteinerte sich...
Ohne ein Wort zu sagen, trat sie zur Seite und ließ die drei ein. Harry hatte die Heilerin genau beobachtet und sein Herz setzte für einige Schläge aus. Ging es Philomena so schlecht? Madam Pomfrey zeigte stumm nach hinten zu einem Bett, dass von einem Vorhang umgeben war. Dann verschwand sie in ihrem Büro. Harry eilte sofort zu dem Bett und um den Vorhang herum. Er erstarrte und auch Hermine und Ron blieben hinter ihm wie angewurzelt stehen.
Philomena war wach und sie saß auch auf dem Bett. Doch sie bot keinen erweckten und fröhlichen Eindruck. Sie hatte die Hände um ihre angezogenen Knie gelegt und ihren Kopf darauf abgestützt. Da sie einen kurzen Schlafanzug trug, konnte man die lang gezogene Narbe an ihrem Arm sehr gut sehen - und es war nicht nur eine Narbe - eine weitere zog sich parallel zu der anderen an dem Arm lang. Doch Harry hatte bloß eine Wunde gesehen. Konnte es sein, dass die andere ihr in der früheren Schule zugeführt wurde?
Noch immer schwiegen die Freunde. Philomenas Blick war starr geradeaus gerichtet und gespenstisch leer. Sie hatte sich noch nicht gerührt, seit sie eingetreten waren.
Harry, noch sorgenvoller, trat entschlossen an das Bett heran. Er wagte es jedoch nicht sie zu berühren, da er nicht wusste, wie sie reagieren würde. Sie wirkte sehr verstört.
„Philomena?", fragte er behutsam. Keine Reaktion. Sie saß da, wie versteinert. „Philomena?"Plötzlich regte sie sich. Langsam hob sie den Kopf, doch sie sah ihre Freunde nicht an.
„Geht!", sagte sie mit krächzender merkwürdig hoher Stimme. Harry, Ron und Hermine waren geschockt.
„Aber...", stotterte Harry.
„Geht!"
„Philomena..."Hermine legte ihm ihre Hand auf die Schulter.
„Komm", sagte sie. „Sie braucht jetzt ihre Ruhe."Harry ließ sich das nicht gerne sagen, doch mit Philomena konnten sie ganz offensichtlich nicht reden. Doch das versetzte auch ihn in einen Schockzustand. Als er behutsam von Hermine umgedreht wurde, sah er, das Ron den Mund geöffnet hatte, um etwas zu sagen, doch kein Wort hervorbrachte.
So verließen sie noch trauriger und schweigsamer den Krankensaal, der zu einem düsteren Ort geworden war. Dort, ganz hinten in der Ecke, saß ein Mädchen, dessen Seele zerstört worden war. Harry verspürte immer mehr Hass gegen Tarius. Was hatte dieser Mensch - nein - dieses Monster getan? Was hatte er ihr angetan?
Im leeren Gemeinschaftsraum angekommen - die meisten Schüler waren beim Abendessen - ließen sich die drei vor dem Kamin fallen und starrten stumm ins Feuer.
Sie lauschten dem Knistern des Feuers und dem Rascheln des Pergaments, was ein Erstklässler gerade bearbeitete.
Harry unterdrückte seinen inneren aufkeimenden Groll. Erst Cedric, dann Sirius und dann auch noch Philomena? Wieso? Hatte er nicht schon genug Schicksalsschläge erlitten? Außerdem - Philomena war doch ein ganz nettes Mädchen. Warum musste dieses... Arschloch ihr das antun? Das war doch unmenschlich...
Harry schnaubte kurz. Hatten diese Scendramins überhaupt etwas Menschliches an sich? Der Hass in seinem Kopf breitete sich langsam aber stetig wie schwarzes Gift in seinem Körper aus. Er hasste Voldemort! Er hasste die Todesser! Er hasste die Slytherins! Er hasste die Scendramins!
Die Luft um Harry schien zu vibrieren und er atmete tief ein und aus. Ein leichtes Glimmen trat in seine Augen und sie färbten sich unnatürlich schwarz.
„Was ist mit Philomena los?", riss Ron Harry aus seinen dunklen Gedanken. Er und Hermine hatten die ganze Zeit ins Feuer gestarrt und somit die merkwürdige Veränderung von Harry nicht mitbekommen.
Die Schwärze aus seinen Augen verschwand kurz.
Er sah seine beiden Freunde traurig an.
„Sie befindet sich in einem Schockzustand", sagte Hermine leise. „Anscheinend hat sie es nicht verkraftet..."Sie verstummte.
„Und wir können ihr nicht helfen", murmelte Harry und wieder glimmte etwas in seinen Augen auf. Er selbst merkte es nicht.
„Wir müssen sie einfach in Ruhe lassen", sagte Hermine traurig. „Sie muss alleine zu sich finden."
Etwas, worauf Harry nicht warten konnte...
Philomena ließ sich jedoch auch die nächsten Tage nicht blicken, obwohl sie schon wieder vollkommen genesen war. Harry kapselte sich wie schon am Schuljahresanfang von allen ab und ließ Ron und Hermine öfters alleine. Hermine zwang Ron zu lernen, obwohl der nicht die geringste Lust dazu verspürte. Hermine verschwand sowieso in letzter Zeit ziemlich oft hinter irgendwelchen Büchern. Doch tat sie das nur, um sich abzulenken.
Harrys Gedanken dagegen wurden immer schwärzer. Er lenkte sich nicht ab. Ihm kam es nicht einmal komisch vor, dass Malfoy nur noch alleine durch die Gänge von Hogwarts schlich. Er begegnete den Slytherin oft und dieser verschwand dann gleich sofort in einen der Geheimgänge.
Doch Harry machte sich keine Gedanken darüber. Seine Sorge galt Philomena.
Madam Pomfrey ließ Harry nicht mehr in den Krankenflügel. Er kam oft vorbei und klopfte an, doch öffnete niemand. Philomena wünschte anscheinend noch immer keinen Besuch.
Tage - Wochen zogen an Harry vorbei, ohne, dass er es wirklich mitbekam. Harrys Augen hatten sich immer öfters schwarz gefärbt. Er wandelte umher, wie ein Schatten... und sah solchen auch langsam ähnlich. McGonagall sorgte sich anscheinend sehr um ihn, denn sie befreite ihn von den Strafarbeiten. Auf die Frage hin, ob er wieder fliegen könne, hatte sie jedoch verneint. Sie wollte wohl kein Risiko eingehen.
Während um ihn herum Hogwarts in die Realität zurückkehrte und Tivon und Spyro wieder Dummheiten begangen, wandelte er oft durch das Schulhaus. Er wusste einfach nicht, warum er sich solche Sorgen um Philomena machte. Vielleicht, weil sie ihm in den Problemen sehr ähnlich war und vielleicht, weil sie ein gemeinsames Geheimnis teilten. Er wusste es nicht - er wusste nur, dass er sie vermisste...
Zwei Wochen waren schon seit Philomenas ‚Unfall' vergangen - vielleicht eine kurze Zeit, doch Zeit genug, um zu vergessen.
Im Gryffindorgemeinschaftsraum war es unnatürlich laut. Die Schüler hatten sich um Tivon und Spyro versammelt, die lautstark einer ihrer Geschichten zum Besten gaben. Einige Erstklässler spielten Snape explodiert und Ron zog gegen Seamus in Schach in den Krieg. Hermine saß in der Ecke und las. Harry blinzelte den Buchtitel an: „Gebrochene Seelen - wie man einen Menschen zurück ins Leben holt."Sie versuchte etwas über Philomena herauszufinden...
Harry wandte sich ab. Er selbst saß auf seinem Lieblingssessel vor dem Feuer und versuchte einen klaren Gedanken zu fassen. Das war aber ein sinnloses Unterfangen, denn andauernd explodierte, lachte oder kreischte etwas im Raum.
Abrupt stand Harry auf und rannte die Treppen zum Schlafsaal empor. Dort kramte er seinen Tarnumhang hervor. Wieder im Gemeinschaftsraum angekommen, sah er sich noch einmal prüfend um. Alle waren sie beschäftigt. Es würde niemand bemerken, wenn er jetzt verschwand.
Kurzerhand trat er auf das Porträtloch zu und kletterte hindurch. Nur Hermine beobachtete ihn sorgenvoll über den Buchrand hinweg.
Draußen angekommen, warf er sich den Tarnumhang über und lief los. Er wusste nicht, wohin er gehen sollte. Seine Füße würden ihn schon führen.
In den Gängen begegnete er nur Peeves, der kichernd etwas in die Ritterrüstungen schob, was verdächtig nach einem Muggelknaller aussah. Harry machte einen großen Bogen um ihn und beschloss, dass er morgen diesen Weg nicht nehmen würde.
Seine verzweifelten Wege führten ihn in die Kerker, wo er einem grummelnden Snape antraf, der in Richtung Slytheringemeinschaftsraum unterwegs war. Anscheinend war dort ein Streit ausgebrochen - seiner Miene nach zu schließen ging er bestimmt nicht zum Punkte verteilen dort hin.
Harry ging tiefer in die Kerker hinein und lief Gänge entlang, wo er noch nie zuvor gewesen war. Je tiefer er in den Ort des Unheils eindrang umso modriger roch es. Irgendwo tropfte es und komische grüne Dämpfe zogen über den Boden entlang. Harry verzog das Gesicht. Vielleicht sollte er wieder umkehren.
Er wandte sich um und wollte gerade loslaufen, als er ein Schluchzen vernahm. Schluchzen? Hier unten? Harry, von der Neugier gepackt, wandte sich wieder um und folgte den Schluchzern. Die Schluchzer wurden immer lauter und verzweifelter. Es klang, als würde jemand sein ganzes Herz ausschütten, das danach nicht mehr leuchten konnte. Harry beschleunigte seine Schritte. Wer auch immer so herzzerreißend weinte - er brauchte bestimmt Hilfe. Ihm war es egal, wenn er Ärger bekam, da er einen Lehrer aufsuchen müsste, falls er dieser jemand ernsthaft verletzt war.
Nachdem er einige Minuten den Schluchzern gefolgt war, kam er an einer Tür an. Dahinter musste sich derjenige befinden. Er öffnete sie lautlos und trat in einen Raum ein, der ihn vom ersten Anblick her stark an Snapes veraltetes Klassenzimmer erinnerte. Geräuschlos schloss er wieder die Tür und sah sich um.
Sein Blick schweifte über die leeren Regale und staubigen Möbel. Dann folgte er den Schluchzern und entdeckte den Urheber.
Zusammengekauert in einer Ecke hockte eine schwarze Gestallt mit silbern glänzenden Haaren. Philomena... und sie weinte. Harry ließ ohne nachzudenken den Umhang fallen und ging auf sie zu. Es brach ihn fast das Herz, wenn er sie so sah.
Bedacht darauf sie nicht zu erschrecken ließ er sich leise neben ihr nieder. Er wusste nicht, wie er mit weinenden Mädchen umgehen sollte. Erfahrung besaß er überhaupt nicht darin. Doch durfte Philomenas Zustand nicht so bleiben.
„Philomena?", fragte er behutsam. Das Mädchen war dermaßen erschrocken, dass sie erst einmal ihre Tränen vergaß. Ihr Kopf fuhr hoch und sie starrte Harry an, wie eine Erscheinung. Noch immer liefen ihr Tränen über die Wangen.
„H... Harry?", brachte sie hervor. Harry nickte nur - dass einzige, was ihm in dieser Situation einfiel. Philomena erzitterte wieder. Dann warf sie sich an Harry und begann erneut zu schluchzen.
Harry starrte total perplex auf die silbernen Haare, die er nur noch von ihr zu sehen bekam. Sie klammerte sich an ihn und ihre Tränen durchdrangen seine Schuluniform. Immer mehr dachte er daran, sich für Philomena an Tarius zu rächen.
Er tat das einzige, was er für richtig hielt. Er zog sie an sich und umarmte sie besitzergreifend. Er legte seinen Kopf an ihre samtigen Haare und schloss die Augen. ‚Warten, bis sie sich beruhigt', hatte Hermine gesagt. Und das tat er jetzt auch.
Er wusste nicht, wie lange sie so auf den Fußboden gesessen hatten. Minuten - Stunden - zumindest beruhigte sich Philomena nach einiger Zeit wirklich.
„Harry", brachte sie wieder hervor. „Harry - ich - ich möchte es dir gerne erzählen."Harry fasste sie an den Schultern, hielt sie eine Armbreite von sich und sah erschrocken in ihr verweintes Gesicht.
„Du... du willst ... du brauchst nicht, wenn du nicht willst."
„Ich will aber!", sagte Philomena entschlossen. Harry ließ sie los und nickte. Philomena setzte sich zitternd in den Schneidersitz, holte tief Luft und begann zu erzählen:
flashback
„Das ist mein Platz! Verschwinde endlich!"Philomena sah den Jungen vor ihr böse an. Sie hatte sich schon immer gefragt, wie so ein breit gebauter Mensch je in eine Quidditchschule kommen konnte.
„Ich war zuerst hier gewesen", erklärte sie ruhig und kuschelte sich demonstrativ in den Sessel hinein. „Such dir doch einen anderen - hier stehen genug herum."Sie deutete auf die anderen Flauschsessel, die vor dem Kamin standen, in dem ein blaues Feuer prasselte. Es wechselte die Farbe je nach dem Wetter draußen. Heute wehte ein eisiger Wind und pfiff durch die Rillen der alten Burg. Deswegen leuchtete das Feuer auch in Eisblau.
„Aber das ist mein Stammplatz!", zischte er gefährlich. „Das weißt du genau - Mädchen haben hier eh nichts zu suchen."Philomenas Augen verengten sich zu Schlitzen. Sie wurde nicht gerne daran erinnert, dass sie den Mädchenschlafsaal der Fünftklässler mit sich allein teilte. Sie war das einzige Mädchen auf dieser Stufe. In die erste Klasse gingen noch zwei weitere, doch mit denen verstand sich Philomena nicht so gut.
„Du bist ein großer Haufen Dummheit!", fauchte sie. „Anstatt dich in einen der anderen Sessel zu setzen, streitest du dich um diesen einzigen Platz - nur, weil ich ein Mädchen bin?"Ihr breites Gegenüber überlegte kurz. Denken war auch nicht seine Stärke. Das einzige, was er konnte, war Klatscher durch die Gegend pfeffern und das tat er auch ziemlich gut.
„Ja", sagte er dann langsam. „Also verschwinde!"Philomena wollte schon etwas entgegensetzen, als eine andere emotionslose Stimme dazwischenfuhr:
„Was ist, Philomena? Geht er dir wieder auf die Nerven?"Tarius Scendramin erschien neben ihrem Sessel und blitze den Jungen gefährlich an.
„Danke, Tarius", antwortete sie. „Ich komme schon alleine klar."
„Verschwinde Malcom", zischte Tarius dem Jungen zu, ohne auf Philomenas kleinen Protest zu achten. „Und wehe, ich erwische dich noch einmal dabei, wie du Philomena ärgerst!"
„Er hat mich nicht geärgert!", sagte Philomena und blickte dem eingeschüchterten Malcom nach. Jeder in der Klassenstufe fürchtete sich vor Tarius - außer vielleicht Philomena, die mit ihm ganz gut auskam. Philomena fürchtete sich vor nichts. Ihr war schon zu viel widerfahren, als das es etwas gab, wovor sie sich wirklich fürchten könnte. Tarius hatte am Anfang auch versucht sie einzuschüchtern, doch als es ich nicht gelang, war er auf ihre Seite gewechselt und verteidigte sie vor den aufmüpfigen Jungen. Auf einer Art konnte das ganz nützlich sein, doch auf die andere nervte Tarius manchmal gewaltig. „Er wollte nur seinen Sessel."
„Schwachsinn", kam es von Tarius. „Als ob das wichtig wäre. Er sitzt sonst eigentlich immer woanders, dieser fette Idiot."
„Tarius!", mahnte Philomena. „Das ist mir eigentlich egal. Hör doch auf die Menschen zu beleidigen."Tarius sagte nichts und ließ sich in einem Sessel ihr gegenüber nieder.
„Ich wollte mit dir sowieso etwas besprechen", sagte er dann mit geheimnisvoller Stimme. „Es ist ungemein wichtig, verstehst du?"Philomena hob die Brauen.
„Was hast du vor? Willst du mit mir wieder Bücher aus dem Verteidigung gegen die dunklen Künste Raum holen? Du weißt, dass ich mit schwarzer Kunst nichts zu tun haben will!"Tarius Blick verdüsterte sich kurzzeitlich.
„Ja, dass weiß ich", sagte er kurz angebunden. „Nein, ich wollte einfach heut um Mitternacht mit dir reden - hinter dem Quidditchspielergedenkbrunnen."Damit stand er auf und verschwand. Philomena blickte ihm verwundert nach. So war er immer - geheimnisvoll. Mit solchen Methoden hatte er Philomena am Anfang auch dazu gebracht ihm zu folgen. Und sie wusste, dass sie auch heute nicht widerstehen konnte.
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Kurz vor Mitternacht verließ Philomena auf leisen Sohlen den Gemeinschaftsraum aller Klassen und stahl sich die Treppe herunter. Es war strengstens verboten nachts raus zu gehen - deswegen musste sie höllisch aufpassen, dass sie nicht irgendeinem Lehrer begegnete, der hier seine Kontrollrunden drehte. Und der Quidditchspielergedenkbrunnen befand sich auch noch ganz unten in dem großen Rittersaal, wo die Gäste und neuen Schüler empfangen wurden.
Doch sie hatte Glück. Auf ihrem Weg begegnete ihr niemand außer ein paar kichernden Feen, die sich wegen dem heulenden Sturm hier drin verkrochen hatten. Die Burg stand genau in dem Herzen eines Waldes. Es war deswegen nicht ungewöhnlich, wenn man hier ein paar magische Geschöpfe antraf.
Beim Brunnen angekommen, sah sie Tarius schon von weiten. Er stand vor einer schwarzen Tür, hinter der Philomena noch nie gewesen war. Tarius winkte sie heran. Er war nicht sonderlich überrascht sie zu sehen.
„Komm", rief er. „Ich will dir jemanden vorstellen."Er verschwand hinter der Tür. Philomena hob die Brauen. Wen wollte er denn ihr vorstellen?
Sie zuckte mit den Schultern und folgte ihm arglos. Hinter der Tür befand sich ein abgedunkelter Raum, der nur von wenigen Kerzen beleuchtet wurde. In ihm standen nur wenige Tische und Stühle und einige Bücherregale. Philomena schloss die Tür und blickte nach vorn. Tarius stand neben einem größeren erwachsenen Mann, der ihm sehr ähnlich sah. Er lächelte zynisch, als er Philomena erblickte. Der war das nicht geheuer. Irgendetwas sagte ihr, dass sie hier so schnell wie möglich verschwinden müsste. Doch sie tat es nicht.
„Das ist mein Vater, Meriadanus Scendramin", stellte Tarius vor. Mr. Scendramin trat vor und reichte Philomena die Hand. Als sie diese zögernd ergriff, durchfuhr sie ein eisiger Schauer von dunkler Macht.
„Freut mich dich kennen zu lernen", sagte Scendramin, dessen Stimme noch emotionsloser klang, wie die von seinem Sohne. „Mein Sohn hat mir schon viel von dir erzählt, Philomena McMorduc."Philomena lächelte schwach und ließ die Hand des Mannes schnell wieder los. Er wurde ihr immer unheimlicher.
„Wir wollten dir einen Vorschlag unterbreiten", fuhr Scendramin fort und sah sie durchdringend an.
„Aha", machte Philomena, dass einzige Kluge, was ihr in dieser Situation einfiel. „Und um was handelt es sich?"Scendramin lächelte erneut derart bösartig, dass Philomena unwillkürlich einen Schritt zurücktreten musste. „Hol ihn her, Tarius!", sagte er eisig und sie erschauderte.
„Um einen, der vielleicht dein ganzes Leben verändern könnte", sagte er wieder an Philomena gewandt. Doch Philomena achtete nicht auf ihn. Sie sah nur zu Tarius, der einen Jungen am Kragen gepackt hatte und ihn unsanft auf den Boden stieß. Arme und Beine von ihm waren gefesselt, der Mund geknebelt. Philomena wich noch einen Schritt zurück. Sie kannte diesen Jungen. Er war in der siebten Klasse und hatte sie liebend gern aufgezogen. Was hatten die Scendramins vor?
„Willst du dich nicht an ihm rächen?", fragte Scendramin leise, den Zauberstab auf den Jungen richtend. Der schwebte aufrecht in die Höhe. Seine Augen waren geängstigt geweitet. „Tarius sagte, dass er dich des Öfteren ärgert. Demonstriere ihn doch mal deine Macht!"Philomena sah erschrocken von dem geknebelten Jungen zu Tarius' Vater. Er meinte es ernst!
„Nein", sagte Philomena zitternd. „Ich... ich bin nicht sehr nachtragend." Der Blick des Mannes wurde böse. Er nahm den Zauberstab von dem Jungen weg und trat auf Philomena zu. Philomena wich zurück. In was war sie denn hier Reingeraten?
„Hör mir jetzt genau zu! Du tötest diesen Jungen als Tribut für den dunklen Lord, der bald wieder auferstehen wird! Dann kannst du dich als Mitglied der Todesser zählen! Was du natürlich willst!"Philomena stieß erschrocken gegen die Tür. Ihr Vater stand bald wieder auf? Das konnte nicht sein! Das durfte nicht sein! Das war ja - der reinste Horror. Und nun wusste sie auch, wer die Scendramins waren. Treue Untergebene des dunklen Lords, die sie schon oft gesucht hatten. Hoffentlich wussten die nichts von ihrem Vater. Der hatte immer nur wieder lauthals verkündet, dass sie entweder dem dunklen Orden beitrete, oder sterben müsse, was er jedoch selber erledigen wollte.
„Das will ich nicht!", sagte Philomena stotternd. „ICH WILL DAS NICHT!"Die letzten Worte hatte sie geschrieen. Scendramin hob erstaunt eine Augenbraue.
„So, du willst nicht?"zischte er. „Vielleicht sollte ich dir Manieren beibringen. Crucio!"Philomena durchfuhr ein schrecklicher brennender Schmerz. Sie presste die Lippen zusammen, um nicht zu schreien und sank auf den Boden. Es war, als würde innerlich alles verbrennen. Es war, als ob ein gewaltiges Feuer in ihr ausbrechen würde und erbarmungslos alles mit sich riss. Ihre Gelenke und Knochen standen kurz vor dem Zerbersten - als würde jemand ohne jegliches Mitleid auf sie Eintrümmern - und dann schwand der Druck.
Philomena lag keuchend auf den Boden. Alles tat weh - sie konnte sich kaum rühren. Trotzdem wagte sie es, sich aufzusetzen.
„So so", sagte Scendramin nur. „Möchtest du jetzt dem dunklen Lord Folge leisten?"Philomena blickte den Menschen vor ihr hasserfüllt an und schüttelte mit dem Kopf. Selbst wenn sie dafür einen weiteren Cruciofluch ertragen müsste. Zu ihrer Überraschung lächelte Scendramin hinterhältig.
„Das habe ich mir gedacht", sagte er leise. „Aber ich werde dir zeigen, wie du später einmal vorgehen wirst, wenn dein dunkles Blut endlich Oberhand gewinnt!"Philomena wunderte sich über diese Aussage. Was meinte er damit? Doch sie konnte nicht weiter darüber nachdenken, da Scendramin auf den Jungen zuschritt, ihm mit dem Zauberstab den Knebel entfernte und ihn den Cruciofluch belegte. Der Junge fiel zu Boden und anders als Philomena begann er zu schreien. Schmerzerfüllt, Mitleids erregend... Die Fesseln wurden gesprengt.
„Aufhören!", flehte der Junge. „Aufhören!"Doch Scendramin kannte kein Erbarmen. Er machte einfach weiter. Der Junge schabte sich von dem ständigen Herumwälzen seine Arme blutig. Und er schrie... schrie.... schrie...
„HÖREN SIE SOFORT AUF DAMIT!", kreischte Philomena. Sie stand wieder und war im Begriff nach ihrem Zauberstab zu greifen.
„Expelliarmus!"Philomena flog getroffen gegen die Tür. Ihr Zauberstab entrutschte ihrer Hand. Tarius fing ihn geschickt auf und grinste hinterhältig.
„Du musste schneller sein, Philomena", sagte er boshaft und mit Philomenas Zauberstab vor ihrer Nase rumfuchtelnd. Scendramin hörte auf den Jungen zu quälen. Die Schreie verstummten und machten einem schmerzhaften Stöhnen des Siebtklässlers platz.
„Du!", zischte Philomena bösartig. Wankend stand sie auf. „Du hast mich die ganze Zeit hintergangen, um mein Vertrauen zu erschleichen!"Tarius grinste noch immer.
„Du schaltest schnell, meine Liebe."Ohne Vorwarnung trat er erblitzschnell um sie herum, packte ihre Arme und verschränkte sie schmerzhaft hinter ihren Rücken. So war sie gezwungen Scendramin und den Jungen anzusehen. Scendramin richtete den Zauberstab erneut auf den noch immer stöhnenden Jungen.
„Meine Vorstellung ist noch nicht zu Ende!", sagte er diabolisch lächelnd. „Culterus!"Selbst Philomena musste schreien. Gelber gleißender Blitz schoss auf den Jungen zu, zerfetzte ihm die Robe an seinem Rücken und hinterließ eine klaffend rote Wunde. Blut floss in Strömen von ihm herunter, er selber schrie wieder schmerzerfüllt auf und begann zu weinen. Philomena wurde übel. Sie sah mit aufgerissenen Augen zu, wie der Junge zitterte, weinte und sich vor Schmerzen verkrampfte.
„SIE MONSTER!", schrie Philomena Scendramin mit zitternder Stimme an. „MACHEN SIE DAS RUCKGÄNGIG!"Scendramin schüttelte tadelnd mit dem Kopf.
„Tst, tst", murmelte er. „Ich bin doch noch gar nicht fertig!"Philomena stiegen die Tränen in die Augen, als er den Jungen erneut mit dem Cruciofluch belegte. Wieder wälzte er sich schreiend auf dem Boden, verteilte überall sein Blut. Philomena kämpfte gegen Tarius an, doch sie schaffte es nicht. Er hielt sie erbarmungslos fest. So musste sie den Schreien des Jungen zuhören und sackte selber weinend zusammen. Tarius ließ sie gewähren - er belegte nur ihre Arme mit dem Fesselfluch, damit sie nichts tun konnte.
„Hört auf!", murmelte sie immer wieder. Und manchmal sogar: „Ich tue auch alles, was ihr verlangt!"Doch es half nichts. Scendramin quälte den Jungen, der unablässig schrie und schrie. Niemand hörte sie. Niemand kam, um sie zu retten. Philomena wollte den Blick abwenden, doch Tarius zwang sie mit einem Fluch die ganze Szenerie des Grauens zu beobachten. Bis irgendwann die Schreie des Jungens verstummten und er blicklos und verkrümmt in seiner eigenen Blutlache lag und sich nicht mehr rührte. Philomena stand unter Schock. Und als Scendramin den Jungen achtlos zur Seite trat, stieg ein unerklärlicher Hass in ihr auf. Sie bebte vor Zorn.
„Mistkerl!", brachte sie nur hervor. Scendramin hob erneut die Brauen. „Damit kommen Sie nicht durch!", fuhr Philomena giftig, doch mit zitternder Stimme fort. Sie kämpfte gegen die drohende Ohnmacht an.
„Du hast wohl immer noch nicht gelernt dich zu beherrschen."Er richtete den Zauberstab auf Philomena, die es mit der Angst zu tun bekam.
„Culterus!"Der gleißende Blitz schoss nun auf sie zu und bohrte sich wie ein scharfes Messer in ihren Arm ein. Er zog bis kurz vor die Fesseln entlang und hinterließ brennende Schmerzen. Philomena schrie auf. Sie spürte, wie etwas warmes nasses über ihre Hände lief und auf den Boden tropfte. Das Gesicht vor Schmerz verzogen, sah sie Scendramin vor ihr an, der wieder den Zauberstab auf sie richtete. Immer mehr Todesangst kroch in hier hoch. Dabei wollte sie noch Freunde finden - richtige Freunde - und endlich ein glückliches Leben führen.
„Crucio!"Diesmal schrie Philomena, da ihr aufgerissener Arm fürchterlich schmerzte. Die Schmerzen stiegen ihr in den Kopf, drohten alles zu zerstören. Minutenlang wälzte sich Philomena unter Qualen auf dem Boden, wollte ohnmächtig werden. Doch bevor sie das wurde, ließ er auch schon von ihr ab. Philomena hatte keine Zeit sich zu erholen. Scendramin trat auf sie zu, packte sie und zog sie nach oben. Philomenas Blick war verschleiert, doch sah sie, dass sie blutverschmiert war. Derbe Kopfschmerzen vernebelten ihren Verstand, doch die aufsteigende Angst gegenüber den Scendramins thronte über den Schmerzen. Sie keuchte zitternd auf, als Scendramin sie an sich zog und ihr ins Ohr flüsterte: „Der Tod wird dir nie gewiss sein, meine Liebe. Nur die Schmerzen. Mitleid ist eine sehr grauenvolle menschliche Eigenschaft und kann dich innerlich zerstören. Nein, ich werde dich nicht sterben lassen - ich werde mit dir schlimmeres anstellen, als den Tod. Du wirst leiden, leiden bis die Seele deines anderen Ichs hervortritt. Du bist wehrlos mir gegenüber - furchtbar wehrlos. Begreife es endlich, Philomena, meine Liebe. Begreife es."Er hob die eine Hand und fuhr über ihre Wangen - mit der anderen hielt er das zitternde Mädchen fest. „Du kannst dich nicht wehren", flüsterte er die Hand an ihre Wange legend. Philomena spürte ein widerliches Brennen an dieser Stelle. Die Nähe dieses Mannes erregte Übelkeit in ihr. „Meine Macht ist zu groß - ich weiß zu viel über dich - viel zu viel - ein Wort könnte die ewige Feindschaft mit der ganzen Welt bringen."Unerwartete packte er sie und schubste sie zu der Leiche des Jungens. Philomena schrie auf und wollte zurückkrabbeln, doch Scendramin fasste sie hart an und zwang sie die schrecklich zugerichtete Leiche des Jungens zu betrachten. In Philomena stiegen mehrere Gefühle auf einmal hoch: Trauer, Hass und Übelkeit. Sie versuchte sich zu wehren, doch war sie zu schwach.
„Beseitige sie, wenn sie dir nicht gefällt, Philomena", zischte die eisige Stimme hinter ihr. „Tu es. Du hasst mich doch! Ich würde es nicht begrüßen, wenn du sie fortschaffst. Ihr Anblick lässt Genugtuung in mir hochsteigen." Philomena kämpfte verbittert in den aufsteigenden Hass an, der langsam die Oberhand über ihre anderen Gefühle gewann. Sie erstarrte und focht nur innerlich einen verzweifelten Kampf gegen dieses schreckliche Gefühl, was ihr nur Unglück bringen sollte. Doch vergeblich. Der Hass gewann Oberhand über sie. Sie merkte nicht einmal mehr, wie Scendramin sie losließ und drei Schritte zurücktrat. Sie spürte nur schwach, wie sie sich in die Mondmagierin verwandelte, die Hände ausstreckte und gegen den Jungen richtete. Der letzte Funken Mitleid erlosch in einer einzigen Sekunde. Dann feuerte sie einen für Mondmagier typischen Energiestrahl aus Mondenergie ab. Gleich darauf sackte sie zusammen und fiel auf die Knie. Der Hass schwand wieder. Philomena starrte mit aufgerissenen Augen auf die Leiche des Jungen, die SIE entehrt hatte. Der Schockzustand setzte nun endgültig ihren Verstand außer Kraft. Scendramin trat hinter sie. Sie sah sich kurz um, entdeckte ihn und krabbelte erschrocken rückwärts. Ihre Schmerzen ließen sie jedoch nicht weit kommen. Dieser Mann konnte sie zu einem Monster machen!
Scendramin sah ihr lächelnd nach. „Sehr schön", murmelte er. „Du hast es begriffen."Er richtete den Zauberstab auf sie. „Wir sehen uns bei der nächsten Behandlung! Crucio!"Der Schmerz dauerte nicht lange an. Während sie in eine tiefe Ohnmacht fiel, hörte sie nur das schreckliche Lachen der Scendramins. Dann wurde alles schwarz um sie herum.
flashback ende
Philomena weinte erneut. Harry hatte wieder die Arme um sie gelegt und flüsterte beruhigend auf sie ein. Nun wusste er alles und nun verstand er auch, warum sie so eine Angst vor den Scendramins hatte. Noch mehr Hass staute sich in ihm an.
„Vielleicht hat er sogar noch gelebt", stieß Philomena hervor. „Vielleicht stimmt es wirklich, was Tarius gesagt hat!"
„Unsinn", fuhr Harry dazwischen. „Selbst wenn - du bist es nicht gewesen! Es war Scendramin, der den Jungen... nicht du!"
„Er hat mich zu einem Werkzeug gemacht", wimmerte Philomena. „Ganz einfach. Und sie wollen es wieder tun! Sie wollen es wieder tun!"Sie vergrub sich an Harrys Brust. Der überlegte, durchdachte alles, was ihm Philomena erzählt hatte. Dann schüttelte er mit dem Kopf.
„Können sie nicht."Philomena verstummte.
„Wie... wie meinst du das?"
„Weißt du noch, wo du unten im Büro von Scendramin doch so verändert hast? Weißt du das noch?"Philomena nickte stumm. Wie konnte sie das vergessen haben.
„Du hast doch damals gesagt: ‚Noch einmal schaffst du es nicht.'"Philomena nickte wieder. Sie hatte immer gedacht, dass ihr böses Ich dies gesagt hatte. Doch wenn sie recht überlegte ging das ja gegen Scendramin und nicht gegen einen Helfer, wie Snape, wenn auch nur geduldet, einer war. Sie hatte ihn damals wirklich gehasst, doch der Hass führte dazu andere an zu greifen. Diesmal war aber der Hass gegen ihn gedrungen.
„Das kann heißen", fuhr Harry fort, „Dass du dich nächstes Mal, gestärkt durch deine guten Kräfte, währen wirst. Hör zu!"Er fasste sie sanft an den Armen und zwang sie so ihm ins Gesicht zu sehen.
„Du bist zwar Voldemorts Tochter, doch noch lange nicht so wie er. Dein Blut schlägt nach der Mutter, auch wenn du die Fähigkeit von ihm geerbt hast Dinge schnell zu beherrschen. Doch das kann dir nur recht sein! Ich werde dir helfen gegen deinen Hass anzukämpfen - denn ich muss es auch lernen."Er senkte Stimme und den Blick. Auch er besaß dieses schwache Gefühl zur Genüge und er wusste, dass Voldemort es bei ihm genauso ausnutzen würde.
„Aber Harry", begann Philomena leise. „Wenn ich mich wehre - dann wird er es allen sagen. Dann komme ich nach Azkaban!"
„Aber man hat dich doch nicht für den Tod beschuldigt."Philomena schüttelte mit dem Kopf.
„Nein.. das meine ich auch nicht. Tarius tat so, als hätte er uns gefunden und ist gleich zum Direktor gerannt. Da ich auch blutbeschmiert und verletzt war, dachte man, dass ich nur knapp dem Mordanschlag entkommen sei. Doch das meinte ich nicht... ich."Sie entwandte sich aus Harrys Griff und fasste sich an den Oberarm.
„Anders wie bei Snape habe ich dieses schreckliche Schandmal hier oben..." Harry hob die Brauen. Doch nicht etwa... „Voldemort suchte mich noch in der Nacht, als er auferstand, in meinem Zimmer auf. Ich schlief schon und wusste nicht, dass er da war. Als ich jedoch gepeinigt vor Schmerzen aufwachte, fand ich nur einen Zettel vor mit dem dunklen Mal und worauf drauf stand: Wenn du dich wehrst, Tochter, dann... Nachdem ich den Zettel gelesen hatte, löste er sich in Rauch auf und ich wurde mir meiner Schmerzen im Oberarm bewusst."Sie krempelte den Ärmel bis zu ihrer Schulter hoch. Harry konnte jedoch nichts Erschreckendes entdecken. Doch sie kramte nach ihrem Zauberstab, tippte gegen die Schulter und murmelte leise etwas. Grünes Licht breitete sich über ihren Oberarm aus und offenbarte das Dunkle Mal. Harry betrachtete es mit aufgerissenen Augen.
„Er hat mich gebrandmarkt, Harry", flüsterte sie. „Er kann ohne weiteres dafür sorgen, dass ich schlecht in der Gesellschaft da stehe. Ich könnte nichts dagegen tun. Es sei denn..."Sie senkte den Kopf.
„Es sei denn, du tötest ihn", vollendete Harry den Satz. Philomena nickte stumm. Sie tippte mit dem Zauberstab gegen das Mal, murmelte etwas und ein grünes Licht ließ es wieder verschwinden.
„Lass uns trainieren", sagte Harry nach einiger Zeit stummen Schweigens. „Wir schaffen das!"
„Harry", jammerte Philomena. „Wenn er merkt, dass du es weißt, wird er dich töten."Doch zu ihrer Überraschung lächelte Harry und lachte kurz sarkastisch auf.
„Voldemort wünscht, dass er einzig und allein das Vergnügen haben möchte mich unter die Erde zu schicken. Scendramin wird da gar nichts tun können."
„Aber er wird dich foltern..."
„Das bin ich gewöhnt. Philomena!"Er packte sie noch mal an den Schultern. „Lass dir helfen! Wenigstens von mir - und wir werden es irgendwie Dumbledore unter Scendramins verlogenem Gesicht klar machen müssen. Wenn er dir glaubt, glaubt dir auch der Rest der Welt. Ich denke, dass Fudge unter den bisherigen Ereignissen eh nicht mehr lange Minister sein wird." Philomena starrte ihn an. Meinte er das wirklich ernst? Gab es einen Ausweg aus dieser aussichtslosen Lage? Gab es! Sie wischte die schrecklichen Erinnerungen weg und ein Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus.
„Danke, Harry", rief sie und fiel ihm um den Hals. Harry tätschelte verlegen ihren Rücken, doch war er glücklich, dass er die richtige Philomena wieder zurück hatte.
„Was hat Tarius eigentlich beim Spiel getan?", fragte er.
„Er hat mich mit dem Culterusfluch, den Verbrennfluch und den Cruciofluch belegt, weil er wollte, dass ich ihn hasse", murmelte Philomena an seiner Schulter. „Da ich jedoch nur froh war, dass er nicht andere angriff, ging der Schuss nach hinten los. Er denkt jetzt wahrscheinlich, dass ich noch mehr Angst vor ihm habe, doch ich war einfach nur froh, dass ich es war, die auf dem Spielfeld lag und nicht du."
„Das können wir ausnutzen", sagte Harry. „Tu einfach so, als ob du weiterhin Angst hättest - in Wirklichkeit versucht du in deinem Inneren aber einen Schutzwall gegen ihn aufzubauen. Du versuchst die Angst zu überwinden."Philomena nickte. Es musste endlich gehandelt werden. Sie musste sich zwingen nicht mehr an diesen schrecklichen Tag des Grauens zu denken. Scendramin würde irgendwann sowieso eine Denkzettel verpasst bekommen.
„Harry?", flüsterte sie.
„Hm?", murmelte Harry, der die Nähe von ihr irgendwie genoss.
„Danke!"Und nach einer kurzen Pause fügte sie noch hinzu: „Ich mag dich sehr."Das ließ Harrys Herz noch höher schlagen und er zog sie enger an sich. Philomena schmiegte sich an ihn und das Gefühl der Geborgenheit stieg in ihr hoch. Sie kannte es nicht, doch irgendwie gefiel es ihr. Was war nur mit ihr los?
