7. Verkauft
Ihre Augen blickten scheinbar ins Leere, ihr Kopf war leicht gesenkt und teilnahmslos gab sie ihren Körper den Erschütterungen preis, welche den Wagen auf der unebenen Straße durchrüttelte. Aber dieser Schein trog, sie war hellwach und unter den halbgeschlossenen Lidern nahm sie jedes Detail des Weges in sich auf, einzelne Baumgruppen, kleine Gehöfte, karge Felsen und im Hintergrund die Gebirgskette, welche Rhûn von Mordor trennte. Alles was ihr im Falle einer Flucht von Nutzen sein konnte prägte sie sich ein. Ohne Rasha anzusehen wusste sie, dass ihre Freundin genau dasselbe tat. Sie fuhren den ganzen Tag, bis auf eine kurze Rast am Mittag, in der die beiden Frauen mit Wasser übergossen wurden. Sie bekamen nichts zu essen und nichts zu trinken. Der Wagen hatte keine Abdeckung, so dass sie der Mittagssonne ungeschützt ausgesetzt waren. Erst am späten Nachmittag ließ die Hitze nach und eine kühle Brise kam auf, als die Sonne langsam sank. Phera konnte als Erste die Lichter einer nahenden Siedlung ausmachen, da sie in diese Richtung blickte. Schon bald darauf erreichten sie die ersten Häuser, die Straße war hier besser befestigt und sie fuhren zügig voran, bis sie schließlich auf einem großen Platz hielten. Phera schaute sich kurzum und sah, dass hier viele Plattformen aufgebaut waren. Dahinter waren dicke Holzpfähle in die Erde gerammt worden an denen schwere Ringe angebracht waren. Sie überquerten den Platz und hielten vor einem großen Gebäude. Ein Mann kam aus dem Schatten auf den Wagen zu und begrüßte den Sklavenhändler lautstark. Lekhamzaam wies ihn an, die beiden Frauen abzuladen und in Verwahrung zu nehmen.
Phera und Rasha tauschten einen kurzen Blick, beide dachten anscheinend dasselbe, nämlich zunächst passiv zu bleiben und die Augen nach einer günstigen Gelegenheit offen halten. Also ließen sie sich scheinbar widerstandslos in das Gebäude führen. Es war kühl dort drinnen nach der Hitze des Tages und als sie eine lange Treppe herabgeführt wurden, sank die Temperatur noch weiter. Der Mann brachte sie zusammen mit einem anderen Mann, der im Gebäude gewartet hatte zu einer Reihe von Zellen, die allerdings keine Gitterstäbe hatten, sondern massive Türen aus Metall, welche mit schweren Riegeln verschlossen wurden.
Sie waren die einzigen Insassen in ihrer Zelle. Die Ketten ihrer Hand- und Fußfesseln wurden durch Ringe in den Wänden gezogen und mit Bügelschlössern verschlossen. Es gab sogar ein einfaches Lager aus dünnen Decken und Stroh in einer Ecke.
Die schwere Tür schloss sich hinter ihnen und aufatmend sanken die beiden Frauen auf das Lager nieder. Endlich allein.
„Was meinst du Rasha, siehst du hier eine Möglichkeit für uns?" Phera ließ ihren Blick über die kahlen Wände gleiten, die schwere Tür, in der nur eine kleine Luke war. „Hm…oben an der Tür war nur der zweite Mann, als wir ankamen, hier unten konnte ich Orks wittern, aber keine weiteren Menschen. Vielleicht könnten wir sie überwältigen, wenn sie uns wieder rausholen…aber was erwartet uns oben?" Phera seufzte. „Noch mehr Menschen vermutlich. Auf diesem großen Platz da draußen, die Podeste, die waren doch sicher für den Sklavenverkauf aufgebaut. Je länger ich darüber nachdenke, umso weniger sehe ich hier eine Gelegenheit für uns. Willst du dich in Ketten mit vielen Menschen anlegen? Ich glaube, dass wird uns nicht gut bekommen." Rasha stimmte ihr mit einem knappen Nicken zu. „Das ist wahr. Ich denke, dass wir warten müssen, bis der Markt vorbei ist. Gut, vielleicht sind wir dann jede auf sich allein gestellt, aber das muss nicht schlecht sein." Phera dachte eine Weile über Rashas Worte nach. Ihre Möglichkeiten schienen wirklich begrenzt. Auf dem Markt würde es sicher keine Möglichkeit zur Flucht geben, umringt von Menschen, die sie alle mehr als sorgfältig beobachten würden. Aber wenn sie dann von ihren jeweiligen Besitzern fortgebracht würden, dann wäre es sicher einfacher einen Fluchtversuch zu unternehmen. Allerdings war sie noch nicht ganz damit einverstanden, dass sie allein sein würden. Ihre Hoffnung ruhte eher darin, dass sie zusammen verkauft würden. Aber nachdem sie sich noch eine Weile unterhalten hatten, sah sie ein, dass Rasha Recht hatte.
Schließlich übermannte sie der Schlaf und das nächste was Phera wahrnahm waren schwere Schritte, welche sich der Tür näherten. Sie stieß Rasha an, die neben ihr noch leise schnarchte. Sie hatte sich kaum aufgerichtet, da wurde schon der Riegel entfernt und die Tür geöffnet. Die beiden Männer vom Vorabend kamen in die Zelle, gefolgt von Lekhamzaam und seinem Gehilfen. Sie hatten Eimer dabei, die mit Wasser gefüllt waren. Durch die Maulkörbe und Ketten schienen sie sich recht sicher zu fühlen, denn ohne große Umschweife entkleideten sie die beiden Frauen, ohne sich groß um deren Grollen und Knurren zu kümmern. Sie wuschen Phera und Rasha mit dem eiskaltem Wasser und groben Schwämmen ab, und zum Schluss kippten sie das Wasser aus den Eimern über ihre Köpfe aus. Dann wurden sie mit rauen Tüchern abgerieben. Anschließend begannen die Männer ein süßlich riechendes Öl auf den dunklen Körpern zu verreiben und auch in den langen Mähnen zu verteilen, welche sie mit breiten Lederbändern im Nacken zusammenbanden. Nun wurden die Frauen wieder eingekleidet und dann recht grob den Gang entlang geschoben und schließlich wieder die Treppe herauf.
Auf dem großen Platz vor dem Gebäude hatten sich bereits viele Menschen versammelt. Sie waren in edle Stoffe gekleidet und gingen langsam umher während sie die bereits aufgestellten Sklaven begutachteten. Die Sklavenhändler standen mit Nagelpeitschen und anderen Zuchtwerkzeugen zur Hand bei ihrer Ware und priesen diese lautstark an. Einige Händler hatten kleine Karren aufgebockt und boten Ketten, Eisen, Peitschen und allerlei andere Dinge an, die man wohl als Zubehör für die Neuerworbenen Arbeiter brauchte. Andere hatten sicher eher auf das Füllen hungriger Mägen und das Befeuchten staubiger Kehlen eingestellt und boten Waren dieser Art feil. Der Geruch der verschiedenen Menschen, der Orks und der vielen anderen Dinge stieg Phera und Rasha in die Nasen, das helle Licht ließ ihre Augen tränen, so dass sie stolperten, während die Männer sie unsanft zu einer der Plattformen drängten. Hier wurden sie an die Pfähle gekettet. Die Maulkörbe wurden ihnen abgenommen, nachdem sie mit einer kurzen Kette um den Hals an den Pfahl gezurrt wurden.
Lekhamzaam stellte sich vorn an die Plattform und begann mit öliger Stimme die Vorzüge seiner beiden Warenstücke anzupreisen. Phera nutzte die Zeit, um sich einen allgemeinen Überblick über die Situation zu verschaffen. Die meisten Orks, die hier waren, standen eher reglos, mit gesenkten Köpfen da und schienen nicht viel Notiz vom Treiben ringsum zu nehmen. Aber andere schossen funkelnde Blicke auf die Sklavenhändler und die Menschen vor den Plattformen ab, knurrten, wenn sich ihnen potenzielle Käufer näherten und machten allgemein einen eher ungezähmten Eindruck. Doch sie bekamen sofort die Quittung für ihr Verkaufsschädigendes Verhalten. Unbarmherzig droschen die Männer mit den Peitschen auf die Orks ein, manchmal auch mit den Griffen, ungeachtet dessen, ob Blut spritzte. Manchmal half es, manchmal nicht. Einige würden wohl das Ende dieses Tages nicht mehr erleben, denn Phera hatte inzwischen mitbekommen, dass die Orks, welche sich als unzähmbar erwiesen erschossen wurden. Diese Verluste rechneten die Sklavenhändler bereits bei den Fangquoten mit ein.
Sie wurde aus ihren Beobachtungen gerissen, als sich ein Mann vor ihr aufbaute. Seine grauen Augen blickten kalt und seine Mundwinkel hingen herab. Er musterte Phera eingehend, dann auch Rasha, ehe er Lekhamzaam heranwinkte. Dieser wirkte plötzlich eher unterwürfig und kriecherisch, als er mit dem Mann sprach, den er Herrn Alzarra nannte. Der Mann kam zurück zu Phera und schob ihr einen Holzkeil in den Mund. Sie konnte mit dem Kopf nicht zurück, musste es zulassen, dass er ihre Zähne untersuchte. Doch das war noch nicht alles, denn nun schob er ihr Kleid hoch bis zum Hals. Er drückte ihre Brüste, zog sie an den Warzen nach oben, um sie dann fallen zu lassen. Es schien fast, als prüfe er ein Stück Obst auf seine Reife. Anschließend schob er seine Hand zwischen ihre Beine, dann spürte sie wie ein Finger in sie eindrang, sie kurz aber gründlich erforschte. Dabei verzog der Mann keine Mine, nicht einmal seine Atmung beschleunigte sich. Abschließend gab er ihr einen kleinen Klaps auf den Po, ehe er sich an Lekhamzaam wandte, der ihm bereits eine Schüssel mit Wasser hinhielt, damit er seine Hände waschen konnte. Nachdem das erledigt war sprachen die beiden Männer miteinander und schließlich besiegelte ein kräftiger Händedruck einen abgeschlossenen Handel. Ein Beutel voller Münzen wechselte den Besitzer.
„Sie wird ein Geschenk für meinen Sohn, Taleph." erklärte der Mann dem Sklavenhändler grinsend. „Wird langsam Zeit, dass er mal anfängt sich um eine eigene Sklavenzucht zu kümmern. Und wenn sie ihm nicht gefällt, dann nehme ich sie für die Zucht. Die ist jung und kräftig und ich hab ein paar Kerle, mit denen sie was Feines zustande bringen dürfte. Schade, dass du keine Männer dabei hast." Der Sklavenhändler zuckte die Schultern. „War dieses Mal kein Männchen dabei und das dritte Weibchen hat nicht ins Schema gepasst. Wissend nickte der Käufer.
Inzwischen war Phera von dem Pfahl losgebunden worden und trug wieder ihren Maulkorb. Der Gehilfe von Lekhamzaam brachte sie zusammen mit einem anderen Mann zu einem Wagen, dessen Ladefläche von einer Plane überspannt war. Hier herauf brachte man sie nun und sie wurde dort erneut angekettet.
Lange saß sie nun in der staubigen Hitze, fragte sich, welches Schicksal sie wohl nun erwartete und was aus Rasha werden würde. Nun waren sie getrennt und der Mann hatte auch kein Interesse an ihrer Freundin gezeigt. Langsam verlor sie das Gefühl für die Zeit und nur die nachlassende Hitze sagte ihr, dass es auf den Abend zuging. Sie konnte hören, wie Karren und Wagen vorbeifuhren, Maultiere schrieen, Ochsen brüllten, Männer fluchten. Dazwischen hörte sie geknurrte Verwünschungen und Flüche in der dunklen Sprache von Mordor. Dann hörte sie, wie sich Schritte dem Wagen näherten, in welchem sie lag. Die Plane wurde beiseite geschoben und zwei weitere Orks wurden hereingebracht und angebunden. Phera musterte sie kurz, doch solange die Menschen noch dabei waren schwieg sie. Es war ein Pärchen, die Frau wirkte sehr erschöpft, sie atmete schwer und trug deutliche Zeichen schwerer Misshandlungen. Der Mann war groß, sicher fast zwei Schritt, sein langes Haar war ebenfalls im Nacken zusammengebunden. Er hatte eine lange Narbe auf der linken Wange, die auch seine linke Augenbraue spaltete. Das Auge auf der linken Seite war trüb, er war also auf einer Seite blind. Er wirkte sehr kräftig und strahlte eine große innere Ruhe aus.
Die Männer verschwanden und kurz darauf konnte Phera auch die Stimme des Mannes hören, der sie gekauft hat. Es gab einen kurzen Ruck und dann setzte sich der Wagen in Bewegung. Wieder fuhr sie einem ungewissen Ziel entgegen, dieses Mal allein, wenn man einmal von den ihr fremden Orks absah, die ihr Schicksal teilten. Noch einmal erneuerte sie innerlich ihren Schwur, dass sie nicht ruhen würde, bis sie einen Weg zur Flucht gefunden hatte und wieder in ihre Heimat zurückgekehrt war. Sie wünschte Rasha viel Glück auf ihrem weiteren Weg. Nicht lange danach forderten der Tag in der stickigen Enge des Wagens und das leichte Rumpeln der Räder ihren Tribut und sie fiel in einen leichten Schlaf.
---- Ja, wie wird es Phera ergehen? Welches Schicksal erwartet sie bei ihrem neuen Herrn? Ihr wollt es wissen, dann lasst es mich wissen… -----
