Antwort auf caligo corvus' Challenge 'Snape&Hai'...
Und bevor ich's vergesse: Der Titel stammt
aus einem wunderbaren Gedicht von E.E. Cummings.
It's always ourselves we find in the Sea
No more sun, no more wind.
Only a strange feeling,
leaving without moving.
I'll try another World
and the sky slowly fades in my mind.
Just like a memory.
No regrets, no tears.
Only a strange feeling,
slipping without falling.
I'll try another World
where the water is not blue anymore,
another reality.
No more reasons, no fears
Only this strange feeling,
giving without thinking.
-Eric Serra, My Lady Blue-
Salz und Wind und Gischt auf seinen Lippen. In seinen Augen. In seinem
Haar. Bis zur Brust in weicher, tröstender Kühle, die auf der Haut
flüstert wie lebendiges Glas, beruhigend über Narben leckt und sanft
den Körper streichelt, der sich sonst von niemandem berühren lässt.
Eine Welt, die sich bereitwillig und ohne Zögern für ihn öffnet, ihn
akzeptiert und willkommen heißt. Ihn, der in seiner eigenen Welt
nirgendwo akzeptiert wird. Der sonst überall unwillkommen ist.
Überall.
Außer in dieser alles gebend, aber nichts nehmenden, in der niemals
fragend, aber alles verzeihenden Umarmung, die ihm jedesmal aufs Neue
die Tränen in die Augen treibt und er nicht einmal sich selbst mehr
einreden kann, es sei nur Meerwasser, das ihm über die bleichen Wangen
läuft. Ihm, der mit jeder Faser seines Seins daran glaubt, die Gnade
des Weinendürfens verwirkt zu haben. Vor langer Zeit bereits und für
immer. Doch was ihm in seiner eigenen Welt als unumstößlich erscheint,
hat hier keine Gültigkeit. Was noch vor einer Stunde unausweichlich war,
ist hier ohne Bedeutung. Hier scheint sich die Zeit anders zu
bewegen, das Licht tiefer zu gehen, Bewegung fließender zu sein. Der
Schwerpunkt der Wahrnehmung, des Fühlens und des Denkens verschiebt
sich. Der Fokus des gesamten, allen Seins ist ein anderer. Und darum
ist es ihm hier erlaubt, die selbstauferlegten Sanktionen gegen sich zu
beugen. Darum darf er hier die Trauer, die in ihrem sonstigen
erzwungenen Schweigen sein Inneres zu Asche verbrennt, aus ihren
Fesseln der Bitterkeit entlassen. Hier kann er es wagen, den Schmerz
seiner Vergangenheit loszulassen und nachzufühlen, was darunter
begraben liegt. Sich ungeachtet dessen, was geschehen ist, die Momente
der reinen, puren Freude zuzugestehen, ohne die er schon vor
Jahrzehnten den Verstand verloren hätte. Nur hier hat er den Mut dazu.
Hier kann er nicht anders.
Er, der ohne die eiserne Kontrolle über seinen Körper und Geist schon
längst nicht mehr am Leben wäre. Ohne den stahlharten Griff, mit dem er
sein komplettes Sein in der Hand hat - und der hier innerhalb kürzester
Zeit zu einer zarten Liebkosung für seine eingekerkerte Seele wird.
Heute ist das nicht anders. Er kann sie schon spüren, die wilde
Vorfreude, die von innen gegen die bereits bröckelnden Mauern seiner
Selbstbeherrschung brandet; und er lässt sich von diesen Momenten der
sich ständig steigernden Erwartung fortreißen, genießt jede Sekunde
ebenso, wie er in der reinen Ekstase schwelgen wird, von der er weiß,
dass sie auf ihn wartet.
Das hier ist seine ganz eigene Magie, ein Zauber ganz ohne hölzernes
Medium oder seine geliebten Tränke, ein Ritual, das nur ihm allein
gehört und gehorcht. Unbefleckt durch den fauligen Atem aus dieser
anderen Welt, unberührt von seinen grauenerregenden Taten, noch nicht
gedemütigt, verhöhnt, unterworfen, verachtet. Und er wird alles tun,
alles geben, alles opfern, um diese eine Zuflucht, die er fähig war,
für sich selbst zu retten, in ihrer Reinheit zu bewahren.
Darum gibt es auch nur einen einzigen weiteren Menschen, der weiß,
wohin er sich ein- bis zweimal im Monat zurückzieht, und warum. Als ob
es heute gewesen wäre sieht er den sanft prüfenden Blick aus diesen
blauen Augen auf sich ruhen, spürt immer noch die mit so viel
Befürchtung, Abwägung und Hoffnung zitternde Stille, die nach seinem
Geständnis nach ihnen beiden gegriffen hatte. Albus hatte schon bei
weitem schwerwiegendere Beichten von ihm zu hören bekommen, und
dennoch hatte diese ein Gefühl der Verletzlichkeit in ihm geweckt, wie
es noch keine bisher getan hatte. All seine vorherigen Bekenntnisse
hatten nur die Welt betroffen, die ihn ohnehin schon lang verurteilt
und verstoßen hatte, Albus' und Voldemort's Welt, die Welt von Gut und
Böse. Die Welt, die für ihn verloren war. Doch mit der Preisgabe des
einzigen Asyls, das ihm sein Leben noch bot, hatte er dem mächtigsten
Zauberer ihres Zeitalters eine unbeschreiblich wirksame Waffe gegen
sich selbst in die Hand gegeben, hatte mehr riskiert und sich weiter
entblößt als jemals gut für ihn sein konnte. Er wusste damals nicht, ob
sich Albus des Ausmaßes der Verwundbarkeit bewusst war, die er selbst
durch sein Geständnis heraufbeschworen hatte. Ob die einzige Person,
der er jemals vertraut hatte sich darüber klar war, dass sich ihr
soeben ein Mensch voll und ganz ausgeliefert hatte. Heute, wenn er an
diese Minuten des ungewissen Schweigens zwischen ihnen zurückdenkt,
weiß er, wie falsch es von ihm war, auch nur einen Augenblick an dem
anderen Mann zu zweifeln. Er wusste es schon damals, in dem Moment als
das Lächeln begann, in Albus' Augen aufzuleuchten, voll von Verstehen
und stummen Versicherns.
Er spürt jetzt, dass es bald soweit sein muss, dass dieses Luftholen
eines der letzten sein wird, und nicht nur deswegen richtet er seine
gesamte Konzentration auf den tiefen Atemzug, den er jetzt nimmt. Er
glaubt den Sauerstoff auf seinem Weg zu den Lungen zu spüren, wie er
sein Inneres kühlt, so wie es das Wasser von außen tut. Der brodelnde
Zorn, der sonst durch seine Adern kocht, fällt dieser erfrischenden
Berührung ebenso zum Opfer wie der heiße Schmerz oder die brennende
Gewissheit des Zurückgewiesenseins, seine ewige, treue Begleiterin,
seit er denken kann.
Doch nicht hier.
Niemals hier.
Immer wieder raubte ihm diese Erfahrung den Atem, ließ ihn sprachlos
vor diesem Wunder stehen während das einmalige Gefühl des
Angenommenseins über und durch seinen Körper floss, flutete und strömte.
Wie eine seltene Perle hütet er die Erinnerung an die Neumondnacht
seines vierzehnten Geburtstags, als er das erste Mal, mit wild gegen
seinen Brustkorb trommelndem Herzen, nackt durch die samtene, dunkle
Nässe glitt. Zuerst auf seinen leicht zitternden Beinen; doch später
waren da keine Beine mehr gewesen. Nichts mehr war gewesen außer
jubelndem, pulsierendem, überschäumendem Glück. Er wusste nicht, weiß
es bis heute nicht, was er getan hat, sich dieses wertvolle Geschenk
des bedingungslosen Willkommenseins zu verdienen, und nur ganz tief in
ihm rauscht eine leise Ahnung, dass es Kategorien wie Geben und Nehmen
hier nicht gibt. Kein Abrechnen, kein Aufrechnen. Kein Gut oder Böse.
Nur das Sein zählt hier. In welcher Form auch immer. Das Leben.
Sein Leben.
Der Nachtwind hat das Meerwasser auf seinem Gesicht und seinen
Schultern getrocknet, und er spürt die dünne Salzschicht, die die
streichelnde Luft dort hinterlassen hat. Unfähig zu widerstehen, lässt
er seine Zunge langsam über seine Lippen gleiten, schmeckt das würzige
Versprechen, das auf ihnen liegt, fühlt, wie sich das Begrüßungsritual
dem Ende entgegen neigt. Unendlich vorsichtig legt er die Handflächen
auf die bebende, seidigweiche Nässe um ihn herum und spürt, wie ein
Schauer durch seinen eigenen Körper läuft. So sehr er das allmähliche
Anschwellen des Zitterns der Vorfreude liebt und dankbar ist für jede
Minute, er wird nicht mehr lange warten können. Bald. Bald...
Albus Augen tanzen wieder vor ihm, blau wie das Meer bei Tag. Die Frage,
die ihm der andere Zauberer gestellt hatte, Jahre nach seiner
Enthüllung über diese letzte Zuflucht, spiegelt sich darin wie die
Sonne auf den Wellen. Warum, von all den Möglichkeiten, die in ihrer
atemberaubenden Schönheit vor ihm gelegen hatten, von all den
wunderbaren, unzähligen Wesen des Wassers, warum ausgerechnet dieses?
Er weiß, was hinter dieser Frage steht. Seine Existenz in Albus' Welt
ist eine einsame, verschmäht und blutgetränkt. Er lebt dort ein Stigma,
ist ein Aussätziger. Ein Mörder. Ein Räuber. Er wird gehasst für das was
er ist, verachtet für das, was er nicht ist.
Warum hat er sich, als er die Wahl hatte, noch einmal für eine solche
Form der Existenz entschieden? Wieder blutig? Wieder allein? Wieder
gefürchtet? Wieder ein Räuber?
Unzählige Antworten hätte er Albus bieten können, eine so oberflächlich
wie die nächste. Da wäre der lange, schlanke Körper gewesen, die
Eleganz, die wehtat in ihrer Perfektion. Oder die ständige Wachsamkeit,
die nie enden wollende Ruhelosigkeit. Die gnadenlose Effektivität, die
fehlerlose Anpassung an widrigste Bedingungen. Die S-förmigen Zähne.
Die wahre Antwort war eine ganz andere, und sie war so einfach. Nichts
wird ihm jemals weismachen, dass Albus sie nicht bereits wusste, bevor
er ihm diese Frage damals überhaupt gestellt hatte.
Diese Wahl, seine Wahl hatte er so vor Jahrzehnten getroffen, weil
er sie hier treffen konnte. Aus der anderen Welt hatte er sein
besudeltes Leben mit hierher gebracht, und es war dennoch willkommen
gewesen. Er hatte hier gestanden, bis zur Brust in weicher, tröstender
Kühle, mit all der Verachtung, dem Hass und der Zurückweisung, die an
ihm geklebt hatte, und er wurde dennoch angenommen. Niemand und Nichts
erwartete Läuterung von ihm, Selbstkasteiung oder Reue. Keine Vorwürfe,
keine Ablehnung, Keine Abscheu. Keine Forderungen, etwas sein zu müssen,
das er nie wieder würde sein können.
Und so blieb er auch hier einfach der, der er war.
Ohne verachtet, und ohne gehasst zu werden.
Sein Herz rast jetzt, und sein Kopf sinkt nach hinten. Der zunehmende
Mond glüht durch seine nur halb geschlossenen Augenlider, verwandelt
das Wasser in eine schimmernde, irisierende Oberfläche aus Dunkelheit
und flatternden Lichtern, die seine Sehnsucht anfachen, bis es in jeder
Faser seines Seins schmerzt. Der schweigende Ruf, der ihn jetzt aus
allen Richtungen erreicht, wogt durch sein Bewusstsein und drängt ihn
sanft vorwärts ins noch tiefere Wasser. Den Kopf immer noch im Nacken
folgt er dem lockenden Flüstern überall um ihn herum. Noch einen
Schritt...noch einen...er spürt, wie er allmählich den Boden unter den
Füßen verliert, wie sich die Magie in seinem Geist sammelt...noch ein
Schritt...und dann ist da nichts mehr, was ihn tragen könnte, und er
entlässt den machtvollen Zauber in seinen Körper...fühlt sich sinken,
sinken, sinken...und dann schwimmen...gleiten...schweben.
Er weiß nicht, dass seine Rückenflosse kurz durch die wie flüssiges
Silber schimmernde Oberfläche schneidet, bevor er endgültig abtaucht,
in seine andere Welt, für einige wenige Stunden.
Nur noch die Augen erinnern jetzt an den Mann, der vor einigen Minuten
die Bucht hinaus gewatet war. Augen, schwarz wie das Meer bei Nacht.
Grenzenloses Glück spiegelt sich darin wie der Mond auf den Wellen.
