Kapitel 3: Tatort : Schule

Sie holte ihren Koffer, der eigentlich eine schwarze Ledertasche war, schnappte sich ihren Blazer und was viel wichtiger war ihre Dienstwaffe, die sie ordnungsgemäß in der dafür vorgesehenen Halterung an ihrem Gürtel befestigte. Zusammen mit H ging sie schnellen Schrittes zum Parkplatz, wo sie zunächst beschloss bei jenem mitzufahren und auf ging es zu ihrem ersten Fall, den sie für das MDPD lösen sollte.

„Schicker Wagen. Ich glaube ehrlich langsam, dass die Stadt Miami ein bisschen viel Geld übrig hat!"

„Ach du meinst erst dein Büro und dann diese Dienstfahrzeuge?"

„Genau das mein ich, ja."

Wieder dieses Lächeln, Horatio musste sich bemühen sich noch auf den Verkehr zu konzentrieren.

Pause.

Wieder war es Stephanie, die Situation entschärfte:

„Worum geht's?", fragte sie.

„Die Leiche eines Mädchens wurde in der Turnhalle eines Elite-Sportinternates aufgefunden."

„Na, das geht ja schon gut los!"

„Ich würde das nicht als gut bezeichnen.", antwortete Horatio daraufhin ungewohnt kühl.

„Entschuldige, grausam wäre passender gewesen, aber ich denke du weißt, was ich damit gemeint habe.", erwiderte Stephanie auf die gleiche Weise.

„Ja."

„Gut."

Sie bogen auf den Parkplatz des Western Miami Sport Colleges ein. Empfangen durch einen Parkwächter wurden sie zum Fundort geführt, der, wie gewöhnlich mit gelb-schwarzem Absperrband gesichert worden war und sich, wie bereits erwähnt, in der Turnhalle befand. Ihnen bot sich ein grausames Bild da:

An einem Seil, welches von der etwa 5 bis 6 Meter hohen Hallendecke genau in den Mittelkreis des Basketballfeldes hinab hing baumelte der leblose, geschundene Körper eines Mädchens. Ihre Füße waren noch ca. einen Meter vom Boden entfernt. Sie trug ein blaues Seidennachthemd mit Spagettiträgern, die langen braunen Haare hingen in das zweifellos zu Lebzeiten hübsche Gesicht. Als sei dies noch nicht genug konnte man zwei Einschusslöcher an der linken Schulter und etwa auf Höhe des Bachnabels erkennen. Blutspritzer, die sich unter dem Korpus zu einer schwarz-roten Pfütze vereinten, zierten den Hallenboden.

Horatio beobachtete Stephanie genau, als sie die Halle betraten. Diese stockte zwar kurz und schluckte merklich, als sie das Blut sah, welches den Fundort mit bizarren Mustern versah, sammelte sich jedoch recht schnell, stellte ihre Tasche ab und sagte:

„Wie gesagt, so hätte ich mir meinen ersten Tag bei euch ja nicht vorgestellt!"

Sie zog sich ihre Gummihandschuhe an, Horatio tat es ihr nach.

Stephanie weiterhin: „Also, dann mal los, was wissen wir über das Mädchen?"

„Es handelt sich um Patricia Ryan, 17 Jahre alt. Schülerin des Colleges, sie wohnte seit Anfang des Schuljahres hier auf dem Gelände."

Speed stand in einem weißen Schutzanzug hinter ihnen und zitierte aus seinen Akten.

„Ihre 3 Zimmerkameradinnen haben dies bestätigt und die Leiche bereits identifiziert, sie sind in einem Nebenraum und werden vernommen."

„Wer hat sie gefunden?"Horatio schaltete sich in das Gespräch ein.

„Der Hausmeister Marc Hanson, so gegen halb zehn. Ich sollte bemerken, dass die Turnhalle grad renoviert wird und deswegen für Schüler der Zutritt verboten ist."

Er deutete auf Gerüste, die an den Wänden der Halle verteilt waren und auf die Tribünen, die bis jetzt nur zur Hälfte mit roten Plastiksitzen versehen waren.

„Wie kommen die Mädchen hierher? Horatio, ist es beim MDPD üblich Angehörige und Bekannte des Opfers die Leiche noch im Auffindungszustand identifizieren zu lassen?"

„Nein, Speed, das würde ich jetzt auch gerne wissen, warum ihr Mitbewohnerinnen bereits hier sind."

„Sie haben Patricia heute Morgen beim Schulleiter als vermisst gemeldet. Als Hanson die Leiche gefunden hat haben sie sich selber dazu gemeldet bei der Identifizierung zu helfen."

H und Anie guckte beide skeptisch.

„Wie war ihre Reaktion?"

„Keine Ahnung, H ich weiß nur, dass sie relativ gefasst waren, eine der drei sagte dann, dass es Patricia sei und dann sind sie wohl direkt in den Nebenraum geführt worden."

Tim schloss die Akte und schaute die beiden Lieutenants an.

„Ich denke ihr wollt euch erst am Tatort umsehen."

„Danke fürs Erste Tim!"

„Bitte Stephanie!"

„H, ich denke wir legen mal los oder?"

„Deswegen sind wir ja hier!"

Calleigh war ebenfalles am Fundort und hatte bereits die Projektile, sowie die Patronenhülsen gefunden, deswegen rief sie Anie zu sich:

„Schau dir das an, es handelt sich nicht um herkömmliche Geschosse."

„Das sind 16mm Spezial Patronen, wie sie auch beim SWAT verwendet werden, es muss sich um ein Gewehr gehandelt haben."

„Richtig, die Projektile haben beide den Körper durchschlagen und sind noch ein ganzes Stück geflogen, ich habe sie 6 bzw. 7 m hinter der Leiche auf dem Boden gefunden."

„Sie sind sehr verformt, kannst du die Abriebspuren des Laufes noch erkennen, oder erkennbar machen?"

„Das dürfte schwierig werden, im Labor weiß ich mehr."

„Ladies!", Horatio stieß zu ihnen. „Ich gehe in meiner Annahme richtig, wenn ich sage, dass auf den Körper geschossen wurde, nachdem er aufgehängt würde, richtig?"

Beide Frauen bejahten durch Kopfnicken.

„Dennoch muss sie zu diesem Zeitpunkt noch gelebt haben.", sagte Stephanie.

„Darauf wollte ich hinaus, das wäre sonst nicht so weit nach hinten gespritzt worden, weil es sich vorher in den Beinen gesammelt hätte."

„Richtig, denn, wenn er die Leiche unmittelbar nach dem Erhängen, also innerhalb weniger Minuten beschossen hätte", folgerte sie weiter,

„hätten die Blutspritzer durch das Pendeln der Leiche ein anderes Muster auf dem Boden hinterlassen!", komplettierte Horatio.

Calleigh stand fasziniert neben den beiden Philosophierenden.

„Ihr scheint euch ja blendend zu verstehen!"

„Hmm, kann sein..."war Stephanies Kommentar, sie grinste Horatio wieder einmal schelmisch an, dieser merkte, dass er rot wurde und murmelte irgendwas von „Es läge ja auf der Hand..."

„Aha, ihr zwei, dann will ich das „Auf der Hand liegende"mal kippen, was ist, wenn der Täter nicht alleine war, sondern es sich um mehrere Täter handelt?"

„Spielst du auf ihre Zimmergenossinnen an Calleigh?"

„Genau auf die Anie! Speed sagte mir, sie hätten nicht besonders große Emotionen gezeigt, als sie die Leiche ihrer „Freundin" erblickten!"

„Ich denke wir sollten mal einen Blick auf die Mädels werfen!"

„Sollten wir nicht noch warten, Horatio, bis Alexx uns ihre erste Einschätzung, auch über die Todeszeit mitgeteilt hat?"

„Da hast du auch wieder Recht. Sie dürfte damit auch bald fertig sein."

In der Zwischenzeit war bereits das Seil an dem die Leiche Pats hing durchgeschnitten und diese Vorsichtig in einen Leichensack gelegt worden. Alles unter den sorgsamen Augen des MEs.

„Vorsichtig, vorsichtig, Jungs, passt mir bloß auf, dass ihr nicht in die Blutlache tretet, Horatio und seine Truppe wollen schließlich eventuelle Spuren sichern!!!"

„Hey, Alexx, was kannst du uns über die Todeszeit sagen?", fragte eben erwähnter.

„Hey! Ihre Lebertemperatur beträgt 33°C, demzufolge ist sie, die hiesigen Temperaturbedingungen eingerechnet seit heute Morgen um ca. fünf Uhr tot!"

„Fünf Uhr? Ob um diese Uhrzeit hier schon Personen auf dem Gelände unterwegs sind. Gärtner, Zeitungsboten, oder Putzfrauen, vielleicht hat irgendwer den Schuss gehört!", erwähnte Speed, der wieder zu ihnen gestoßen war.

„Das kannst du sobald du nichts mehr zu tun hast gleich zusammen mit Eric zusammen herausfinden!"sagte Horatio und wandte sich an Stephanie:

„Es ist an der Zeit sich mal mit den Mädchen zu unterhalten. Kommst du mit?"

„Sicher! Auf geht's!"

Stephanie und Horatio gingen in den Nebenraum in welchem die Zeugenausnahmen aufgenommen wurden und ließen somit den Rest ihres Teams allein am Tatort zurück.

„Ihr denkt das Gleiche wie ich, oder?", fragte Calleigh

„Dass seine neue Stellvertreterin unseren guten Horatio ganz schön durcheinander bringt?", fragte Alexx, die sich wie alle anderen ein fettes Grinsen nicht verkneifen konnte.

„Genau das. Ich an seiner Stelle hätte aus Cook Kleinholz gemacht, wenn er mir nicht mindestens eine Woche vorher bescheit gesagt hätte, doch unser lieber Rotschopf schien von irgendwas sehr abgelenkt worden zu sein.", meinte Tim.

„Sie ist aber auch ein steiler Zahn!"

„Ach Delko! Ich kenne Stephanie jetzt lang genug, sie sucht sich ihre Männer aus, und unser Horatio hier scheint ihr wahnsinnig gut zu gefallen..."

Es war eine Umkleidekabine, die als Verhörraum diente. Die drei Mädchen saßen nebeneinander auf einer der Bänke. Es war nicht schwer zu erkennen, dass es sich bei Laura und Candis Heyens um Zwillinge handelte. Bei der dritten im Bunde, Alishia Coleman, die im Gegensatz zu den Zwillingen, welche einen verstörten Eindruck machten, recht interessiert und vor allen Dingen amüsiert alles um sie herum geschehende beobachtete, schien es sich um die Cliquenführerin zu handeln. Als die zwei Ermittler von einem Schutzbeamten begleitet den Raum betraten, befahl sie den Zwillingen mit den Worten:"Steht auf und jammert nicht!", sich zu erheben.

Horatio stellte vor:

„Guten Morgen Ladies! Meine Kollegin hier ist Lt. Bremer, mein Name ist Lt. Caine und wir sind vom CSI."

„Oh, Tatortermittler!", Alishia tat höchst beeindruckt uns stellte sich und die Zwillinge in genau derselben Reihenfolge vor.

„Ihr seid also Patricia Ryans Mitbewohner und habt sie heute Morgen als vermisst gemeldet?", fragte Anie, die Gruppe mit ihren Katzenaugen musternd.

Ein gewimmertes „Ja."war von Candis zu hören.

Alishia selbstbewusster: „Genau, wir haben uns solche Sorgen gemacht, als sie heute Morgen nicht in ihrem Bett lag, da musste wir doch etwas tun!"

Horatio sah Stephanie an. Es würde eine interessante Unterhaltung werden.

Nach einem langen anstrengenden Arbeitstag stand folgendes im Fall Pat Ryan fest:

Sie hatte sich am Vorabend um ca. 23 Uhr aus dem Mädchentrakt geschlichen, um sich mit ihrem Freund John White hinter der Turnhalle zu treffen. Dieser hatte, von der Nachricht des Todes seiner Freundin tief geschockt, ausgesagt, er sei um 23:45 Uhr wieder im Jungentrakt gewesen, dies konnte ein Lehrer bestätigen der ihn zu dem Zeitpunkt im Flur des Traktes erwischt hatte. Dieser Lehrer sagte weiterhin aus, dass John kein Blut an der Kleidung hatte und nicht verstört wirkte. White behauptete Pat verlassen zu haben als sie noch lebte. Sie hatte gesagt, dass sie auch wieder ins Haus gehen würde, nachdem sie noch eine Zigarette geraucht habe. Hinter der Turnhalle fand man tatsächlich mehrere Kippen mit Pats DNS. Delko und Speed hatten in Erfahrung gebracht, dass niemand gegen fünf die besagten Schüsse gehört habe.

Die Autopsie hatte ergeben, dass Pat vor ihrem Tod Geschlechtsverkehr gehabt hatte, der auf freiwilliger Basis, jedoch nicht mit John White stattgefunden hatte, die DNS aus dem auf dem blauen Nachthemd gefundenen Sperma stimmte nicht mit der Whites überein. Durch die Bestimmung der Schusskanäle in Pats Leiche konnte ermittelt werden, dass der Täter aus ca. 10 m Entfernung geschossen hatte. Die Todesursache war der multiple Blutverlust und nicht, wie bereits richtig von Anie und Horatio vermutet, der Bruch der Halswirbelsäule durch das Erhängen, dieser war post mortem. Da der toxikologische Bericht laut Alexx im Blut eine hohe Dosis eines verschreibungspflichtigen Beruhigungsmittels nachgewiesen hatte kamen die Ermittler zu folgendem Schluss:

Nachdem Pat sich von John White verabschiedet hatte traf sie sich mit dem Täter. Dieser schlief mit ihr, verabreichte ihr dann eine Überdosis, wahrscheinlich in gelöster Form mit einem Softdrink, in einer der Umkleidekabinen wurde die dazugehörige Flasche gefunden. Darauf Pats Fingerabdrücke und DNS, innen ein Rest des Getränkes mit Medikamenten versetzt. Der Täter hing sie nun mit Hilfe eines bei der Renovierung benutzten Gerüsts auf, stellte jedoch, wie in den Blutspuren zu erkennen war eine Leiter unter ihre Füße, damit sie nicht erstickte. Nun erschoss er sein wehrloses Opfer. Der Wirbelsäulenbruch entstand dadurch, dass Pats Körper nach dem Eintreten der Kugeln durch den Rückschlag den Halt auf der Leiter verlor und nun ihr gesamtes Gewicht auf den Wirbeln lastete.

Der Täter hatte nirgendwo seine Fingerabdrücke hinterlassen, aber das Team hatte seine DNS.