Kapitel 15

Ohne es zu bemerken war Miriel irgendwo lang gelaufen und hatte sich nun völlig verfranst. Keiner der Gänge kamen ihr auch nur im Entferntesten bekannt vor.

Schließlich kam sie in einen kleinen grünen Innenhof, in den vier Gänge endeten, ein Brunnen bildete den Mittelpunkt. Unschlüssig welchen sie nehmen sollte schaute die junge Frau von einem zum anderen.

„Suchst du jemandem bestimmtes?"

Erschrocken wirbelten Miriel herum. Eine Elbe war lautlos aus einem der Gänge getreten und schaute sie interessiert an. Ein leichtes, schelmisches Lächeln lag auf ihren Zügen, ihre hellblauen Augen blitzen. Sie trat einen Schritt aus dem Schatten hinaus, eine sanfte Brise strich über die beiden hinweg und ließ die lang Haare der Elbe wie leuchtend rote Flammen tanzen.

„Entschuldigung, ich wollte dich nicht erschrecken. Ich bin Juliariel, du musst Miriel sein, richtig?"

„Woher weißt du?"

„Ach, ich hab da so meine Informanten. Hast du schon was vor?"

„Nein."

„Gut, dann kann ich dir etwas die Gegend zeigen. Komm mit."

Sie griff Miriels Arm und zog sie hinter sich hier.

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„...Sie hat sich so erschrocken, dass sie die Schüssel hat fallen lassen und der ganze Inhalt ergoss sich über ihr helles Kleid, dabei schrie sie wie ein angestochener Ork."

„Wirklich?"

„Klar, wenn ich es dir doch sage! Selbst Lord Elrond konnte sie ein grinsen nicht verkneifen."

Beiden Mädchen konnten sich kaum halten vor Lachen. Juliariel hatte Miriel den ganzen Nachmittag durch Bruchtal geführt, ihr die wichtigsten Orte gezeigt und allerhand Geschichten erzählt. Nun liefen sie durch ein kleines Waldstück.

„Er lacht aber nur solange, bist herausfand, wer dafür war verantwortlich war."

Verdutzt sahen die beiden nach oben, sie hatten den braunhaaringen Elben im Baum gar nicht bemerkt.

„Ich hab jetzt noch Blasen an den Händen vom Stall putzen!"

Die Köpfe der Mädchen fuhren herum und erblickten links von ihnen das genaue Ebenbild des ersten Elben.

„Ach komm, dafür glänzt er jetzt wie nie zuvor." meinte Juliariel trocken.

Wie eine Person sprang beide gleichzeitig von ihren ersten und gesellten sich zu den beiden.

„Wie heißt du nochmal?" wandte sich der eine der beiden an die Elbe.

„Juliariel, wenn du es schon vergessen hast, wir haben uns in den letzten Monaten öfter als einmal ein Bett geteilt!"

„Ach Julchen, wenn wir dich nicht hätten." Grinsend legte der andere einen Arm um sie.

„Nenn ich mich nicht Julchen!" Fauchte Juliariel beleidigt doch die Zwillinge hatten ihre Aufmerksamkeit längst ihrer Begleitung gewidmet.

„Du bist also Miriel, ich bin Elladan." Er streckt ihr die Hand hin, doch Juliariel tippt ihm von hinten auf die Schulter:

„Wenn du Elladan bist, dann bin ich ein Höhlentroll, Elrohir!"

„Oh, dann hab ich mich wohl glatt verwechselt."

Elrohir grinste blöd während Juliariel genervt mit denn Augen rollte.

„Also seid ihr beide sich ihre Juliariels Informanten, richtig?"

„Wie hast du das nur raten?!"

„Moment mal, sind wir das?"

Alle Vier prusteten und gleichzeitig los. Mit den dreien würdest es bestimmt nicht langweilig werden, da war sich Miriel sicher.

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Am nächsten Morgen wurden Miriel von lautem Vogelgezwitscher aufgeweckt, zufrieden kuschelte sie sich noch einmal die Kissen. Wie schön ein weiches Bett war, wusste sie jetzt erst reicht, nach zwei Wochen in der Wildnis. Was hatte sie eigentlich geträumt? Egal, auf jeden Fall war es schön gewesen, Legolas war auch drin vorgekommen, daran konnte sie sich noch erinnern.

Voller Energie hüfte sie aus dem Bett und wusch sich, danach griff sie sich wahllos ein Kleid aus dem Schrank (Ein rotes mit langen Bändern) und fing an sich zu kämmen. Von draußen drangen diverse Stimmen herein und auf den Gängen herrscht anscheinend reges Treiben.

Die Knoten in ihren lang Haare lösten sich erstaunlich gut, sowieso war es weicher als sonst, wie Miriel fand. Danach bürstete sie sich die Haare nach hinten um sie zu einem Zopf zusammenzunehmen. Doch dabei kratzte sie aus Versehen schmerzhaft an ihrem Ohr vorbei. Vorsichtig rieb sie sich die schmerzende Stelle und erstarrte. Dann schallte ein gellender Schrei durch die Gänge Bruchtals.

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Aufgescheucht erreichten Juliariel und Elladan Miriel Zimmer zu selben Zeit. Nach einer kurzen Rangelei und 2 Ellbogen stöße später ließ Elladan Gentleman-like Juliariel den Vortritt. Besorgt liefen die beiden zu Miriel.

„Miriel was ist passiert? Warum hast du so geschrieben?"

Stille, das Mädchen vor ihnen starrte weiter ins Leere. Klatsch! Ungläubig führte Miriel ihre Hand an ihre Wange, wo kurz zuvor Juliariels getroffen hatte.

„Tut mir Leid Kleines, es ging nicht anders." Entschuldigte die Elbe sich.

Miriel nickte stumm, erblickten von einem zum anderen, wie jemand der gerade erst aus einer Trance gerissen wurde.

„Warum hast du so geschrien?" fragte Elladan sanft. Doch anstatt eine Antwort strich Miriel die Haare zu Seite, die ihre Ohren verborgen hielten. Sie waren spitz! Erschrocken keuchen die beiden Besucher auf, auf sowas waren nicht vorbereitet gewesen. Juliariel hatte sich als erste wieder gefasst.

„Wie kann das sein? Du wirst doch keine... du bist... warst doch ein Mensch, oder?"

Miriel konnte darauf nur mit den Schultern zucken und resigniert den Kopfschütteln, wenn sie das wüsste, wäre sie um einiges schlauer.

Elladan derweil hatte sich hinter sie geschlichen, packte eines der Ohren und zog daran.

„AAAUUU!!!!! Was sollte das? " Schnappte das Mädchen zurück.

„Sie sind eindeutig echt!" Stellte der Missetäter trocken fest.

„Ich werde meinem Vater davon berichten, er mit sicher wissen, was mit dir los ist." Fuhr er fort und verschwand.

Miriels ratloser Blick begegnete dem von Juliariel.

„Weiß Lord Elrond wirklich so viel?"

Die angesprochene nickte. „Ja, ungläubig viel, aber hat ja auch genug Zeit um sie zu lesen."

„Wieso? Hat er denn sonst nichts zu tun?"

„Doch einiges, doch er ist ja auch schon weit über 6000 Jahre alt."

Miriel wusste zwar das Elben unsterblich waren, aber, dass die Zeit so wenig Spuren hinterließ, war ihr nicht bewusst gewesen...

„Wie alt bist du denn?" fragte Miriel Juliariel.

„2146 Jahre."

Miriel machte große Augen.

„Oh, dann musst ja auch schon einiges gesehen und erlebt haben!"

„Wie man sieht, für Menschen seeehr viel, doch für Elbe relativ wenig. Doch es bringt einige Vorteile mit sich, genug Zeit zu haben, die Kerle gründlich auszutesten." Sie grinste dreckig.

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Etwa eine Stunde später wurde sie in die Bibliothek gerufen, wo Lord Elrond sie erwartete. Auch Aragorn, Elladan, Elrohir und ein blonder Elb, der ihr später als Glorfindel vorgestellt wurde, waren anwesend.

Juliariel jedoch musste draußen bleiben, sehr zum Leidwesen Miriels, die nervös auf dem ihr angebotenen Stuhl hin und her rutschte.

„Habt Dank, dass ihr euch alle so kurzfristig hier einfinden konntet. Denn es ist ein sehr seltsamer Vorfall eingetreten, wie ich finde."

Er sah zu Miriel.

„Bitte schildert uns kurz was geschehen ist."

„Hat Elladan das nicht schon gemacht?" fragte diese ausweichend.

„Gewiss, doch möchte ich es noch einmal mit Euren Worten höre."

„Nun gut, doch viel zu erzählen gibt es nicht. Heute Morgen bemerkte ich, während ich mir die Haare kämmte dieses."

Ein weiteres Mal strich sie die Haare beiseite. Die Reaktion war ähnlich wie schon vorhin im Zimmer, anscheinend waren außer Elrond und Elladan noch keiner der anderen eingeweiht worden, über das was eigentlich los war.

Besonders Aragorn war erstaunt.

„Wie kann das sein?"

„Dies gilt es herauszufinden. Miriel, dürfte ich Euer Ohr kurz näher betrachten?"

Die Angesprochene nickte.

„Aber bitte nicht dran ziehen." Fügte sie kleinlaut hinzu.

Elrond hob gekonnt eine seiner Augenbrauen, Elladan beobachtete derweil sehr interessiert eine Spinne, die sich von einem der Regale abseilte.

Elrond hatte in der Zeit das Ohr genau begutachtet und schritt nun Richtung Fenster, wo er mit dem Rücken zu ihnen stehen blieb.

„Miriel, würdet Ihr bitte einmal herkommen?"

Wie ihr geheißen erhob sie sich und trat neben den Herren Bruchtals, sah ihn fragend an. Dieser hatte den Blick in die Ferne gerichtet, doch innerlich schmunzelte er, hatte er doch so leise gesprochen, dass kein Mensch es hätte hören können.

„Seht nach draußen, was könnt Ihr am Fuß der Berge erkennen?"

Konzentriert ließ sie ihren Blick über die Ebene schweifen, die Sicht war ungewöhnlich klar, wie sie fand.

Nach kurzer Zeit setzte sie zögernd zu einer Antwort an:

„Nichts besonderes, nur Felsen und einige Büsche."

Elrond wandte sich ab, also war es doch nicht-

„Doch wartet! Dort ist ein Reiter. Ein Elb wie es scheint."

Leicht überrascht, aber doch erfreut schaute der Halbelb auf.

„Danke, doch bitte geht nun, ich muss nachdenken."

Miriel sah ihn noch einmal fragend an, doch ob Lord Elrond es nicht bemerkte oder er es einfach nicht wollte, er drehte sich einfach um und ging zu einem der großen Bücherregalen, zog eines der Bücher hervor blätterte kurz durch, stellte es wieder zurück und nahm das nächste zur Hand.