wie versprochen, das nächste Kapitel :).

Kapitel 9 - Verzweifelt
Verzweifelt laufe ich durch die weißen Gärten Minas Tirith. Immernoch ist keine Nachricht des Königs und seinem Gefolge gekommen, bald ist ihr Aufbruch drei Monate her.
Die weiße Stadt scheint wie eingefroren durch das Eis und die Hausdächer und Mauern sind von Schnee bedeckt. Wäre sie nicht mein Gefängnis könnte ich sie sogar schön finden. Doch für all das habe ich jetzt keinen Blick, selbst die Gedanken an die beiden Männer die ich auf unterschiedliche Weise liebe und hasse sind in den Hintergrund gerückt, gegenüber der schlagartigen Erkenntnis, die mir heute gekommen ist.

Ich sehe nicht wohin mich meine Füße tragen und wie schon einmal in Edoras finde ich mich vor dem Stall wieder. Wieso eigentlich nicht? Ein Ausritt würde mir gut tun und wieso sollte mich jemand daran hindern? Ich schicke einen Stalljungen zum Palast um Arwen Bescheid zu geben und lasse Windfola satteln. Als ich endlich im auf dem Pferderücken sitze, zittern meine Hände so, dass es mir schwerfällt die Zügel vernünftig zu halten.
In einem flotten Trab reite ich die Ringe der Stadt hinunter und sobald ich endlich auf freier Fläche bin lasse ich meinem Pferd die Zügel und drücke die Fersen in die weichen Flanken. Dieser Aufforderung hätte es nicht bedurft, Windfola war ebenso wie ich eingesperrt und wurde kaum geritten, seit wir Minas Tirith betreten hatten.

Als ich den kalten Wind im Gesicht spüre kommen endlich die erlösenden Tränen. Windfolas Hufe berühren kaum den Boden das Pferd wird immer schneller und schneller und ich hab meine Freude daran. Wie sehnlichst habe ich dies vermisst, gehören solche Ritte für mich doch seit Kindestagen zum Leben wie die Luft zum atmen.

Irgendwann wird das Tier unter mir langsamer und fällt schließlich in den Schritt. Dankbar klopfe ich ihm den schweißnassen Hals und wische mir die Tränen ab. Mein Atem schwebt Rauchwölkchen gleich in der kalten Luft. Geistesabwesend streiche ich über meinen Bauch und zucke dann zusammen.
Es darf einfach nicht wahr sein, es muss alles ein böser Traum sein! Doch ich weiß, dass es die Wahrheit ist und ich nicht in einer Welt aufwachen werde, die für mich noch in Ordnung ist.

Mich überkommt plötzlich das unbändige Verlangen nach Rohan zu reiten, einfach immer weiter, bis wir die Stadttore Edoras erreichen und Éomer uns verblüfft aber freudig überrascht entgegen läuft. Und ich werde mich in seine beruhigenden Arme werfen und ihm alles erzählen und schließlich werde ich mich besser fühlen. Doch ich weiß, dass es nicht geht, selbst wenn ich den Mut hätte meine Ketten zu sprengen würde ich doch erfrieren wenn ich des Nachts im Freien lagern müsste. Es ist schließlich kein Tagesritt von Minas Tirith bis Edoras.

Letztendlich wende ich und reite langsam zurück zur Stadt, damit ich vor Einbruch der Nacht dort sein werde. Aber bei jedem Schritt den Windfola macht schließt sich eine kalte Faust mehr und mehr um mein Herz, bis ich meine nicht mehr Atmen zu können. Wie selten zuvor wird mir bewusst, wie allein ich bin. Erst seit vier Monaten bin ich Faramirs Frau und doch ist es die schlimmste und längste Zeit meines Lebens gewesen. Wie soll ich mein restliches Leben lang so aushalten?

My heart is covered,
with thoughts entangled,
How could it ever have felt so real?
Is there a place more lonely than I feel within?
Could I have seen?
Could I have known?
I just took it as the truth,
Everyone with a friendly face,
Seems to hide some secret inside


Doch irgendwie werde ich es ertragen, den Gedanken an den Freitod lasse ich nicht zu. Irgendwo gibt es immernoch einen Rest der stolzen Jungfrau von Rohan und auch wenn sie sich nun in Käfige sperren lässt, zu dieser Schande vor ihren Ahnen wird sie niemand bringen können. Nein Onkel, meine Zeit dir zu folgen ist noch nicht gekommen!

Einen kurzen Augenblick lang flackert in mir die Erinnerung an jene Minuten auf dem Schlachtfeld auf. Hinter mir mein geliebter Onkel, der mir wie ein Vater war, vor mir das Grauen, der dunkle König von Angmar. Und ich entsinne mich meinen heftigen Gefühlen, meinem Drang nach Freiheit, meinem Stolz, meiner Liebe zu Théoden, meinem Wunsch nach dem Tod und über allem der Gedanke des Triumphes. Seht her, Éowyn von Rohan wird nicht am Herd stehen und warten bis der Feind da ist um sie fort zu jagen. Sie wird nicht zusehen, wie alle die sie liebt in den Tod ziehen und nicht feige daheim bleiben. Sie hat ihren Fesseln entsagt und nun mag der Tod kommen, jetzt gibt es nichts dass sie reuen würde!

Eine einsame Träne tropft von meiner Wange auf meine Hand und ich spüre ihre Kälte wie einen Messerstich. Als ich aufsehe erkenne ich die Stelle, ungefähr hier mag eben jene Szene stattgefunden haben. Doch es scheint mir so lange her zu sein, kaum mehr als eine schwache Erinnerung, so fremd wie eine Geschichte aus ferner Zeit. Was hat diese Éowyn noch mit der gebrochenen alten Frau zu tun, die auf ihrem Ross sitzt und freiwillig in ihre Fesseln zurückkehrt? Nichts, nur das Aussehen ist geblieben, das einer jungen, stolzen Kriegerin.

Die Nacht bricht herein, nachdem ich mein Pferd dem Stallmeister übergeben habe und nun den Palast betrete. Arwen eilt mir entgegen und weist sofort die Dienstmädchen an ein warmes Bad einzulassen, Essen zu bereiten und mir frische Kleider heraus zu suchen. Besorgt legt sie einen Arm um meine Schulter, redet auf mich ein, bringt mich ins Bad wo das Wasser erhitzt worden ist. Sie zieht mich aus und badet mich wie ein kleines Kind, dabei scheint sie so aufgeregt und besorgt, dass sie teilweise einige Worte elbisch redet und es nicht einmal bemerkt. Doch ich bin innerlich ebenso kalt wie mein Körper und höre ihr kaum zu. Schließlich finde ich mich trocken und warm bei Tische wieder, wo nur für mich das Essen aufgetragen wird und Arwen sitzt mir gegenüber.

Ich sehe sie mit einem verwirrten Stirnrunzeln an. Inzwischen ist sie wieder ruhig und beherrscht, wie immer. „Ihr wart vollkommen unterkühlt, Éowyn! Wieso wart ihr so lange fort?" Ich schlucke und beginne zaghaft zu essen, langsam bekomme ich großen Hunger. „Ich war durcheinander und brauchte Zeit für mich!" Sie nickt und schweigt. Dann deutet sie mit einer eleganten Handbewegung auf meinen Teller. „Esst ruhig, ihr müsst hungrig sein!"
Dankbar esse ich mich satt, was einige Zeit dauert. Ein junges Mädchen kommt und räumt die Sachen ab. Ich drehe gedankenverloren meinen Krug mit den Fingern hin und her, es fällt mir schwer einen klaren Gedanken zu fassen. Als sie vertraulich meine Hand fasst, zucke ich erschrocken zusammen. „Éowyn, darf ich fragen, was euch bedrückt?" Ich schüttele den Kopf, aber nicht als Antwort auf ihre Frage, sondern um mich in die Wirklichkeit zurück zu holen. „Es ist...mir geht es nicht so gut. Ich bin...etwas durcheinander!" Sie schaut kurz auf die Tischplatte, dann blickt sie mir wieder in die Augen.

„Tragt ihr ein Kind unter dem Herzen, Éowyn?"
Ich zucke wieder zusammen und ziehe meine Hand weg. Ich wusste, dass sie es merken würde! schießt es mir durch den Kopf und in diesem Moment merke ich, dass das stimmt. Ich hatte tatsächlich gewusst, dass sie es merken würde, sobald ich es wusste. Meine Stimme klingt hart und abweisend, aber ich kann ein leichtes Zittern nicht verhindern. „Ja, so ist es!" Sie blickt betreten in ihren Schoß und scheint Mut zu sammeln. „Ich würde euch gerne helfen, Éowyn! Ich wäre gerne eure Freundin!" Ich starre sie nur an und realisiere kaum was sie gesagt hat. „Ich weiß nicht, ob ich dieses Kind will!", bricht es aus mir heraus. Sie schaut bestürzt. „Aber Faramir ist doch der Vater, oder?"

Erschrocken hält sie sich die Hand vor den Mund für eine so unsittliche Frage. Ich schiebe meinen Stuhl zurück und stehe auf. „Ja, natürlich! Ihr habt recht, es ist Unsinn, so etwas zu denken!" Ruckartig drehe ich mich um und laufe schnell aus der Halle. In meinem Zimmer setze ich mich aufs Bett, atme tief durch und denke über das Gespräch nach.

„Ich würde euch gerne helfen, Éowyn! Ich wäre gerne eure Freundin!" Was in Erus Namen sollte das? Das hatte doch nicht wirklich Königin Arwen Abendstern gesagt! Und wenn sie noch einmal fragt, werde ich ihr erklären müssen wie gern auch ich mit ihr befreundet wäre...oh wie ich sie hasse! Heftig werfe ich mich aufs Bett, doch weinen kann ich nicht mehr. Statt dessen starre ich an die Zimmerdecke und versuche Ordnung in meine wirren Gedanken zu bringen. Wenn ich doch nur wüsste, wer der Vater des Kindes ist. Mein Herz zerreißt fast vor Sehnsucht nach Aragorn und ich wünsche mir nichts mehr, als dass es sein Kind wäre. Wenigstens etwas von ihm, dass ich behalten könnte, dass zu mir gehören würde! Und doch könnte es genauso gut Faramirs Kind sein, genau wie alle denken werden. Oh wieso muss ich jetzt schon Mutter werden? Reicht es nicht, dass ich mich noch zu jung für eine Ehe fühle, muss ich jetzt auch noch ein Kind bekommen und dessen Mutter sein? Wäre doch nur Aragorn der Vater.... .

He told me he loved me,
While he laughed in my face,
He just led me astray,
He took my virtue,
I feel so cold inside,
Sorrow has frozen my mind