Autornote:
Ursprünglich sollte „Harry & Hermione" eine Kurzgeschichte bleiben. Ich hatte sie in meinem „Stammforum" gepostet, mich dann aber doch entschieden, sie zu veröffentlichen. Anlass war mein ganz persönlicher Wunsch nach dem Pairing H/H.
Aufgrund der – für mich überraschenden – positiven Reviews, die alle den Wunsch teilten, ich möge die Geschichte um Harry und Hermione weiter schreiben, habe ich mich nun doch dazu entschlossen.
Nun, jetzt werde ich mein Bestes geben, die Story auszubauen!
Kapitel 2: Die Flucht
Harry wusste nicht recht wie ihm geschah; einerseits war er über diese plötzliche ungewohnte Nähe zu Hermione verwirrt, andererseits wiederum genoss er sie. Für einen kurzen Augenblick ließ er noch diese Nähe zu, indem er sie leidenschaftlich küsste, dann aber rollte er sich schnell zur Seite und sah ihr fest in die Augen. Hermione lächelte nicht.
Ihr Blick hielt zwar dem Seinen stand, doch schimmerten Tränen in ihren Augen und schon hatte sie ihren Kopf an seiner Brust verborgen und fing herzzerreißend an zu schluchzen.
„Tut mir leid", wimmerte sie unter seinem karierten Baumwollhemd hervor, „ich hatte eben das Gefühl, als wenn das ein… ein Abschiedskuss gewesen wäre…"
Sie schluchzte auf und Harry spürte, dass die Hitze ihrer Wangen anstieg. Vom Weinen geschüttelt war Hermione eine ganze Zeitlang nicht fähig weiter zu sprechen und Harry ließ es geschehen, denn wieder stieg die Panik in ihm hoch. Begleitet von Erinnerungen an ihre gemeinsam verlebten Schuljahre, die geprägt von Verlustängsten, Trauer, Schmerzen, Kummer und Unglücken war.
An Schuljahre, in denen Hermione (immer) wie auch Ron (meistens), bedingungslos zu ihm gehalten hatten. Ohne die er… in seinem Kopf schien sich ein schwarzer Vorhang zu senken, aus allen Winkeln seines Gehirns lösten sich dunkle Gestalten, Dementoren gleich, die ihre schwarzen Umhänge über sein Ich zu werfen schienen.
Sein Kopf war ausgefüllt mit Bildern, die ihm immerfort die abscheulichsten Szenen seines Lebens zeigten… Sirius Gesicht stand urplötzlich ganz klar vor ihm. Fast schon panisch löste er sich von Hermione und setzte sich auf.
Er stemmte sich vom Bett hoch und griff nach dem Pergament, welches zu Boden geflattert war und nun auf den dunkel gebeizten Dielenbrettern lag, von wo aus es ihn höhnisch anzustarren schien. Eisige Kälte durchflutete Harry, als er den Brief aufhob und ans Fenster ging, um ihn im Rest des Tageslichtes noch einmal zu lesen. „Malfoy", schoss es ihm durch den Kopf.
„Dieser Bastard", murmelte er und starrte auf die Straße hinaus, ohne wirklich etwas zu sehen.
„Bastard? Wer?", hörte er Hermione durch seine zornigen Gedanken sagen. Das Bett knarrte, und schon stand sie neben ihm.
„Was glaubst du denn, wer diesen Brief geschrieben hat, Hermione?", fragte Harry mit mühsam beherrschter Stimme und drehte sich zu ihr um. Sein Kopf schmerzte und die Hände zitterten.
„Nun, der erste Gedanke war Malfoy, ganz klar. Draco oder sein Vater. Ich wüsste nicht, wer mich sonst so sehr hasst, als dass er mir so etwas antun würde".
„Keiner hasst dich, außer den Malfoys", sagte Harry grimmig und wandte sich wieder dem Brief zu.
„Hier steht, dass du dich mehrere Male im Verbotenen Wald aufgehalten hast… dazu ist erklärt, dass dieser sich auf dem Gelände der Schule befindet und für jeden Schüler, egal welchen Alters, frei zugänglich ist…", Harry schnaubte und runzelte die Stirn als er weiter las.
Es war ungeheuerlich, einer der Malfoys (er tippte eher auf beide), hatte mit stoischer Genauigkeit die Lebensumstände auf Hogwarts aufgezählt, welche für Muggle – und da gab er sich keiner Illusion hin – tatsächlich haarsträubend sein mussten. Angefangen vom Wald, bis hin zu dem im See hausenden Riesenkraken, hatte der oder die Briefschreiber nichts an seinen widerlichen Informationen ausgespart.
Harry sah Malfoy vor sich, wie er genüsslich die vergangenen Schuljahre Revue passieren ließ und sie dann hastig aufs Pergament kritzelte. Ein unbändiger Hass stieg in ihm hoch und ihm war klar, würde einer der Malfoys jetzt vor ihm stehen, er würde zuschlagen.
Mrs Blacks Geschrei, ließ sie erschrocken zusammenfahren. Bis nach oben war das Gezeter der Alten zu hören, so laut, dass die Bilderrahmen an den Wänden zu vibrieren begannen und sogar in Waltrude Schlotterings Portrait, der irdene Krug umfiel. Noch während Harry zur Tür rannte, wunderte er sich, wie es möglich war, dass aus dem Gefäß Wasser lief. An der Tür angekommen horchte er angestrengt, doch hörte er weder Schritte die knarrenden Holzstufen emporsteigen, noch Stimmen. Er wandte sich zu Hermione um und erschrak.
Sie hatte in der kurzen Zeit, in der Harry an der Tür gelauscht hatte, das Fenster geöffnet, und sich tief, die Arme auf der Fensterbank abgestützt, über den Sims gebeugt und starrte anscheinend auf den Gehweg, mehrere Meter unter ihnen. Harry war mit einem Satz bei ihr, packte sie an der Taille und riss sie zurück.
„Lass mich", fauchte sie und machte sich wütend von ihm los. Ihre Augen blitzten; Harry sah Resignation in ihnen.
Die Hände vor das Gesicht geschlagen lief Hermione einige Male im Zimmer auf und ab und Harry ließ sie gewähren. Er lehnte sich nun selbst über die Fensterbank, um zu sehen, was Hermione in diese Verfassung gebracht haben könnte. Eine dunkle Ahnung stieg in ihm hoch.
„Welches Auto fahren deine Eltern?", fragte er dumpf und richtete sich auf. Stille. Er drehte sich zu ihr um.
„Einen dunkelblauen Rover", flüsterte sie rau und rieb sich die Augen.
„Da unten steht einer… Hermione, sag jetzt bloß nicht, deine Eltern sind hier…"
Doch im selben Moment wurde ihm die Absurdität dieser Frage bewusst. Ihre Eltern konnten nicht hier sein. Der Grimmauldplace No 12 war Hauptsitz des Ordens, die Top-Secret-Adresse in der Zaubererwelt überhaupt. „Idiot", schalt er sich im innern und atmete auf.
„Doch."
Harry glaubte erst, sich verhört zu haben. Er schnappte nach Luft, „das geht doch gar nicht", krächzte er und schüttelte entschieden den Kopf. „Du weißt, wir sind hier im Sitz des Ordens, diese Adresse ist so geheim wie…."
„Doch, sie sind hier", unterbrach ihn Hermione mit einer Spur ihrer Ungeduld in der Stimme, die er die meiste Zeit insgeheim an ihr insgeheim kritisiert hatte, nun aber, im Angesicht einer eventuellen baldigen Trennung, für sich akzeptierte. „Ich bin mir ganz sicher,… das ist ihr Auto."
„Aber wie?", flüsterte Harry entsetzt und griff Hermiones Arm, „wie?", fragte er noch mal und schüttelte abermals den Kopf.
„Ich kann es dir nicht sagen", sagte Hermione und biss sich auf die Lippen, „vielleicht… vielleicht hat Dumbledore ihnen jemanden vom Orden geschickt, um nach mir zu suchen? Ich habe ihnen die Adresse jedenfalls nie gegeben."
Hermione wurde blass und um ihre Mundwinkel herum zuckte es.
„Ich habe wirklich keine Ahnung", entgegnete sie schließlich nochmals leise und schüttelte bedächtig den Kopf; „aber ich will nicht in diese verfluchte Muggelschule, Harry!", schluchzte sie und nun sah Harry, wie sich ihre Stirn in Falten gelegt hatte und ihr Blick grübelnd durch ihn hindurch ging.
Sie sah aus, als würde sie jeden Moment wieder anfangen zu weinen. Wenn sie tatsächlich ein Ordensmitglied hier finden würde, dann müsste sie unweigerlich zurück zu ihren Eltern, und das würde bedeuten, dass sie sich mindestens in den nächsten zwei Jahren nicht mehr wieder sehen würden.
Knarr.
Beide wirbelten herum.
„Da kommt jemand", flüsterte Hermione überflüssigerweise, noch ehe Harry reagieren konnte.
Tatsächlich, ohne Zweifel, da kam jemand die Treppe hoch. Knarzdas war die neunte von oben, jene, vor der Sirius immer gewarnt hatte, sie könne jeden Moment einbrechen. Sirius. Nein, nicht an Sirius denken.
Harry drehte sich hektisch nach allen Seiten; Fenster? Nein, zu hoch. Unters Bett kriechen? Wie kindisch. Aus der Tür raus? Zu spät. Die Tür, sagte eine Stimme in seinem Kopf. „Ich Idiot", sagte er zu sich selbst und zog Hermione um das Bett herum zur Fensterseite.
An der Wand hing ein alter Wandteppich, der Mrs Weasleys Säuberungsaktion nur deshalb entgangen war, da er im Mädchenzimmer hing, und sie in ihrer Naivität, die sie überraschenderweise doch ab und zu an den Tag legte, dachte, die Mädchen würden sich darum kümmern.
Ginny hatte ihm aber erzählt, dass sich hinter diesem Teppich eine Tür verbarg, durch die eine Treppe nach oben in den nächsten Stock führte. Das ganze Haus würde von solchen Geheimgängen wimmeln, hatte sie mit einem schelmischen Grinsen erzählt und sich dann giggelnd davongemacht.
Rasch schlug er den Teppich zur Seite, nicht einen Moment daran zweifelnd, dass Ginny ihm die Wahrheit gesagt hatte. Sie hatte.
Vor ihnen befand sich eine Tür, die scheinbar nahtlos nach allen Seiten in Wand überging. Die Schritte kamen näher, zögernd, als suchte dieser jemand, der diese Schritte ging, etwas Bestimmtes.
Harry sammelte seine Gedanken und zerrte Hermione vor die Tür; während sie hektisch mit den Fingern die kaum sichtbare Nahtstelle zwischen Tür und Wand entlang fuhr, nahm er ihren Koffer und schob ihn so leise wie möglich unter das Bett, auf dem sie nur einige Minuten zuvor noch gelegen hatten und strich schnell die verräterischen Stellen in der Bettwäsche glatt. Anschließend rannte er zu dem Fenster und schloss es bevor er wieder zu ihr zurückeilte. Gerade in diesem Moment hatte sie den geheimen Knopf gefunden, welcher den Geheimgang öffnete und die Tür nach innen aufschwingen ließ. Den Beiden schlug augenblicklich der Geruch von feuchtem Moder entgegen.
Sie zwängten sich wortlos durch die enge Türflucht und schlossen sie von innen. Keinen Moment zu früh, wie sie hörten, wie genau in diesem Augenblick von außen an die Zimmertür geklopft wurde und eine vertraute Stimme, die Harry in diesem Moment der Eile jedoch nicht zuordnen konnte, seinen Namen rief. Dunkelheit umfing sie und Harry wäre über die erste Stufe gestolpert, hätte Hermione ihn nicht vorsorglich am Arm gepackt und ihn zurückgezogen. „Ich geh vor", hauchte sie und schon spürte er wie sich ihr Körper an ihm vorbei, ein Stück nach oben schob.
Vorsichtig, mit den Händen die Wände links und rechts von ihnen abtastend, stiegen sie Treppenstufe für Treppenstufe in der völligen Dunkelheit nach oben, bis ein dumpfer Schlag zu hören war.
„Wir sind da", hörte er Hermione sagen und schon vernahm er erneut dieses Klickgeräusch und die Tür öffnete sich nach innen.
Hermione trat rasch einen Schritt zurück und stieß gegen Harry der verdutzt durch den Türspalt in zwei große kugelrunde orangefarbene Augen starrte.
Mühsam unterdrückte er einen Aufschrei, als sich auch schon Hermione hastig nach unten beugte und in dieser Haltung einen Augenblick verhielt, bis sich diese Augen ebenfalls nach unten senkten. Nach unten senkten? Durch den plötzlichen Lichteinfall sah Harry, dass diese Augen in einem riesigen Vogelkopf steckten, der nun eben kurz vor dem Boden innehielt.
Harry konnte ein Scharren hören und schon richtete sich der Kopf wieder auf und Harry sah dicht vor der sich ebenfalls aufrichtenden Hermione einen blitzenden scharfen Schnabel.
„Seidenschnabel", seufzte er erleichtert und verbeugte sich in der Enge der Treppenflucht ebenfalls hastig, ehe er an Hermione vorbei nach draußen drängte, wobei es unter seinen Füßen knackste und raschelte.
Der Hippogreif spreizte seine Flügel weg vom seinem übel zerzausten grauen Vogelleib und ließ ein Krächzen hören.
Mit seinem mächtigen Schnabel schob er feine Knochenreste vor sich her, als wolle er Harry tadelnd darauf aufmerksam machen, dass er schon eine Weile lang kein Futter mehr bekommen hatte. Harry tätschelte kurz seine Flanke und stöberte besseren Wissens in seiner Jeanstasche nach etwas Essbarem.
„Es tut mir Leid", nuschelte er und hielt Seidenschnabel die nach außen gekehrten Handflächen hin, „wenn ich gewusst hätte, dass du immer noch hier oben bist, dann hätte ich dir sicherlich etwas mitgebracht."
Er wandte sich an Hermione, „jetzt müssen wir nur noch hier oben warten, bis deine Eltern wieder abgereist sind", und ging unter dem Knirschen und Knacksen der Knochen zum Fenster und wischte mit dem Ärmel ein Guckloch in den Dreck auf der Scheibe.
Der Blick nach draußen war sinnlos; sie befanden sich direkt auf dem Dachboden und das Fenster lag in einem Erker, welcher wiederum in das Dach eingelassen war.
Außer braungebrannten, halbwegs zerbröselten Ziegeln, und dem Himmel geradeaus, konnte Harry nichts sehen.
„Ähm…das meinst du doch jetzt nicht ernst, von wegen, dass wir hier oben warten, bis meine Eltern weg sind, oder?" hörte er Hermione sagen, während er immer noch durch das Guckloch starrte und den Briefschreiber aufs Neue verfluchte.
„Harry!"
Harry wirbelte erschrocken herum. „Ich rede mit dir", Hermione hatte die Hände in die Hüften gestützt und blickte ihn vorwurfsvoll an.
„Es tut mir leid, Hermione, aber ich glaube nicht, dass sie uns hier finden, und deine Eltern…."
„Harry!", Hermione ließ einen Seufzer hören und schüttelte ungläubig den Kopf. „Was glaubst du was passiert, wenn Moody hier aufkreuzt? Ich muss hier weg… und das schnell! Hilfst du mir?"
Ihren Arm ausgestreckt, deutete sie mit der Hand auf Seidenschnabel, der eben wieder mit den Füßen scharrte und seine Flügel spannte. Und Harry verstand.
Es kostete sie einige Anstrengung, das Fenster aus dem Rahmen zu heben und die Querstreben heraus zu brechen; gleiches taten sie mit dem Fenster nebenan und mit einem kräftigen Hau-Ruck, zogen sie den dazwischen liegenden, schon sehr morschen, Holzbalken heraus.
Harry zog sich dabei einen beachtlichen Holzsplitter zu, den Hermione jedoch ohne mit der Wimper zu zucken mit einem Ruck aus dem Finger zog.
Schließlich hatten sie die Ränder mit alten Laken, auf denen Seidenschnabel für gewöhnlich schlief und die vor Dreck starrten, soweit es ging von scharfkantigen Holzsplittern befreit, damit sie gefahrlos hindurch gelangen konnten.
Hindurch. Ja, nur wie?
Harry überlegte, ob sie sich schon im Zimmer auf Seidenschnabels Rücken setzen sollten, um durch das Fenster hindurch zufliegen, doch Hermione wies dies energisch zurück.
Seidenschnabels Flügelspannweite wäre für die Öffnung zu groß, und Harry musste ihr recht geben, denn genau in diesem Moment spreizte der Hippogreif erneut die Flügel und warf den scharfgeschnittenen Kopf nach hinten.
Also versuchten sie, wie damals schon in Hagrids Kürbisfeld, Seidenschnabel mittels Bitten und Rufen ans Fenster zu locken; Harry fand glücklicherweise einen kleinen Knochen mit einem Fetzen von irgendetwas daran, mit dem sie ihn schließlich dazu brachten, vor das Fenster zu treten. Die schwierigste Aktion war allerdings, Seidenschnabel dazu zu bewegen, auf den Fenstersims zu springen, um auf dem Vordach stehend, die beiden aufsitzen zu lassen. Das war ihr Plan, den sie sich auf die Schnelle ausgedacht hatten, nachdem Harrys weitere Vorschläge allesamt von Hermione unwirsch abgelehnt wurden.
Harry würde niemals die folgende halbe Stunde vergessen, in dem sie letztendlich dieses schwere, unförmige und auf dem Boden doch so schwerfällige Tier dazu brachten, sich aus dem Fenster zu bequemen.
Zu diesem Zweck hatte Harry zwei besonders lange Dielenbretter aus dem Boden gerissen (auch dieser Splitter wurde von Hermione herausgezogen) und sie nebeneinander an den Fenstersims gelehnt. So war es Seidenschnabel möglich, die Bretter entlang nach oben zu laufen, über den Sims zu steigen und so auf das Vordach zu gelangen. Zu ihrem Leidwesen schien das Tier entweder nicht zu begreifen, was es tun sollte; oder es weigerte sich schlichtweg, den warmen Angestammten Platz in der Dachkammer zu verlassen. Es kostete sie alle Überredungskunst und akrobatische Verrenkungen (Harry stand mit einem Bein auf dem Dielenbrett, das andere auf dem Vordach, die linke Hand hielt sich krampfhaft am Rahmen fest, mit der rechten fuchtelte er mit dem Knochenstückchen vor Seidenschnabels Schnabel herum), um den Hippogreif letzendlich dazu zu bewegen, die erste Klaue auf das Brett zu setzen. Wild mit den Flügeln schlagend (Hermione konnte sich gerade noch rechtzeitig ducken), setzte er schließlich Klaue für Klaue den Weg nach oben fort und ließ sogar zu, dass Harry das ledernde Halsband, an dem die Zügel befestigt waren, ergriff und ihn so über den Sims zog.
Eilig kletterte Hermione ebenfalls zu ihnen hoch, während Harry die Zügel nach hinten auf den Rücken des Tieres warf und Hermione bedeutete, sich zu beeilen. Der Wind blies ihnen kräftig um die Nase und zog an ihren Haaren und Kleidern. Harry schätzte, dass sie sich gut 20 Meter über der Straße befanden; für ihn kein Problem, doch ein Blick in Hermiones Gesicht verriet ihm, dass sie sich dieser Höhe durchaus bewusst war… die Blässe um die Nase herum stand ihr nicht gut. Ineinander verschränkt hielt er ihr seine Hände hin und hievte sie so auf den mittlerweile in der Hocke verharrenden Hippogreif. Nun beugte sich Hermione hinunter und half ihrerseits ihm hinauf.
Er setzte sich hinter sie und griff um ihre Taille herum nach den Zügeln, holte tief Luft und trat Seidenschnabel mit den Füßen kräftig in die Flanke.
Begleitet von einem markerschütternden Schrei Hermiones, setzte sich Seidenschnabel ruckartig auf, während er gleichzeitig nach vorne sprintete und mit einem heißeren Krächzen die Flügel spannte und… abhob.
Hermione hielt sich krampfhaft an Harrys Armen fest und hatte ihren Kopf nach vorne gebeugt, so als wolle sie panisch den Blick geradeaus verhindern.
Harry schloss für einen Moment die Augen und genoss es ganz einfach, wieder in der Luft zu sein; auch den Wind empfand er nicht mehr so schlimm, denn die Kaminwirkung durch die umliegenden Häuser war weg und sie flogen jetzt in der schon fortgeschrittenen Dämmerung hoch über das Land.
Unter ihnen schimmerte die Themse, welche den Süden Londons vom Norden trennte; die Lichter am „London Eye" leuchteten hell und beschrieben einen silbern schimmernden Kreis in der Luft.
Schnell ließen sie die Banken und Büros beherbergenden Hochhäuser hinter sich und flogen über mehrere Wohngebiete hinweg. Sogar Hermione lockerte ihren Griff; dennoch hörte er sie leise vor sich hinwimmern. Harry schloss, nicht ohne die Zügel loszulassen, die Arme um sie und zog sie fest an sich.
Das Wimmern hörte auf.
Wie lange sie geflogen waren, hätten beide im Nachhinein nicht sagen können, doch nach und nach brach die Nacht um sie herum endgültig herein und eine helle Mondsichel schob sich hinter den Berghängen hervor.
Harrys Gedanken waren diesen Abend zurückgewandert und verharrten nun schon eine ganze Weile bei ihrem Kuss. Er fühlte ein Kribbeln an seinen Wangen, das hochzog bis in die Haarspitzen und gleichzeitig spürte er Röte, die ihm ins Gesicht schoss.
War ihm dieser Kuss peinlich? Immerhin war es Hermione gewesen…trotz seiner Gefühle für sie. Er forschte in seinem Gewissen, doch außer einem leichten Befremden das die Erinnerung dieser ungewohnten Nähe noch immer in ihm auslöste, war da nichts, das störte.
Dafür drängte eine andere Erinnerung in seine Gedanken, eine, die ihm das Herz zusammenziehen ließ… „ich hatte eben das Gefühl, als wenn das ein Abschiedskuss gewesen wäre", hatte Hermione gesagt.
Warum hatte sie das gesagt? War dieser Kuss wirklich nur ein Abschiedskuss für sie gewesen? Ein Kuss, den sie ihm aus reiner Verzweiflung heraus gegeben hatte? Weil sie wusste, sie würden sich so bald nicht mehr – wenn nicht sogar: nie mehr – wieder sehen?
Jetzt zog sich auch sein Magen schmerzhaft zusammen. Dieser dunkle schwere Vorhang war wieder dabei, sich vor sein Denken, seine Vernunft zu schieben; ihm zu zuflüstern, dass er mit dieser Vermutung recht habe, es könne gar nicht anders sein.
Harry presste die Lippen zusammen und zwang sich, Ausschau zu halten, nach irgendeinem Punkt, der ihm bekannt vorkam. Die Luft wurde trotz des Sommers merklich kühler und er spürte Hermiones Zittern.
Die Flügel des Hippogreifs schlugen gleichmäßig und es schien, als habe sie sich an die Bewegung des Tieres gewöhnt, denn immer noch sagte sie kein Wort und ihr Atem ging ruhig. Harry wusste, würde er ihr Zittern nicht spüren, wäre er in der Annahme gewesen, sie sei eingeschlafen.
Ohne Vorwarnung beugte sich Seidenschnabel nach vorne. Nicht so extrem wie er es bei Harrys erstem Flug getan hatte… doch die Neigung hatte es in sich. Hermione jedenfalls schien dies so zu empfinden, denn ihr spitzer Schrei war sicherlich meilenweit zu hören. Baumwipfel kamen immer näher und näher… Harry konnte schon das Harz riechen.
Ein Vogelpärchen wurde aufgeschreckt und stob zwitschernd aus den Blättern. Harry hatte den Eindruck, dass sich Seidenschnabel dieses unerwartete Schmankerl nicht entgehen lassen wollte, denn er raste gezielt auf die vor ihm flatternden Schatten zu, doch ein leichter Ruck an den Zügeln brachte den Hippogreif wieder in eine einigermaßen stabile Lage und Harrys Magen wieder an den Angestammten Platz.
Sie flogen eine Schleife und Harry sah den Mond, der von der untergegangenen Sonne angestrahlt die verschieden hohen Baumwipfel erhellte, denen sie sich nun immer schneller näherten. Harry hätte nicht sagen können, ob sie sich einem Berg näherten, denn die Bäume schienen größer zu werden. Doch der Hippogreif hatte reagiert und schlug einige male kräftig mit seinen Schwingen und sie stiegen wieder etwas höher.
Knorrig streckten sich die Äste in den Nachthimmel, Laub raschelte und Nebel stieg da auf, wo die Natur für freie Stellen im Geäst gesorgt hatte.
Hie und da beugten sich die schwächeren Äste mit dem Wind und Harry konnte sie Ächzen hören. „Wie ein alter Mann, der mühsam auf einem Krückstock gestützt, vorsichtige Schritte geht", schoss es ihm durch den Kopf. Dicht über den Ästen flogen sie, deren Wurzeln Zeit ihres Lebens scheinbar zu wenig Sonne erhalten hatten und nun halbverfault ihre Zweige gegen den Himmel streckten… und Seidenschnabels Klauen packten!
Harry hörte noch, dass Hermione gellend aus Leibeskräften schrie, während Seidenschnabel verzweifelt mit den Flügeln schlagend versuchte, das Gleichgewicht wieder zu erlangen und sich gleichzeitig mit wild schlackernden Beinen bemühte, von dem, was ihn gepackt hatte, wieder loszureißen, ehe er in letzter Sekunde verhinderte, vom Rücken des Hippogreifs ab zu rutschen.
Harry Er versuchte sich angestrengt auf dem Hippogreif zu halten, der nun erneut in eine, besonders für seine Reiter, gefährliche Schrägseite geriet, wodurch sie beide beinahe abgeworfen wurden. Sie wurden nach allen Seiten geworfen und unablässig gellte Hermiones Schreien in Harrys Ohren.
Verzweifelt presste er seine Oberschenkel fest an Seidenschnabels Flanken - die Zügel hatte er fest um seine Handgelenke gebunden, und gleichzeitig schloss er die Arme um Hermione und versuchte sie auf Seidenschnabels Rücken zu halten, indem er sie fest an sich presste und versuchte, die ruckartigen Bewegungen auszugleichen. Es schien, als zogen und zerrten unsichtbare Kräfte am Hippogreif, der nun die Baumwipfel streifte, wie Harry schmerzhaft an seinen Beinen feststellen musste.
Ein jäher Schmerz fuhr ihm durch die Wade, als ein spitzzackiger Ast seine dünnen Stoffhosen durchschnitt und die Haut darunter blutig ritzte. Ein grässliches Schnauben und Stöhnen ertönte unter ihnen, und einen irrwitzigen Moment lang glaubte Harry, ein zu groß geratener Bowtruckle habe den Hippogreif gepackt und zerre an ihm. Harry schmiss es das Herz in die Hose; ein aberwitziger Gedanke schoss ihm durch den Kopf und schnell sah er nach unten. Was er dort erblickte, ließ ihn fast die Eingeweide erfrieren.
"Grawp", flüsterte er und stöhnte entsetzt auf.
Hermione schien ihn gehört zu haben, denn er spürte eine Bewegung die darauf deutete, dass sie nun ebenfalls nach unten sah. Harry selbst hatte die Augen geschlossen und stieß innerlich ein Stoßgebet aus. Der Hippogreif wehrte sich nach Leibeskräften und versuchte verzweifelt seine Klaue aus den Pranken des Riesen zu bekommen. Er warf sich nach allen Seiten und dann geschah, wovor Harry die ganze Zeit panische Angst hatte.
Sie stürzten ab. Besser gesagt, der Hippogreif stürzte ab. Harry und Hermione rutschten seitlich von dessen Rücken und für wenige Sekunden schaffte es Harry sogar, Hermione am Bund ihrer Jeans festzuhalten und so zu verhindern, dass sie vollends herunterfiel, doch sosehr er sich auch bemühte und die Zügel umklammerte, so verließen ihn letztendlich doch die Kräfte und mit einem Schrei stürzten beide zu Boden.
Fast.
Sie stürzten fast zu Boden.
Begleitet von einem „ham Hermy", wurde der von Harry befürchtete harte Aufprall auf den Waldboden oder in irgendein Verletzungsgefährdendes Geäst aufgefangen. Sie landeten sogar verhältnismäßig weich und der Boden unter ihnen gab nach, als sie aufprallten. Ja, der Boden bewegte sich sogar und sank immer tiefer.
Weshalb er tiefer sank, wurde Harry in jenem Moment klar, als ein riesiges Auge sein gesamtes Blickfeld einnahm und ihn eine Pupille, so groß wie Petunias Versunkener Apfelkuchen, anstarrten.
Das riesige Auge entfernte sich und in Harrys Blickfeld geriet nach und nach von rechts kommend ein zweites, dann etwas knubbelig fleischiges mit drei Höckern (Harry fand später heraus, dass dies Pickel waren), welches sich als die Nase entpuppte und Etwas, dass aussah wie Holzlatten, die jemand der es mit Maßen nicht so genau nahm, mal in der Mitte, dann wieder ein Stückchen tiefer, durchgebrochen hatte. Diese Holzlatten bewegten sich nun nach oben und Harry konnte einen beeindruckenden Blick auf eine bemerkenswert rosa Zunge werfen, die sich aus der nun entstandenen Öffnung hervorschlängelte, wie seinerzeit der Basilisk aus Slytherins Statue. Ein Schwall Spucke klatschte neben Harry auf, als diese Zunge sich nach hinten bog und unvermittelt nach vorne schoss, begleitet von einem kehligen undefinierbaren Laut, „Flieg au".
Dass Hermione neben ihm saß, bemerkte Harry erst, als sie ein Stückchen nach oben zu schweben schien; wie er sehr rasch und mit einem Anflug von Panik feststellte, war für dieses Schweben ein riesiger, Hermiones Hüfte fassender, Daumen und Zeigefinger verantwortlich. Wie schon einmal packte er Hermiones Beine und noch ehe er sie versuchen konnte nach unten zu ziehen, gab es einen kräftigen Ruck und er schwebte gut fünf Meter in der Luft. Verzweifelt klammerte er sich an Hermione fest, und zwang sich ruhig zu bleiben.
Das Auge kam wieder zum Vorschein und jetzt blitzte etwas darin auf, was von Erkennen zeugte. Harry wurde unvermittelt in die Luft geworfen und von einem Ding wieder aufgefangen, das ihn an einen überdimensionalen Kraken erinnerte. Grawp grunzte und wieder fand sich Harry mit einem Ruck in der Luft wieder, wo er ungewollt eine halbe Rolle vollführte und erneut von diesem Ding aufgefangen wurde. Zu spät erkannte er, dass es sich dabei um Grawps Hand handelte, die schließlich Finger hatte, an denen man sich zur Not festhalten konnte, denn schon warf es ihn wieder in die Luft, höher als die beiden ersten Male und mit einem missglückten Bogen rauschte er wieder nach unten, den Blick starr auf die immer näher kommende Handfläche gerichtete. Klatsch! Harry, der keine hatte Lust hatte, weiterhin Grawps Spielball zu sein, rappelte sich rasch auf und fuchtelte wild mit den Armen, um die Aufmerksamkeit des Riesen zu erlangen.
Grawp registrierte überraschend schnell und hielt in der Bewegung inne.
Harry atmete auf und brachte sogar ein Lächeln zustande, ohne zu wissen, ob Grawp dies als eine freundliche Mimik registrierte oder als unfreundliches Zähnefletschen.
„Hi, Grawp", sagte Harry, und weil seine Beine zitterten, setzte er sich. Zuvor schon hatte er sich davon überzeugt, dass es Hermione gut ging. Zumindest den Umständen entsprechend. Er hatte sie erst suchen müssen, denn blass, mit wirr abstehenden Haaren und mit schlotternden Knien, stand sie mittlerweile auf der mehr oder weniger sicheren Erde, wenn man davon absah, dass Grawps Riesenfüße nicht weit von ihr ihre tiefen Abdrücke in den Waldboden stampften.
„Flieg au", wiederholte Grawp und drehte seinen Kopf schräg nach oben. Harry folgte dieser Bewegung und keuchte entsetzt auf. Auch fünf Meter tiefer hörte er einen Entsetzensschrei, denn auch Hermione hatte anscheinend nach oben geblickt und ebenfalls Seidenschnabel gesehen, dessen Kopf, eingeklemmt zwischen zwei starken Ästen, mit einem gefährlichen Blitzen in den Augen die Gesellschaft tief unter ihm anstarrte. Zwangsläufig blieb ihm nichts anderes übrig, denn er hing kopfüber im Geäst.
Der Hippogreif öffnete den scharfen Schnabel und ein schauerliches Krächzen entfuhr ihm. Mit den Flügeln schlagen konnte er nicht, waren ebenfalls hoffnungslos in den Ästen verfangen, und so blieb ihm nichts anderes übrig, als sich gelegentlich zu schütteln, wodurch er allerdings noch tiefer in die ihn umschließenden Äste hineingedrückt wurde.
„GRAWP", schrie Harry entsetzt und sprang nun doch auf. „Lass ihn sofort runter!"
Grawp wandte den Kopf wieder Harry zu und schaute ihn verständnislos an. „Flieg au", sagte er und schüttelte den Kopf.
„Du meinst, Seidenschnabel hat sich wehgetan?" meinte Harry aus Grawps Geplapper heraus kombiniert zu haben, doch schon meldete sich Hermione von unten.
„Nein, er meint, Seidenschnabel habe uns wehgetan… oder besser gesagt, mir. Erinnere dich, er hat mich vorhin beim Namen genannt, er weiß noch, wer ich bin", sagte Hermione und wischte sich die Haare aus der Stirn.
„Dann sag deinem Freund hier, dass er mich runterlassen soll, und mach ihm klar, dass Seidenschnabel uns…oder besser gesagt dir, nicht wehtun wollte!" rief ihr Harry zu und zuckte zusammen, als die Hand auf der er saß, langsam nach unten sank. „Mach schon!"
Fortsetzung folgt!
Den registrierten Mitgliedern habe ich bereits eine PM geschickt; euch „Anonymen" auf diesem Wege ein ganz liebes Danke für eure Komplimente in den zahlreichen Reviews…
Choooo: das habe ich hiermit gemacht g Danke.
Mr. P: Danke, freut mich, dass sie dir gefallen hat
michi-sky: g autsch, meine Ohren…schon gut, ich hab dich gehört ggggg
vero: Ich danke dir, ok, es geht weiter
sunny: Fehler mit dem The End wurde korrigiert g
Es grüßt euch ganz herzlich,
Eure Vivianne Ollivander!
