Chapter 7

Nach drei Monaten intensiver Behandlung stellte Lucy fest, daß Lionel nicht mehr ihrer Hilfe bedurfte. Er war in seine Behinderung hineingewachsen und seine schnelle Auffassungsgabe und sein starker Wille hatten ihn befähigt, Dinge sehr viel schneller zu lernen, als es normal begabten Menschen möglich war. Nach einer ihrer Sitzungen sprach ihn Lucy darauf an.

„Lionel, Du brauchst mich nicht mehr! Du hast dir alles angeeignet, was ich dir beibringen kann! Für den Rest brauchst Du mich nicht mehr. Es reicht, wenn Du einen guten Assistenten anstellst!"

Lionel hob überrascht die Augenbrauen. „Du willst uns schon verlassen?"

Lucy legte ihre Hand auf seine und drückte sie kurz In der intensiven Zusammenarbeit mit Lionel hatte sie ihn in ihr Herz geschlossen, obwohl der Mann es einem manchmal wirklich nicht leicht machte. Man mußte einfach seinen Intellekt und seinen eisernen Willen bewundern, sich nicht von der Behinderung unterdrücken zu lassen.

„Von Wollen kann keine Rede sein! Aber ich kann nicht vortäuschen, daß Du mich noch brauchst! Es ist absolut notwendig, daß Du dein Leben jetzt ohne meine Führung in die Hand nimmst! Ich bedaure das sehr, aber so ist es nun einmal!"

Er hörte aus ihrer Stimme heraus, daß sie kurz davor stand zu weinen. Er mochte Lucy, sie hatte sich nie von seiner Herrschsucht oder seinen Launen aus dem Konzept bringen lassen, auch wenn er einige Bedenken hatte, was die Beziehung zu seinem ältesten Sohn betraf.

„Ich hätte nichts dagegen, wenn Du länger bleibst! Das Gehalt ist kein Problem und Lex würde sich sicher auch darüber freuen!"

„Nein, Lionel! Ich kann unter diesen Umständen nicht hier bleiben! Auf keinen Fall! Ich werde in einer Woche zurück nach Metropolis fahren, das gibt uns genug Zeit, die Therapie abzuschließen!"

„Du warst mir eine große Hilfe, ich möchte, daß Du ausreichend dafür entschädigt wirst! Was wünscht Du dir? Eine eigene Praxis? Ich würde sie dir sofort einrichten!"

Lucy sprang von ihrem Stuhl auf und schüttelte den Kopf, dann fiel ihr ein, daß Lionel sie ja nicht sehen konnte.

„Danke für das Angebot, aber ich kann das nicht annehmen! Es ist sehr lieb, daß Du das tun willst, aber unnötig! Ich habe dir gerne geholfen und das übliche Honorar reicht vollkommen aus! Bis Morgen Lionel!"

Lucy verließ das Zimmer fluchtartig und lief in ihr Zimmer, das sie kaum noch benutzte, weil sie die meisten Nächte bei Lex verbrachte. Sie warf sich auf das Bett und ließ ihren Tränen freien Lauf. Sie nahm das Ende einer Therapie immer schwer, doch diesmal bedeutet es auch, daß sie den Menschen verlassen mußte, den sie liebte. Sie hatte gerade ihr Gesicht im Bad mit kaltem Wasser gewaschen, als Lex ohne anzuklopfen ihr Zimmer betrat.

„Dad hat mir gerade mitgeteilt, daß Du zurück nach Metropolis willst?"

Er lehnte sich an die Tür und verschränkte die Arme vor der Brust. Sie konnte in seinen Augen nicht lesen, ob ihn das mitnahm. Er hatte seinen undurchdringlichen Gesichtsausdruck aufgesetzt.

„Dein Vater braucht mich nicht mehr, Lex! Ich habe also keinen Grund mehr, hier zu bleiben!"

Lex Augen verengte sich zu Schlitzen und Lucy blieb stehen, bevor sie ihm in dieser Verfassung zu nahe kam.

„So und was wird aus uns? Ich lebe hier und habe nicht die Absicht nach Metropolis zu ziehen!"

Lucy seufzte. „Lex! Ich kann nicht hier bleiben, wenn meine Arbeit in Metropolis auf mich wartet! Ich kann die Augen vor der Realität nicht verschließen!"

„Du brauchst nicht gleich wieder zu arbeiten, Lucy! Du kannst einfach hier bleiben, im Krankenhaus kündigen und dir hier in der Nähe etwas suchen!"

„Das ist unmöglich, Lex! Ich werde nicht von deinem Geld leben! Ich bin nicht mit dir zusammen, weil Du es hast! Ich kann nicht bleiben!"

Lex ließ die Arme sinken und versuchte, die Panik zu unterdrücken, die ihn zu überwältigen drohte, weil Lucy ihn verlassen wollte.

„Ich bin nun einmal reich, finde dich damit ab! Ich finde es toll, daß es dir nicht wichtig ist, aber das Geld ist mir vollkommen egal! Ich will, daß Du bei mir bleibst!"

Er ging auf sie zu und zog sie in seine Arme.

„Du gehörst hierher!"Er preßte seine warmen Lippen auf ihren Mund und küßte sie fast verzweifelt. Heftig atmend lehnte sie ihren Kopf an seine starke Schulter und betete um Selbstbeherrschung.

Um nicht mehr mit Lex über ihre Abreise sprechen zu müssen, zog sie ihn zum Bett und verführte ihn dazu, sie zu lieben. Lex ließ sich gerne dazu überreden, weil er ihr so leichter seine Gefühle offenbaren konnte. Er hielt sie fest in den Armen, wie um ihr zu sagen, daß er sie nicht gehen lassen wollte, doch die Worte, um sie wirklich zurückzuhalten, kamen einfach nicht über seine Lippen.


Schweren Herzens begann Lucy ihre letzte Arbeitswoche mit Lionel Luthor, der ihr die Sache auch nicht leichter machte, indem er ihr ständig neue Angebote machte, um sie länger an Smallville zu binden. Sie hatte sich angewöhnt morgens einen Spaziergang zu machen, da das ihre Übelkeit am wirksamsten bekämpfte. Sie war noch zu keinem Arzt gegangen, weil sie nicht wollte, daß in Smallville bekannt wurde, daß sie ein Kind erwartete. Es war der 12. Dezember und vor fast genau fünf Monaten hatte sie Lex zum ersten Mal getroffen. Sie konnte kaum glauben, daß sie ihn erst so kurze Zeit kannte. In diesen fünf Monaten hatte er ihr Leben völlig auf den Kopf gestellt, ihr Herz im Sturm erobert und ihr neue Freunde geschenkt.

Durch ihre Grübeleien abgelenkt merkte sie nicht, daß ein dunkles Auto ihr in einigem Abstand folgte, als sie weit genug von der Luthor Villa war, hielt der Wagen neben ihr. Der Fahrer ließ das Fenster herunter und Lucy erkannte den Arzt, der Ryan in die Forschungsanstalt zurückbringen hatte wollen.

„Dr. Garner, was machen Sie hier?"

Lucy blieb stehen und sah den jungen Arzt erstaunt an.

„Ich wollte mit Ihnen sprechen, Miss Santiago! Ihnen einen Vorschlag unterbreiten!"Der Arzt stellte den Motor ab und stieg aus dem Wagen.

„Sie hätten anrufen können, Dr. Garner!"

Lucy wich einen Schritt vor dem großgewachsenen Mann zurück, dessen Augen von dunklen Ringen umgeben waren.

„Ich bin sicher, daß Sie mich am Telefon abgewimmelt hätten! Es geht um Ihre Fähigkeiten. Ich würde Sie gerne einmal untersuchen, wenn Sie das erlauben!"

Lucys Gesichtsausdruck wurde gleich verschlossen.

„Bei mir gibt es nichts zu untersuchen, Dr. Garner! Glauben Sie, daß ich mich in Ihre Hände begeben würde? Sie sind dafür verantwortlich, daß Ryan so früh sterben mußte! Bitte gehen Sie!"

Lucy drehte sich weg und wollte den Arzt stehen lassen, doch er packte sie von hinten und drückte ihr ein mit Äther getränktes Taschentuch auf Mund und Nase. Sie versuchte, sich zu wehren aber der Arzt war stärker und das Mittel bewirkte, daß sie ohnmächtig wurde.


Lucy wußte nicht, wieviel Zeit vergangen war, als sie endlich aus ihrer Bewußtlosigkeit erwachte. Sie lag festgeschnallt auf einem Krankenbett und war an Monitore angeschlossen, die ihre Hirntätigkeit aufzeichneten und den Kreislauf überwachten. Sie sah sich verwirrt um und stellte fest, daß sie in einem Zimmer gefangen war, daß provisorisch zu einem Labor umgestaltet worden war.

„Ah, Sie sind endlich wach! Willkommen in meinem kleinen Labor! Leider kann ich Sie nicht in die Klinik bringen, weil ihr sauberer Freund Luthor meine Entlassung erwirkt hat!"

Der Arzt stand neben ihrem Bett und sah triumphierend auf sie herunter.

„Lassen Sie mich gehen, Dr. Garner! Die Erforschung meiner Fähigkeiten wird Ihnen nichts nützen! Ich habe keinen Tumor wie Ryan! Sie werden höchstens meinem ungeborenen Kind schaden!"

„Arbeiten Sie schön mit mir zusammen, dann passiert Ihnen und dem Balg schon nichts! Sie sind mit dafür verantwortlich, daß ich meine Stelle verloren und keine Zukunftsaussichten mehr habe! Dafür werden Sie jetzt Wiedergutmachung leisten!"

Lucy sah an dem eingefallenen Gesicht des Arztes, daß Appelle an seine Menschlichkeit nicht fruchten würden. Sie betete im Stillen, daß sie noch in Smallville war, weil sie nicht wußte, ob sie sonst einen Kontakt herstellen konnte. Sie schloß die Augen und konzentrierte sich auf Lex, ihre ganze Kraft mußte sie auf ihn bündeln, damit er ihren Hilfeschrei auch bemerkte. Sie sandte ihren Hilfeschrei los in dem Moment, als die Geräte anfingen auszuschlagen und abnorme Tätigkeiten aufzuzeichnen. Dr. Garner bemerkte das und wußte nur eine Möglichkeit, das abzustellen; er sedierte seine Patientin erneut.


Lex war in seinem Büro in der Firma und ging einige Akten durch, die ihm die Sekretärin zur Durchsicht gebracht hatte. Er blätterte gerade eine Seite um, als ein unglaublicher Schmerz ihn durchzuckte und er mit einem Mal heftige Angst verspürte. Er meinte eine weibliche Stimme zu hören, die nach Hilfe schrie. Für einen Moment konnte er nichts mehr sehen, dann war alles wieder normal, bis auf die Tatsache, daß sein Herz heftig klopfte und er sich um Lucy Sorgen machte. Er griff nach dem Telefon und wählte die Nummer seines Vaters, da er wußte, daß Lucy ihm sein Handy bei den Sitzungen erlaubte.

„Luthor!

-Dad, ich bin es! Kannst Du mir sagen, ob Du gerade mit Lucy arbeitest?

-Nein, Lex! Ich wollte dich gerade anrufen und fragen, ob Du weißt, wo sie ist. Das Personal sagte mir, daß sie nicht von ihrem Morgenspaziergang zurückgekommen ist!

-Verdammt! Ihr muß etwas passiert sein! Bitte ruf den Sheriff an und laß feststellen, ob sie einen Unfall hatte! Ich habe ein komisches Gefühl bei der Sache! Ich melde mich später wieder!"

Lex legte auf, nahm seinen Autoschlüssel und stürmte an seiner Sekretärin vorbei.

„Bitte sagen Sie alle Termine ab, ich muß etwas Dringendes erledigen!"

Er rannte zu seinem Wagen und raste nach Hause, wo er den Weg nachging, den Lucy sonst immer ging. Er wollte schon zum Haus zurückgehen, als er etwas Blinkendes auf dem Feldweg entdeckte. Er ging in die Hocke und entdeckte das goldene Medaillon, das Lucy immer um ihren Hals trug. Es enthielt Miniaturen ihrer Eltern und sie hätte es nie freiwillig abgelegt. Lex fand auch Reifenspuren und Fußabdrücke, die auf einen Kampf deuteten. Sein Herz zog sich voller Panik zusammen.

Jemand hatte Lucy entführt!

Er rannte zurück zum Haus, um festzustellen, ob schon eine Lösegeldforderung eingegangen war, aber bisher hatte niemand angerufen. Ex machte sich Vorwürfe, daß er nicht daran gedacht hatte, daß sein öffentlich an ihr gezeigtes Interesse auch die Irren anlocken würde, die an sein Geld wollten. Er hätte sie besser beschützen müssen.

„Lex! Ich glaube, daß Lucy etwas zugestoßen ist!"

Clark holte ihn auf dem Weg ein und Lex drehte sich erstaunt zu ihm um.

„Woher... Hat sie versucht, mit dir in Kontakt zu treten?"

Lex bleiches Gesicht war voller Hoffnung auf seinen Freund gerichtet.

„Ja, während des Unterrichts! Es war wie ein heftiger Stromschlag, ich verspürte Angst und meinte, sie nach Hilfe rufen zu hören! Ich bin gleich hergekommen."

Lex hielt ihm das Medaillon hin, dessen Kette durchgerissen war.

„Das habe ich auf dem Feldweg gefunden, ein Wagen hat neben ihr gehalten und der Fahrer muß sie in einem Kampf überwältigt haben, bevor sie sich richtig wehren konnte!"

Clark legte ihm eine Hand auf die Schulter und versuchte Lex zu beruhigen.

„Wir finden sie! Ich glaube, daß sie noch in Smallville ist! Wer könnte Interesse daran haben, Lucy zu entführen?"

Lex schloß die kurz die Augen und sah dann seinen Freund betroffen an.

„Jemand, der an mein Geld will! Ich würde jeden Cent, den ich besitze für ihre Freilassung bezahlen! Verdammt, das ist meine Schuld! Ich hätte sie warnen müssen!"Lex knallte aufgebracht die Eingangstür hinter Clark ins Schloß.

„Hat man schon eine Lösegeldforderung gestellt?"

„Nein! Das ist ja das merkwürdige. Es könnte auch Rache sein für etwas, daß ich oder mein Vater verbrochen haben!"

Clark zog überlegend die Brauen zusammen und dachte kurz darüber nach.

„Ich glaube nicht, Lex! In beiden Fällen würde die Person, dich das wissen lassen! Es kann nur um Lucy direkt gehen! Hat sie irgendwelche Feinde?"

Lex lachte freudlos: „Feinde? Lucy doch nicht, sie hat nie jemandem weh getan!"

Lex riß die Augen auf und schlug sich auf die Stirn.

„Dieser Dr. Garner! Ryan hat mich vor ihm gewarnt. Als Lucy ihn von dem Jungen fernhalten wollte, hat sie ihre Fähigkeiten eingesetzt! Ryan sagte, daß Dr. Garner sich sehr dafür interessieren würde!"

„Weißt Du, wo Dr. Garner ist?"

Lex schüttelte den Kopf und wies Clark an, ihm in sein Büro zu folgen.

„Nein, ich habe ihn aber angezeigt und damit erreicht, daß er entlassen wurde! Wir werden feststellen, ob er irgendwo in der Nähe ist!"


Dr. Garner hatte sie ein zweites Mal sediert und drohte ihr Schlimmeres an, wenn sie ihre Fähigkeiten weiterhin einsetzte, ohne ihm zu erklären, was sie damit erreichte. Lucy war sich jedoch sicher, daß sie Lex und Clark erreicht hatte und blieb passiv auf dem unbequemen Bett liegen.

„Erklären Sie mir, wie Ihre Fähigkeiten funktionieren, Miss Santiago!"

Dr. Garner setzte sich an das Bettende, in sicherem Abstand von ihren Händen, die er für die größte Bedrohung hielt.

„Meine Fähigkeiten haben keinen medizinischen Ursprung, sie sind einfach übersinnlich! Ich habe sie von meiner Großmutter geerbt, mehr weiß ich auch nicht! Ich habe sie nie hinterfragt!"

Lucy sah ihn wütend an und zerrte an ihren Fesseln.

„Lügen Sie mich nicht an, Miss Santiago! Ich weiß, daß sie zur Zeit des Meteoritenregens hier in Smallville waren! Seitdem haben sich Ihre Fähigkeiten bestimmt verändert!"

Der Arzt lächelte ungerührt auf sie herunter, weil er wußte, daß sie die Fesseln nicht lösen konnte. Damit wurden sonst Patienten, die eine Gefahr für sich selbst oder andere waren, an ihre Krankenbetten gefesselt.

„Ja, ich bin älter geworden und die Fähigkeiten sind mit dem Heranwachsen auch größer geworden. Mein Vater sagte mir, daß das nun einmal so sei! Ich kann Ihnen bei Ihren Forschungen nicht helfen, vergessen Sie das!"

Lucy hatte bemerkt, daß ihre Fußfesseln ihr genügend Spielraum boten, Körperkontakt zu dem Arzt herzustellen, deshalb steigerte sie sich in einen Wutanfall. Sie sammelte alle negativen Gedanken und Ängste und bündelte sie, um damit den Arzt angreifen zu können.

Sie dachte an das gefährdete Leben unter ihrem Herzen und an Lex, den sie bald verlassen mußte. Sie schob ihren rechten Fuß zur Seite und berührte den Arzt am Oberschenkel. Er wurde von einer Schmerzwelle überrollt, die ihn auf das Bett fallen ließ, so daß Lucy beide Füße in ihm rammen konnte und damit unerträgliche Schmerzen in ihm auslöste. Dr. Garner schrie wie ein Wahnsinniger, litt unter schmerzhaften Krämpfen und verlor das Bewußtsein. Lucy hielt den Kontakt, damit er nicht so schnell wieder das Bewußtsein erlangte. Mit ihren Fähigkeiten konnte sie verhindern, daß er die Schwelle des Bewusstseins überschritt.


Lex und Clark hatten die Spur des Arztes bis zu einem Haus in Smallville verfolgt, das er vor zwei Wochen gemietet hatte. So schnell es sein Auto erlaubte, waren die beiden dorthin gerast und stürmten das Haus. Sie hörten gellende Schmerzensschreie aus dem Obergeschoß und rannten beide die Treppe hoch zu dem Zimmer, in dem Lucy an das Bett gefesselt war. Lex stürzte sofort zu Lucy, die den Arzt mit ihren Fähigkeiten überwältigt hatte.

„Liebling! Geht es dir gut?"

Lex umfaßte ihr blasses Gesicht und sah ihr besorgt in die schreckgeweiteten Augen.

„Ja, Lex! Mir ist nur etwas mulmig von der Narkose, die mir der Kerl verpaßt hat! Kannst Du mich losmachen?"

Lex befreite Lucy mit grimmiger Miene von ihren Fesseln und den Sonden an ihrem Körper, während Clark den Arzt auf einen Stuhl verfrachtete. Dr. Garner hatte ihr nur die Unterwäsche angelassen und darüber ein Untersuchungshemd angezogen, so daß Lucy in dem schlecht geheizten Raum fröstelte, Lex zog sein Jackett aus und zog es ihr über. Irgendwie war das ein Déjà-vu, denn mit einem seiner Jacketts hatte ja alles zwischen ihnen angefangen.

„Weißt Du, wo deine Sachen sind?"

„Nein, leider nicht! Ich war bewußtlos und als ich aufwachte, lag ich schon hier!"

Lucy schmiegte sich zitternd an seine starke Brust. Lex hielt sie fest und rief den Sheriff über sein Handy an, damit er einige Leute herschickte.

„Soll ich dich nach Hause bringen? Clark kann der Polizei alles erklären!"

Lex küßte sie auf die Schläfe und hielt sie weiter fest in den Armen.

„Ich warte, bis die Polizei kommt! Sie sollen sehen, was dieser Irre mit mir gemacht hat! Er war vollkommen außer sich, weil er seinen Job durch dich verloren hat! Er hat gedacht, daß ich meine Fähigkeiten nur einsetzen kann, wenn ich die Menschen mit meinen Händen berühre. Das war sein Fehler, wenn er aufwacht, wird er desorientiert sein und große Schmerzen haben!"

„Was sagen wir der Polizei?"

Clark setzte sich neben die beiden auf das Bett und sah Lex fragend an.

„Nun, daß Dr. Garner sich an mir rächen wollte, indem er Lucy entführt und sie quält. Keiner wird ihm glauben, wenn er erzählt, daß Lucy ihn durch eine bloße Berührung überwältigt hat. Ich sage einfach, daß ich ihn mit einem Schlag auf den Kopf ausgeknockt habe, um ihn zu überwältigen! Einverstanden?"

Die drei hielten sich an die Aussage und der benommene Zustand des Tatverdächtigen bestätigte nur ihre Worte. Er erweckte wirklich den Eindruck, einen Schlag auf den Schädel bekommen zu haben. Lex brachte Lucy dann nach Hause, wo er ihr anordnete ein heißes Bad zu nehmen und sich dann hinzulegen.

Er rief in der Zwischenzeit den Sheriff an, um zu fragen, wann Lucy ihre Aussage machen sollte.

„Das hat keine Eile, Mr. Luthor! Dr. Garner ist geständig, wenn auch etwas verwirrt. Er faselt ständig davon, daß Miss Santiago ihn durch eine Berührung schachmatt gesetzt hat! Ich glaube, der Streß war zuviel für ihn! Sie sollten vielleicht einen Arzt zu sich kommen lassen. Dr. Garner hat vorhin beteuert, daß er Miss Santiago und dem Kind nichts antun wollte! Daß die Narkose für eine Schwangere nicht gefährlich war!"

Lex bedankte sich beim Sheriff und legte benommen auf.

Lucy erwartete ein Kind?

Er bedeckte seine Augen mit beiden Händen und versuchte, den Schock zu überwinden, den diese Nachricht in ihm auslöste. Er verstand auf einmal, warum Lucy oft übel war, warum sie die Besinnung bei Ryans Beerdigung verloren hatte und warum sie ihn verlassen wollte. Heute hätte er sie beinahe verloren, denn Dr. Garner war nur an Forschungsergebnissen interessiert und ging dafür auch über Leichen, wie Ryans Tod ja bewies. Und jetzt hatte er sie zurück und mit ihr ein aufkeimendes Leben, das sie beide gezeugt hatten.

Er ließ die Hände sinken und sah hinaus in den blauen Himmel, der eine strahlende Zukunft für ihn verhieß. Mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen, griff er in seine Schreibtischschublade und holte das kleine Etui heraus, das er dort schon eine Woche aufbewahrte. Mit dem Etui in der Hand ging er hoch in sein Zimmer, wo Lucy jetzt wohl schon in seinem Bett lag. Er schob die Tür leise auf und entdeckte sie in einen warmen Morgenmantel gehüllt auf dem Fenstersitz. Sie hatte das Bild von ihm und seiner Mutter in der Hand und betrachtete es versonnen.

Lex schlich sich an sie heran und flüsterte dann: „Was glaubst Du? Ob unser Kind auch solche Haare bekommen wird?"

Lucy fuhr erschrocken zu ihm herum und starrte ihn an.

„Lex! Was meinst Du?"

Sie versuchte, den Sinn seiner Worte zu erfassen und die Sorge zu verbergen, er könnte herausbekommen, daß sie schwanger war. Lex setzte sich hinter sie und umschlang sie mit seinen Armen.

„Ich weiß, daß Du unser Kind erwartest! Dr. Garner hat es ausgeplaudert! Warum hast Du es mir nicht gesagt?"

Er schmiegte seine Wange an ihre und hielt sie weiterhin sehr fest an sich gedrückt.

„Ich hatte Angst! Ich will dich damit nicht unter Druck setzen, Lex! Wir haben nie über die Zukunft gesprochen, und ich kann verstehen, wenn Du dich nicht verpflichten möchtest!"

Lex spürte eine heiße Träne an seiner Wange und küßte sie weg.

„Tut mir leid, Liebling! Ich bin ein Idiot! Du bedeutest alles für mich! Ich bin fast verrückt geworden, als ich festgestellt habe, daß Du entführt wurdest! Ich hatte Angst, daß ich dir nicht mehr sagen kann, wieviel Du mir bedeutest! Ich wollte es die ganze Zeit tun, war aber zu feige dazu!"

Lucy drehte sich zu ihm um und sah ihn mit strahlenden Augen an. Er zog das Etui aus der Hosentasche und öffnete es. Darin lag ein wunderschöner Ring, der mit einem glitzernden Smaragd geschmückt war.

„Das ist der Verlobungsring meiner Mutter! Sie hat ihn mir während ihrer Krankheit anvertraut und gesagt, daß ich ihn der Frau an den Finger stecken soll, die ich von ganzem Herzen liebe! Möchtest Du meine Frau werden?"

Lex lächelte sie liebevoll und mit glänzenden Augen an, die ihr eigenes Glück widerspiegelten.

„Ja, Lex! Ich liebe dich über alles!"

Sie umarmte ihn und küßte ihn zärtlich, während sie ihre Sinne öffnete und ihre gesamten Gefühle zu ihm herübergleiten ließ. Lex fühlte sich leicht berauscht, als sich ihre Lippen voneinander lösten, doch er war auch überglücklich, daß nichts mehr zwischen ihnen stand. Er nahm ihre rechte Hand und steckte ihr den kostbaren Ring an den Finger, der wie für ihre Hand gemacht schien. Sie schmiegte ihre Wange an seine Schulter und so blieben sie eine ganze Weile eng aneinander geschmiegt in ihr Glück versunken.


Lex hatte auf einer schnellen Trauung bestanden und so fiel der Hochzeitstermin auf den 24. Dezember. Sie feierten in aller Stille, nur mit den engsten Freunden, die in die Luthor Villa eingeladen wurden, Lex hatte sogar dafür gesorgt, daß Paco und sein Lebensgefährte eingeflogen wurden, was Lucy am Morgen schon zu Tränen gerührt hatte.

Die Zeremonie wurde in einem festlich geschmückten Salon abgehalten, praktisch unter dem riesigen, glitzernden Weihnachtsbaum.

Jonathan Kent übergab die Braut auf ihren Wunsch hin, er war ja schließlich so etwas wie ein Ersatzvater für sie.

Sie trug ein Kleid im Empire-Stil aus fließender, elfenbeinfarbener Seide und die Haare offen, weil Lex es sich so gewünscht hatte. Sie strahlte glücklich, als Jonathan sie Lex überreichte und versank in seinen liebevoll blickenden Augen. Sie war kein bißchen nervös, sondern der absoluten Überzeugung, den richtigen Schritt zu tun. Ihr zukünftiger Ehemann sah einfach überwältigend in seinem Smoking aus. Wenn er nicht sein typisches, schiefes Grinsen auf den Lippen gehabt hätte, wäre Lucy der Überzeugung gewesen, das alles sei nur ein wundervoller Traum.

Lana und Chloe, die Brautjungfern waren, wischten sich verstohlen ein paar Tränen von den Wangen sowie auch Martha Kent, die sich an Jonathans Arm festhielt.

Clark war Lex' Trauzeuge und diesmal mit ganzem Herzen bei der Sache, er spürte deutlich die Liebe zwischen den beiden und freute sich darauf, bald einen kleinen Luthor im Arm halten zu dürfen. Ryan hatte ihm Lucys Geheimnis anvertraut, weil der Junge der Meinung gewesen war, daß mindestens eine Person in Smallville darüber Bescheid wissen sollte.

Sogar Lionel Luthor schien mit der Wahl seines Sohnes einverstanden zu sein, da er diesmal keinen Ehevertrag von der zukünftigen Mrs. Luthor verlangt hatte. Der Friedensrichter segnete das Paar und dann tauschten sie den ersten Kuß als Eheleute. Jeder konnte in ihren strahlenden Gesichtern sehen, daß sich die beiden von Herzen liebten.

„Nun, Mrs. Luthor? Glücklich?", wisperte Lex an ihren Lippen und umfaßte ihr strahlendes Gesicht.

„Ja, sehr! Ich liebe dich! Wir werden bald eine Familie sein, Lex! Ich bin überglücklich, dich gefunden zu haben!"

Sie stellt sich auf die Zehenspitzen und küßte ihn zärtlich. Ihre Freunde ließen das Brautpaar hochleben und Pete und Clark bewarfen sie lachend mit etwas Reis, während die anderen Gäste dem Brautpaar ihre Glückwünsche aussprachen.

THE HAPPY END

P.S.: Es folgt noch ein Epilog!