Kapitel 9: Blut
Auf einmal Gebrüll vom anderen Ende des Flures Eric und Tim kamen vom Labor zurück, ein Blatt Papier wedelte in Speedles Hand.
„Horatio, Horatio, ruf Sevilla an! Wir haben eine Übereinstimmung mit Kents DNS!", schrie Delko ganz aufgeregt.
„Hervorragend!", jetzt war H wieder voll da. „Bringt die Auswertung runter zu ihr, ihr melde euch an!"
Eine Gruppe von fünf Polizeifahrzeugen, bestehend aus zwei Hummern, zwei Streifenwagen und dem Auto Sevillas raste mit Blaulicht und Sirene in Richtung des Motels in Miamis Stadtnorden in dem Mario Kent ein Zimmer gemietet hatte. Zunächst sah es so aus als hätte er keine Hinweise auf seinen Aufenthaltsort hinterlassen, bis Eric plötzlich eine Entdeckung machte...
„Das mit dem Knie tut mir leid, doch ich musste dich anschießen, sonst wärest du mir wahrscheinlich weggelaufen...", hörte sie seine Stimme durch die Dunkelheit säuseln. Sie hatte es mittlerweile aufgegeben nach irgendeinem Licht zu suchen und lag kraftlos da. Der Blutverlust und der Wassermangel der letzten Stunden hatte ihr mächtig zu schaffen gemacht. Leise keuchte sie:
„Warum tust du das?"
„Er lachte laut auf, sie hörte, wie sich seine stimme näherte und schloss daraus, dass er ein Nachtsichtgerät oder ähnliches trug.
„Denk doch einmal nach, Stephanie, warum tue ich das? Warum lasse ich dich leiden, hum?"
Ein Schlag ins Gesicht trieb Anie die Tränen in die Augen. Er beugte sich vor sie und flüsterte:
„Weil du kleine miese Schlampe mich verlassen hast! Deswegen musst du leiden! Du hast mich damals auch leiden lassen, wie Allison und Jennifer es getan haben. Du bist doch selber Schuld!"
Ein Tritt in die Magengegend ließ sie erneut das Bewusstsein verlieren.
„Horatio! Eine Buchungsbescheinigung für einen Lagerraum im Hafenbereich!", ganz aufgeregt rannte Delko zu seinem Vorgesetzten. „Gebucht für den Zeitraum von zehn Tagen, seit Vorgestern!"
„Wo, Eric, wo genau?", drängte h auf ihn ein.
„Hier steht Containerraum 256 der
Miami Harbour Controlling Cooperation"
Kaum hatte Eric ausgesprochen, hatte H schon das Handy am Ohr und ließ Sevilla einen Durchsuchungsbefehl für den Lagerraum anfordern.
Über die vermeintliche Entführung informiert ließ die MHCC sofort den gesamten Bereich um den Containerraum 256 sperren. Eine SWAT-Einheit wurde angefordert.
„Was war das denn?", sagte Kent zu sich selber, als er ein lautes Knarren von der Decke des Raumes hörte. Er blickte nach oben, entdeckte jedoch nicht die winzige, endoskopische Nachtsichtkamera, die ihre Bilder und Töne an den Einsatzleitwagen des Teams sendete und die jetzt ein Teil der SWAT-Einheit von der Decke herunterließ. Wie gebannt standen Horatio und der Rest des Teams, sowie der Einsatzleiter der SWAT-Teams, der Anie selber als Chefin erlebt hatte vor dem Monitor und starrten auf die grausamen Bilder.
Sie sahen, dass Anie unbeweglich auf dem Boden in der Mitte der Halle lag und Mario Kent bewaffnet mit einer Pistole, geschützt durch eine Kugelsichere Weste und einen Helm mit einem Nachtsichtgerät auf dem Kopf, ca. 3m von ihr entfernt auf dem Boden saß. Ihre Kollegin war mit Handschellen gefesselt und um ihren Unterleib herum war eine dunkle Lache zu erkennen.
„SWAT-Team bereit machen.", lautete der Befehl des Einsatzleiters und schon verteilte sich das Team leisen Fußes um die Lagerhalle.
Plötzlich war auf dem Monitor zu erkennen, dass Kent aufstand, einen Eimer, mit höchst wahrscheinlich Wasser nahm, der die ganze Zeit schon neben ihm gestanden hatte, zu Anie ging und ihn über ihr ausleerte.
„Aufwachen!", brüllte er sie an.
Die Kamera zoomte langsam an die beiden heran un zeigte wie Anies Körper langsam begann zu beben.
„Oh, mein Gott! Sie ist angeschossen!", sagte Cal mit zitternder Stimme.
Horatio stand schweigend vor dem Screen und atmete schwer aus, dann brummte er:
„Lass die Finger von ihr, Kent...oder ich...", seine Stimme versagte, als er sah, dass Kent Anie mit dem Fuß anstieß.
„Es ist gleich zwei Uhr, Stephanie, wenn du mir jetzt einige Fragen beantwortest überlege ich mir, ob ich dich gnädigerweise gleich töte."
„Wir können nicht rein, solange er so nah bei ihr steht.", sagte der SWAT-Leiter grimmig.
Anie mühte sich ein „Was ist?"von den Lippen.
Dem CSI-Team tat es gut Anies Stimme wieder zu hören, zwar wussten sie, dass sie riesige Schmerzen erleiden musste, aber sie wussten auch, dass sie noch nicht zu spät gekommen waren und sie Stephanie noch retten könnten.
„Also, wo fangen wir an?", er setzte sich neben sein Opfer. „Warum hast du kleine Schlampe mich damals verlassen?", sagte er leise.
„Das habe ich dir doch damals schon erklärt...", wimmerte Anie.
„Du hast damals doch gesagt, dass du mich nicht liebst hast du mich je geliebt?"fragte er weiter, sich langsam über Anie beugend.
„Ich weiß es nicht...", sagte sie kaum hörbar. „Ich habe dir doch damals schon gesagt, dass ich dich nur als guten Freund betrachte."
„Warum hast du dich dann je auf mich eingelassen?"
„Ich weiß es nicht..."
Kent sprang auf:
„Du bist so dämlich!", er trat ihr in die Seite und schrie: „Gib es zu! Du hast nur mit mir gespielt.", dann trat er erneut zu. Stephanie stöhnte vor Schmerzen und versuchte wegzurobben, gab jedoch unter heftigstem Gewimmer bald auf.
„Ja, schrei, schrei so lange du kannst!", schrie Kent sie an. Dann setzte er sich wieder hin und sagte dann lachend:
„Ach, weißt du was? Ich werde dir jetzt mal was erzählen, was ich dir schon immer mal sagen wollte. Weißt du, dass man dich damals ganz schön belogen hat?"
„Was meinst du?", brachte Anie hervor:
„Sie haben dir doch vor zwei einhalb Jahren erzählt, dass George damals nicht leiden musste. Das stimmt nicht! Er hatte unglaubliche Schmerzen. Ich weiß das, ich stand neben ihm, als sie ihn verarztet haben."
„Du lügst.", würgte Stephanie hervor.
„Nein, das tue ich nicht!", sagte er bestimmt und schlug ihr ins Gesicht. „Weißt du was er vor seinem Tod gemacht hat? Er hat gewimmert! Er hat deinen Namen gewimmert und ist mit deinem Namen auf den Lippen elendig verreckt!"
„Sei still!", kreischte sie so laut sie konnte. „Wie kannst du es wagen so etwas zu behaupten?"
„Wie kann ich es wagen? Genau so, wie George es wagen konnte mir meine Anie auszuspannen!", sagte Kent wie im Wahn.
„Ich bin nicht deine An...", ein Hustenanfall überkam sie. Plötzlich würgte sie und schmeckte Blut. Sie keuchte erschreckt, bis schließlich blutiger Speichel aus ihrem Mundwinkel zu Boden tropfte. Eine Weile war es still, dann sagte Kent langsam:
„Eigentlich kannst du glücklich sein, dass du gleich tot bist! Ich werde dich nämlich vor einem riesigen Fehler bewahren."
„Was redest du da?"
„Ich werde dich davor bewahren dich mit dem Bruder von diesem Loser Raymond Caine einzulassen."
Vor dem Monitor war von Horatio ein leises Keuchen zu hören.
„Lass Horatio und Ray da raus!", Anie bäumte sich auf, um gleich wieder schwach zusammen zu sinken.
„Oh, nein, das werde ich nicht!", er lachte laut. „An diesem Abend beim Polizeichef habt ihr zwei euch doch angeschmachtet wie George und du es damals getan habt. Ihr habt die ganze Zeit miteinander geflirtet und es wahrscheinlich noch nicht einmal gemerkt."
„Schweig!", brüllte Anie in einem Anfall von Wut gegen ihre Schmerzen an. „Schweig du verdammter Mistkerl!"
„Oh, oh, oh! Jetzt werde mal nicht zickig, Kleine!", er saß hinter ihrem Kopf und beugte sich wieder ganz dich zu ihr vor: „Ich glaube ich habe noch nie so einen Idioten wie Raymond erlebt. Du opferst dein Leben für ihn! Währest fast für ihn draufgegangen, wirfst dich zwischen ihn und diese Kugel, fängst sie ab und was macht er? Anstatt liegen zu bleiben steht der Trottel auf und versucht wegzurennen! So blöd muss man erstmal sein!"
Daher kannte H diesen Namen! George Richards war der zweite Beamte der damals bei dem Drogentransport ums Leben gekommen ist, bei dem Raymond gestorben ist. Stimmte das was Kent sagte? Hatte Anie Ray versucht das Leben zu retten? Tausend Fragen rasten wieder mal durch Horatios Kopf, als er spürte wie jemand ihm die Hand auf die Schulter legte und sagte: „Sie wollte nicht, dass du es so erfährst.", es war Yelina die zu ihm sprach.
Kent machte weiter:
Glaub mir! Ein Caine ist selbst Nichts für ein Flittchen wie dich. Dafür bist selbst du zu wertvoll! Das hört sich für dich jetzt schrecklich an und weißt du warum?", er packte sie am Schopf und zog ihr Gesicht zu seinem ran, bevor er brüllte:
„Weißt du es? Hum?"
Ein gewimmertes „Nein"war alles was Anie von sich gab.
„Weil du ihn liebst! Du liebst Horatio Caine, hab ich Recht? Ich habe Recht!", er ließ ihren Kopf fallen und sprach jetzt wie ein Wahnsinniger:
„Früher hättest du dich nie von einem Kollegen nach Hause bringen lassen, dafür warst du viel zu professionell! Doch bei Caine ist das was Anderes!"
Er kniete vor ihr und schrie sie an:
„Jeder Blick, jedes Wort, was du ihm schenkst ist doch voll von deiner Liebe, du bewunderst ihn doch vollkommen. Als er bei diesem Empfang in deine Nähe kam hast du mich links liegen lassen! Du hast ihn angesehen als sei er Gott persönlich und als du ihn mir vorgestellt hast, haben deine Augen geglänzt vor Freude, wie sie es damals nur bei George getan haben!"
Das Team stand vor dem Monitor und kam sich vor als ob sie die Zuschauer eines billigen Krimis seinen. Die letzten Worte hatte Kent am Stück herunter gebrüllt, ohne einmal Luft zu holen.
„Doch Stephanie! Ich habe eine schlechte Nachricht für dich! Ihr zwei werdet euch frühestens wieder sehen, wenn ihr beide in der Hölle schmort! Denn dies ist der Augenblick an dem du in die Hölle kommst!"
Die Kamera zoomte noch ein Stück näher heran und man konnte erkennen, dass es Tränen waren, die sich mit dem blutigen Speichel in ihrem Gesicht vermischten und zu Boden rannen.
„Ja und wo ist er, dein Held? Wo ist Horatio jetzt? Er ist nicht hier! Er steht dir nicht bei! Du bist ganz allein!"
Stephanie atmete schwer. Ihr Gedanken überschlugen sich. Sie wusste, dass Horatio irgendwo in ihrer Nähe war. Er würde sie retten, das spürte sie. Aber sie musste sich Zeit verschaffen. So kratzte sie ihre letzten Kraftreserven zusammen, atmete schwer ein und aus und krächzte dann:
„Jetzt weiß ich den richtigen Grund, warum du es tust! Es gibt eine Tatsache, die lässt dir keine Ruhe! Du dachtest erst, dass es reicht mich zu verletzen, indem du Allison und deine Frau umbringst, doch dann hast du schnell gemerkt, dass das keine Befriedigung für dich ist. Diese Tatsache hat dich verrückt gemacht, dein Stolz ist gekränkt, es hilft dir nur noch mich zu quälen. Du denkst, dann kommt es wieder in reine, doch du wirst merken, dass dem nicht so ist!"
Schließlich holte sie noch einmal Luft und brüllte ihm in das über sie gebeugte Gesicht:
„All dies tust du nur, weil du merkst, dass ich Horatio Caine mehr liebe, als ich dich je geliebt habe und du weißt, dass ich dich geliebt habe! Doch es ist aus! Meine Liebe und Freundschaft hast du lange verloren!"
- SWAT-Team bereit machen! Es wird ernst! – lautete der Befehl des Teamleiters.
Kents Gesichtzüge froren ein.
„Richtig, Stephanie, du hast vollkommen Recht! Doch diese Erkenntnis wird dir jetzt auch nicht weiterhelfen, denn jetzt bist du dran!"
- Heckenschützen bereit machen!-
Kent rutschte auf dem Boden zu Anies Füßen, richtete sich auf seinen Knien auf und richtete die Waffe auf ihren Oberkörper. Anie hörte wie er entsicherte und begann deshalb zu keuchen:
„Vater unser im Himmel! Geheiligt werde dein Name! Dein Reich komme, dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden!",
Kent verstand sie nicht, sie sprach Deutsch. Er wollte sie unterbrechen und schrie:
„Schweig!"
„Unser tägliches Brot gib uns heute und vergib uns unsere Schuld, wir, auch wir vergeben unseren Schuldigern"
„Du sollst schweigen habe ich gesagt!"
Entsichern, in drei Sekunden geht es los! –
„Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen!"
„Schweig, du Miststück!"
Zwei Sekunden! –
„Denn dein ist das Reich und die Kraft..."
„Bist du jetzt still!"
Eine Sekunde –
„...und die Herrlichkeit in Ewigkeit."
„Halt dein verdammtes Maul!" - Zugriff! - „Amen!"
Schüsse zerrissen die Luft.
