Das Stück Pergament und Petunias versteckte Gefühle
„Jahrhunderte lang hauste sie schon in den Tiefen der Welt – der Unterwelt -, Jahrhunderte lang hatte sie kein Frischfleisch mehr gehabt, Jahrhunderte lang hatte sie gelangweilt unten, in den Tiefen der Welt, vor sich hin gelebt. Ab und zu schrie sie, kreischte sie ihren Hass, ihren Hunger, ihre Sehnsucht durch das nasse Gewölbe. Manchmal hörte ein ahnungsloser Dummkopf ihr Kreischen, ihr tödliches Kreischen. Sie war und ist das böseste Geschöpf, dass jemals auf dieser Erde seinen Platz gefunden hat. Selbst Voldemort kann mit ihrer Bosheit nicht Schritthalten, doch diese will er besitzen. Nach nichts, abgesehen vom Tod desjenigen, der Überlebte, sehnt er sich mehr. Wenn es Ihm gelingt sie zu befreien, dann wäre dies das Ende der Menschheit".
Es blitze hell auf, kurz darauf zeriss ein lauter Donnerknall die Nacht. Der Wind blies, wie im Wettbewerb mit dem Regen. Riesige Tropfen prasselten auf das Hausdach. Mehre Fensterladen knallten immer wieder gegen die Mauern des Ligusterweg Nr. 4. Der Wind heulte. Matt leuchtete eine kahle Glühbirne im kleinen Zimmer von Harry Potter.
Harry zitterte. Er war in eine seine Bettdecke gehüllt, trotzdem fühlte er Angst, Angst, die sich in Kälte verwandelt hatte, wie man sie ansonsten nur spürt, wenn ein Dementor in der Nähe ist. Wieder und wieder las er die Zeilen, die hastig auf ein Stück Pergament geschrieben worden waren. Konnte es sich um einen schlechten Scherz handeln? Er wollte versteckte Zeichen finden, irgendein Hinweis, wer diesen Brief geschrieben haben könnte. Wer immer es war, er hatte keine Scheu Den Namen zu benutzen. Er kannte nicht viele Leute, die das tun; Hermine, Lupin, Dumbledore, er selbst und Sirius.
Sirius. Alles schien zu ihm zu führen. In diesem Sommer hatte alles, an das er bisher gedacht hatte, irgendetwas mit seinem Paten zu tun, egal ob es etwas magisches oder nichtmagisches war. Wenn Onkel Vernon in der Zeitung über „Das Verbrecherpack"las und schimpfte, dachte er an Sirius, über den Onkel Vernon vor genau 3 Jahren genau das Selbe gesagt hatte. Wenn Harry im Tagespropheten vom Ministerium las, dachte er an Sirius und welches Unrecht ihm von eben diesem Ministerium angetan wurde. Wenn er Briefe bekam, fehlte immer zu ein Brief, der von Sirius. Wenn Tante Petunia von der Tochter des Nachbarn sprach, die wieder mit viel zu kurzem Rock vom Motorrad eines gutaussehende dunkelhaarigen Jungen gestiegen war, dachte er an Sirius, dem einstigen Mädchenschwarm und an dessen fliegendes Motorrad.
Harry hatte zu diesen Gedanken, diesen Spinnereien über die Ferien eine Art Hassliebe entwickelt. Manchmal, wenn er sich einsam und verlassen fühlte, sehnte er sich nach diesen Gedanken, sehnte er sich nach einem fiktiven Sirius, der mit ihm gemeinsam allein ist. Trotzdem, irgendwann, wenn die Erinnerung vorbei ist, er den Gedanken zu Ende gesponnen hat, bleibt nur noch diese Leere und das Gefühl, man hätte ihm einen Teil seiner Seele ausgesaugt. Sie störten, diese Gedanken, denn sie verwirrten ihn, machten ihn unglücklich und unfähig irgendetwas richtig zu machen.
In diesen Ferien war ihm schon drei mal nach einem Tagtraum Geschirr herunter gefallen, was Petunia nur darum mit einem unterdrückten Wutanfall kommentierte, weil die Dursleys vor den Sommerferien eine hübsche Drohung von Made – Eye Moody gekommen hatten. Einmal hatte er verträumt beim Waschen – so etwas erledigte er nun prinzipiell alleine – 90° eingestellt, dass beim Rausnehmen seine Jeans und T – Shirts die Grösse von Puppenkleidung hatten.
Er musste sie wegbringen, diese Gedankenfetzen, die all seine Überlegungen zum Stillstand brachten. Wenn er etwas bewirken wollte, dann musste er gefühlskalt, furchtlos und konzentriert sein.
Schon am ersten Tag bei den Dursleys hatte er beschlossen, nicht einfach nichts zu tun, er hatte beschlossen etwas sinnvolles zu machen, für den Orden, für die Sache gegen Voldemort, gegen den Mann – so weit man ihn noch als einen Menschen bezeichnen konnte –, der für soviel Leid und Tod verantwortlich war. Er las nun jede Zeile des Tagespropheten, damit ihm auch ja nichts entging, denn Merkwürdigkeiten und die Dinge, die wirklich von Bedeutung waren, versteckten sich meist in dem für den normalen Leser unscheinbaren und vielleicht auch uninteressanten Teil. Jeden Abend vor dem Einschlafen übte er Okklumentik. Er befreite seinen Geist von allen Gedanken. Anfangs war es schwieriger geworden, nun ging es immer besser. Er schrieb Briefe mit versteckten Hinweisen und entzifferte welche.
Briefe. Ja, genau das ist das Schlagwort. Er musste an jemanden schreiben. An Ron? Nein, der würde es nicht verstehen, er bekäme nur Panik. An Hermine? Sie war wieder in Frankreich, Ron hatte ihm geschrieben, dass er den Verdacht hat, dass Krum auch dabei ist. Sie konnte nichts bewirken und Ratschläge könnte sie ihm ebenfalls keine geben, denn in Briefen durfte wirklich nichts, aber auch rein gar nichts offensichtliches stehen. Dumbledore war auch kein geeigneter Briefentfänger für ihn. Dieser hatte ihm schon in der ersten Woche geschrieben, dass er keine Briefe entfangen könne, denn solche, die an ihn adressiert seien, würden niemals sein Ziel erreichen, denn diese würden die Anhänger Voldemorts sofort abfangen. An ein anderes Ordenmitglied? An Moody? Nein, dieser würde sofort in Panik geraten. An Lupin? Ja, das schien ihm schon um einiges klüger, trotzdem er spürte, er war noch nicht der Richtige. Die anderen kannte er kaum. An Mrs. Weasly? Nein, sie würde sich sofort Sorgen um ihn machen.
Auf einmal wurde ihm bewusst, wie wenige richtige Freunde, wie wenige Vertraute er hatte. Was wäre wenn er ein ganz gewöhnlicher Junge wäre? Mit James und Lily Potter als lebende, führsorgliche Eltern, die immer für ihn da wären. Mist. Auch das passierte ihm in letzter Zeit immer wieder. Viel zu oft spann er Gedanken, die mit „was wäre wen...?"begannen.
Sollte er wirklich einen Brief schreiben? Wegen einem Fetzen Pergament, den eine Eule, die gleich wieder weggeflogen war, auf seinem Bett abgestreift hatte. Würde er sich nicht lächerlich machen, wenn das Ganze nur ein Scherz war? Ein ziemlich geschmackloser Scherz. War es eventuell auch ein Trick? Harry hatte zwar keine Ahnung, was Voldemort mit solch einem Zettel bei Harry bezwecken sollte, trotzdem war ihm sein vermeintlich realer Traum, der sich als üble Falle erwies, nur zu gut – oder eben zu schlecht – in Erinnerung.
Und ausserdem, wenn er, sagen wir mal, Lupin einen Brief schreiben würde, was stände da? „Sehr geehrter Professor Lupin, was ist die Unterwelt?"oder „Sehr geehrte Professor, Eule hat Zettel auf Bett gelegt, will unbedingt Konversation per Mund führen." Er schüttelte den Kopf. Er musste warten, bis er abgeholt werden würde, was vielleicht im nächsten Jahrhundert geschehen wird und das wird er natürlich wohl oder übel ohne zu murren abwarten. Ja, ja es war halt doch immer das Selbe.
Schlussendlich kam er zu dem Entschluss, dass er warten wird bis er mit jemandem richtig ungezwungen sprechen kann.
Sorgfältig verstaute er den Brief in eine Schublade und legte sich auf sein Bett, um mit Feder, Tinte und Pergament bewaffnet einen Aufsatz für Snape, den Lehrer den er am meisten hasste, zu schreiben.
Erst spät am nächsten Morgen löschte er das Licht, um sich seinen Albträumen hinzugeben, wie jede Nacht. Wegen diesen Albträumen, die, nicht wie im letzten Jahr, als er von der Auferstehung Voldemorts geträumt hatte, nichts mit der Realität zu tun hatte. Meist träumte er Dinge, wie, dass er, Dudley und Sirius in einen Themenpark fahren und Sirius plötzlich von einem Karussellpferd mit roten Schlitzaugen angegriffen wird oder dass er Sirius, sein Vater, Snape und Dumbledore in Alices Wunderland auf einen Tester, der wie der Hutmacher aussieht, treffen, der sie UTZ – Prüfungen schreiben lässt. Eigentlich hatten diese Träume nur etwas gemein, Sirius.
Seit den zwei Wochen, die er nun schon im Ligusterweg verbracht hatte, hatte er nur sehr wenig geschlafen, erst spät war er eingeschlafen, um dann verhältnismässig früh wieder aufzuwachen. So war es auch am nächsten Morgen, nach nur vier Stunden Schlaf wachte er um halb neun wieder auf, so dass er nicht mehr einschlafen konnte. Er hatte von Sirius geträumt, wie immer. Etwas an diesem Traum war jedoch anders gewesen; er war allein mit Sirius, zuvor war immer jemand dabei gewesen, Dumbledore, Lupin, seine Eltern, Hermine, Ron, Cho und viele andere, die er zum Teil gar nicht richtig kannte.
Sirius und Harry waren in einem dunklen, kalten Raum gewesen, sie hatten jedoch nicht mit einander gesprochen. Harry wollte die ganze Zeit über immer wieder den Mund öffnen und mit Sirius reden, ihn fragen, was passiert war, was hinter dem Schleier ist, warum er weitergegangen ist, aus seinem Mund kam jedoch kein Laut. Es war ein schreckliches Gefühl, etwas zu wollen, mit aller Kraft zu wollen und es einfach nicht zu können. Kurz bevor aufgewacht war, ist jedoch auf einmal Ginny gekommen und plötzlich konnte er wieder sprechen, jetzt würde er sich jedoch Ohrfeigen, er hatte nichts wichtiges besprochen, er hatte nur mit Ginny und Sirius über die Herstellung von Berty Bott's Bohnen in allen Geschmacksrichtungen diskutiert.
Während er noch geschlafen hatte, war eine Eule mit dem Tagespropheten gekommen, sie hatte sich auch gleich das Geld genommen, dass er am Abend zuvor auf den Tisch gelegt hatte, das war die beste Lösung, denn durch das Picken einer hartnäckigen Eule aufzuwachen gehörte nicht gerade zu seinen liebsten Beschäftigungen. Er seufzte und stand auf, wechselte seinen Pyjama mit seiner verwaschenen Jeans und einem ausgeleierten T – Shirt, dann legte er sich mit der Zeitung auf das Bett.
Wie immer waren die ersten Seiten hauptsächlich mit den Problemen des Ministeriums und mit der Wahl des neuen Zaubereiministers gefüllt, Fudge hatte eigentlich weder offiziell noch inoffiziell abgedankt, trotzdem schien der Tagespropheten gefallen daran gefunden zu haben geeignete Kandidaten vorzuschlagen.
Nach den ersten Seiten kamen, wie immer, Berichte über irgendwelche Augenzeugen, die ganze Horden von Todessern, Drachen, Riesen und weiss der Kuckuck was sonst noch gesehen haben wollen. Eine Hexe aus York behauptete harknäckig Voldemort hätte sie mit dem Inwenterius – Fluch belegt, so dass sie illegale Zauber ausübte, die danach in die Hose gegangen waren. Harry war sich so ziemlich sicher, dass das nur eine Ausrede für ihre illegalen Machenschaften war. Meistens waren diese „Augenzeugen"– Berichte sehr kurios und teilweise zum Schmunzeln, Harry hatte bisher nur drei Berichte ausgeschnitten und zu den anderen Zeitungsausschnitten gelegt, die er für relevant hielt. Es schmerzte ihn jedoch sehr, wenn diese Leute angaben, sie hätten Black mit Voldemort – oder ohne – gesehen, wie er Muggel folterte oder so gar tötete. Sirius war tot – obwohl er das immer noch nicht so richtig glaubte, es war alles so merkwürdig gewesen, an jenem Tag - und er war zu keiner Zeit kein Anhänger Voldemorts gewesen.
Im ersten Tagespropheten, den er im Ligusterweg bekommen hatte, hatte man eine Liste aller Opfer – natürlich nur der magischen Opfer – vom letzten Mal erstellt. Die Liste war erschreckend lang und nach dem Alphabet geordnet. Bei ein paar Namen hielt er inne, beispielsweise bei einer gewissen Andromeda Tonks – Sirius hatte sie letztes Jahr erwähnt, sie war die Mutter der Aurorin Nymphadora Tonks -, bei Edgar, Stanley und Margrit Bones – dem Bruder von Amelia Bones, einer Richterin mit der er im letzten Jahr Bekanntschaft gemacht hat, und dessen Familie -, bei Frank und Alice Longbottom, die zwar nicht Tot waren, deren Schicksal jedoch vielleicht noch schlimmer als der Tod ist, auch seine Eltern – James und Lily Potter - standen auf der Liste, ausserdem war da noch eine Potter; Merete Potter.
War es Zufall oder war noch eine Verwandte Voldemort zum Opfer gefallen? Wer war sie? Wer waren all diese Menschen gewesen, dessen Namen ihm teilweise etwas sagten – Dorcas Meadowes, Caradoc Dearborn, Gideon und Fabian Prewett -, die er jedoch nie leibhaftig gesehen hatte?
Hinter jedem dieser Namen steckte eine Geschichte, ein Leben. Hatte nicht jeder Mensch eine Geschichte? Tötet man, wenn man ermordet, nicht nur einen Mensch, tötet man dann nicht auch seine Geschichte, die jeder Mensch mit sich in seinem Herzen oder in seiner Seele trägt? Und vor allem tötet man nicht auch einen Vater, eine Mutter, einen Bruder, eine Schwester, eine Tochter, einen Sohn? Tötet man nicht auch Träume und Gedanken? Konnte er töten?
Bellatrix Lestrange hatte gesagt: „Du musst es wirklich so meinen, [...] – es geniessen".
Zwar hatte sich ihre Aussage auf den Cruciatus – Fluch bezogen. Er glaubte jedoch, dass unverzeihlich gleich unverzeihlich ist und es bei allein drei Flüchen gleich ist. Töteten die Auroren nicht auch? Genossen sie etwa das Töten oder kann man das Töten lernen? Sicher war, er musste Töten.
Es hiess töten oder getötet werden – wie primitiv.
Er schüttelte den Kopf und bildete sich ein, dass es bis dahin ja noch eine Weile ist. Er blätterte weiter zu dem, für ihn, interessantesten hinterem Teil. Hier standen die gewöhnlichen Dinge, die man als sensationsgeiler Tagesprophet, als nicht so wichtig und nicht so interessant einstuft. Er las jede auch noch so kleine Zeile, diesmal befand auch er nichts als sonderlich wichtig.
Auf der letzten Seite war die Todesliste von diesmal. Dies hatten sie, nach dem Wunsch der Leser, gleich nach dieser letzten Todesliste, auf der übrigens so einiges falsch war oder fehlte, wie Harry dachte, Wurmschwanz beispielsweise stand unter dem Namen Peter Pedigrew auf der Liste, eingeführt.
Bode Broderick
Barty Crouch
Cedric Diggerory
Berta Jorkins
Jess Leo – eine Muggelgeborene, auf ihren Leichnam hatten sie „Warnung an alle Schlammblüter", geschmiert. Sie war das erste Opfer – abgesehen von Sirius – nach Voldemorts offizieller Wiederkehr
Bella Senex hatte man nicht erwähnt, da sie auch sonst an irgendetwas gestorben sein könnte, da sie so alt und so krank war mit ihren 169 Jahren. Sinbad und Bonnie Katzenberg standen auch nicht auf der Liste, sie wurden nach dem endgültigen Abgang der Dementoren tot in ihren Zellen aufgefunden, das Gangsterpaar war wegen mehrfachem Diebstahl, Raub und wegen schwerer Körperverfluchung zu 10 beispielsweise 11 ½ Jahren Askaban verurteilt worden.
Es war jedoch noch nichts über irgendwelche Tote seitens Voldemort erwähnt worden. Die Auroren seien zwar dran, die Hauptquartiere und Unterschlüpfe aufzufinden, in denen Voldemort und seine treu ergebenen Todesser ihre Anhänger sammeln, waren jedoch bisher ohne nennenswerte Erfolge.
Harry hatte in einer ziemlich unbequemen Stellung gelesen, als er sich erhob, taten ihm alle Knochen weh, er streckte sich, öffnete die Vorhänge und schaute nach draussen. Die perfekten, grünen Rasen sahen aus wie immer und die perfekten, teuren Kombis standen ebenfalls wie immer in die Auffahrt. In dem Moment war die Sonne nicht zu sehen, sie schien jedoch sehr stark mit den Wolken zu kämpfen. Vom Gewitter der letzten Nacht war, ausser ein paar umgebogenen Rosenbüschen und einer hergewehten England – Fahne, nichts zu sehen.
Die Luft in seinem Zimmer war etwas stickig, deshalb öffnete er das Fenster.
Schliesslich ging er ins Bad und anschliessend hinunter in die sterile Küche der Dursleys. Onkel Vernon war schon zur Arbeit gefahren und Dudley verprügelte wahrscheinlich mit seiner Clique irgendwelche 10 Jährige, nur Tante Petunia putze im Wohnzimmer die Fenster. Er briet sich seine Eier und etwas Speck, schmierte sich drei Toasts, die er anschliessend grosszügig mit Tante Magdas selbstgemachter Marmelade – er konnte ihre Konfitüre essen, wenn er sich einfach nicht Tante Magdas fleischig klobige Finger und ihren Damenbart vorstellte – bestrich.
Genüsslich ass er etwas, während er das Kreuzworträtsel löste, welches er aus dem Tagespropheten gerissen hatte – in letzter Zeit tat er alles, um sein Leben hier erträglich und abwechslungsreich zu gestallten, er las sogar die Dudleys Bücher, die dieser nie angerührt hatte und die in seinem Zimmer, welches früher eine Art Abstellkammer für Dudleys kaputte Sachen war, verstaut worden waren.
Wie hiess noch mal die dritte Sängerin der Schicksalsschwestern?
Gerade kaute er an seinem Toast und zermürbte er sich das Gehirn über die Frage, wie der Spruch heisst, der bewirkt, dass seine Nasenhaare geringelt werden, da kam Petunia, streifte sich ihre Gummihandschuhe ab, rümpfte die Nase, als sie Harry sah und verstaute ihren Putzlappen in einem Schränkchen.
„Das räumst du, aber alles selbst alles ab", fuhr sie Harry an.
„Ja, ja", antwortete dieser."
Tante Petunia und Onkel Vernon hatten, wegen Moodys Bedrohung, sich in letzter Zeit sehr zusammengerissen, sie machten ihn nicht andauernd zur Schnecke, liessen ihn Fernsehen – er nutze das jedoch nur um Nachrichten zu sehen, eigentlich wusste er gar nicht mehr, warum er sich früher so sehr gewünscht hatte, mal Fernsehen kucken zu können, jetzt langweilte es ihn nur -, sie liessen ihn Essen was er wollte, so lange er es sich selbst zubereitete, eigentlich liessen sie ihn machen, was er will und sie ignorierten ihn dabei.
Petunia setzte sich möglichst weit weg von Harry und trank ein Glas Orangensaft während sie immer wieder durch das Fenster zu den Nachbarn herüber schielte. Auf einmal fragte sich Harry, ob er, wenn sie ihm schon nicht das Leben zur Hölle machten, die Chance nutzen sollte. Er könnte sie etwas ärgern und vielleicht den einen oder anderen Nutzen daraus ziehen.
„Tante Petunia", fing er an, wobei er sich ein gehässiges Grinsen nicht unterdrücken konnte.
„Ja", murrte Tante Petunia missmutig zurück, sie hasste es, wenn er sie ansprach.
„Sag mal, hast du meinen Vater eigentlich mal kennen gelernt?", fragte Harry sehr schnell.
Tante Petunia, die gerade getrunken hatte und das Glas noch in der Hand hielt, liess das Glas fallen, so dass es auf dem Boden zerschlug und sie hatte sich verschluckt.
„Wie kannst... du es... es... wagen?", keuchte sie in ihrem Hustenanfall. Dann nahm sie einen Lappen und wischte hustend den Küchenboden auf.
Harry wartete geduldig und als sie fertig war, fragte er: „Und?"
„Was und?", antwortete Petunia, die vor Wut kochte.
„Du hast meine Frage nicht beantwortet", informierte Harry seine Tante.
Tante Petunia schnaubte und zog es vor ihn, was bisher ganz gut geklappt hatte, einfach zu ignorieren. Sie nahm aus einem Regal eine Heckenschere und ging nach draussen.
Harry lächelte und sagte unüberhörbar laut: „Auch gut, dann schreib ich eben Professor Moody, du weißt schon, der mit dem rotierenden Glasauge, dass du meine Fragen nicht beantwortest und dass du auf das Andenken meines Vaters Orangensaft leerst."
Noch nie in seinem Leben war er so frech zu seiner Tante gewesen. Es wirkte jedoch, Tante Petunia kam augenblicklich zurück und legte die Heckenschere wieder ins Regal.
Sie setzte sich unübersehbar wütend auf einen Stuhl und fragte Harry: „Was hast du noch mal gefragt?"
Harry lächelte wieder und wollte gerade den Mund aufmachen, da begann Petunia auf einmal von Selbst zu sprechen, sie sprach unglaublich schnell, soviel hatte sie, glaubte Harry, seit er bei ihnen vor die Haustür gelegt worden war, nicht mit ihm gesprochen: „Genau so, wie du, hat er gelächelt dieser Potter, dieser arrogante Flegel. Ja, Harry, er war bei uns zu Besuch. Meine ‚perfekte Schwester' wollte meinen Eltern ihren neuen Freund vorstellen. Damals hätte ich natürlich nicht gedacht, dass aus diesem Techtelmechtel so etwas, wie du entstehen würde. Wir hatten damals ein kleines Häuschen mit Kamin", sie starrte Harry, der von Petunias Öffnung immer noch baff war gehässig an „in einer schönen Gegend. Als er aus dem Kamin kam, war nicht das ganze Wohnzimmer zerstört. Meine Eltern waren geblendet von seinem arroganten Charme. Ich fand ihn unmöglich, diese Haare", sie warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu „und diese Art, diese angeberische Art. Mir war er unsympathisch. Es sollte mir jedoch egal sein, wenn sie sich ins Unglück stürzt und das hat sie schliesslich auch, nicht war?"
Harry funkelte sie wütend an.
„Du wolltest doch die Wahrheit wissen, also brauchst du deinen Freunden nicht zu schreiben und wenn es dir nicht passt, was ich dazu zu sagen habe, könntest du doch auch diesen...diesen, wie hiess er noch mal? Sirius Black fragen."
Harry war nun entgültig völlig erstarrt. Mit allem hatte er gerechnet, nur nicht, dass sie so viel wusste und auch, wenn James mal Sirius oder Askaban erwähnt hatte, warum merkt sie sich das 25 Jahre lang?
„Woher kennst du Sirius?", fragte er Tante Petunia, wobei er sein Erstaunen nicht verbergen konnte. Sie weicht ihm aus: „Er, dieser schlimmer Junge, und sie haben halt von ihm gesprochen."
„Ach ja und das merkst du dir 25 Jahre lang. Ich dachte, du verabscheust Zauberei", bei diesem Wort legte Petunia warnend den Zeigefinger auf ihre Lippen und drehte ihren übernatürlich langen Hals zu den Nachbarn rüber, Harry fuhr unbeirrt fort: „Sag warum merkst du dir solche Dinge, sogar Namen?"
Tante Petunia lachte, ähnlich dem Lachen, dass sie damals drauf gehabt hatte, als er erfahren hatte, dass er nach Hogwarts gehen würde und sie gesagt hatte, dass sie es gewusst hatte. „Sie war eine Missgeburt, genau wie ihre Freunde, ja dieser Black, dein Vater, noch zwei Jungen und diese...diese Ginga waren bei uns. Meine Eltern waren verzückt über die ‚beliebte' Lily. Ich wollte so sein, wie sie, ich gebe es zu. Ich habe ihnen zugehört, bin ihnen nachgelaufen, wenn sie bei uns waren. Ich wollte ebenfalls die Gunst meiner Eltern gewinnen. Erst später bin ich zur Vernunft gekommen und habe sie verabscheut, so wie sie es verdient haben. Diese Missgeburten. Bist du jetzt zufrieden?"
Petunia zitterte. Ihre Lippen waren zu einem Strich geformt und ihr Gesicht war rot angelaufen. Harry starrte seine Tante immer noch mit geöffneten Mund an und in seinem Kopf geisterte eine Frage nach der anderen umher. Er konnte sie jedoch nichts mehr fragen. Noch nie in seinem Leben hatte er Gefühle für seine Verwandten gehabt. Immerzu hatte er sie gehasst, jetzt tat ihm jedoch seine Tante leid. Ihm tat die selbe Tante leid, die vor 5 Jahren seine alten, ausgeleierten Sachen grau gefärbt hatte, weil sie zu geizig war – und weil sie wollte, dass er litt - ihm eine normale Schuluniform zu kaufen.
Petunia fing sich wieder, dann stand sie auf und sagte zu ihm mit kaltem, hasserfüllten Unterton: „Das wirst du niemandem erzählen!" Harry antwortete nicht und sagte auch nichts als Petunia aufstand, ihre Heckenschere nahm und in den Garten ging um die eigentlich perfekt geschnittenen und fast gar nicht nachgewachsenen Hecken zu schneiden. Harry war nicht glücklich mit dem Gespräch, eigentlich wollte er sie nur etwas ärgern und vielleicht das eine oder andere erfahren. Nun hatte er einerseits die Wunden seiner Tante aufgerissen, andererseits hatte er sich wieder zum Nachdenken gebracht.
Sie liess ihn an die Vergangenheit denken, an Sirius, James und Lily. Wie wenig wusste er über seine Eltern, selbst über Sirius. Waren sie wirklich so gewesen, wie er es in Snapes Denkarium gesehen hatte. Arrogant. Das war das Stichwort. War es nur noch Zufall, dass sowohl Snape und Tante Petunia seinen Vater, den sie beide hassten, als arrogant bezeichneten?
„Diese... diese Ginga", hatte Petunia gesagt. Jetzt wünschte er sich trotzdem, er hätte die Chance genutzt und sie gefragt, wer dieses Mädchen war. Blamierte er sich denn nicht, wenn er sie nicht kannte? Vielleicht war sie ein wichtiges Puzzlestück in der Vergangenheit seiner Eltern. Aber wie sollte er auch von ihr erfahren haben, Sirius war tot, ihn konnte er nicht mehr fragen.
Da war wieder, der Schmerz, den er weder beschreiben noch orten konnte. Er war einfach da. Auf einmal fühlte er den Wunsch, etwas zu tun. Wen interessierte noch der merkwürdige Brief? Er war sich sicher, dass diese Ginga nichts mit Voldemort zu tun hatte.
Gepackt von einer Kraft, die er plötzlich in seinem Inneren spürte, stand er auf – das Geschirr würde er später wegräumen – und rannte drei Stufen auf einmal nehmend die Treppe hinauf in sein Zimmer.
„Noch zwei Jungen", hatte Petunia gesagt.
Mit diesen Jungen konnten nur Lupin und Wurmschwanz gemeint sein. Fieberhaft holte er ein Stück Pergament, eine Feder und Tinte hervor und schrieb sofort:
Sehr geehrter Professor Lupin
Habe mit meiner Tante gesprochen. Sie erzählte etwas von einer Ginga, die etwas mit Ihnen, mit Schnuffel und meinen Eltern zu tun hatte. Wer war sie? Würde mich über eine Antwort freuen.
Sam
Den Namen Sam hatte er sich ausgedacht, denn Harry Potter in einem Brief zu schreiben, war mehr als leichtsinnig. Er weckte Hedwig und band den Brief an ihr Bein. Hedwig flog aus dem Fenster und er schaute ihr noch nach, bis sie in der Ferne verschwand.
