Kapitel 10

Der neue Tag begann strahlend schön und die Vögel stimmten ihr alltägliches Lied an.

Sanft wurde Miriel von den ersten Sonnenstrahlen, die durch die Blätter drangen aufgeweckt. Sie fühlte sich erholt und frisch. Die Augen noch geschlossen haltend, lauschte sie dem Wind in den Blättern, fühlte das Moos unter sich.

Das alles erinnerte sie an früher, an... ─ An was eigentlich?

Sie versuchte sich zu entsinnen doch die frühsten Erinnerungen, die sie zu finden vermochte, waren wie sie auf der Lichtung aufgewacht war und die Gefährten getroffen hatte. Sobald sie versuchte weiter in die Vergangenheit vorzudringen, hinderte eine Sperre aus Dunkelheit sie daran.

Wieso war ihr das erst jetzt aufgefallen? Sie hatte in den letzten Tagen nicht im Entferntesten daran gedacht was vorher gewesen war, zuviel war passiert was ihre volle Aufmerksamkeit beansprucht hatte.

Ihr Kissen bewegte sich und störte sie in ihren Gedanken. Moment mal Kissen konnten sich doch gar nicht bewegen! Verwundert schlug sie die Augen auf und sah das wunderschöne Gesicht des Elben nahe über sich.

„Guten Morgen, Eleidi, hast du gut geschlafen?"

„Äh, ja danke."

Erst jetzt dran die Erinnerung, an die vorige Nacht, ihn ihr noch etwas verschlafenes Gehirn vor. Es hatte sich so gut wie nichts verändert, außer dass sie nun nicht mehr an seiner Schulter lehnte sondern im weichen Moos lag, ihren Kopf in seinen Schoß gebettet.

„Hab ich etwas die ganze Nacht so verbracht?"

Hatte sie das jetzt etwa laut gesagt? Am liebsten hätte sie sich die Zunge abgebissen.

Legolas konnte gerade noch nicken bevor er endgültig die Beherrschung verlor und lauthals anfing zu lachen. Der Gesichtsausdruck der jungen Frau war einfach zu schön.

„He, was ist hier so komisch?"Empört stemmte sie die Arme in die Seite, ihr Kopf jedoch glich einer Tomate.

Herzlichen Glückwunsch, du hast es mal wieder geschafft dich bis auf die Knochen zu blamieren!beglückwünschte sie sich selbst.

Legolas kämpfte derweil mit den Lachtränen.

„Was soll nicht komisch sein?"Gimli trat zu den beiden und sah interessiert von einem zum anderen.

Er erhielt jedoch keine Antwort, denn Legolas rang immer noch um Fassung und Miriel wollte nur noch im Boden versinken.

„Na ja, wie dem auch sei. Gut gemacht, Mädchen! Nur wenige haben es vollbracht, dem wertem Herr Elb, der meistens mehr auf sein eigenes Aussehen achtet als alles andere, seine Selbstbeherrschung zu stehlen. Du musst wahrlich besondere Kräfte haben." Übertrieben verschwörerisch zwinkerte er ihr zu.

Wandte sich mit einem fiesen Grinsen dann Legolas zu.

„Du solltest sie heiraten, sie würde dir wirklich gut tun."

„Und der werte Herr Zwerg sollte aufhören solche Kommentare von sich zu geben, oder er hat gleich einen Pfeil im Allerwertesten stecken." Erwiderte dieser trocken.

Gimlis Mund klappte auf und zu, doch kein Ton entkam ihm. Was war mit Legolas los? Sonnst erkannte der Elb einen Scherz, wenn er genau vor ihm stand und ihm gleich in die Nase zu beißen drohte. Und vor allem, solche Sprüche sahen ihm gar nicht ähnlich.

Zum ersten Mal in der Zeit ihrer Freundschaft blieb der Zwerg dem Elb eine Erwiderung schuldig, grummelte nur etwas in seinen Bart das stark nach „Die anderen warten."klang.

Legolas ging als letzter der Drei, zum Glück hatte keiner der beiden seine gefährlich rot leuchtenden Ohren bemerkt.

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Nach dem Frühstück wurde beraten wo lang es als nächstes gehen sollte.

„Wir sollten am besten den Isen überqueren, durch die Pforte von Rohan gehen um so auf die andere Seite des Nebelgebirges und später nach Bruchtal zu gelangen. Lord Elrond weiß vielleicht etwas über Miriels Herkunft oder findet einen Weg ihre Erinnerungen wieder hervor zu holen"schlug Aragorn vor nach einigen Diskussionen vor.

„Und du kannst Arwen wieder sehen, wolltest du das nicht auch noch damit sagen?"fragte Frodo scheinheilig nach.

„Hm... ja, stimmt schon..."Der König von Gondor fühlte sich ertappt.

Als er Minas Tirith unter der Führung Faramirs verlassen hatte, hatte Arwen seine Abwesenheit genutzt und war nach Bruchtal gereist um ihren Vater zu besuchen.

„Jack, kommst du eigentlich mit uns?"fragte Miriel unvermittelt.

„Nein, Liebes, ich werde versuchen mich nach Umbar durchzuschlagen und dort nach meiner Crew suchen."

Liebes? Hatte dieser Pirat Miriel gerade „Liebes"genannt?

Was bildete der Kerl sich eigentlich ein?

Gut Miriel hatte ihm erzählt, dass Jack sie beim Umziehen erwischt hatte. Aber sonnst? War da noch mehr gewesen?

Nein, schallt er sich selbst, er glaubte ihr. Sie hatte ihn nicht angelogen, er hatte es in ihren Augen lesen können, in ihren wunderschönen Augen.

„Nun dann last Euch nicht von uns aufhalten und geht sobald Ihr es wünscht."

Legolas war es egal ob es unhöflich klang. Wie gesagt hier musste er nicht immer auf Höflichkeit und Manieren achten. Verwunderte Blicke von allen trafen ihn, was war bloß mit ihm los? Der sonst so ausgeglichene Prinz wirkte völlig verändert. Gimli begann sich langsam sorgen um seinen Freund zu machen.

„Nun, dass hatte ich sowieso vor gehabt."Antwortete Jack emotionslos.

Er verabschiedete sich bei allen (sogar bei Legolas) mit einem festen Händedruck. Als letztes kam er zu Miriel.

„Nun hier trennen sich unsere Wege."

Sie nickte nur, sie mochte keine Abschiede und streckte ihm einfach nur die Hand entgegen.

„Warum so förmlich?"damit umarmte er sie und drückte sie einmal kräftig bis sein „Opfer"die Luft weg blieb.

„Viel Glück auf deiner Suche, Jack."

„Und di auch deiner."

Er wollte sich umdrehen um zu gehen als ihm noch etwas einfiel:

„Ach ja, Miriel, dein Körper kann sich wirklich sehen lassen!"Er grinste anzüglich und zwinkerte ihr zu.

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Das war zu viel! Noch bevor er sich unter Kontrolle hatte, hatte er die Hand zur Faust geballt und Jack mit einem gezielten Schlag zu Fall gebracht. Er hob die Faust bereit zum nächsten Schlag und wollte sich gerade auf den am Boden Liegenden stürzen, als Miriel sich ihm in den Weg stellte

„Legolas, nicht!"

Die Faust stoppte wenige Zenitmeter vor ihrem Gesicht.

Sie sah die Faust auf sich zu rasen, schloss reflexartig die Augen, doch der unvermeidliche Aufprall lieb aus.

Sie blinzelte, die Hand hatte direkt vor ihrem Gesicht angehalten und sie war sich sicher, dass der Schlag ihr mindestens das Nasenbein gebrochen hätte.

„Was ist nur los mit dir?"

Er lies den Arm sinken, sodass Miriel ihm nun direkt in die Augen blicken konnte.

„Du bist so verändert, ich erkenne dich gar nicht mehr wieder. Wohin ist der liebe, sanft, gewissenhaft, hilfsbereite Legolas?"

Etwas leiser: „Wo ist mein Legolas?"

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Die Erkenntnis traf ihn wie ein Schlag ins Gesicht, er hatte sich schlimmer benommen als ein Ork, hätte ihr fast das angetan, wovor er sie zu schützen geschworen hatte. Doch sie war nicht wütend auf ihn...

Er hätte er verdient gehabt, dass sie ihn nun hassen würde, nie wieder ein Wort mit ihm sprechen würde. Doch in ihren Augen konnte er nur Sorge lesen, Sorge um ihn.

„Es tut mir leid."Krächzte er, drehte sich um und verschwand zwischen den Bäumen.

„Legolas!" Miriel wollte ihm folgen, doch Gimli hielt sie zurück.

„Lass ihn gehen, er braucht etwas Zeit für sich."