Kapitel 6: Tattoo
Kaum hatte sie das Büro betreten stürmte Alexx ohne anzuklopfen hinein wie ein aufgescheuchtes Huhn.
„Anie, Anie! Endlich bist du da! Ich muss dir dringend was zeigen!"
Eben Angesprochene legte den Kopf schief und sagte freundlich:
„Erstmal Guten Morgen, Alexx! Nicht so stürmisch in der Früh... Warum hast du mich nicht angerufen, wenn es so wichtig ist?", dann blickte sie zu ihrer Bürotür und bat H einzutreten, der im Rahmen stand und gerade geklopft hatte.
„Ich hab´s doch probiert, aber zu Hause geht nur dein AB ran!"
Etwas skeptisch fragte Stephanie weiter:
„Habe ich vielleicht ein Handy?"
„Ja, aber da bist du um viertel nach sieben nicht drangegangen...Ich habe auf deine Mailbox gesprochen. Wo warst du?", fragte der ME etwas empört zurück.
„Oh ähm sorry.", Anie sah auf den Display ihres Handys und sah, dass eine Kurznachricht mit der Ankündigung Alexx´s Anrufes gekommen war. „Ich, ähm.", nun schaute sie flüchtig zu H herüber und verstand dessen Gesichtsausdruck sofort. „Ich hab bei einem... ähm guten Freund von mir übernachtet, Bernstein und Co. haben mir dazu geraten, wegen der Verbindung der Opfer zum SWAT und ähm zu mir..."
Alexx setzte ein breites Grinsen auf:
„Bei einem Guten Freund , hum? Und? Hat er gut auf dich aufgepasst?"
Anie verschluckte sich, nachdem Alexx dies ausgesprochen hatte fast an dem Wasser von dem sie gerade einen großen Schluck nahm, schüttelte den Kopf und sagte dann:
„Sag mal? Was geht dich denn das an?"
„Okay.", der ME lachte laut. „Ich verstehe..."
Etwas entnervt antwortete Stephanie:
„Nein, ich denke nicht... naja, also ... ich denke das was du mir sagen wolltest sei so wichtig, schieß los."
„Na, wenn du meinst.. also: In dem Brief, der nachträglich als Beweisstück eingeholt worden ist war doch dieses Zeichen..."
Beide Lieutenants fragten synchron, wie aus der Pistole geschossen:
„Was ist damit?"
„Das Opfer No. 2 trägt es als Tattoo auf dem Steiß!"
„Zeig her!", Anie kam um ihren Schreibtisch herum.
„Kommt mit.", forderte Alexx auf und sie gingen zu dritt in die Gerichtsmedizin um Zeichnung und Tätowierung erneut zu vergleichen.
„Okay...", sagte H ruhig. „Kein Zweifel, die Zeichnung stimmt mit dem Tattoo sowohl in Aussehen, also auch in der Größe vollkommen detailgetreu überein."
„Das heißt der Täter muss einen engeren Kontakt zu Jennifer gehabt haben, dass solch eine Tätowierung am Steiß, wenn man angezogen ist immer von Stoff bedeckt ist.", grübelte Anie laut.
„Um einen Voyeur wird es sich auch nicht gehandelt haben. Ich denke nicht, dass ein solcher das Tattoo hätte so detailgetreu zeichnen können. „Schloss Alexx den Gedanke. „Vielleicht ein weiteres Indiz für den Ehemann... oder... einen potenziellen Liebhaber."
H zückte sein Handy.
„Speed! Für wann ist die Wohnungsdurchsuchung bei Jennifer Kent angesetzt?", fragte er mit einem hektischen Blick auf die Uhr.
„Ich bin mit Delko gerade auf dem Weg dorthin. Wieso fragst du?"
„Gut. Wenn ihr dort seit haltet zunächst nach einen Brief des Täters Ausschau und ruft sofort an, wenn ihr etwas gefunden haben solltet!", befahl er Tim.
„Ja, gut, machen wir... hat die Analyse des ersten Briefes denn etwas Neues ergeben?"
„Jein, die Zeichnung aus dem Brief ist dieselbe, wie sie das 2. Opfer auf dem Steiß trägt. Also... wie gesagt, sobald du etwas hast, ruf an!"
Sie verabschiedeten sich und Horatio wandte sich an seine Kolleginnen:
„Der Täter wird seinen MO beibehalten. Sollte er vorhaben weitere Morde zu begehen, wird er sich bei der Familie des Opfers melden."
„Die Wohnung des Opfers wird leer sein, besser wir schauen auch bei Mario, obwohl er verdächtig ist und ihren Eltern nach, ob sie Post bekommen haben. Alexx, auf wann hast du die Todeszeit des 2. Opfers geschätzt?", fragte Anie.
„Auf ca. 20 Uhr."
„Gut, da der Täter ihn erst nach dem Mord eingeworfen haben wird, wird er heute doch noch nicht da sein. Die Briefkästen werden nämlich vor 20 Uhr geleert."Schloss Stephanie ab.
„Vielleicht könnt ihr mit einem Gerichtsbeschluss die Kästen in South Beach öffnen lassen und somit verhindern, dass eventuelle Spuren verwischt werden...", dachte Alexx laut.
„Hmm, gar nicht so eine schlechte Idee, wir würden dann den Vorsprung des Täters einholen... H, was schätzt du? Wie viele Briefkästen gibt es in South Beach?"
Horatio zuckte mit den Schultern.
„Vielleicht 15, vielleicht 20...Ich werde Bernstein einen Gerichtsbeschluss einholen lassen, gute Idee, Alexx!"
Und tatsächlich! Es war 17 Uhr als ein Beamter erfolg bei der Suche nach einem Brief des Täters meldete. Er war an die Eltern des 2. Opfer adressiert und, weil es für den Mord weder Zeugen, noch hinzureichende Spuren fehlten wieder das letzte Glied in der Beweiskette. Die CSIs hofften auf Hinweise. Die Briefmarke war einer. Zwar hatte der Täter diese nicht angeleckt, also war keine DNS dran, aber die Abrisskanten stimmten mit denen der Marke des ersten Briefes überein. Der Inhalt war nahezu der gleiche:
Tatbeschreibung, Zeichnung, Spruch:
Auch die Cleverness wird mir nicht entkommen.
Die Zeichnung zeigte in der Mitte das astrologische Zeichen der Waage. Außen herum stand in lateinischer Schrift und einer Sprache, die keiner der Anwesenden verstand eine Auflistung von mehreren Wörtern, die das Zeichen einkreisten.
„Hey, Horatio!"
H, der grübelnd im Labor vor der Zeichnung stand schreckte auf und schaute in das Gesicht seiner Schwägerin.
„Hey, Yel! Willst du zu mir?"
„Eigentlich wollte ich zu Anie, ist sie nicht da?", sie schaute sich einmal im Raum um und erblickte nur Delko, Speed und einen Laboranten, der neben Horatio stand und ebenfalls gebannt auf den beleuchteten Tisch mit den Beweismitteln starrte.
„Nein, aber sie sollte jeden Moment mit Calleigh hier auftauchen, allerdings brauche ich die beiden dann sofort hier im Labor."
„Immer noch der SWAT-Fall?", fragte Yelina interessiert.
„Jap, immer noch.", H überlegte kurz, dann sagte er: „Sag mal, du sprichst doch ziemlich viele Sprachen, oder?"
Sie nickte.
„Ja, Englisch, Spanisch, Griechisch, Französisch, um nur einige zu nennen...wie kommst du jetzt darauf?"
Horatio lächelte und deutete auf die Zeichnung.
„Dann erzähl uns doch bitte mal, ob du weißt, was das hier für eine ist."
Yelina trat heran, musterte das Symbol und drehte dann den Kopf einmal nach links und einmal nach rechts um die kreisförmig angelegte Schrift lesen zu können.
„Ja, klar..."
„Weißt du was das ist?", fragte Horatio hektisch.
„Sicher, das ist Deutsch, eine Auflistung der Eigenschaften einer unter dem Sternzeichen der Waage geborenen Person: Schönheit - beauty, Eleganz - elegance, Freundlichkeit - being kindly, Ausgeglichenheit - balance, Ordentlichkeit - being tidy, Treue - faithfulness und Charme- charm.", übersetzte sie.
Als er das Wort „Deutsch"hörte verkrampfte sich H´s Magen, er merkte, wie sich alle Blicke fragend auf ihn wanden und eine unausgesprochene Frage den Raum ausfüllte. „Was schaut ihr mich denn alle so an...", fragte er nach einer Weile bedrückender Stille empört. „Woher soll ich wissen, ob sie eine Tätowierung hat? Was unterstellt ihr mir eigentlich? Yelina! Du kennst sie länger, weißt du es?"
„Wer?", fragte sie unwissend.
„Anie.", hakte Horatio nach.
„Lästert ihr schon wieder über mich?", Stephanie, die gerade mit Calleigh in der Labortür aufgetaucht war, grinste nichts ahnend in die Runde.
„Was für ein Sternzeichen bist du?", platzte es aus Horatio hervor.
„Ähm...Waage... wieso fragst du?", fragte sie und schaute ihn skeptisch. „Keine Panik, ihr habt meinen Geburtstag nicht vergessen, wenn ihr das meint..."
„Bist du...äh...hast du", stammelte H weiter, da er nicht wusste, ob er sie jetzt so direkt nach einer Tätowierung fragen konnte, doch sie unterbrach ihn.
„Moment." Stephanie ging auf den Labortisch zu auf dem die Zeichnung unter anderem dreifach vergrößert lag und schaute mit großen Augen auf diese, schließlich sagte sie ernst:
„Horatio, Calleigh, kommt mal bitte mit..."
Sie ließen die anderen im Laborraum zurück und gingen in Anies Büro.
