Mir gehört nach wie vor nichts (siehe 1. Kapitel)
Für Alana (oder auch Laxy), die mir mit dem Lied „Viva Forever" nicht einfach irgendeinen Schnulzen- Scheiß ausgeliehen hat, sondern die Erinnerung an ein wunderschönes Wochenende, in dessen Folge ich dieses Kapitel vervollständigte.
Please R&R!
SieEs ist schon so viele Jahre her, dass ich diese Stadt zum letzten Mal besuchte. Denn nach diesem Besuch bin ich ausgezogen, in die Wildnis, dorthin, wo mein Instinkt mich führte. Nun weiß ich nicht, warum ich überhaupt hergekommen bin. Vielleicht weiß ich es, denn ich glaube, ich will dich und vor allem auch ihn sehen, aber auf der anderen Seite weiß ich, dass dieser Wunsch nicht in Erfüllung gehen wird. Denn auch wenn ich die Macht besitze, würde ich sie einsetzten, was würde mir das helfen? Nein, alte Wunden würden wieder aufgerissen, zu viel Schmerz wäre der Preis für den kurzen Augenblick der Freude. Für die so langersehnte Umarmung von ihm. Und das, wo ich noch nicht einmal weiß, ob er überhaupt dabei sein wird. Es hat geschneit, heute im Morgengraun. Die Menschen sagen, heute Nacht, und ich lächle nur in mich hinein und hebe ihren Irrtum nicht auf. Warum auch? Aber es war heute Morgen, als die Sonne gerade aufging, dass die ersten Schneeflocken von Himmel fielen. Es ist bereits Anfang März und daher sehr ungewohnt für die Menschen. Für mich nicht. Im Düsterwald hat es oft noch Mitte April geschneit. Aber das weißt du ja, besser als ich. Schließlich ist es deine Heimat. Zumindest soweit ich weiß, denn mein Bote hätte mir sicher berichtet, wenn dem nicht mehr so wäre. Ich weiß, dass du ihn jedes Mal nach mir fragst. Nicht, weil du mich suchen willst, sondern weil du wissen willst, wie es um mich steht. Aber ich habe ihm verboten, dir die gewünschten Auskünfte zu geben. Es reicht, wenn du weißt, dass ich noch lebe. Du fragst warum? Ich mich, ehrlich gesagt, auch. Denn ich weiß, dass ich dir trauen kann. Dennoch will ich nicht, dass du zuviel über mich weißt. Nicht über mich jetzt. Ich weiß auch, dass du meinen Boten jedes Mal bittest, Briefe für mich mitzunehmen. Von dir, meinem Vater und ihm. Aber auch das habe ich verboten. Ich erinnere mich sowieso jeden Tag, jede Minute an euch, ich will nicht, dass die Wunden, die gerade erst beginnen zu heilen, erneut aufreißen. Mein Bote kam schon lange nicht mehr zu dir. Ich war schon oft versucht, ihn zu dir zu schicken, aber ich will dich nicht belügen. Früher verweilte ich häufig in dieser Stadt. Ich mag sie. Die Menschen mit ihrer Lebensfreude, ihren Problemen, die mir früher immer, verglichen mit den meinen, so nichtig vorkamen. Sie sind mir ans Herz gewachsen. Ich gehe gerne auf ihre Märkte. Wo ich lebe? Mitten unter ihnen, mal hier mal da. Wovon ich lebe, fragst du. Ich bin Heilerin. Einfacher wäre es natürlich, wenn ich bei den Heilerinnen der Königin leben würde. Ich müsste abstinent bleiben, aber das tue ich ja so oder so, und hätte eine feste Anstellung, die ein warmes Bett einschließt. Aber ich will nicht. Ich genieße es hier zu leben. Jede Woche bei einer anderen Familie. Ich verdiene nicht viel, aber für meinen Lebensunterhalt reicht es. Hausbesuche sind für mich kein Problem und ich verlange wenig. Viele Frauen kommen zu mir, während ihrer Schwangerschaft. Anfangs kamen nur sehr wenige, aber mein guter Ruf hat sich herumgesprochen und ab und zu, natürlich nur sehr selten, lassen auch Adelige nach mir schicken. Eine dieser Frauen war Éowyn. Du kennst sie, das weiß ich, denn du sprachst viel über sie. Damals, als du heimkamst und bemerktest, dass ich mich verändert hatte... Sie fragte mich, woher ich komme und ich sagte es ihr. Da fragte sie, ob ich dich kennen würde und ich antwortete, dass ich mit dir sozusagen verwandt sei. Sie war hellauf begeistert und wollte, dass ich sie in den Palast begleitete, als ich ablehnte, fragte sie nach deinem Befinden. Ich sagte, als ich dich das letzte Mal gesehen hätte wärst du wohlauf gewesen, aber das sei schon einige Zeit her. Doch ich sei mir sicher, dass es dir gut ginge. Sie wollte wissen, ob du dich mittlerweile gebunden hättest. Offenbar musst du ihr von unserer Verlobung erzählt haben. Ich sagte ihr, ich wüsste es nicht und verließ das Anwesen überstürzt. Seit jenem Tag lehne ich jede Bitte von Adeligen nach Hausbesuchen ab. Der Besuch bei ihr war bei einem meiner früheren Aufenthalte in dieser Stadt, er liegt schon längere Zeit zurück, aber die Wunden brachen in jener Nacht erneut auf. Seitdem bin ich häufig bei einem alten Ehepaar. Sie haben den Krieg überlebt und ihre Liebe zueinender ist ein starkes Band, was sie noch immer am Leben hält. Sie sind zu mir, als sei ich ein leibliches Kind, obwohl ich doch so viel älter bin als sie. Meine Schönheit fasziniert sie. Jedes Mal aufs Neue, aber noch mehr fasziniert sie meine Heilkunst. Und das, obgleich ich noch nicht mal eine der besten bin. Aber durch meine Kraft habe ich dem alten Mann schon ein schlimmes Bein geheilt und die Hüfte von ihr ist sehr viel besser, seitdem ich sie versorge. Ich genieße das Zusammensein mit ihnen. Ihr Sohn ist Wache und wohnt mit seiner Frau im zweiten Ring. Ihre Tochter hat zwei Kinder und lebt in Rohan. Sie und ihre Familie sehen sie noch seltener als ihren Sohn. Ich besuche sie mindestens zwei Mal in der Woche. Meistens öfter. Bei meinen ersten Besuchen haben sie mich oft gebeten von meinem Leben zu erzählen, heute, weil sie mir angemerkt haben, dass es mir keine Freude bereitet sondern Schmerz verschafft, bitten sie mich manchmal zu singen. Das tue ich gerne, auch wenn ich darin nicht besonders gut bin. Verglichen mit Elben, denn dass mein Gesang für Menschen unnachahmlich ist, liegt in der Natur der Sache.
In wenigen Tagen wirst du im Düsterwald losreiten. Hierher. Wird er mitkommen? Ich weiß es nicht. Für mich wird es in zwei Tagen wieder so weit sein, zu gehen. Ehrlich gesagt will ich nicht weg von hier. Gerade jetzt, wo ich mich hier eingelebt habe. Vielleicht warte ich ab, bis die Gerüchte herumgeistern, dass er auch kommt. Dann bleibe ich und wage nicht zu hoffen, ihn zu sehen. Aber wirst du es tun? Ich weiß es nicht.
Als gestern Nachmittag verkündet wurde, dass ihr alle in die Weiße Stadt kommen werdet, brach hier eine Art Fest los. Es heißt, Gaukler und Barden werden geladen. Die Menschen sagen, die Luft riecht anders. Verheißungsvoll. Für mich riecht sie wie immer. Völlig normal. Frisch, etwas feucht. Die Menschen müssen etwas besitzen, was ich nicht habe. Vielleicht ist es die Gewissheit, dass irgendwann alles vorbei sein wird. Für mich wird es das nie. An gebrochenem Herzen werde ich nicht sterben und den Tod wählen? Wie denn? Ich habe doch mindestens so reines Blut wie du! Meine Mutter, die Schwester von Lady Galadriel und mein Vater Halbbruder von Lord Celeborn. In meinem Blut findet sich keine Verbindung zur Sterblichkeit. So wenig wie in deinem. Früher hat mir das nie etwas ausgemacht, aber seitdem ich euch verlassen habe, denke ich viel nach. Ich beginne die Menschen zu beneiden. Dafür, dass es für sie ein Ende gibt, einen Grund, jeden Tag zu genießen. Du würdest jetzt sagen, dass es dir Leid tut und ich würde antworten, dass es das nicht bräuchte, da du ja nichts dafür könntest. Du würdest den Anflug eines traurigen Lächeln zulassen, mich in den Arm nehmen und murmeln, dass du alles tun würdest, was in deiner Macht stünde, wenn ich dich um etwas bitten sollte. Selbst, wenn ich die Sterne vom Himmel geholt haben wollte. Nein, es sind nicht die Sterne, die ich will. Ich will das Glück. Und das Glück für mich wäre, wieder mit euch, mit dir und ihm, leben zu können. Ich vermisse meinen Vater. Sein herzliches Lachen, die Art, wie er seine Stirn in Falten zog, wenn ich etwas getan hatte, was er nicht guthieß. Seine großen Hände, die mir, wenn er mich tröstete oder in den Armen hielt, immer den Rücken auf- und abstrichen. Damals hat mich das genervt. Nicht beruhigt, sondern aufgepeitscht. Heute vermisse ich es. Diese Wärme seiner Hände und seine Stimme. Seine Stimme, die sooft die eines Ratgebers und nicht die eines Vaters war. Ich vermisse seinen Spott, seinen Humor, seinen Gang, den Laut seiner nichthörbaren Schritte, die Art, seine Arme zu bewegen, wenn er etwas erklärte. Seine bloße Anwesenheit, die mir sagte, alles würde gut werden. Ich habe es seit langem versäumt, ihm zu sagen, wie viel er mir bedeutet. Und ich weiß nicht, ob ich es je wieder tun werde. Denn auch, wenn ich mir im Klaren darüber bin, dass ich dir eines Tages wieder begegnen werde, zweifle ich daran, die Kraft aufbringen zu können, euch allen meine Gefühle zu erklären. Ich hätte damals sprechen sollen. Es mag sich trotzig anhören, aber gewissermaßen seid ihr daran schuld, dass ich jetzt so verschlossen bin. Ihr habt mich damals nie zum Reden gezwungen. Ich gebe zu, mein Widerstand war heftig, aber er war immer wieder kurz davor, sich in ein vollkommenes Nichts aufzulösen. Ihr habt es nicht versucht. Ihr habt aus mir nicht herausgebracht, wie ich mich fühlte. Und als ich nächtelang weinte oder die Wirklichkeit verdrängte, da saht ihr mich nur mitleidig an. Ich wollte euer Mitleid nicht. Ich glaubte euch nicht, dass es echt war. Vielleicht war das mein Fehler. Mein fehlendes Vertrauen. Aber ich war so in mich gekehrt und so erschrocken von mir selbst, dass ich mir nicht vorstellen konnte, geliebt zu werden. Verstehst du, ich fühlte mich eurer Liebe, eures Mitleids unwürdig?! Erst später erlernte ich wieder, dass Mitleid, kommt es aus reinem und ehrlichem Herzen, etwas Gutes ist. Eure Herzen sind rein und gut. Vielleicht ist meines keins von beidem. Wer weiß das schon? Die Menschen singen hier manchmal ein sehr schönes Lied. Es ist traurig, aber nicht hoffnungslos. In der kurzen Zeit, da ich wieder in der Stadt bin, habe ich es gelernt und jetzt singe ich es schon recht häufig vor mich hin. Es gefällt mir. Ich habe es schon einmal gehört. Mit dir. An unserem Tag. Dein Freund sang es. Mit seiner reinen schönen Stimme, als ahnte er, dass unser, oder besser gesagt, mein Leben diesem Lied einst ähneln würde. Als er es sang, standen um uns lauter rote Kerzen. Es war bereits Nacht und die großen Kerzen waren schon weit heruntergebrannt, aber niemals werde ich die Worte vergessen, die er damals an uns richtete. Er sagte, Liebe sei etwas ganz besonderes. Liebe, das sei nicht nur ein Wort oder ein Versprechen oder ein Kuss. Liebe sei alles und wenn sich zwei Menschen liebten, so drückten sie ihre Liebe zueinander, gewollt oder ungewollt, in jedem Wort und jeder Geste aus. Ich weiß nicht, ob du jemals nur einen Hauch von etwas anderem als Freundschaft für mich empfunden hast, aber wenn, dann hast du es nie gesagt. Warum auch? Weißt du doch bis heute nicht den Grund, warum ich weg bin. Aber eben dieses dem Andern nicht sagen, verbunden mit Trennung und der Unsterblichkeit ist genau das, worum es in diesem Lied geht. Der Unterschied ist nur der, dass die Person scheinbar ahnt, was der andere fühlt. Ich weiß nur, dass du mich mochtest und ungeheuer zärtlich und vorsichtig umgegangen bist. Geradeso, als sei ich etwas kostbares und zerbrechliches. So warst du nicht immer. Wenn wir miteinander übten, warst du ein harter Gegner, neckten wir einander, wusstest du, Direktheit und Charme gut zu verbinden. Du bist etwas besonderes, und das warst du auch immer für mich. Ich weiß nicht, wie unser Leben verlaufen wäre, ohne die Entscheidung unserer Väter. Ob besser oder schlechter oder einfach nur anders. Ich kann es nicht mal erahnen.
Die Kerze, die ich angezündet habe, als ich begann zu schreiben, ist schon fast völlig heruntergebrannt. Es wird nur noch Minuten dauern, bis sie aus sein wird und der graue Rauch aufsteigen wird. Dann werde ich in völliger Dunkelheit sitzen und doch noch viel zu viel sehen. Als ich heute begonnen habe zu schreiben, war es schon später Nachmittag, mittlerweile ist es draußen sehr dunkel. Oder es wäre das. Wären dort nicht die Schankstuben, der Nachwächter, die vielen Männer, die über den Durst getrunken haben und nicht zuletzt die Freudenmädchen. Jene Mädchen, welche ich versuche aufzufangen. Ihnen ein Leben zu schenken, ihren Willen zu ihnen selbst zu schenken. Jene Dinge, die sie viel zu früh verloren haben. Es beruhigt mich, dass keine von ihnen je von dir angefasst wurde. Wenn ich das nicht wüsste, würde ich mich schäbig und scheinheilig fühlen. Wie jemand, der einem anderen immer alles hinterher trägt, ihm alle Probleme beseitigt. Ich vermisse die Stille, die ich immer so liebte. In Lothlorien war sie meine ewige Begleiterin, im Düsterwald kam sie oft in deiner Gestalt und in meinem Leben ohne euch besucht sie mich nicht selten in meinen Träumen. Den Platz als ewiger Begleiter aber, haben an ihrer Stelle die Einsamkeit und Trauer übernommen. Zwei Gefährten, an die ich mich erst gewöhnen musste. Als anfangs noch die Verzweiflung bei ihnen war, misstraute ich ihnen und war auf der Hut, heute aber weiß ich, dass sie mir nichts Böses wollen. Im Grunde sind sie nur das Erwachsenwerden der Stille. Ausgeprägtere Formen von der blassen Gefährtin. Dennoch komme ich nicht umhin, eben diese zu vermissen. Was erzähle ich hier? Ich kann diese Gedanken nur auf die späte Stunde schieben. Gleich wird die Kerze tatsächlich ausgebrannt sein und ich werde wieder von der Verzweiflung besucht werden, aber davon will ich nicht reden. Zuviel Leid schon kennst du. Kenne ich. Kennen wir.
Nun, wieder sage ich dir: Lebe wohl. Ich weiß nicht, ob wir uns wieder sehen...
Michiru vielen, vielen dank nochmal!
karen auch an dich in dickes dankeschön!
Wer ist er?Wer schreibt?
Warum schreibt die Autorin nur so einen Schmarre?
Sind jetzt alle vollkommen verwirrt?
Wie's weitergeht gleich- nach der nächsten Maus! g
