I wonder what you're doing, imagine where you are...

Umbruch...

Der Regen hielt noch einige Tage an und schien letzten Endes nur widerwillig zu versiegen. Ungnädig hinterließ er dunkle Wolkenreste, die den größten Teil des Tages die Sonne ausschlossen, aber dies schien die meisten Bewohner Tokios wenig zu stören. Sie waren froh wieder hinaus zu können ohne bis auf die Knochen nass zu werden, der Wolkenbehangene Himmel störte sie dabei nicht. Tenshi ging es anders. Sie empfand den grauen Himmel als schrecklich drückend, als wäre er ein Vorbote auf ein kommendes Unglück das sie nur erahnen konnte. Gebannt starrte sie mit gerunzelter Stirn in den Himmel, als würde sie es jeden Moment erwarten, doch es passierte nichts.

„Hey Tenshi!"

Der Klang ihres Namens riss sie wieder in die Realität zurück. Es war Yuzurihas Stimme gewesen, die ihr schon ungeduldig zuwinkte.

„Bist du eingeschlafen?"fragte sie und lächelte scherzhaft „Jetzt komm doch rein!"

Tenshi lächelte etwas zurück und lief auf Yuzuriha zu, die ihr schon eine ganze Weile lang die Haustür aufgehalten hatte. Sie trat in den langen Flur und zog dort ihre Schuhe aus, bevor sie weiter in die Wohnung hinein ging. Schon von dort aus konnte man den Grund riechen weshalb sie hier war, das Kouyasan-Menu von Sorata. Kamui war an diesem Abend bei dem blonden Jungen zum essen eingeladen, deshalb wurde sie heute Morgen kurzentschlossen eingeladen. Es war ihr recht gewesen, da sie Zuhause nur wieder auf die selben Gedankengänge wie schon seit Wochen gekommen wäre obwohl sie sich vorgenommen hatte nicht mehr über ihn nachzudenken, denn es führte zu nichts.

Yuzuriha führte sie in die Küche wo Sorata immer noch fleißig am Herd stand und allerlei Sachen zusammenköchelte. Sie musste lächeln als sie Sorata mit einer etwas weiblichen Schürze um die Hüften und den Hals sah, kaschierte es jedoch indem sie sich schnell zur Begrüßung verbeugte.

„Hallo!" rief er und lächelte. „Das Essen ist gleich fertig! Seid doch so gut und helft Schwesterchen beim Tischdecken, ja?"

Tenshi nahm ein paar Teller die Yuzuriha ihr aus dem Schrank reichte und brachte sie in das Esszimmer, dass extra für diesen Abend vorbereitet war. Sie kniete sich auf eines der Sitzkissen um die Teller breit zu stellen. So typisch japanisch hatte sie schon lange nicht mehr gegessen, um genau zu sein seit sie den Tempel verlassen hatte, sie fand, dass es nicht den Aufwand wert war für sich ganz allein so zu kochen. Für ihn würde sie gern mal kochen... Tenshi fühlte die Hitze in ihre Wangen steigen als sie sich selbst bei diesem Gedanken erwischte. Sie versuchte ihn zu rationalisieren, wieso sollte sie so denken? Schließlich kannte sie ihn kaum und hatte ihn schon seit dem Tag auf dem Campus nicht mehr gesehen, aber sie wunderte sich oft wo er wohl war und ob er immer noch so traurig aussah.... Unweigerlich kam die Erinnerung an den wolkenbedeckten Himmel wieder hoch und sie musste die Stirn runzeln.

„Du siehst blass aus."Bemerkte Arashi, die offensichtlich schon eine Weile im Türrahmen stand.

Denn letzten Gedanken verbannend sah Tenshi zu ihr auf und brachte sich wieder zu ihrem schon fast mechanisch gewordenen Lächeln, hinter dem meist keine wirkliche Freude steckte. „Keine Sorge, ich hab nichts. Es ist nur... irgendwas liegt in der Luft."

Sie war sich nicht sicher, ob sie wirklich eine Antwort dazu von Arashi erwartete, konnte aber ihren fragenden Blick nicht verstecken. Alles was sie wollte war jemand der ihr sagt, dass sie sich das alles nur einbildete.

„Das sind nur Sora-san's Kochkünste!"rief Yuzuriha fröhlich, die den letzteren Teil der Unterhaltung überhört hatte, und kam mit Gläsern und Essstäbchen bepackt in den Raum. Sie kniete sich neben Tenshi und legte alles mit einen schelmischen breit „Er hat die Fleischbällchen anbrennen lassen."

„Vielen dank, es hat toll geschmeckt Sorata-san."Sagte Tenshi, bevor sie ihre Schuhe wieder anzog. Nach dem Debakel mit den Fleischbällchen hatte es noch eine ganze Weile gedauert bis sie letztendlich essen konnten, da Sorata der Festen Überzeugung gewesen war, dass man kein Kouyasan ohne sie essen konnte. Er, Arashi und Yuzuriha standen nun in der Tür um Tenshi zu verabschieden.

„Bist du sicher, dass du allein nachhause gehen willst?"fragte Sorata mit gerunzelter Stirn.

„Klar" erwiderte sie „Ich bin stärker als ich aussehe."Und diesmal kam das Lächeln sogar von selbst.

Auch Sorata musste lächeln „Na gut, pass aber auf dich auf!" sagte er wuschelte ihr über den Kopf.

„Tschüssi!!" rief Yuzuriha und winkte ihr noch eine Weile lang nach, nur Arashi schien etwas seltsam. Sie runzelte die Stirn als sie Tenshi beim gehen nachsah und musste sich an ihre Worte von vorhin erinnern.

Mittlerweile war dämmerte es draußen schon und Tenshi drehte sich nur noch flüchtig um, um den anderen noch ein letztes mal zu winken, bevor sie aus ihrem Sichtfeld verschwanden. Verglichen mit vor ein paar Stunden, fühlte sie sich jetzt besser, glücklicher. Es war ein schöner Abend gewesen, so lebendig, dass sie zwischendurch schon fast die Last früherer Ereignisse vergessen hatte.

Sie entschied sich wiedereinmal die Strecke nach Hause zu Fuß, und nicht über die Dächer Tokios zurück zu legen, obwohl es länger dauerte oder vielleicht grade deshalb. Sie wollte das glückliche Gefühl in sich noch etwas länger genießen, es einfangen, denn in ihrer Wohnung würde sie nur wieder in die Realität des Kampfes um die Erde, ihrer Einsamkeit hinein gezogen.

Durch die vielen Wolken am Himmel, war der Abend angenehm lau, sodass sich viele Leute auf die Straßen wagten. Je näher sie an Ikebukuro heran kam, wurden es jedoch immer weniger. Nur vereinzelt traf man hier in den Straßen um diese Tageszeit noch Leute, was Tenshi eigentlich sehr recht war, so konnte sie nichts aus ihren Tagträumen reißen. Von weitem konnte sie schon das Sunshine 60 sehen, als plötzlich ein bekannter schwarzer Punkt den durch künstliches Licht erhellten, abendlichen Himmel Tokios verdunkelte. Es war der selbe Vogel, den sie schon vor ein paar Tagen am Tokio Tower gesehen hatte, nur diesmal kam er gradewegs auf sie selbst zu. Tenshi zuckte für einen Moment, und erwägte ihm auszuweichen, doch aus irgendeinem Grund sie wollte den Vogel aus der Nähe betrachten, das Geheimnis seines seltsamen Verhaltens lüften. Die Luft surrte laut, als er so knapp an ihrem Ohr vorbei zischte, dass ihre Haare im Windsog mit wehten.

„Ein... Shikigami."Stellte sie verwirrt fest. Es war gar kein echter Vogel gewesen, sondern ein durch Yin-Yang Magie erschaffenes Wesen, der Diener eines Yin-Yang Meisters. Ganz langsam, und mit größter Vorsicht drehte Tenshi sich über ihre rechte Seite um, um hinter sich zu sehen.

Da war er wieder. Der Mann, den sie am Tokio Tower gesehen hatte mit seinem Shikigami auf der Schulter, was ihn so sinister wirken ließ. Sie wusste nicht was sie von ihm halten sollte, doch er hatte durchaus etwas bedrohliches, der Geruch von Blut klebte überall an ihm, überdeckt von teurem Aftershave. Wieso kam er ihr bekannt vor?

„Genau." Erwiderte er.

Seine Stimme hatte etwas mächtiges in sich, was die kleinen Haare in ihrem Nacken zum aufstellen brachte, aber gleichzeitig auch etwas betörendes, als könnte man sich ihr nicht entziehen. Sie glaubte die Magie darin zu erkennen und sagte

„Du bist ein Erdrache..."

Der Mann lächelte überlegen „Ja, aber das ist nicht der Grund weshalb ich hier bin, Himmelsdrache... oder soll ich dich lieber Kami nennen, um der Erinnerung willen."

Mit einen Schlag traf die Realisation Tenshi und ihre Pupillen erweiterten sich. „Sakurazukamori..."Sie fühlte Wut in sich aufsteigen und spuckte das Wort schon fast.

„Du erinnerst dich!"sagte er mit so einem Emotionswechsel, dass Tenshi überrascht die Stirn runzelte. Langsam kam der Sakurazuka bedrohlich auf sie zu, sodass sie instinktiv eine der Ofuda aus ihrer Jacke zog und hielt sie vor ihr Gesicht, bereit sie zu besprechen

Seishiro lächelte amüsiert und tat ihre Reaktion mit einem „Nein, auch deshalb bin ich nicht hier."

Sobald er in Reichweite ihres rechten Arms war packte er ihn um ihr Handgelenk, jedoch war die Berührung keinerlei gewaltsam, sondern fast sanft und umgarnend. Tenshi war wie gelähmt von der Nähe des Sakurazukamori, sie konnte schon fast seinen Atem auf ihrer Haut spüren, doch konnte sich einfach nicht aus seinem Halt lösen, sein Willen dominierte ihren. Mit seiner noch freien Hand nahm er ihr die Karte aus der Hand und zerstörte sie mit Leichtigkeit. Tenshi sah ihn mit einem Stirnrunzeln an, konnte jedoch lediglich sich selbst, reflektiert in den dunklen Gläsern seiner Sonnenbrille sehen. Er lächelte ein kaltes Lächeln und atmete lang durch die Nase ein, als würde er an ihr riechen.

„Was willst du...?"hauchte Tenshi und konnte ein leises Zittern in ihrer Stimme nicht verbergen, was ihm nur noch mehr Vergnügen zu bereiten schien. Plötzlich konnte Tenshi ein leichtes beben der Erde unter ihr spüren, es kam aus der Richtung von Ikebukuro. Sie wollte gehen, sich von dem Sakurazukamori lösen, doch er ließ es nicht zu.

„Ich wollte mich nur vorstellen..."sagte er und nahm die Sonnenbrille ab, bevor er eine Hand unter ihr Kinn legte um es etwas hoch zu schieben, sodass sie ihm in die Augen sehen konnte. „Wir begehren das selbe, Engel..."hauchte er strich über ihre Wange. Tenshi drehte sich ruckartig weg von der Berührung, doch er hatte dafür nur ein Lächeln übrig „...nur der Unterschied zwischen uns ist, dass du von Schicksal dazu bestimmt warst, und ich es letztendlich bekommen habe."Er umschloss ihren Hinterkopf mit beiden Händen und zog sie so nah, dass er ihr etwas ins Ohr flüstern konnte.

Ihre Augen weiteten sich vor Schreck. Sie starrte über die Schulter des Sakurazuka hinweg in die Ferne, doch sah ihn nichts wirklich. Plötzlich durchzuckte sie ein Gefühl, was das Echo seiner Worte in ihrem Kopf übermannte.

„Subaru..." hauchte sie entsetzt und starrte Seishiro mit einem Stirnrunzeln an, der bereits auf etwas hinter ihr deutete. Abrupt drehte sie sich um und sah genau das, was erahnt hatte.

„Lauf." Sagte er gelassen und zündete sich eine Zigarette an. „Kamui wird nicht so gnädig sein wie ich heut nacht."