6. Szene. Basar

Wieder knallte die Sonne mit aller Wucht, auf die Köpfe der Schüler.

Und das am frühen Morgen. Sie wurden früh aus dem Bett geholt und da Einige, am Abend zuvor, sich einen ordentlichen Alkoholschock geholt hatten, ging es den Meisten dementsprechend dreckig. Karen Paperman , so hatte Bud Liz erzählt, habe 5 Gläser Gin-Wodka hintereinander getrunken, was ein massenhaftes Absterben ihrer Hirnzellen bedeutete und sie noch dümmer machte, als vorher. Sie hatte danach so einen weg, das sie vor ihren Mitschülern und einem Haufen angetrunkener Kneipengäste einen Tablestrip hinlegte, der am heutigen Tag bestimmt das Stadtgespräch Nummer eins sein dürfte. Danach hatte man sie, mit einem gutaussehenden Mann wegstolzieren sehen.

Den Rest malte sich Liz lieber nicht in Gedanken aus.

Demnach fehlte Fräulein Paperman an ihrem Ausflugstag, der sich auf ein paar Sehenswürdigkeiten in der Stadt bezog.

Natürlich merkte der Professor die verkaterte Stimmung und schlug deshalb vor, es besonders ruhig anzugehen. Sie würden den Vormittag lediglich damit verbringen, auf den vielen einheimischen Märkten umherzupendeln und sich das Ein oder Andere zu kaufen. Liz störte das nicht. Sie hatte sowieso vorgehabt, die landestypischen Speisen zu probieren und sich etwas ägyptischen Schmuck, oder ein schönes Tuch zuzulegen.

Zusammen mit Bud, sonderte sie sich von der Gruppe und beschaute sich ein paar der Antiquitätenladen an, die hier wie Pilze aus dem Broden wuchsen. Bud wollte sich ein besonders cooles Piercing machen lassen. Eines mit einem Drachen oder so, hatte er gesagt. Liz schüttelte darüber nur den Kopf. Gerade spielte sie mit dem Gedanken, in einer der Läden zu verschwinden, als jemand mit einem heftigen Prall gegen ihre Schulter rannte. Orientierungslos schaute sie sich um. Wer immer sie auch angerempelt hatte, war in die Menschenmassen verschwunden.

Bud, der an ihrer Seite stand, machte ein fragendes Gesicht. Sie zuckte nur mit den Schultern, schubste dann ihren Klassenfreund in das Geschäft, welches sie genauer durchstöbern wollte und verschwand ebenfalls hinter dem bunten Vorhang des Ladens.

Drinnen roch es nach exotischen Kräutern. Der Verkäufer saß gleich am Eingang auf ein paar Kissen, trank einen wohlriechenden Tee und blickte zu ihnen hoch. Liz senkte, zum Gruß, die Augen und trat an ihm vorbei, in den Raum. Er war groß und reich ausgestattet, mit allem was das Herz begehrte.

Da gab es Tücher und Trachten mit goldenen Blumenstickereien, Hüte, Geschirr in allen Variationen, farbige Teppiche, die bestimmt ein kleines Vermögen kosteten und alles in hochwertiger Qualität. Dafür hatte Liz ein Auge. Während der Rest der Klasse, sich jetzt in irgendwelchen überteuerten Souvenirläden tummelte, hatte sie sich dieses unscheinbare Geschäft ausgesucht.

Es war nicht so nahe am Hauptplatz des Stadtmarktes, weshalb es hier auch nicht ganz so von Touristen wimmelte. Die vielen Gassen und Abzweigungen versteckten manchmal wahre Kleinode. Liz schaute sich begeistert um, bis sie vor ein paar alten Büchern und Döschen stehen blieb. Bud stand nicht weit von ihr, an einem Tisch mit verschiedenen Duftölen und schnupperte sich quer durch die Angebote, was ihm einen völlig überreagierten Geruchsinn bescherte und er schließlich damit aufhören musste, um seine Nase wieder unter Kontrolle zu kriegen. Verwirrt zog er die Luft der Umgebung ein und wunderte sich, das alles gleich roch. Liz lachte leise in sich hinein.

Sie hätte sich gewundert, wenn Venollis sich wie ein normaler Ladengast verhalten hätte. Unverbesserlich.

Sie griff sich eines der Bücher und schlug es auf. Eine schöne alte Schrift, reich mit Ornamenten verziert, schmückte die Seiten.

Liz blättert eine Weile darin, bis sie merkte, dass sie beobachtet wurde.

Der kleine Mann vom Eingang, hatte ihr Interesse gesehen und war nun lautlos an sie herangeschritten.

Er lächelte. „ Schönes Buch, nicht wahr, Fräulein?!", krächzte er. Seine Stimme hatte einen tückischen Unterton, so als ob er nicht wollte, das dieses Schöne Stück seinen Laden verlassen sollte. Er fragte zwar aus Höflichkeit, aber der Missmut in seinen Augen, verriet eine geizige Seele. So leicht wird er mit sich nicht handeln lassen, dachte Liz bei sich.

Das war nicht verwunderlich. Die Gegend schien nicht gerade die Beste und der Unterhalt eines solchen Ladens war auch nicht leicht zu fristen. Alte, knorrige Hände griffen nach dem Buch, doch Liz hielt es noch ein wenig fest, so dass der Ladenbesitzer mitbekam, das ihr Interesse ernst war.

Bud beäugte die Szene von einem sicheren Platz aus. Er hatte es sich auf einem hölzernen Sessel bequem gemacht und schaute nun mit Neugierde auf das Dargebotene. Liz sah ihn scharf an. Ein gemeines Lächeln flog über Buds Lippen, welches von seinen vorwitzigen Augen noch bekräftigt wurde. Dann betrat erneut jemand das Geschäft. Es war Allen. Erstaunt schaute er zu Liz und Bud rüber, bevor er die Lage durchblickte und an den kleinen Mann neben Liz schritt.

Er lächelte.

Mit ruhigen Händen nahm er das Buch aus den Fingern der Schülerin, untersuchte es eine Zeit lang mit den Augen und gab es dann dem Alten zurück. Der schaute verwirrt und verlangte eine Antwort auf Allens Benehmen.

„ Hab ich schon gelesen!"

Nun schaute auch Liz verstört. Das Buch musste mindestens hundert Jahre alt sein und es sah nicht gerade nach einem legal beschafften Stück aus. Das alte, verbleichte Papier und der zersetzte Buchrücken sprachen dafür. Wie sollte Allen an so ein antikes Exemplar gekommen sein?! Liz ließ den Gedanken und die damit verbundenen Überlegungen fallen. Es nützte nichts, Allen durchschauen zu wollen..

Er war eben ein wandelndes Rätsel.

Sie gab sich zwar damit nicht zufrieden, doch sich jetzt darüber den Kopf zu zerbrechen, half auch nicht weiter. Bud hatte sich unterdessen von seinem Stuhl erhoben und wahr an Allens Seite getreten. Sehr interessierte Blicke trafen Buds Gesicht. „ Was macht ihr denn in einer solchen Gegend?", wollte Allen wissen, „ Hier gibt es doch nur Schmuggelware und Diebesvolk?"

Diebesvolk? Zum ersten Mal fiel Liz auf, das sich Allen manchmal sehr altmodisch ausdrückte. Mit einem gespielten Lächeln, versuchte sie auch diesen Gedanken ins Nirwana zu schicken.

Es sollte ihr nicht gelingen. Allen schaute nun auch sie mit seinen fragenden Augen an und Liz fühlte sich plötzlich sehr unwohl. Warum machte sie sich solche Gedanken? Wieso schaffte es dieser Mann immer wieder, sie nervös zu machen.

„Liz?"Sie schreckte hoch. Verwirrt huschten ihre Blicke einmal in türkise, einmal in goldene Pupillen. Allen war nur noch Zentimeter vor ihrem Gesicht entfernt. Sie konnte spüren wie sich wieder dieser frische Duft um sie schlich und sich die feinen Härchen auf ihrer Haut aufstellten. Ihre Augen streiften Allen Lippen. Sie waren weich und während er sprach und sich seine herrliche Stimme mit den Formen seines Mundes mischten, wurde Liz ganz schwindelig vor Hitze. Ihr Herz war zu seinem ausbrechendem Vulkan geworden. Alles um sie herum verschwand in dumpfe Dunkelheit. Nur sie und Allen waren in dieser Welt. Nur sie und die Worte die er sprach, in einer seltsam fremden Sprache.

Liz merkte, wie sie wieder zu sich kam. Sie trat eine Schritt von Allen, der sie an der Schulter hielt, weg und plötzlich erschien wieder der Laden, der kleine Besitzer und Buds erstauntes Gesicht. Erschrocken schaute sie sich um. Was war eben losgewesen? Was war, zum Teufel, eben gerade passiert?!

Eine Hand löste sich von ihrer Schulter. Leichte Kälte stieg in ihr hoch und das verklärte Wärmegefühl machte allmählich wieder platz für den gewohnten Verstand. Sie verließen das Geschäft.

Liz musste an die frische Luft und Bud ebenso. Er hatte es, in dem stickigen Geschäft, einfach nicht mehr ausgehalten. Allen sah besorgt auf Liz hinab. Den langen Weg, zurück zu Professor Ginger und der Klasse, sprach sie kein Wort. Die Geschehnisse in dem Souvenirladen verfolgte sie den restlichen Tag, sodass sie teilnahmslos neben ihrem Freund herschritt und in die Gegend starrte.