Autor: hamstagirl
Titel: Runaway
Disclaimer: Aller Charaktere außer Zoe gehören nicht mir, sonder Warner
Bros.
Summary: Abby muss lernen, dass man nicht immer vor seiner Vergangenheit
flüchten kann.
Genre: Romance
Kapitel 2: Welcome to Chicago
„Zoe, aufwachen. Wir fliegen Daddy besuchen."
Dieser Worte scheinen bei meiner Tochter Wunder zu wirken. Hellwach springt sie auf ihrem Bett herum und fragt:
„Wann? Ich muss sofort meinen Rucksack packen. Murphy muss natürlich auch mit!"
„Jetzt. Ich habe gerade im Krankenhaus angerufen und bekomme eine Woche frei und die Koffer sind auch schon gepackt. Wir beide werden bei Tante Susan wohnen. Jetzt musst du nur noch frühstücken, dich anziehen und ins Bad gehen. Dann können wir schon zum Flughafen fahren. Kommst du?"
Ich nehme sie an der Hand und wir gehen gemeinsam in die Küche.
************************************
30 Minuten später sitzen wir in einem Taxi zum Flughafen. Meine Tochter trägt ein gelbes T-Shirt und helle Jeans. Ihre Haare sehen aus wie zwei kleine Schweineschwänzchen. Sie sieht richtig süß aus, wie sie ihren kleinen Rucksack an sich klammert. Aber nur solange, bis sie dem Taxifahrer laut ins Ohr schnalzt. Dieser reißt das Lenkrad herum und weicht gerade noch dem entgegenkommenden Auto aus. Die anderen Fahrer hinter uns hupen laut.
„Zoe, bist du wahnsinnig?!? Du hättest uns umbringen können!"
Meine Stimme überschlägt sich fast. Zoe sieht mich trotzig an. Meine Güte, was soll ich mit diesem Kind nur machen?
„'tschuldigung, Mommy. Hab' dich lieb!"
Ihre Stimme klingt schuldbewusst und sie lächelt mich an. Mein Herz schmilzt dahin. Mein Gott, habe ich das gerade gedacht? Das ist die neue Abby Lockhart. Ich bin eine Mutter. Durch und durch. Vor fünf Jahren hätte ich nicht einmal davon geträumt. Ich wurde von der rauchenden Ex- Alkoholikerin zur verantwortungsbewussten Mutter. Wer hätte das gedacht? Aber habe ich mein Leben wirklich im Griff oder habe ich mir wieder eine Scheinwelt aufgebaut, die beim kleinsten Anzeichen von Schwierigkeiten in sich zusammenfällt? Das Halten des Fahrzeuges reißt mich aus meinen Gedanken. Ich bezahle den bitter lächelnden Fahrer, nehme Zoe an die Hand und hole meine Reisetasche aus dem Kofferraum. Dann suche ich den Check-In Schalter. Zoe fragt mich:
„Mum? Wo wohnt Daddy eigentlich und wie lange fliegen wir?"
„Er wohnt in Chicago. Das ist an einem großen See in Illinois. Wir fliegen paar Stunden. Aber du wirst sehen, die Zeit vergeht ganz schnell. Ich habe Spielsachen eingepackt und wenn du müde wirst, kannst du ja schlafen."
Jetzt habe ich endlich den Schalter gefunden. Ich reiche der in ein türkisfarbenes Kostüm gezwängten Angestellten unsere Tickets. Sie hebt die Augenbrauen und fragt:
„Miss, ihr Name ist Lockhart und der Name des Kindes ist Carter?"
Jetzt geht das wieder los. Egal, wo ich hinkomme, immer dieselbe Frage. Wo liegt das Problem der Leute? Darf man im 21. Jahrhundert nicht einmal ein Kind allein erziehen?
„Ja, meine Tochter trägt den Namen ihres Vaters- Carter. Gibst es damit ein Problem?"
Ich klinge wahrscheinlich etwas schärfer als gewollt aber allein erziehende Mütter werden fast überall diskriminiert. Der seltsame Paradiesvogel mit dem türkisen Federkleid alias Angestellte am Flughafenschalter läuft rot an und händigt mir die Bordkarten und Zoe einen luftgefüllten Plastikkranich und einen Lolly aus. Ich setze mich mit Zoe in einen dieser unbequemen Plastiksessel. Sie vergräbt ihren Kopf in meine Schulter und schläft ein. Ich atme erleichtert aus. Mindestens 20 himmlische Minuten für mich ohne dass meine Tochter in der Zwischenzeit etwas abbrennt, überschwemmt oder jemandem eine blutige Nase verpasst. Aber zurück zur der wichtigsten Frage: Wie erzähle ich Carter das er eine 4-jährige Tochter hat? Die Notaufnahme fällt aus, Doc Magoo's ist auch eine schlechte Idee. Das Beste wäre ein sonniger Tag auf dem Spielplatz. Aber was ist mit seiner Familie? Oh mein Gott, er könnte mir Zoe wegnehmen! Wer lässt schon ein Kind bei einer Ex- Alkoholikerin, die dem Vater ihres Kindes nicht einmal von seiner Existenz erzählt? Bei einer Frau, deren halbe Familie manisch-depressiv ist und die mit ihrem geringen Gehalt als Krankenschwester mit Mühe über die Runden kommt. Vor allem, wenn daneben der perfekte Vater ist, der das Kind in seine kleine perfekte Welt aufnehmen würde. Aber Carter würde so etwas nicht tun. Hoffe ich zumindest. Der Lautsprecher knackte und verkündete:
*Erster Aufruf für Flug 4869949 nach Chicago, Gate 12.*
Ich nehme die kleine Tasche mit dem Handgepäck und stehe vorsichtig, um Zoe nicht aufzuwecken, auf. Im Flugzeug setze ich sie auf ihren Fensterplatz, wobei ihr Kopf gegen das Fenster fällt. Sie murmelt unverständliches Zeug und schläft wieder ein. Okay, ich sollte mich beruhigen. Wenn ich in Chicago angekommen bin werde ich erst einmal zu Susans Apartment fahren. Was erzähle ich Carter warum ich damals einfach weggegangen bin und mich nie wieder gemeldet habe. Mein Gott, ich dachte, es würde reichen, wenn ich Luka erzähle das ich nach Las Vegas ziehe. Nachdem die beiden ja zusammen nach Afrika gefahren sind und sie scheinbar so etwas wie eine normale Freundschaft hatten, dachte ich, er würde es Carter schon erzählen. Entweder Luka hat nichts gesagt oder, was ich vermute, John hatte keine Lust sich um mich zu bemühen. Eigentlich, wenn man der Pharmaindustrie glaubt, sollte Zoe gar nicht existieren. Aber die Pille wirkt eben nur mit 99% Sicherheit. Das heißt, ich bin die eine von 100 Frauen, die trotzdem schwanger wurde. In dem Fall, mein größtes Glück.
PÄNG!
Ich schaue erschrocken zu Zoe. Der kleine Plastikvogel der Fluglinie ist nun in 1000 kleine Fetzen zerrissen. Irgendwie hatte meine Tochter es geschafft, die Gabel des Nachbarn zu stehlen und sie in den Vogel zu rammen. Alle Köpfe drehen sich zu unserer Sitzreihe. Das Flugzeug scheint zu schweigen. Nur im Hintergrund laufen die Turbinen. Ich spüre, wie sich meine Wangen rot färben und flüstere:
„Zoe, wie konntest du den armen Vogel zerstören. Jetzt halten die uns alle für verrückt!"
Der Passagier rechts von mir rückt ein Stücken weg. Zoe sagt laut:
„Die blöde Kuh in dem türkisenen Gewand war gemein zu dir also muss dieser blöde Vogel es ausbaden. Warum glotzen uns alle an? Hi, ich bin Zoe und das ist meine Mum."
Die Köpfe drehen sich wieder nach vorn und der Alltagslärm kehrt ein. Manche lächeln Zoe freundlich zu, andere schütteln ungläubig den Kopf und ein alte Dame macht einen Kommentar über die heutige Jugend und deren unfähige Eltern. Ich zeige ihr die Zunge und sie wendet sich mit einem lauten Schnaufen ab. Zoe sagt bewundernd:
„Cool!"
**********************************
*Meine Damen und Herren, wir erreichen in Kürze unseren Zielflughafen Chicago. Ihr Gepäck wird so schnell wie möglich zur Abholung bereitgestellt. Wir danken ihnen für das Vertrauen in uns und hoffen, dass wir sie bald wieder an Bord begrüßen dürfen.*
Ich nehme Zoe an die Hand und werde den Rucksack über meine linke Schulter. Nachdem wir unseren Koffer abgeholt haben läutet mein Handy.
„Lockhart."
„Hey, Abby. Ich bin's, Susan. Es tut mir Leid, aber Weaver hat mich zu einer Doppelschicht verurteilt. Das heißt, du wirst dir den Schlüssel für meine Wohnung im Krankenhaus abholen müssen."
„Na toll. Du weißt, warum ich nicht in Notaufnahme will." Ich senke meine Stimme etwas, damit Zoe mich nicht hört. „Ist Carter da?"
„Ja, zumindest jetzt noch. Es tut mir echt leid aber ich muss Schluss machen, wir bekommen eine Schussverletzung rein. Tschüß!"
Susan hängt auf und ich fluche leise vor mich hin. Dann wende ich mich an meine Tochter:
„Ähm, Schätzchen, wir müssen erst noch ins Krankenhaus, wo deine Mum früher gearbeitet hat, sonst kommen wir nicht in die Wohnung von Tante Susan. Ist das okay für dich?"
„Ja, das macht bestimmt Spaß. Ist Daddy auch da?"
Verdammt, was sage ich jetzt? Schnell, schnell. „Mmmh. Ich glaube nicht. Wir fahren jetzt mit der Hochbahn, also bitte keine Streiche, Bestrafungen oder Versuche."
Zoe nickt während wir die Fahrkarten kaufen.
***************************************
Vor der Notaufnahme stelle ich Zoe auf die Bank und betrachtete sie von oben bis unten. Ihre Zöpfe haben sich längst wieder aufgelöst, das T-Shirt hat einen Erdbeerfleck und die Hose ein Loch auf dem rechten Knie. Für ihre Verhältnisse, ein annehmbares Outfit. Sie sagt:
„Mum, du hast einen schwarzen Strich bei deinem Auge. Sieht nicht
besonders gut aus, ehrlich!"
Ich greife in meine Handtasche und hole einen Taschenspiegel heraus. Tatsächlich ist meine Wimperntusche verschmiert. Mit wenigen Bewegungen habe ich das Ganze behoben und murmele meine Tochter ein leises Danke zu. Okay, los geht's. Ich hebe Zoe hoch und versuche, sie so zu halten, dass mein Gesicht größtenteils verdeckt ist. Meine Güte, die Kleine wird immer schwerer. Mit verstellter Stimme sollte mich eigentlich keiner erkennen. Ich stoße die Tür mit meinem Fuß auf und bahne mir einen Weg zur Aufnahme.
„Entschuldigung, können sie mir sagen, wo ich Dr. Lewis finde?"
Ich habe meine Stimme um 2 Oktaven hochgeschraubt. Jetzt sollte ich fast unerkennbar sein. Dann höre ich Jerrys Antwort.
„Abby?"
So viel zu meinem genialen Plan. Ich stelle Zoe auf den Boden und streiche eine Haarsträhne hinter mein Ohr. Zu meinem Entsetzen war das nicht das letzte:
„Hey, Leute! Ratet mal, wer zurückgekehrt ist? Abby Lockhart!"
Die Notaufnahme erstarrt zur Salzsäule. Im Hintergrund schreit ein Patient. Zum zweiten Mal heute, laufe ich rot an. Schon umarmen mich die ersten Krankenschwestern und die übliche Ausfragerei beginnt. Keiner scheint Zoe zu bemerken. Nach fünf Minuten kann ich mich endlich losreißen. So, wie ich meine Tochter kenne, hat sie bestimmt schon den ersten Alarmknopf gefunden. Ich sehe mich um und rufe nach ihr. Haleh fragt mich, wer Zoe ist. Ich stelle mich taub und öffne die Tür des Ärztezimmers.
Meine Tochter auf dem Schoß ihres Vaters. Meine ärgster Befürchtung und meine größtes Traumbild! (Verdammt, er sieht auch noch gut wenn er verschwitzt und müde ist. Was mache ich falsch?)
***************Carter****************
Eigentlich wollte ich gerade meinen Mantel holen und aus dieser Notaufnahme verschwinden. Dann hat ein kleines Mädchen es irgendwie geschafft, die Tür des Ärztezimmers zu öffnen. Ich habe mich auf das Sofa gesetzt, um sie nicht zu erschrecken. Schüchtern scheint die Kleine allerdings nicht zu sein. Den innerhalb einer halben Minute ist sie auf meinen Schoß geklettert und hat es sich dort bequem gemacht. Seltsamerweise sieht sie Abby ziemlich ähnlich. Ich frage:
„Na, wer bist du denn?"
Plötzlich öffnet sich die Tür und mein Herz macht einen 3-fachen Rückwärtssalto. In der Tür steht niemand geringerer als Abigail Lockhart. Das Mädchen sagt:
„Hi, Mummy. Ist der Typ hier nicht süß?"
Das ist Abbys Tochter? Ich sehe, wie Abby rot anläuft. Sie versucht, mich nicht anzusehen und sagt:
„Zoe, wie konntest du einfach weglaufen?"
Zoe sieht zu mir auf und sagt: „Das ist meine Mum, Abby Lockhart und ich bin Zoe Car-"
Abby schneidet ihr das Wort ab: „Schon gut, Schätzchen. Ich glaube nicht, dass das den Doktor hier interessiert." Dann hebt sie ihre Tochter von meinem Schoß und verlässt das Ärztezimmer so schnell wie möglich. Als die Tür zufällt, steht mein Mund immer noch offen. Sie ist immer noch so hübsch wie vor fünf Jahren. Ich muss jetzt etwas unternehmen. Hastig springe ich auf und folge Abby. Sie nimmt gerade einen Schlüssel von Susan und bewegt sich jetzt Richtung Ausgang. Gerade, als ich losgehen will, blockiert mir so ein dämlicher Medizinstudent den Weg. Er versucht, mir irgendwelchen Fragen über den Einsatz von Paracetamol zu stellen. Ich schiebe ihn vorsichtig zur Seite und sage: „Hör mal, die Frau meines Lebens verlässt gerade die Notaufnahme. Ich muss was unternehmen, später können wir dann über Schmerzmittel plaudern."Der Student nickt verstört und ich laufe weiter. Konnte ich keine bessere Ausrede finden? Wenigsten habe ich nicht gelogen. Hoffe ich. Als ich draußen bin, schlägt mir die eiskalte Luft ins Gesicht. Warum habe ich meinen Mantel nicht mitgenommen? Nach zwei, drei großen Schritten habe ich Abby erreicht.
„Abby?" Ich tippe ihr auf die Schulter und sie dreht sich um. Ihrem Gesicht nach zu urteilen scheint sie nicht gerade glücklich zu sein, mich wieder zusehen. „Ähm, ich dachte, wir könnten vielleicht...eigentlich wollte ich fragen...wenn du willst, dann könnten wir doch vielleicht einen Kaffee bei Doc Magoos trinken. Ein bisschen reden und so. Nur wenn du Zeit hast, natürlich. Wenn du keine hast, dann will ich dich nicht belästigen. Es war nur so ein Gedanke, weißt du." Dabei schlenkere ich dämlich mit meinem Armen umher.
Meine Güte, kann ich noch mehr Blödsinn daherreden? Doch zu meiner Überraschung antwortet sie:
„Ja, warum nicht. Susan hat ab 3 Uhr frei, also könnte sie auf meine Tochter aufpassen. Wie ist es mit 4?"
Ich nicke lasch und Abby nimmt Zoe an die Hand. Als die beiden Richtung Hochbahn wandern, dreht sich ihre Tochter noch einmal um und lächelt mir zu. Ich zwinkere ihr zu bevor mein Blick auf ihre Mutter gleitet. Ihre Hüften bewegen sich schwungvoll hin und her als sie schnell die Straße überquert. Ihr braunes Haar, flattert im Wind. Sie dreht sich noch einmal um und sieht mich an. Ich sehe in diese wunderbaren, braunen Augen, in die ich seit 5 Jahren nicht geblickt habe. Sie sind so sanft, fast schon melancholisch. Abby lächelt. Ich habe es nie wirklich bemerkt, aber sie hat eine ganze Palette von Lächeln. Trauriges Lächeln, sarkastisches Lächeln, glückliches Lächeln. Dies ist eines ihrer schönsten. Ihre Gesicht strahlt, nur in ihren Augen sehe ich einen Funken von Unsicherheit. Abby dreht sich um und verschwindet aus meinem Blickfeld. Sie ist so wunderbar, einfach atemberaubend. Wieso bin ich damals Lukas Ratschlag gefolgt. Selbst wenn sie mich nie wieder sehen wollte, hätte ich zumindest versuchen müssen, sie zurückzuholen oder das ganze klären. Jetzt ist es sowieso schon zu spät. Bestimmt hat sie eine kleine, perfekte Familie. Mich würde nur interessieren, wer der Vater ist. Wenn ich mich nicht verrechnet habe, müsste sie ihn kurz nach ihrem Umzug kennen gelernt haben. Wer ist der Vater dieses süßen kleinen Mädchens? Plötzlich fällt mir auf, dass ich immer noch draußen stehe, obwohl ich nur OP-Kittel trage und es März in Chicago ist. Mit einem leichten Frösteln kehre ich zurück in die Notaufnahme um das Gespräch mit dem Medizinstudenten weiterzuführen. Wenigsten habe ich einen kleinen Lichtblick- Ich kann Abby endlich fragen, warum sie damals einfach verschwunden ist und wer der Vater von Zoe ist.
*****************************************
Über Reviews würde ich mich unheimlich freuen! Ja, ich weiß, Doc Magoos ist abgebrannt, aber wo sollen sie denn hingehen? Dieses Restaurant hat eben seinen eigenen Charme. Wieso mussten sie es abbrennen lassen? Das Kapitel ist etwas länger geworden als das erste, aber ich habe im Moment eine Schreibwut. Bitte, bitte Reviews!
Kapitel 2: Welcome to Chicago
„Zoe, aufwachen. Wir fliegen Daddy besuchen."
Dieser Worte scheinen bei meiner Tochter Wunder zu wirken. Hellwach springt sie auf ihrem Bett herum und fragt:
„Wann? Ich muss sofort meinen Rucksack packen. Murphy muss natürlich auch mit!"
„Jetzt. Ich habe gerade im Krankenhaus angerufen und bekomme eine Woche frei und die Koffer sind auch schon gepackt. Wir beide werden bei Tante Susan wohnen. Jetzt musst du nur noch frühstücken, dich anziehen und ins Bad gehen. Dann können wir schon zum Flughafen fahren. Kommst du?"
Ich nehme sie an der Hand und wir gehen gemeinsam in die Küche.
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30 Minuten später sitzen wir in einem Taxi zum Flughafen. Meine Tochter trägt ein gelbes T-Shirt und helle Jeans. Ihre Haare sehen aus wie zwei kleine Schweineschwänzchen. Sie sieht richtig süß aus, wie sie ihren kleinen Rucksack an sich klammert. Aber nur solange, bis sie dem Taxifahrer laut ins Ohr schnalzt. Dieser reißt das Lenkrad herum und weicht gerade noch dem entgegenkommenden Auto aus. Die anderen Fahrer hinter uns hupen laut.
„Zoe, bist du wahnsinnig?!? Du hättest uns umbringen können!"
Meine Stimme überschlägt sich fast. Zoe sieht mich trotzig an. Meine Güte, was soll ich mit diesem Kind nur machen?
„'tschuldigung, Mommy. Hab' dich lieb!"
Ihre Stimme klingt schuldbewusst und sie lächelt mich an. Mein Herz schmilzt dahin. Mein Gott, habe ich das gerade gedacht? Das ist die neue Abby Lockhart. Ich bin eine Mutter. Durch und durch. Vor fünf Jahren hätte ich nicht einmal davon geträumt. Ich wurde von der rauchenden Ex- Alkoholikerin zur verantwortungsbewussten Mutter. Wer hätte das gedacht? Aber habe ich mein Leben wirklich im Griff oder habe ich mir wieder eine Scheinwelt aufgebaut, die beim kleinsten Anzeichen von Schwierigkeiten in sich zusammenfällt? Das Halten des Fahrzeuges reißt mich aus meinen Gedanken. Ich bezahle den bitter lächelnden Fahrer, nehme Zoe an die Hand und hole meine Reisetasche aus dem Kofferraum. Dann suche ich den Check-In Schalter. Zoe fragt mich:
„Mum? Wo wohnt Daddy eigentlich und wie lange fliegen wir?"
„Er wohnt in Chicago. Das ist an einem großen See in Illinois. Wir fliegen paar Stunden. Aber du wirst sehen, die Zeit vergeht ganz schnell. Ich habe Spielsachen eingepackt und wenn du müde wirst, kannst du ja schlafen."
Jetzt habe ich endlich den Schalter gefunden. Ich reiche der in ein türkisfarbenes Kostüm gezwängten Angestellten unsere Tickets. Sie hebt die Augenbrauen und fragt:
„Miss, ihr Name ist Lockhart und der Name des Kindes ist Carter?"
Jetzt geht das wieder los. Egal, wo ich hinkomme, immer dieselbe Frage. Wo liegt das Problem der Leute? Darf man im 21. Jahrhundert nicht einmal ein Kind allein erziehen?
„Ja, meine Tochter trägt den Namen ihres Vaters- Carter. Gibst es damit ein Problem?"
Ich klinge wahrscheinlich etwas schärfer als gewollt aber allein erziehende Mütter werden fast überall diskriminiert. Der seltsame Paradiesvogel mit dem türkisen Federkleid alias Angestellte am Flughafenschalter läuft rot an und händigt mir die Bordkarten und Zoe einen luftgefüllten Plastikkranich und einen Lolly aus. Ich setze mich mit Zoe in einen dieser unbequemen Plastiksessel. Sie vergräbt ihren Kopf in meine Schulter und schläft ein. Ich atme erleichtert aus. Mindestens 20 himmlische Minuten für mich ohne dass meine Tochter in der Zwischenzeit etwas abbrennt, überschwemmt oder jemandem eine blutige Nase verpasst. Aber zurück zur der wichtigsten Frage: Wie erzähle ich Carter das er eine 4-jährige Tochter hat? Die Notaufnahme fällt aus, Doc Magoo's ist auch eine schlechte Idee. Das Beste wäre ein sonniger Tag auf dem Spielplatz. Aber was ist mit seiner Familie? Oh mein Gott, er könnte mir Zoe wegnehmen! Wer lässt schon ein Kind bei einer Ex- Alkoholikerin, die dem Vater ihres Kindes nicht einmal von seiner Existenz erzählt? Bei einer Frau, deren halbe Familie manisch-depressiv ist und die mit ihrem geringen Gehalt als Krankenschwester mit Mühe über die Runden kommt. Vor allem, wenn daneben der perfekte Vater ist, der das Kind in seine kleine perfekte Welt aufnehmen würde. Aber Carter würde so etwas nicht tun. Hoffe ich zumindest. Der Lautsprecher knackte und verkündete:
*Erster Aufruf für Flug 4869949 nach Chicago, Gate 12.*
Ich nehme die kleine Tasche mit dem Handgepäck und stehe vorsichtig, um Zoe nicht aufzuwecken, auf. Im Flugzeug setze ich sie auf ihren Fensterplatz, wobei ihr Kopf gegen das Fenster fällt. Sie murmelt unverständliches Zeug und schläft wieder ein. Okay, ich sollte mich beruhigen. Wenn ich in Chicago angekommen bin werde ich erst einmal zu Susans Apartment fahren. Was erzähle ich Carter warum ich damals einfach weggegangen bin und mich nie wieder gemeldet habe. Mein Gott, ich dachte, es würde reichen, wenn ich Luka erzähle das ich nach Las Vegas ziehe. Nachdem die beiden ja zusammen nach Afrika gefahren sind und sie scheinbar so etwas wie eine normale Freundschaft hatten, dachte ich, er würde es Carter schon erzählen. Entweder Luka hat nichts gesagt oder, was ich vermute, John hatte keine Lust sich um mich zu bemühen. Eigentlich, wenn man der Pharmaindustrie glaubt, sollte Zoe gar nicht existieren. Aber die Pille wirkt eben nur mit 99% Sicherheit. Das heißt, ich bin die eine von 100 Frauen, die trotzdem schwanger wurde. In dem Fall, mein größtes Glück.
PÄNG!
Ich schaue erschrocken zu Zoe. Der kleine Plastikvogel der Fluglinie ist nun in 1000 kleine Fetzen zerrissen. Irgendwie hatte meine Tochter es geschafft, die Gabel des Nachbarn zu stehlen und sie in den Vogel zu rammen. Alle Köpfe drehen sich zu unserer Sitzreihe. Das Flugzeug scheint zu schweigen. Nur im Hintergrund laufen die Turbinen. Ich spüre, wie sich meine Wangen rot färben und flüstere:
„Zoe, wie konntest du den armen Vogel zerstören. Jetzt halten die uns alle für verrückt!"
Der Passagier rechts von mir rückt ein Stücken weg. Zoe sagt laut:
„Die blöde Kuh in dem türkisenen Gewand war gemein zu dir also muss dieser blöde Vogel es ausbaden. Warum glotzen uns alle an? Hi, ich bin Zoe und das ist meine Mum."
Die Köpfe drehen sich wieder nach vorn und der Alltagslärm kehrt ein. Manche lächeln Zoe freundlich zu, andere schütteln ungläubig den Kopf und ein alte Dame macht einen Kommentar über die heutige Jugend und deren unfähige Eltern. Ich zeige ihr die Zunge und sie wendet sich mit einem lauten Schnaufen ab. Zoe sagt bewundernd:
„Cool!"
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*Meine Damen und Herren, wir erreichen in Kürze unseren Zielflughafen Chicago. Ihr Gepäck wird so schnell wie möglich zur Abholung bereitgestellt. Wir danken ihnen für das Vertrauen in uns und hoffen, dass wir sie bald wieder an Bord begrüßen dürfen.*
Ich nehme Zoe an die Hand und werde den Rucksack über meine linke Schulter. Nachdem wir unseren Koffer abgeholt haben läutet mein Handy.
„Lockhart."
„Hey, Abby. Ich bin's, Susan. Es tut mir Leid, aber Weaver hat mich zu einer Doppelschicht verurteilt. Das heißt, du wirst dir den Schlüssel für meine Wohnung im Krankenhaus abholen müssen."
„Na toll. Du weißt, warum ich nicht in Notaufnahme will." Ich senke meine Stimme etwas, damit Zoe mich nicht hört. „Ist Carter da?"
„Ja, zumindest jetzt noch. Es tut mir echt leid aber ich muss Schluss machen, wir bekommen eine Schussverletzung rein. Tschüß!"
Susan hängt auf und ich fluche leise vor mich hin. Dann wende ich mich an meine Tochter:
„Ähm, Schätzchen, wir müssen erst noch ins Krankenhaus, wo deine Mum früher gearbeitet hat, sonst kommen wir nicht in die Wohnung von Tante Susan. Ist das okay für dich?"
„Ja, das macht bestimmt Spaß. Ist Daddy auch da?"
Verdammt, was sage ich jetzt? Schnell, schnell. „Mmmh. Ich glaube nicht. Wir fahren jetzt mit der Hochbahn, also bitte keine Streiche, Bestrafungen oder Versuche."
Zoe nickt während wir die Fahrkarten kaufen.
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Vor der Notaufnahme stelle ich Zoe auf die Bank und betrachtete sie von oben bis unten. Ihre Zöpfe haben sich längst wieder aufgelöst, das T-Shirt hat einen Erdbeerfleck und die Hose ein Loch auf dem rechten Knie. Für ihre Verhältnisse, ein annehmbares Outfit. Sie sagt:
„Mum, du hast einen schwarzen Strich bei deinem Auge. Sieht nicht
besonders gut aus, ehrlich!"
Ich greife in meine Handtasche und hole einen Taschenspiegel heraus. Tatsächlich ist meine Wimperntusche verschmiert. Mit wenigen Bewegungen habe ich das Ganze behoben und murmele meine Tochter ein leises Danke zu. Okay, los geht's. Ich hebe Zoe hoch und versuche, sie so zu halten, dass mein Gesicht größtenteils verdeckt ist. Meine Güte, die Kleine wird immer schwerer. Mit verstellter Stimme sollte mich eigentlich keiner erkennen. Ich stoße die Tür mit meinem Fuß auf und bahne mir einen Weg zur Aufnahme.
„Entschuldigung, können sie mir sagen, wo ich Dr. Lewis finde?"
Ich habe meine Stimme um 2 Oktaven hochgeschraubt. Jetzt sollte ich fast unerkennbar sein. Dann höre ich Jerrys Antwort.
„Abby?"
So viel zu meinem genialen Plan. Ich stelle Zoe auf den Boden und streiche eine Haarsträhne hinter mein Ohr. Zu meinem Entsetzen war das nicht das letzte:
„Hey, Leute! Ratet mal, wer zurückgekehrt ist? Abby Lockhart!"
Die Notaufnahme erstarrt zur Salzsäule. Im Hintergrund schreit ein Patient. Zum zweiten Mal heute, laufe ich rot an. Schon umarmen mich die ersten Krankenschwestern und die übliche Ausfragerei beginnt. Keiner scheint Zoe zu bemerken. Nach fünf Minuten kann ich mich endlich losreißen. So, wie ich meine Tochter kenne, hat sie bestimmt schon den ersten Alarmknopf gefunden. Ich sehe mich um und rufe nach ihr. Haleh fragt mich, wer Zoe ist. Ich stelle mich taub und öffne die Tür des Ärztezimmers.
Meine Tochter auf dem Schoß ihres Vaters. Meine ärgster Befürchtung und meine größtes Traumbild! (Verdammt, er sieht auch noch gut wenn er verschwitzt und müde ist. Was mache ich falsch?)
***************Carter****************
Eigentlich wollte ich gerade meinen Mantel holen und aus dieser Notaufnahme verschwinden. Dann hat ein kleines Mädchen es irgendwie geschafft, die Tür des Ärztezimmers zu öffnen. Ich habe mich auf das Sofa gesetzt, um sie nicht zu erschrecken. Schüchtern scheint die Kleine allerdings nicht zu sein. Den innerhalb einer halben Minute ist sie auf meinen Schoß geklettert und hat es sich dort bequem gemacht. Seltsamerweise sieht sie Abby ziemlich ähnlich. Ich frage:
„Na, wer bist du denn?"
Plötzlich öffnet sich die Tür und mein Herz macht einen 3-fachen Rückwärtssalto. In der Tür steht niemand geringerer als Abigail Lockhart. Das Mädchen sagt:
„Hi, Mummy. Ist der Typ hier nicht süß?"
Das ist Abbys Tochter? Ich sehe, wie Abby rot anläuft. Sie versucht, mich nicht anzusehen und sagt:
„Zoe, wie konntest du einfach weglaufen?"
Zoe sieht zu mir auf und sagt: „Das ist meine Mum, Abby Lockhart und ich bin Zoe Car-"
Abby schneidet ihr das Wort ab: „Schon gut, Schätzchen. Ich glaube nicht, dass das den Doktor hier interessiert." Dann hebt sie ihre Tochter von meinem Schoß und verlässt das Ärztezimmer so schnell wie möglich. Als die Tür zufällt, steht mein Mund immer noch offen. Sie ist immer noch so hübsch wie vor fünf Jahren. Ich muss jetzt etwas unternehmen. Hastig springe ich auf und folge Abby. Sie nimmt gerade einen Schlüssel von Susan und bewegt sich jetzt Richtung Ausgang. Gerade, als ich losgehen will, blockiert mir so ein dämlicher Medizinstudent den Weg. Er versucht, mir irgendwelchen Fragen über den Einsatz von Paracetamol zu stellen. Ich schiebe ihn vorsichtig zur Seite und sage: „Hör mal, die Frau meines Lebens verlässt gerade die Notaufnahme. Ich muss was unternehmen, später können wir dann über Schmerzmittel plaudern."Der Student nickt verstört und ich laufe weiter. Konnte ich keine bessere Ausrede finden? Wenigsten habe ich nicht gelogen. Hoffe ich. Als ich draußen bin, schlägt mir die eiskalte Luft ins Gesicht. Warum habe ich meinen Mantel nicht mitgenommen? Nach zwei, drei großen Schritten habe ich Abby erreicht.
„Abby?" Ich tippe ihr auf die Schulter und sie dreht sich um. Ihrem Gesicht nach zu urteilen scheint sie nicht gerade glücklich zu sein, mich wieder zusehen. „Ähm, ich dachte, wir könnten vielleicht...eigentlich wollte ich fragen...wenn du willst, dann könnten wir doch vielleicht einen Kaffee bei Doc Magoos trinken. Ein bisschen reden und so. Nur wenn du Zeit hast, natürlich. Wenn du keine hast, dann will ich dich nicht belästigen. Es war nur so ein Gedanke, weißt du." Dabei schlenkere ich dämlich mit meinem Armen umher.
Meine Güte, kann ich noch mehr Blödsinn daherreden? Doch zu meiner Überraschung antwortet sie:
„Ja, warum nicht. Susan hat ab 3 Uhr frei, also könnte sie auf meine Tochter aufpassen. Wie ist es mit 4?"
Ich nicke lasch und Abby nimmt Zoe an die Hand. Als die beiden Richtung Hochbahn wandern, dreht sich ihre Tochter noch einmal um und lächelt mir zu. Ich zwinkere ihr zu bevor mein Blick auf ihre Mutter gleitet. Ihre Hüften bewegen sich schwungvoll hin und her als sie schnell die Straße überquert. Ihr braunes Haar, flattert im Wind. Sie dreht sich noch einmal um und sieht mich an. Ich sehe in diese wunderbaren, braunen Augen, in die ich seit 5 Jahren nicht geblickt habe. Sie sind so sanft, fast schon melancholisch. Abby lächelt. Ich habe es nie wirklich bemerkt, aber sie hat eine ganze Palette von Lächeln. Trauriges Lächeln, sarkastisches Lächeln, glückliches Lächeln. Dies ist eines ihrer schönsten. Ihre Gesicht strahlt, nur in ihren Augen sehe ich einen Funken von Unsicherheit. Abby dreht sich um und verschwindet aus meinem Blickfeld. Sie ist so wunderbar, einfach atemberaubend. Wieso bin ich damals Lukas Ratschlag gefolgt. Selbst wenn sie mich nie wieder sehen wollte, hätte ich zumindest versuchen müssen, sie zurückzuholen oder das ganze klären. Jetzt ist es sowieso schon zu spät. Bestimmt hat sie eine kleine, perfekte Familie. Mich würde nur interessieren, wer der Vater ist. Wenn ich mich nicht verrechnet habe, müsste sie ihn kurz nach ihrem Umzug kennen gelernt haben. Wer ist der Vater dieses süßen kleinen Mädchens? Plötzlich fällt mir auf, dass ich immer noch draußen stehe, obwohl ich nur OP-Kittel trage und es März in Chicago ist. Mit einem leichten Frösteln kehre ich zurück in die Notaufnahme um das Gespräch mit dem Medizinstudenten weiterzuführen. Wenigsten habe ich einen kleinen Lichtblick- Ich kann Abby endlich fragen, warum sie damals einfach verschwunden ist und wer der Vater von Zoe ist.
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Über Reviews würde ich mich unheimlich freuen! Ja, ich weiß, Doc Magoos ist abgebrannt, aber wo sollen sie denn hingehen? Dieses Restaurant hat eben seinen eigenen Charme. Wieso mussten sie es abbrennen lassen? Das Kapitel ist etwas länger geworden als das erste, aber ich habe im Moment eine Schreibwut. Bitte, bitte Reviews!
