Kapitel 7

Als er dieses Mal wieder aufwachte, war er wieder in dem Raum, in dem er auch vorher war, jedoch war er diesmal nicht gefesselt. Sofort griff er sich mit einer Hand auf das schmerzverzerrte Gesicht, das ganz schön blau geworden war, nachdem Ray ihn so heftig geschlagen hatte. Blinzelnd sah er sich erst einmal um, doch zu seiner Verwunderung war niemand außer ihm sonst in dem Raum. Er setzte sich auf und jetzt erst jetzt bemerkte er die nasse Spur, die in einem Kreis um ihn herum gezogen war, und auch sonst im Raum war ziemlich viel Flüssigkeit in dem Raum auf dem Boden. Taumelnd wollte er sich aufrichten, jedoch wurde ihm schwarz vor Augen und seine Beine gaben gleich wieder nach. Flach legte Kai sich auf den Boden und wartete, bis er wieder klar sehen konnte. Danach kroch er vorsichtig auf die Flüssigkeit zu und roch daran. „Spiritus", sagte er leise zu sich selbst, „will er etwa...."doch da wurde er bereits unterbrochen. „Du hast es erfasst. Ja, will er. Du wirst einen kleinen Vorgeschmack auf die Hölle bekommen, Süßer", Ray stand im Eingang und betrachtete Kai mit großen Augen. Seine Lippen hatten sich zu einem höhnischen geformt und in seiner Hand hielt er eine Streichholzschachtel. „Ray...", Kai wollte etwas sagen, doch er wusste nicht was, und er hatte auch nicht viel Gelegenheit dazu. „Nein Kai. Jetzt lass mich einmal reden. Seit ich dich kenne, mache ich mir Sorgen um dich. Weil du nie redest, weil du niemanden in dich hinein blicken lässt. Mein ganzes Leben lang habe ich Tag für Tag nur an dich gedacht, weil du mich verrückt gemacht hast, weil du mir mein Herz gestohlen hast. Und du wusstest es. Du wolltest mich absichtlich leiden lassen, weil du sadistisch bist, und es liebst, anderen weh zu tun. Und dann, als es schon fast vorbei war, warst du plötzlich nett, so aus heiterem Himmel, wolltest du mein bester Freund sein, ohne jeden Grund. Jetzt kenne ich den Grund dafür: Dir lag doch nie etwas an mir, du hattest nur Mitleid. Und du wolltest, dass ich armer Mensch doch wenigstens glücklich sterben kann. Doch du hast dich geirrt, Kai. Sieh doch, was du aus mir gemacht hast. Du bist der, der es verhindert, dass ich sterben kann. Ich dachte wirklich, dir würde etwas an mir liegen, aber da habe ich mich wohl geirrt. Tja, es tut mir Leid, aber du lässt mir keine andere Wahl", Kai konnte deutlich den Schmerz in Rays Stimme hören. Er schien jetzt nicht mehr das Monster, das alles auslöschen wollte, zu sein, nein, er schien eher wie ein verletztes kleines Kind, das von seiner Mutter im Stich gelassen worden war. „Ray. Du irrst dich", Kais Stimme klang so sanft wie noch nie zuvor, und er hatte auch nicht geglaubt, dass es so eine Seite an ihm gab, „du bedeutest mir sogar sehr viel. Glaubst du etwa, mir fällt es leicht darüber hinwegzukommen? Verdammt noch mal, ich liebe dich!"Das brachte Ray aus der Fassung und einzelne Tränen suchten sich ihren Weg über seine Wangen. Kai holte etwas aus seiner Tasche hervor, was Ray sichtlich freundlicher machte. „Driger...", flüsterte er leise, „Kai, ich denke, ich habe mich geirrt... aber ich kann es nicht mehr ändern, es ist zu spät. Du wirst mit mir zusammen sterben. Ein für alle mal. Asche zu Asche, Staub zu Staub", auf Rays Lippen bildete sich ein Lächeln und er war kurz davor, ein Streichholz anzuzünden. In letzter Sekunde jedoch geschah etwas, womit keiner gerechnet hätte. Wie aus dem Nichts tauche plötzlich eine Person auf, die Kai vorerst nicht eindeutig identifizieren konnte. Der unbekannte schlug Ray ins Gesicht, sodass dieser völlig überwältigt rückwärts hinaus aus dem Raum auf den Boden stolperte. Nach und nach klärte sich Kais Wahrnehmungsvermögen und er erkannte eindeutig Talas Gesicht. Tatsächlich, es war Tala, der Ray daran hinderte, Kai den Garaus zu machen. Ray wehrte sich verständlicherweise, und versuchte, Tala wegzustoßen. Doch der war stärker als Ray, darum hatte er keine große Chance. In der Zwischenzeit versuchte Kai aufzustehen und aus dem Raum zu verschwinden, da jedoch seine Beine höllisch schmerzten, schleppte er sich auf allen Vieren langsam hinaus. Ray hatte Tala irgendwie von sich wegstoßen können und es gelang ihm tatsächlich, ein Streichholz anzuzünden und in das Mausoleum zu werfen. Im Nu ging alles in Flammen auf. Das Feuer spiegelte sich in Rays Augen und aus heiterem Himmel begann er hysterisch zu lachen. Tala stürzte sich auf Kai und beförderte ihn unsanft möglichst weit weg von dem Feuer. „Seht ihr? Ich habe es geschafft. Kai, du wirst sterben. Mit mir. Wir werden für immer zusammen sein. Ist das nicht wundervoll?", Ray klang wie ein Psychopath, der aus einer Klinik ausgebrochen war. „Du irrst dich Ray. Du bist schon tot, du bist schon seit Langem tot", Talas Worte hallten wie ein Echo in Rays Kopf. Ray war ziemlich erzürnt und wollte schon gehen, um Tala und Kai eine Lektion zu erteilen. Tala jedoch war schneller, stieß Kai zur Seite und stürzte sich auf Ray. Zwischen den beiden begann ein erbitterter Kampf. Kai schleppte sich in der Zwischenzeit zu einem Grab, um sich irgendwo aufstützen zu können, und dann den beiden zuzusehen. Sein Blick wurde immer verschwommener und er wusste, dass es nicht mehr lange dauern würde, und er würde wieder ohnmächtig werden. Und er hatte richtig geraten, er verlor tatsächlich nach kurzer Zeit das Bewusstsein. Das einzige, was er dann noch wahr nahm, war, dass Tala laut seinen Namen brüllte.

Nach einiger Zeit wachte er wieder auf, und er spürte jede einzelne Zelle seines Körpers. Er wagte kaum zu atmen, da es unheimlich schmerzte. So weit er jedoch mitbekam, lehnte er immer noch an dem großen Holzkreuz. Ganz unerwartet wurde er hochgehoben, was ihn leicht aufschreien ließ. Er wusste zwar nicht, wer ihn hochhob, doch es war definitiv nicht Tala. Kai schloss die Augen, da er dachte es wäre alles vorbei, und es war ihm sowieso sehr schwindlig. „Tyson...", murmelte er leise. Sein „Retter"lächelte zufrieden und legte ihn nach einigen Metern in eine Erdmulde. Kai dachte zumindest, dass es eine Erdmulde war. Doch als er dann spürte, dass irgendetwas Kaltes immer wieder von hoch oben auf ihn fiel, öffnete er langsam die Augen und bemerkte schließlich, dass er in seinem eigenen Grab lag. Und es war nicht sein Retter, der ihn dort hineingelegt hatte, nein, es war Ray. „Tala. Wo ist Tala?", war das einzige, was Kai in diesem Moment herausbrachte. „Dein rothaariger Freund? Ach der... der wurde gegrillt", meinte Ray cool. Ungläubig starrte Kai den vermeintlich Toten an und murmelte unverständliche Worte vor sich hin. Hätte er nicht so viele Schmerzen gehabt, hätte Kai sicher geweint. Doch selbst dazu war er nicht in der Lage. Ray schaufelte weiterhin kalte, feuchte Erde auf Kais Körper. Erst nach einiger Zeit – es fehlte nicht mehr viel, und Kai wäre ganz mit Erde bedeckt gewesen – hielt Ray ganz unerwartet inne und starrte auf etwas, was anscheinend am anderen Ende der Grube lag oder stand. Kai konnte es nicht wirklich erkennen, er konnte immerhin nicht einmal seinen Kopf drehen. Alles was er sah, war, dass es strahlend leuchtete. Ray schien ziemlich entsetzt, denn er ließ den Spaten fallen und sank zu Boden. Kais Blick war trüb, er konnte es nicht genau erkennen, doch es schien, als rannen Tränen über Rays Wangen. Kai schrak fürchterlich auf, was ihm ein leises Stöhnen kostete, als plötzlich etwas Weißes, Katzenartiges über die Grube direkt auf Ray sprang. Dieser wurde nun gänzlich zu Boden gerissen. Vergeblich versuchte sich der Chinese zu wehren, die übergroße Katze von sich zu stoßen, doch dazu hatte er nicht die Kraft. Und Kai erkannte es nun auch genauer. Es war keine Katze, die Ray anfiel, es war Driger. Und so sanftmütig er damals auch gewesen war, heute war er es nicht. Der Tiger ließ Ray keine Chance. Er zerfetzte mit seinen gewaltigen Pranken zuerst Rays Kleidung, hinterließ blutige Kratzer an so ziemlich jeder Stelle des leblosen Körpers. Ray wand sich vor Schmerzen, was Kai ziemlich wunderte, denn immerhin war Ray ja schon tot. Driger hingegen spielte sich noch einige Zeit mit Ray, genauso, wie eine Katze sich mit einer Maus spielt, bevor sie sie schließlich um die Ecke bringt. Erst als es ihm reichte, biss er mit seinen blutverschmierten Zähnen Rays Aorta durch, sodass dieser sich nicht mehr rührte.

Driger, dessen weißes Fell vor lauter Blut rot geworden war, begab sich zu der Grube und starrte Kai mit einem wütenden Blick an, wobei er zusätzlich noch die blutverschmierten Zähne fletschte. Kai wurde angst und bang, und er war sichtlich erleichtert, als Driger sich umdrehte und davonrannte. Driger sprang leichtfüßig über Rays nun endgültig toten Körper und bewegte sich schnell auf das Mausoleum zu, in dem die Flammen immer noch wüteten. Furchtlos stürzte er sich hinein und suchte anscheinend nach etwas ganz bestimmten.

Kai blieb erschöpft in seiner Grube zurück, schloss die Augen und betete, dass nun alles vorbei war. Zuerst bemerkte er auch gar nicht, dass Driger zurück war, doch als der Tiger dann Tala auf den Boden fallen ließ, wurde er aufmerksam. Driger verschwand urplötzlich in einem grellen Lichtstrahl, und bereits nach einiger Zeit fiel Kai wieder in Ohnmacht.

Blinzelnd sah sich Kai um, das grelle Neonlicht blendete ihn sehr. „Du bist aufgewacht", bemerkte Tala unnötiger Weise. Kai sah sich um. Rechts neben ihm saß Tala auf seinem Bett und lächelte ihn an. Kai drehte den Kopf weg und rieb sich die Schläfen. Er hatte höllische Kopfschmerzen. „Wo bin ich", fragte er seinen rothaarigen Bettnachbarn. „Du bist im Krankenhaus, der Friedhofswärter hat uns am nächsten Tag gefunden", antwortete ihm Tala mit gebrochener Stimme. „Und Ray?", hakte Kai weiter nach. „Nun ja...", Tala war sichtlich unwohl zumute, „Ray wurde wieder... begraben."

Der blauhaarige Russe drehte sich weg und versuchte vergeblich wieder einzuschlafen.

Bereits nach einer Woche wurde Kai wieder entlassen. Tyson, Max und Kenny hatten ihm eine Katze geschenkt, da sie dachten, dass Kai nun jemanden brauchen könnte, mit dem er ein bisschen reden kann, auch wenn es kein Mensch ist, denn Mensch würde er sich ohnehin nicht öffnen. Es war eine weiße Ragdoll mit grauer Blässe auf der Stirn, grauen Pfoten und eisblauen, wunderschönen Augen. Kai hatte ihr den Namen C'est gegeben, weil er nicht gut drauf war, als Tyson und die anderen sie ins Krankenhaus brachten, und er nicht sehr begeistert von dem Vieh war. Heute bereute er es, dass er damals so gedacht hatte, doch den Namen musste sie wohl bis an den Rest ihres Lebens behalten.

Der junge Russe wohnte in der sechzehnten Etage eines ziemlich noblen Hotels im Zentrum von Tokio, Tala wohnte in der Suite neben ihm. Die beiden Russen hatten das ganze Stockwerk gemietet. Kai wollte alleine sein, und Tala wollte eben nicht alleine sein.

Die beiden kamen gerade vom Abendessen und stiegen aus dem Lift aus. Tala verabschiedete sich mager von Kai, wofür er ein leises Brummen erntete.

Tala war bereits in sein Zimmer gegangen, als Kai noch die Schlüsselkarte suchte und erst wenig später die Tür aufschloss.

Ray war da. Er trug einen weißen Anzug, sein Gesichtsausdruck war vergleichbar mit dem eines wütenden Tigers. Wild und zorniger denn eh und je fuhr er herum, schmiss eine große, blaue, handgeblasene Blumenvase, die am Boden stand, um und ging Kai an die Gurgel. Kai schrie auf, er hatte Angst, dass er erstickte.

Es war nicht Ray. Es war C'est, die über die weiße Couch auf den Boden sprang und die Vase umschmiss. Schnurrend schmeichelte sie Kai zwischen den Beinen herum. Tala kam sofort aus seinem Zimmer gestürmt und beruhigte Kai. Als dieser wieder allein mit C'est war, sprach er mit seiner kleinen Katze.

„Weißt du C'est", begann er ruhig, „Ray ist tot, und das wird immer so sein. Dessen muss ich mir wohl klar werden."

Die Kleine machte einen Sprung und landete auf Kais Schoß. Zufrieden sah sie ihn an und ließ sich hinterm Ohr kraulen, was sie laut zu schnurren beginnen ließ.

Und zum ersten Mal hatte Kai das Gefühl, verstanden zu werden.

The End !!

 by Kristina Th.


OK, das wars.

Hoffe dass wenigstens einige von euch Spaß am Lesen hatten. gg

Danke übrigens für die netten Kommis

Dark Nasty Angel: Hoffe wirklich dass du in der Nacht schlafen konntest, wenn nicht möcht ich bitte nicht dran schuld sein.

Aragolas: Wieso zwei? Ist doch nur einer gestorben...