Kapitel 6

Wie lange Miriel geschlafen hatte wusste sie nicht. Wenn man es überhaupt schlaf nennen konnte, er hatte rein gar nichts erholsames, ein Albtraum jagte den anderen, bei jedem Geräusch schreckte sie hoch ur um kurz darauf wieder in den nächsten Schreckenstraum zu schlittern.

Geweckt wurde sie durch einen unsanften Fußtritt.

„Aufstehen Püppchen, der Käpten wartet."

Mühsam kämpfte sie sich hoch

In der Zwischenzeit war der Pirat wieder an der Treppe nach oben angelangt.

„Komm her, keine falsche Scheu!"lockte er mit zuckersüßer Stimme.

Zögernd machte Miriel einen kleinen Schritt nach hinten. Dieser lauernde Unterton in seine Stimme gefiel ihr gar nicht.

„Ich habe gesagt, dass du herkommen sollst!"brüllte der Mann kam mit langen Schritten auf Miriel zu und schlug sie mitten ins Gesicht.

Von der Wucht des Schlages wurde sie an die Wand geschleudert und sank langsam zu Boden. Doch unbarmherzig packte der Pirat sie am Arm, zog sie hoch du zehrte sie zu Jack.

Dort wurde Miriels Hände mit denen von Jack zusammen gebunden und beide bekamen einen kräftigen Schlag ins Kreuz, der sie aus der Zelle zur Treppe stolpern ließ.

An Deck herrschte, trotz der frühen Stunde, reges Treiben. Die Sonne war noch nicht ganz aufgegangen und über der Wasseroberfläche schwebten Nebelschwaden, die sich wie kleine Gespenster drehten.

„Gut geschlafen, meine Liebe?"fragte der Käpten und ließ damit Miriel zusammenschrecken. Er brach in höhnisches Gelächter aus.

„Zittere, mein Täubchen, denn dies werden deine letzten Stunden sein!" flüsterte er.

„Ach ja, und Jack, hoffentlich hast du dich mit der Kleinen vergnügt, dass war auch deine letzte Gelegenheit. Männer zu den Booten!"

Die Mannschaft stürmte, mit lautem Gejohle los.

An Land schlugen die Piraten einen schmalen Trampelpfad ein. Miriel war sich sicher: Hätte jemand diese Gruppe gesehen er hätte es höchst komisch gefunden. Im Gänsemarsch folgten sie dem Pfad, der Käpten als erster, danach jede Menge Piraten, in der Mitte Jack Sparrow und Miriel und danach wieder Piraten.

Es war eine sonderbare Prozession doch die Korsaren wussten was sie taten: Die Chancen zu einer Flucht waren gleich Null! Erste hätten die beiden, so zusammengebunden nicht schnell rennen können und zweites mussten die Piraten nur einen Arm ausstrecken um ihnen den Weg abzuschneiden.

Von fern hörte Miriel ein leises Rauschen, dass langsam näher kam und mit der Zeit zu einem tosendem Donnern anschwoll.

Nach einer Biegung sah sie den Ursprung des Lärmes:

Ein riesiger Wasserfall donnerte in den Fortsatz des Anduins.

Aber das war eine Sackgasse!

Als wenn der Käpten ihre Gedanken lesen könnte schaute er sie geheimnisvoll grinsend an, ging zu der Steilwand direkt neben den Wasserfall und teilte den Efeu der darüber wucherte. Dahinter kam der Eingang zu einer Höhle zum Vorschein.

Nun ist es zu spät.

Dachte Miriel als sie durch die Öffnung trat.

Hier komm ich nie wieder raus.

Die Grotte war groß, sehr groß sogar, doch in der Mitte stand ein langer, breiter Felsblock an dessen Seite hässliche braune Striemen, wie von irgendeiner Flüssigkeit, entlang liefen.

Zu genau diesem Felsblock wurde sie geführt und mit Hilfe von Lederriemen fest geschnallt. Jack wurde in einen dunklen Teil, weiter hinten in der Höhle von zwei Männern fest gehalten.

Der Rest der Korsaren bildete einen Kreis um den Fels auf dem Miriel lag und der Käpten trat in die Mitte.

„Piraten, Jack, wertes Fräulein."Er neigte sich spöttisch zu Miriel

„Heute ist wieder mal der Tag gekommen an dem wir unser Leben für weitere 20 Jahren sichern werden."

Plötzlich war die gesamte Höhle von einem Lied erfüllt, das sie Piraten angestimmt hatten. Erst war es nur ein Flüstern und Gemurmel, doch je länger es dauerte desto lauter wurde es und brachte die Höhle zum dröhnen. Dabei bewegten sie sich im Kreis, doch leider oder vielleicht besser zum Glück konnte Miriel nicht sehen, wie sich dabei ihre Gesichter veränderten. Sie verzehrten sich zu unheimlichen Fratzen und hatten bald nichts menschliches mehr an sich.

Doch im Bruchteil einer Sekunde waren die Gesichter plötzlich wieder normal, nur ein bleiches Feuer in den Augen der Piraten zeigte die Veränderung, die mit ihnen vorgegangen war.

Doch im selben Moment fing der Ring an Miriels Hand an zu glühen und wurde fast unerträglich heiß.

„Das Ende ist nahe!"zischte die kalte Stimme des Käpten an Miriels Ohr.

Er hatte sich direkt vor ihr aufgebaut und blickte mit großer Genugtuung auf sie nieder, weidete sich an der Angst seines Opfers.

In der Hand hielt er einen langen Dolch. Damit ritzte er dem Mädchen fremdartige Zeichen in Arme und Schultern. Dann nahm er einen Krug mit einer seltsam riechenden Flüssigkeit darin und schüttete den gesamten Inhalt in einem Schwall über Miriel.

Sie schrie, schrie wie noch nie in ihrem Leben. Die Flüssigkeit brannte auf ihrer Haut wie flüssiges Feuer, fraß sich in ihre Wunden und ließ Miriel sich in Krämpfen winden, soweit dies die Riemen zuließen.

Nach einigen Minuten, die ihr wie eine Ewigkeit vorgekommen waren, blieb sie halb betäubt vor Schmerz erschöpft liegen. Darauf hatte der Käpten gewartet und holte zum entscheidenden Stich aus.

Schicksalsergeben schloss Miriel die Augen und wartete darauf von ihren Schmerzen erlöst zu werden.

Doch nichts geschah, nur etwas warmes, dickflüssiges streifte ihr Gesicht.

Vorsichtig blinzelte sie nach obern und hätte fast aufgeschrien:

In der Kehle der Käpten steckte ein Pfeil.