Kapitel 4

Das Begräbnis war erst zwei Wochen nach Rays Tod. Da Ray es so wollte, wurde er in Kushiro auf Hokkaido begraben. Die Stadt lag direkt am Pazifik und auch der Friedhof war sehr nah beim Meer. Es war wirklich schön dort. Ray war zwar nie in Kushiro gewesen, doch er hatte von Bekannten und Freunden von der Schönheit dieser Stadt gehört. Und wahrhaftig, es war ein schöner Ort für ein Begräbnis. Mariah hatte das mit den Blumen geregelt und sie hatte gute Arbeit geleistet. Weiße, pastellgelbe und rote Rosen. Und die Trauergäste kamen alle in Schwarz. Alle waren gekommen, Tyson, Max, Kenny, Ray, Hilary, die White Tigers, die All Starz, die Majestics, Mr. Dickenson und sogar Tala. Nicht zu vergessen alle Fans, die Ray hatte. Es war zwar sehr ungewöhnlich für einen Japaner, doch Ray war Katholik gewesen, kein Buddhist. Daher wurde er auch katholisch bestattet.

Es war ein wunderschönes Begräbnis im Freien an einem trüben Freitagnachmittag.

Kai hatte seit Rays Tod kaum noch ein Wort gesprochen. Es war sehr schwer für ihn, den Verlust seines besten Freundes zu verkraften. Doch auch für die anderen war es nicht gerade einfach. Immer wieder dachten sie an die schönen Zeiten, die sie mit Ray verbringen durften.

Eigentlich hätte Kai die Grabrede halten sollen, doch da er dazu nicht in der Lage war, tat Lee es. Es war zwar schwer für ihn, doch er tat es Ray zu Liebe.

Anschließend an das Begräbnis fand natürlich noch der Leichenschmaus statt. Doch da sich Kai nicht in der Lage dazu fühlte, mit den anderen mitzugehen, machte er sich auf den Weg zum Hotel, um dort etwas allein zu sein. Am Abend ging er dann noch einmal zum Friedhof, um sich ganz persönlich von Ray zu verabschieden.

„Ray. Ray, wenn du mich jetzt hörst... bitte... mach dir keine Sorgen... ich werde gut auf Driger aufpassen, das verspreche ich dir", Kai wusste, dass Ray ihn hören würde, und er war sich sicher, dass er es dort, wo er jetzt war, sehr gut haben würde. Erst jetzt holte Kai Driger aus seiner Tasche und hielt ihn fest in seinen Händen. Erst als er ihn wieder losließ, bemerkte er, dass Drigers BitChip leuchtete. Gebannt starrte er darauf, doch dann hörte der BitChip auf zu leuchten. Ein leichtes Lächeln glitt über Kais Lippen. Dann richtete er sich auf und machte sich auf den Weg zurück. Während des Gehens drehte er sich noch einmal um. „Ray, wir sehen uns wieder. Warte auf mich, bitte", flüsterte er fast unhörbar.

Bereits am Abend des nächsten Tages flogen die Bladebreakers wieder zurück nach Tokio. Kai begab sich in sein Bett und dachte nach. Seine Tasche wurde später von Max ausgepackt.

Tyson, Max und Kenny saßen noch im Wohnzimmer und spendeten sich gegenseitig Trost, während Hilary nach Hause gegangen war.

Am nächsten Morgen stand Kai als erster auf, obwohl er in der Nacht kaum geschlafen hatte. Er holte einen Koffer aus seinem Schrank und begann seine Sachen zu packen. Max war währenddessen aufgewacht und ging auf den Weg zum Badezimmer bei Kais Zimmer vorbei. „Was hast du vor?", fragte er verwirrt, als er Kai Koffer packen sah.

Kai fuhr erschrocken hoch. Jedoch wandte er sich schnell wieder seiner Arbeit zu. „Ich habe beschlossen, nach Russland zu gehen", erwähnte er kalt. „Und warum, wenn ich fragen darf?", Max war etwas erschrocken, doch er klang weiterhin ruhig. „Geht dich nichts an", fuhr Kai ihn an. „Hey Kai, du kannst doch nicht einfach so weggehen und keinen Grund dafür nennen!", Max hatte sichtlich die Fassung verloren. „Du siehst doch, dass ich es kann", erwiderte Kai schroff. Max schüttelte fassungslos den Kopf und starrte Kai ungläubig an. Dann wandte er sich ab und ging ins Badezimmer, wo er eigentlich hin wollte. Kai packte unbeeindruckt weiter seinen Koffer.

Als dann schließlich auch Tyson und Kenny wach waren, und sich alle zum Frühstücken versammelt hatten, verkündete Kai die Neuigkeit, ganz zur Verwunderung Max'.

„Ich werde wieder nach Russland gehen", kam es prompt von Kai.

Tyson verschluckte sich bei diesen Worten und auch Kenny schaute etwas zweifelnd drein. „Ist das, ist das etwa dein Ernst?", stotterte Tyson ungläubig. „Ja", Kai würdigte die anderen keines Blickes. Sein Gesicht war deutlich von Schlafmangel gezeichnet.

„A- aber warum??", Kenny stahl Tyson das Wort aus dem Mund. „Das habe ich ihn heute morgen auch schon gefragt, aber eine vernünftige Antwort habe ich darauf nicht bekommen. Ich denke er ist alt genug, und wenn er glaubt, dass er nach Russland gehen muss, dann soll er das eben tun", auch Max meldete sich wieder zu Wort. „Aber Max! Es muss doch einfach einen Grund geben, warum er nach Russland will! Kai, haben wir dir vielleicht irgendetwas getan? Warum musst du gehen?", Tyson war geschockt über Kais spontane Entscheidung einfach so nach Russland zu gehen. „Es geht euch nichts an! Meine Entscheidung steht fest und ihr werdet mich nicht davon abhalten können!", Kai stand auf und verließ das Zimmer. Dann ging er hinaus um noch einmal über seine Entscheidung nachzudenken.

Tyson, Max und Kenny hingegen diskutierten noch längere Zeit darüber. Es war schon nicht einfach gewesen, den Verlust eines Freundes zu verkraften, und dann ging Kai auch noch weg. Tyson war sehr traurig darüber, obwohl Kai und er nie besonders gut miteinander auskamen. Doch man konnte Kai nicht davon abhalten, das zu tun, was er wollte. Immerhin war er alt genug, selbst zu wissen was richtig und falsch ist.

Am Abend des selben Tages fuhr Kai bereits zum Flughafen. Er wusste ja nicht, wann ein Flug gehen würde, und er wusste auch nicht, ob überhaupt einer ging. Da er nicht wollte, dass ihn irgendjemand begleitete, fuhr er alleine und auch die Verabschiedung war nicht sehr groß. Kai verhielt sich wie am Anfang: kalt, gemein und unfreundlich.

Am Flughafen teilte man Kai mit, dass der letzte Flug nach Moskau kurz vor seinem Eintreffen gegangen war, doch dass es in etwa einer Stunde einen Flug nach Wladikawkas gäbe. Das passte ihm gerade, denn er hatte einmal eine Tante in Wladikawkas, die alleine in einem Wald lebte. Das Haus müsste immer noch stehen, und dort konnte er sich auch einnisten.

Also bezahlte Kai den Flug und checkte auch gleich ein. Zwar war es etwas teurer, weil er Business Class fliegen musste, doch das sollte für Kai kein Problem darstellen. Nun hieß es warten. Kai ging einstweilen durch die Sicherheits- und Passkontrolle und setzte sich in der zollfreien Zone in ein Kaffeehaus. Erst eine viertel Stunde vor Abflug suchte er das Terminal und schließlich konnte er bereits nach zehn Minuten an Bord einer Boing 74700 gehen.

Der Flug verlief ohne weiter Turbulenzen und Kai kam sicher am kleinen Flughafen von Wladikawkas an.

Mit einem Taxi ließ er sich nahe des Waldes bringen und den Rest ging er zu Fuß. Den Weg kannte er noch immer auswendig, obwohl es schon eine Weile her war, dass er das letzte Mal hier war.

Schon nach einer viertel Stunde war er bei dem Haus angekommen. Es war noch in relativ gutem Zustand, bloß war es sehr schmutzig. Doch putzen konnte Kai auch wann anders. Zuerst machte er sich auf den Weg ins Schlafzimmer und ließ sich aufs Bett fallen, wo er nach kurzer Zeit auch einschlief.

Am nächsten Morgen putzte er zunächst Schlaf- und Badezimmer, sodass er seinen Koffer auspacken konnte. Danach die Küche, Wohnzimmer und den Gang. Dafür brachte er schon bis 17 Uhr.

Schließlich machte er sich auf den Weg zum Supermarkt, um einige Lebensmittel einzukaufen. Dort jedoch traf er unerwartet auf eine Person, die er nicht in Wladikawkas vermutete.

Gerade als er bei der Feinkostabteilung des großen Supermarkts anstand, tippte ihm jemand auf die Schulter. Erschrocken fuhr Kai herum, er wusste ja nicht, wer es war, und er traute seinen Augen auch kaum. „Kai... was machst du hier?"– „Tala?"– „Ich dachte du wärst in Japan"– „Ich dachte du wärst in Moskau", so in der Art ging ihre Unterhaltung weiter, und bis sie bei der Kassa anstanden, waren die gröbsten Sachen geklärt.

Tala brauchte ebenfalls Abstand zu den Blitzkrieg Boys. Jedoch hatte er keine Unterkunft, und so beschloss der normalerweise so unsoziale Kai, seinen ehemaligen Teamkameraden bei sich wohnen zu lassen.....

To be continued