Kapitel 8: Tränen
Sie klingelte an der Tür des großen Einfamilienhauses und trat einen Schritt zurück neben ihren Chef. Eine kleine schwarze Frau ende Fünfzig, mit leicht graumelierten, kurzen Locken öffnete und schaute die Ermittler mit großen Augen an, bevor sie zu Horatios Überraschung sagte:
„Calleigh-Schätzchen, was machst du denn hier?"
„Hey Mrs Bremer! Äh ist Anie zufällig bei ihnen?"
„Nein, ist sie nicht.", mit einem besorgten Gesichtsausdruck öffnete sie die Tür ganz und schaute die beiden an. „Was ist los?"
„Können wir vielleicht reinkommen?", fragte Cal weiter.
„Ja, sicher, bitte."
Mrs Bremer führte die beiden durch einen langen, schmalen Flur, der mit vielen Fotos ausgehängt war in das riesige Wohnzimmer des Hauses. Es war mit dunklem Parkett ausgelegt und gemütlich eingerichtet. Ein Karmin aus dunklem Marmor zur Linken, rundherum Bücherregale. Auf der rechten Seite gab es unter anderem einen Ess-, einen Fernseh-, und wie in Anies Wohnzimmer auch einen Musikbereich. Anies Mutter bot den beiden einen Sitzplatz im Sofabereich im mittleren Teil des Raumes und etwas zu Trinken an. Beides nahmen sie dankend an. Schließlich fuhr Calleigh fort:
„Also, ähm, ich denke ich stelle erst einmal vor:
Das ist Lieutenant Horatio Caine, er ist der Leiter von uns CSIs hier in Miami, Horatio, das ist Anette Bremer, Anies Mutter."
„Nett sie mal kennen zu lernen, Mr Caine."
„Ebenfalls, Mrs Bremer.", sagte er freundlich.
„So und jetzt mal raus mit der Sprache: Warum sollte Anie hier sein? Sie müsste doch entweder im Büro oder zu Hause sein, es ist weit nach 19 Uhr, sie hat lange Feierabend.", die ältere Frau blickte die beiden auf eine durchdringende Art an, die sich ihre Tochter eindeutig von ihr abgeguckt hatte.
Calleigh blickte zuerst zu Horatio und dann zu Mrs Bremer, bevor sie sagte:
„Wissen sie über den Fall bescheit an dem wir im Moment mit ihrer Tochter zusammen arbeiten?"
„Ja.", sie senkte den Kopf und sagte traurig: „Dieser Doppelmord, Anie hat davon erzählt, die Geschichte mit Allison hat sie sehr mitgenommen."
„Ich weiß, hat sie auch erwähnt, dass sie sich in einer etwas, ...ähm unsicheren Situation befindet?", fragte Cal weiter.
„Ja, das hat sie... Einige Kollegen meines Mannes kommen hier jetzt manchmal vorbei um auf das Haus zu achten."
In diesem Moment hörten sie Schlüssel klappern und ein keifendes Bellen aus der Richtung der Haustür.
„Ah, das ist mein Mann mit Zack. Stephanie hat ihn für eine Weile hier untergebracht. Michael kommst du mal bitte? Hier sind zwei Kollegen unserer Tochter."
„Hier auch?", fragte eine tiefe Stimme vom anderen Ende des Flures. „Das waren auch zwei an ihrem Haus, die haben ihrem Mercedes untersucht."
Horatio wurde hellhörig und sagte:
„Entschuldigen sie mich.", dann ging er sein Handy zückend etwas weiter in den Raum hinein und wählte Speedles Nummer. Währenddessen kam Mr Bremer in den Raum. Er war ungefähr so groß wie Horatio, schlank, weiß, hatte volles graues Haar, einen Vollbart und war für seine 60 Jahre richtig gut aussehend. Vor ihm war Zack in den Raum gerannt un begrüßte alle bis auf Horatio, den ignorierte er einfach, mit einem freundlichen Bellen und Schwanzwedeln.
„Hey Speed, ihr seid schon da? ... Der Wagen ist da? ... Ja, wie unverschlossen? ... Wo ist das Handy? ...Mit dem Koffer? ...Aufgebrochen? ... Gut wir kommen sofort zu euch! ... Was? ... Ja, gut warum nicht... okay, ihr wisst, wie ihr hier hin kommt? ... Ja, mein Hummer steht vorn... bis gleich!"
Er drehte sich zu den Anwesenden um und sagte:
„Eric und Tim haben ihren Wagen vor der Haustür gefunden, unverschlossen, das Handy lag auf dem Beifahrersitz. Ihr Dienstkoffer und ihr Jacke waren noch im Auto, der Schlüssel steckte. Die beiden sind auf dem Weg hierher, dann können wir besprechen, wie wir weiter vorgehen.", während des letzten Satzes versagte seine Stimme ein wenig.
Calleigh machte erst einmal Michael und Horatio bekannt und erklärte den Eltern dann die Situation in der sich das Team gerade befand.
Dann war es erst einmal still. Nur die Wanduhr unterbrach das Schweigen durch ihr ticken. Anette war auf dem Sofa zusammengesackt und wimmerte leise vor sich hin, ihr Ehemann hielt sie im Arm, selber unfähig zu sprechen. Als es klingelte ging Calleigh schweigend zur Tür und holte Eric und Tim ins Wohnzimmer. Sie stellten sich vor und nahmen dann H und Calleigh zur Seite.
Tim fing an:
„In ihr Haus ist eingebrochen worden. Wir konnten an der Eingangtür Blutspuren sichern, die mit höchster Wahrscheinlichkeit vom Täter stammen. Die Proben werden bereits ins Labor gebracht. Ihr Wagen steht unverschlossen auf der Auffahrt..."
H unterbrach ihn.
„Das wissen wir doch schon. Konntet ihr weitere Spuren sichern?"
Die beiden
Detectives blickten sich nervös an, bis Delko das Wort
ergriff:
"Ja, dieses Tuch.", er griff in seinen Koffer und
holte einen DIN A4 großen Beweisumschlag heraus. Das
innenbefindliche Tuch hielt er seinem Boss vorsichtig vor die Nase. H
roch daran, schüttelte den Kopf und kniff die Augen zusammen,
dann sagte er langsam:
„Chloroform. Er hat sie entführt!"
Anette gab einen lauten Schluchzer von sich und wimmerte heiser:
„Wer tut meinem Baby das an?"
Horatio öffnete die Augen wieder, starrte zur Decke und sagte ruhig:
„Kennen sie Mario Kent?"
Michael antwortete:
„Ja, ein anständiger Junge, immer sehr hilfsbereit."
Caine nickte ihn an, bevor er mit einem ironischen Unterton sagte:
„Ja, sehr anständig. Hat keinerlei handfeste Beweise hinterlassen, als er Jennifer und Allison getötet hat...", dann schaute er zu Boden.
Mrs Bremer wimmerte weiter:
„Nein, bitte nicht. Er war doch immer so ein netter junger Mann. Warum?"
H überlegte kurz.
„Wir wissen es nicht Mrs Bremer, wir wissen es nicht.", schließlich forderte er Eric und Tim auf:
„Ihr werdet euch jetzt Verstärkung anfordern und dann werdet ihr bei Anie zu Hause den winzigsten Beweis sichern, der ihn überführen könnte. Ich will jeden Krümel eingetütet sehen, habt ihr mich verstanden?"
Jawohl.", sagte beide synchron und schon waren sie verschwunden.
„Calleigh, was hat die Anfrage in der Datenbank ergeben?"
„Er besitzt eine Pistole mit dem Kaliber 9mm."
„Gut, vielleicht reichen die Indizien aus um einen Durchsuchungsbefehl für sein Hotelzimmer oder wo er auch immer wohnt zu bekommen."
„Soll ich Sevilla anrufen?", fragte Calleigh.
„Ja, bitte sie soll beim Staatsanwalt anfragen.", sagte H ernst. Cal verschwand im Flur.
Jetzt hatte Horatio Zeit sich mit den Eltern seiner Kollegin zu unterhalten.
„Sie werden sie doch finden, oder?", fragte die Mutter immer noch unter Tränen.
„ich tue was ich kann. Glauben sie mir. Die Gesundheit ihrer Tochter liegt mir genau so am Herzen wie ihnen.", er senkte den Kopf ein wenig und ärgerte sich darüber, dass er im Haus seine Sonnenbrille nicht aufsetzen konnte. Er blickte hoch als Mrs Bremer ihm die Hand auf den Arm legte und sagte:
„Ich glaube ihnen, sie sind ein gute Mann. Das hat Anie auch gesagt!"
Sie lächelte ihn warm an und er wusste nicht was er sagen sollte. So schwiegen sie eine Weile bis Calleigh wiederkam.
„Sevilla hat gesagt wir sollen ins Department kommen, sie muss dort etwas mit uns besprechen."
„Okay.", Horatio blickte noch einmal in die traurigen Gesichter der Bremers, bevor er sich verabschiedete.
„Wir halten sie auf dem Laufenden! Sobald wir etwas Neues haben werden sie die ersten sein die es erfahren!"
„Lieutenant!", Adele blickte besorgt auf Horatio, der nervös im Besprechungsraum auf und ab lief. „Lieutenant, jetzt setzen sie sich doch erst einmal hin, okay?"
Er schaute Sevilla entrüstet an.
„Nichts ist okay!", dann ließ er sich auf einen Stuhl fallen und verschränkte die Arme vor der Brust.
„Wir müssen nun einmal abwarten, bis die Leute in ihrem Labor mit der DNS-Analyse fertig sind, bevor wir den Durchsuchungsbefehl bekommen. Sie wissen doch selber besser als ich, dass ihre Leute nicht hexen können!"
„Und genau das macht sich der Entführer zu Nutze. Bis wir ihn haben...", er schluckte, „ist er mit Stephanie über alle Berge.", sagte er patzig.
Die drei Stunden, die im Labor benötigt wurden um genug Erbmaterial zu sichern, dieses zu vervielfältigen und somit genug für einen Vergleich zu haben, zogen sich für alle Mitarbeiter hin wie Jahre. Eric und Speed hatten in Anies Haus keine weiteren Spuren finden können. Sie berichteten jedoch, dass das Wohnzimmer vollkommen verwüstet worden sei...
Sie öffnete die Augen und sah Nichts. Um sie herum war es vollkommen dunkel. Langsam versuchte sie zu realisieren was passiert war. Dieser Malcom hatte ihr mit einer Suspendierung gedroht, wenn sie nicht sofort das MDPD verließe und sich ihre angeblichen Mordphantasien aus dem Kopf schlug. Sie war daraufhin heim gefahren und gerade als sie aus dem Wagen steigen wollte, hatte ihr jemand ein Tuch ins Gesicht gedrückt und sie war ohnmächtig geworden.
Jetzt fand sie sich in vollkommener Dunkelheit, die Hände mit Handschellen auf den Rücken gefesselt, auf einem kühlen Betonfußboden im Nirgendwo wieder. Sie wollte sich auf den Rücken drehen um nach einer Lichtquelle Ausschau zu halten, da spürte sie einen höllischen Schmerz im linken Knie. Irgendwie schaffte sie es mit ihren zusammengebundenen Händen zum Ort des Schmerzes zu greifen und sie fühlte, dass sich rund um das linke Bein eine klebrige Flüssigkeit befand. Ihr Blut.
In diesem Moment ließ eine Stimme hinter ihrem Rücken sie zusammenzucken und ihr Bein erneut höllisch schmerzen.
„Tja, Stephanie, wie fühlt man sich so hilflos?"
„Mario, wusste ich es doch!", krächzte sie mit schmerzverzogenem Gesicht.
„Ja, genau ich!", sagte Kent mit einem herablassenden Ausdruck in der Stimme. „Ich hätte eigentlich gedacht, dass deine Kollegen ein bisschen besser auf dich aufpassen!", er wanderte durch den Raum.
„Sie werden mich schon finden!", stöhnte Anie gegen die Schmerzen an.
„Und wie, meine Liebe? Ich habe doch keine Spuren hinterlassen! Und wenn sie dich finden... denkst du, dass du dann noch lebst?"
Es war 23:30 Uhr, die Mitglieder der Tagschicht saßen auf glühenden Kohlen und warteten auf das Ergebnis der Analyse. Sie wussten, dass sie keine Anhaltspunkte haben würden, wenn die DNS nicht von Mario Kent stammte. Eigentlich hatte alle schon seit mehreren Stunden Dienstschluss, doch niemand dachte daran heim zu fahren. Speedle war es letztendlich, der das Schweigen brach und sagte:
„Drei Stunden sind um! Ich werde jetzt ins Labor gehen und wenn ich wieder eine Abfuhr bekomme werde ich denen dort mächtig Feuer unterm Hintern machen!", er sprang auf.
„Ich komme mit!", sagte Delko und ging ihm hinterher.
Just in diesem Moment klingelte Calleighs Handy.
„Duquesne... Mr Bremer!", sie blickte verzweifelt in Horatios Richtung, doch dieser war schon seit über einer Stunde damit beschäftig Löcher in die Wand zu starren und reagierte nicht auf ihren unausgesprochenen Hilferuf. „Nein, es tut mir leid sie enttäuschen zu müssen, aber wir haben noch keine weiteren Spuren... ich verstehe, ja... Ist ihnen noch etwas eingefallen, was uns weiterhelfen könnte? ... auch nicht... okay. Ja wir werden sie informieren! Bye."
Sie seufzte und fuhr sich durch die Haare.
„Er hat gesagt seine Frau sei vollkommen aufgelöst. Sie habe sich in Anies altes Zimmer zurückgezogen und würde sich Vorwürfe machen, dass sie nicht besser auf sie aufgepasst hat, während sie alte Fotoalben durchblättert.", sagte sie fassungslos.
Gerade rechtzeitig kam John Hagen in den Raum und Calleigh vergrub sich in seinen Armen.
