A/N: Hey ya Mädels (ich gehe davon aus, dass kein männliches Wesen diese Story liest)! Nach 10 Tagen wieder Neues von mir! Danke für eure Reviews, freue mich immer wie ein kleines Kind darüber! Jaaa...heute ist hier der erste Schnee gefallen. Begeisterung, hab nasse und halb abgefrorene Füße...äh...ja...wie auch immer. Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen und da wir uns erst nach dem 1. Advent mit dem nächsten Kapitel wieder sehen, wünsche ich euch schon mal im Voraus einen besinnlichen ersten Advent, mit reichlich Plätzchen und Glühwein.
Frohes Frieren!
Disclaimer: Als ob mir von einem Kapitel zum nächsten plötzlich alles gehören würde...hm...is aber nicht so, immer noch liegen die Rechte bei Disney ;)
Achtung: Was kommt dabei raus, wenn man Jack, Norrie und Will auf ein Schiff sperrt? Findet es heraus ;)
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Kapitel 4: Ein Königreich für eine Crew!
Wider Erwarten hatte es den ganzen Tag über nicht geregnet. Der Wind wiegte die Palmen in leichten Wogen, die kaum mehr als eine kleine Brise waren und den Hitze geplagten Bürgern von Port Royal keine Kühlung versprach.
Selbst zur späten Abendstunde roch die Luft stickig und schwül, seltsam drückend war die Luftfeuchtigkeit und keiner fühlte sich auch nur in der Lage, kleinste Arbeiten zu verrichten, ohne dabei der Gefahr entgegen sehen zu müssen, vor Erschöpfung umzukippen. So standen die Fenster von Elizabeths und Wills Wohnstube weit geöffnet, als die Sonne schon rot glimmend in das Meer tauchte, als wolle sie darin ihre unerschöpfliche Glut erlischen. Will war eifrig damit beschäftigt, diverse Kleidungsstücke in einen Sack zu stopfen, während ihn seine junge Frau mit vor der Brust verschränkten Armen traurigen Blickes beobachtete, den Kopf an den hölzernen Türrahmen lehnend. Jetzt trug sie ihre legere Kleidung, ein leichtes Gewand, das an einen Morgenmantel erinnerte. Ihr Haar schimmerte rotgolden, als die Abendsonne die feinen Locken umspielte, welche offen und unbändig über ihre Schultern fielen. Sie hatte mehrmals den Drang unterdrücken müssen, zu weinen, seit sie gemeinsam mit ihrem Vater die Zellen verlassen hatte. Morgen schon würde ihr über alles geliebter Will mit Sparrow in See stechen. Morgen! Nicht einmal einen Tag hatte sie mehr, um ihm diese Flausen auszureden, um ihn davon zu überzeugen, dass sie seine Nähe viel dringender brauchte als Jack. Seine Entscheidung tat ihr so unglaublich weh, dass sie nicht zu atmen gewagt hatte, als er Norrington um Erlaubnis gebeten hatte, an der Mission teilnehmen zu dürfen. Und nichts von alledem, was er ihr gegenüber äußerte, vermochte auch nur eine Spur tröstlichen Charakters zu tragen.
War es wahrhaft das Piratenblut, der innere Drang nach Abenteuer und Gefahr, der ihn zu diesem Schritt gebracht hatte? Oder hatte er in Wirklichkeit nur Angst, Verantwortung zu übernehmen? Kalte Angst beschlich sie, als sie die Akribie bemerkte, mit welcher Will seine Sachen packte. Fast schien es ihr, als wolle er den gesamten Kleiderschrank plündern, als habe er gar nicht erst vor, je wieder zurückzukehren. Elizabeth schalt sich in Gedanken selbst für ihre paranoiden Vorstellungen. Aber was blieb einer schwangeren Frau anderes übrig, als sich zu ängstigen, wenn der Mann, den sie liebte, bis auf ungewisse Zeit fort ging?
Hufgetrappel und das gleichmäßige Poltern von Rädern, die den von den Pferden gezogenen Kutschen angehörten, drangen wie eine kleine Abendmusik an die Ohren des jungen Paares. Normalerweise wäre die Idylle an diesem goldenen Tagesende perfekt gewesen. Aber jede äußerliche Schönheit des verrinnenden Tages war nur eine Illusion, eine Maske des eigentlichen Schreckens, der in den folgenden dunkleren Stunden der Nacht erwachen und Elizabeths Herz verengen würde. Hatte sie nicht ahnen können, dass dieser Tag einmal kommen würde? Dass Will nicht umhin kam, dem Ruf der inneren Stimme zu folgen. Sicher, er beteuerte immer wieder, dies nur aus Freundschaft zu Jack tun zu wollen, aber im Stillen wusste sie, dass das Fernweh und die Sehnsucht nach Abenteuer lange an ihm zehrte. Wahrscheinlich schon seit dem Tage, als sie ihre Hochzeit gefeiert hatten.
In Gedanken versunken bemerkte sie zuerst gar nicht, dass Will sie angesprochen hatte. „...und du wirst sehen, alles wird wieder gut...", er legte den Kopf leicht schief und musterte sie eindringlich. Sie rieb die Handflächen an ihren Oberarmen, als würde sie frieren, ihre Lippen bebten und verliehen ihrer inneren Aufgewühltheit sichtbaren Ausdruck. „Elizabeth...", hauchte Will fast nur und machte einen Schritt auf sie zu, berührte mit beiden Händen ihre schmalen Arme, streichelte mit den Daumen über den dünnen Stoff ihres Übergewandes. „Ich werde zurückkommen. Und zwar bald. Ich gebe dir mein Wort", er beugte sich über sie und hauchte ihr einen zärtlichen Kuss auf die Lippen, nagte verspielt an ihrer Unterlippe, sodass sie leicht erschauerte und die Augen schloss. „Mach dir keine Sorgen, Liebling.", er umarmte sie vorsichtig, zog sie nahe an sich heran. „Wie kannst du nur so etwas sagen?", schluchzte sie, das Gesicht an seine Schulter pressend und bald darauf warme Tränen darauf vergießend. Er vergrub seine Finger in ihrem vollen Haar, sog tief einatmend den blumigen Duft desselbigen ein. Er hasste es und konnte es nicht ertragen, wenn sie weinte. Es machte ihn schwach und wankelmütig. „Warum tust du mir so weh, Will?", flüsterte sie und ihre Worte versetzten ihm ein Stich ins Herz. „Das letzte, was ich will, ist dir wehzutun, das musst du mir glauben.", entgegnete er mit zitternder Stimme. „Warum in aller Welt machst du es dann trotzdem? Warum bleibst du nicht bei mir und dem Kind? Was, wenn dir etwas zustößt? Willst du etwa, dass unser Kind ohne Vater aufwächst?", ihre Stimme gewann an Stärke und trug einen anklagenden Ton.
Elizabeth schob letztlich seine Arme weg und wischte sich mit zitternden Fingern die Tränen aus den Augen, trat einige Meter zurück, als Will Anstalten machte, wieder auf sie zuzugehen.
„Elizabeth, so weit wird es nicht kommen.", setzte er abermals tröstlich an, aber sie schnitt ihm das Wort ab, ehe er auch nur versuchen konnte, fort zu fahren. „Und woher weißt du das? Hat Jack dir das versichert? Wer weiß, wer hinter dem Verschwinden der Schiffe steckt, aber es ist mit Sicherheit kein Dummkopf. Ich habe dem Commodore gegenüber dieses Ultimatum erwähnt, um Jacks Kopf zu retten und dich davor zu bewahren, irgendeine Dummheit anzustellen. Aber stattdessen...stattdessen stiehlst du dich davon, sobald es nur geht.", ihre braunen Augen blitzten vor Zorn, „Ich werde in der Zeit deiner Abwesenheit zu meinem Vater ziehen. Such mich also dort, falls du je wieder vorhaben solltest, auf deine Familie zurückzukommen...", verletzt drehte sie sich von Will weg, der wie zu Stein erstarrt stehen blieb und ihr fassungslos hinterher sah. Als sie die Wohnstubentür hinter sich ins Schloss donnern ließ, ließ sich Will auf das Bett fallen. An die Decke starrend flüsterte er nur: „Mache ich eigentlich alles falsch, was falsch zu machen ist?"
Voller Ironie, als würde sie ihre bejahende Antwort auf Wills Frage geben, ertönten dröhnend die stündlichen Schläge der Turmuhr.
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Der Morgen des zwanzigsten April war in Facetten von Grau getüncht. Das Gewitter, das die Bewohner von Port Royal schon so sehnlichst am Vorabend erwartet hatten, würde, wie es aussah, wohl an diesem Tag hinter den bleiernen Wolkenmassen lauern, um sich in ein bis zwei Stunden abzuregnen. Dennoch war es für Captain Jack Sparrow eine wahre Wohltat, nach draußen zu gehen – selbstverständlich ohne dem Tod ins Auge sehen zu müssen. Er sog die schwüle und drückende Luft ein, als wäre sie der kühle und reinigende Wind, der einen sonst nur in den höchsten Bergesgipfeln umfing. „Freiheit, Gentlemen...gibt es überhaupt etwas Schöneres?", säuselte er vor sich hin, als Mullroy und Murtogg, die beiden Chaoten, die ihn einst in Port Royal als „Zivilisten"willkommen hießen, ihn mit erhobenen Gewehren nach draußen geleiteten. „Ihr seid nicht ganz frei, wenn ich das anmerken darf, Mister Sparrow", wies ihn der dickliche Mullroy zurecht, der ein wenig die Nase in den Wind hob, um seine Größe gegenüber dem Piraten zu behaupten, der schwankend auf ihn zukam und mit gerunzelter Stirn zu ihm aufsah. Er bog den Oberkörper leicht zurück und legte die Hände aufeinander, ehe er sagte: „Nicht ganz, in der Tat...aber das werde ich bald wieder sein. Und wenn ich auch nur einen Kratzer an meinem Schiff entdecke..."
„Euer Schiff ist über und über mit Kratzern bedeckt, Sparrow. Wie wollt Ihr dann bitte neue von alten Kratzern unterscheiden?", ertönte plötzlich Norringtons spöttische Stimme ganz in der Nähe. Jack machte eine schwungvolle Drehung und schlug Mullroy dabei seine Zöpfe beinahe ins Gesicht, was Murtogg wiederum sehr amüsant fand und vor sich hingrinste. „Ah...der Commodore...", grinste Jack, „Wisst Ihr...ein Schiff ist wie eine Frau...also...natürlich nicht grafisch betrachtet, das wäre überaus unrealistisch...aber rein vom metaphorischen Standpunkt her. Man merkt es einfach, wenn sich ein anderer daran vergriffen hat!"
Commodore Norrington kommentierte diese Bemerkung nur mit einem verächtlichen Schnauben und befehligte dann seine Männer, den Piraten an Bord der „Dauntless"unterzubringen, während einige Matrosen noch rege mit dem Rüsten des Schiffes beschäftigt waren und der Commodore noch auf den Rest der Besatzung, unter welchem auch Turner einzuordnen war, wartete. Der Rest der Piratenmeute befand sich noch immer im Kerker und würde dort wohl auch die folgenden Monate zubringen – in Ungewissheit, wie sich ihr Schicksal wohl gestalten mochte.
„Guten Morgen, Commodore Norrington", sagte ein etwas zerknirscht wirkender Governor Swann, der in Begleitung von Nightsfall das Pier betrat. „Steht Ihr hier und winkt mit einem weißen Taschentuch dem Piraten hinterher, den Ihr nie mehr wieder sehen werdet, weil er die Flucht ergreifen wird?", spöttelte Nightsfall herausfordernd. „Wohlan, Mister Nightsfall, so sehr mich diese Vorstellung auch reizt – ich werde Euch enttäuschen müssen. Zumal Ihr derjenige sein werdet, der mir gleich zum Abschied hinterher winken wird. Wenn auch mit mehr Freude als Wehmut, wie ich befürchte.", entgegnete Norrington gelassen und musterte amüsiert die sichtliche Gemütsregung des Offiziers. Zunächst erschien ein breites Lächeln auf seinen jungen Zügen, dann aber schien er zu begreifen, was Norrington wirklich mit seiner Aussage ausdrückte und seine Wangen, die zuvor voll gesunder Farbe waren, wurden ganz bleich. „Ihr spielt doch nicht mit dem Gedanken, Sparrow zu begleiten?", fragte er vorsichtig an. Commodore Norrington sah kurz zum Gouverneur hin, der jedoch gedanklich abwesend zu sein schien. Er schien sehr besorgt um seine Tochter zu sein, die Norrington seit dem gestrigen Vorfall nicht mehr zu Gesicht bekommen hatte. „Ich pflege nicht zu spielen. Dennoch habt Ihr mein Vorhaben richtig erfasst. Ich werde an Bord der Dauntless mitsegeln und das Geschehen mit wachsamen Augen verfolgen.", jetzt war es an Norrington, selbstgefällig zu grinsen. Nightsfall, der liebend gern gesehen hätte, wie Norrington in Port Royal versauerte und vergeblich auf Sparrows Rückkehr wartete, musste nun mit ansehen, wie der Commodore selbst die Zügel dieser Mission in die Hand nahm und erneut sein Pflichtbewusstsein unter Beweis stellte.
„Entschuldigt meine Verspätung, Commodore", sagte Will, der ganz außer Atem war und einen bis zum Rand gefüllten Rucksack über der rechten Schulter hielt und mit seinem Kommen verhinderte, dass Nightsfall dem Commodore eine schlagfertige Antwort geben konnte. „Pünktlichkeit ist nicht gerade Eure Stärke, Mister Turner", sagte Norrington in kühlem Ton, „Euer...Freund ist bereits an Bord. Ihr solltet Euch rasch zu ihm gesellen, bis wir in See stechen, dauert es nicht mehr lang."
„Ja, Commodore", murrte Will, dem es zuwider war, Norringtons Befehle wie ein Untergebener entgegen zu nehmen. „Governor...habt Ihr...habt Ihr vielleicht Elizabeth noch gesehen?", fragte er vorsichtig und vergebens leise an, denn dem ohnehin verärgert dreinschauenden Gouverneur platze der Kragen: „Du fragst mich, wo deine Ehefrau ist, mit der du zufälligerweise das Bett teilst? Eigentlich hatte ich gehofft, du könntest mir sagen, wo meine Tochter steckt!"Will senkte den Kopf, wie er es immer zu tun pflegte, wenn er mit der eigenen Schuld konfrontiert wurde. Heute Morgen war er aufgewacht und Elizabeth hatte nicht mehr neben ihm gelegen. Vermutlich war sie über Nacht aus dem gemeinsamen Ehebett ausgezogen...oder sie hatte sich gar nicht erst zu ihm gesellt. Will spürte, wie ihm die Schamesröte ins Gesicht schoss, als auch noch Norrington und Nightsfall anklagenden Blickes zu ihm schauten und ihre Gedanken so offensichtlich auf ihre Mimik übertrugen, dass es einer mündlichen Bloßstellung gleich kam. „Ich...", Will räusperte sich und schämte sich, „Wir haben uns gestern gestritten."Governor Swann blitzte ihn verärgert an, was Will zögern ließ. „Wundert dich das auch noch?", knurrte er. „Nein. Ich weiß, dass ich viel von ihr verlange, wenn sie mich gehen lassen soll. Aber..." Governor Swann wand sich kopfschüttelnd von dem jungen Mann ab, dessen längeres braunes Haar zu einem Zopf gebunden im Nacken lag. „Ich muss mich vor Euch nicht rechtfertigen, Governor...", murmelte er, als auch er sich stur umwandte.
„Nicht vor mir, da hast du Recht, William. Aber wenn du meine Tochter wirklich liebst, solltest du vor ihr Rechenschaft ablegen. Oder bestenfalls bei ihr bleiben, anstatt dich in ein tollkühnes Abenteuer zu stürzen...Ihr entschuldigt mich, Commodore...die Luft hier ist so stickig, dass sie mir aufs Gemüt schlägt", endete der Governor, schenkte Will noch einen belehrenden Blick, ehe er mit Nightsfall im Schlepptau von dannen zog.
„Man könnte meinen, ein werdender Vater hätte besseres zu tun, als mit seinem Piratenfreund auf See zu fahren.", merkte der Commodore an, sodass Will sich nicht länger halten konnte und ihm entgegnete: „Man könnte ebenso gut meinen, ein Commodore hätte Wichtigeres zu tun, als sich in anderer Leute Angelegenheiten einzumischen."
Nach einem längeren Blickwechsel zog Will seinen Rucksack zurecht und marschierte schnurstracks in Richtung Steg. Norrington sah ihm einen Augenblick lang hinterher und schüttelte mit dem Kopf. „Wieder einmal handelt Ihr viel zu vorschnell, Mister Turner...", seufzte er und warf einen letzten Blick auf das Gouverneurshaus, das in einiger Entfernung von hier auf einem stattlichen Hügel errichtet worden war und dort wie ein einsamer Riese thronte. „Ich hoffe es geht dir gut, Elizabeth...", flüsterte er dann, ehe er sich besann und es der Schiffsbesatzung gleich tat. Ein plötzlich aufkommender kühler Wind ließ die Flagge des British Empires stolz in der Luft tanzen, wellengleich im seichten Rhythmus flattern. Die Spannung, die zwischen Will und Elizabeth, ihrem Vater und dem Commodore herrschte, schien sich auf den tristen Himmel projiziert zu haben. Jedenfalls erfreute sich keiner der Mitreisenden besonders guter Laune. Einzig Jack, der das Steuerrad schon längst in Beschlag genommen hatte, schien guter Dinge zu sein. „Commodore!", rief der Pirat gespielt enthusiastisch aus und lehnte mit dem Ellbogen an dem Steuerrad aus dunklem, resistenten Kirschbaumholz, „Wolltet Ihr mich zum Abschied drücken?", einladend breitete Jack seine Arme aus, doch Norrington wollte aus für den Piraten unerklärlichen Gründen dieser Geste nicht nachkommen und verschränkte nur vornehm die Hände hinter dem Rücken. „Danke, aber ich denke keiner von uns beiden verspürt einen dringenden Bedarf an derartiger Zuneigungsbekundung", entgegnete er und ergriff das Steuerrad, worauf Jack beinahe das Gleichgewicht verloren hätte.
Jack räusperte sich, ließ kurzzeitig seine Finger in der Luft zappeln und versuchte sich in Geduld zu üben. „Also kein Drücken für den Captain?", hakte er nach, was der Commodore durch einen abwertenden Blick quittierte. „Ihr seid zu sehr in meiner Hand, als dass Ihr Euch solche Frechheiten erlauben dürftet."
„Es stellt sich mir nur die Frage, was daran frech sein sollte, mich von meinem Lieblingscommodore zu verabschieden? Vielmehr entspräche dies doch einem Akt der Höflichkeit...und der Brüderlichkeit", grinste Jack und setzte sein bezauberndes Lächeln auf. „Es besteht kein Grund zur Verabschiedung, Mister Sparrow, da ich diese Mission leiten werde...und ehe wir unsere Brüderlichkeit begießen, werdet Ihr erörtern, wie die Aussicht von einem Galgen aus aufs Meer ist."Jack blinzelte kurz, versuchte, seinen Missmut bezüglich dieser Neuigkeit zu verbergen, der dunkle Lidstrich ließ seine braunen Augen noch dunkler erscheinen. „Na das ist doch toll! Das kann ich Euch nämlich schon sagen!", fügte Jack in die Hände klatschend hinzu, „Ganz schlechte Sicht, die alte Holzbaracke steht doch davor."Norringtons Miene versteinerte sich. Wieder einmal kollidierten die hochfeine Royal Navy und das schlitzohrige Piratentum miteinander. „Da ist ja der junge William!", rief Jack plötzlich aus und lenkte dadurch Norringtons Aufmerksamkeit auf Will, dessen hoch gewachsene schmale Silhouette an Deck erschien, nachdem der Waffenschmied seine Utensilien in seiner Unterbringung verstaut hatte. Grazil wackelte Jack auf seinen Freund zu, der mit finsterem Blick den Commodore bemerkte. Kameradschaftlich legte er den Arm um Will, mit der anderen Hand deutete er auf Norrington und sagte laut: „Ich war gerade dabei, mit dem Commodore auf Bruderschaft zu trinken! Willst du dich nicht zu uns gesellen?"
Wills Blick ließ erahnen, dass er von dieser Idee recht wenig hielt. „Ich denke, ich kann verzichten", grollte Will zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und auch der Commodore wandte gelangweilt den Blick ab.
„Och, was ist das denn für eine Stimmung? Wenn ihr mit mir segeln wollt, müsst ihr besser gelaunt sein, sonst kriege ich schlechte Laune und dann haben wir alle schlechte Laune und...", plapperte Jack fröhlich vor sich hin und umfing die breiten Schultern Norringtons mit dem freien Arm, drückte beide Männer an seine Brust, „...ach wisst ihr was...habt euch doch wieder lieb, ja? Warum setzen wir uns nicht in die Kombüse und schlagen uns die Bäuche mit ungesundem Zeugs voll?", Jack setzte sich wieder in Bewegung, doch der Commodore wusste sich als erster zu befreien und knurrte: „Mister Sparrow, ich glaube Ihr erkennt den Ernst der Lage nicht – es geht um Euren Hals...erfüllt Ihr nicht den Vertrag, wisst Ihr, was Euch blüht. Also wäre Kontemplation angebrachter als irrsinnige Idiotie. Ihr entschuldigt mich.", er schob mit einer heftigen Bewegung die Hand des Piraten von seiner Schulter und dirigierte die letzten Vorkehrungen für den Beginn der Reise.
„Unausstehlicher Typ. Eine Woche auf Tortuga täte ihm mal gut...würde diese Anspannung lösen...", mutmaßte Jack, sich seitlich auf Will lehnend. „Eine Woche würde wohl nicht ausreichen...", knurrte Will und schob Jack so höflich wie nur möglich von sich. Jack sah Will etwas verdutzt nach, ehe er die Verfolgung aufnahm und den ledernen Mantel mit beiden Händen zur Seite schob, als er ebendiese in die Hüften stemmte: „Ehekrach bei den Turners?"
Will stieß einen lauten Seufzer aus. Wie war er es leid, dass ein jeder sich in seine Beziehung zu Elizabeth einmischen musste! „Ich will nicht darüber reden, Jack..."
„Wirklich nicht? Ich könnte dir ein paar gute Ratschläge zum Eheleben geben...", merkte Jack mit erhobenem Zeigefinger an und schielte aus den Augenwinkeln zu Will hinüber, der beim Fall von Jacks Worten stehen blieb und mit einer Miene von Ungläubigkeit und Überraschung zu dem Piraten hinsah. „Du bist verheiratet, Jack?", äußerte er nun jene Frage, die sich schon längst in seiner Mimik widergespiegelt hatte. „Um Gottes Willen, nein!", rief Jack mit weit aufgerissenen Augen aus. Will war zusehends verwirrt. „Was willst du mir dann für Ratschläge geben?", hakte er nach, während Murtogg mit Mullroy im Schlepptau nahebei standen und die Freunde auf unerhört unverhohlene Weise zu belauschen schienen. Wenn diese beiden seltsamen Figuren auch noch mitkämen, bräuchte Jack keine Piratencrew aus Tortuga mehr, um Chaos vorherrschen zu lassen. „Mein Ratschlag an dich, mein guter Will, wäre folgender gewesen", begann Jack in belehrendem Ton, legte das Kinn auf die Brust und sah den jüngeren Mann genau an, als wäre er selbst ein Prophet, der seinem Jünger in jeder Sekunde eine Bahn brechende Botschaft übermittelte. Dann breitete er beide Hände vor Will aus und sagte: „Heirate nie!"Will hob die Brauen und steckte die Hände in die Hosentaschen. „Dafür ist es, so fürchte ich, schon zu spät, Jack."Der Pirat nickte verständnisvoll und fügte hinzu: „Weißt du, Will...es tut mir leid, dass ich das so sagen muss, aber...du hast, solange ich dich schon kenne, noch nie das Gefühl für den passenden Augenblick gehabt. Solltest du mal schulen!"Bevor Will noch etwas entgegnen konnte, ertönte ein markerschütternder Knall, der jeden erschrocken zusammenfahren ließ.
„Pass doch auf, du Tölpel!", schrie eine tiefe Stimme, die dem von Commodore Norrington ernannten ersten Maat an Bord gehörte. Ein Matrose von äußerst zierlicher Figur hatte sich daran versucht, eine der großen schweren Schießpulverkisten mit Hilfe einer langen Brechstange in den Lagerraum in den Bauch des Schiffes zu hieven, wobei er natürlich kläglich gescheitert war und die Kiste zwar unter Deck befördert hatte, wo sie jedoch mit lautem Scheppern und Rumpeln in alle Einzelteile zerbrochen war. „Tut...tut mir leid", entgegnete der Gehilfe kleinlaut, der schmale Oberlippenbart zuckte nervös, als der Matrose sich an die Aufräumarbeiten machte. Ein dunkler Hut zierte seinen Kopf, die Krempe war tief in sein Gesicht gezogen. „Royal Navy Gespann...da kann ja gar nichts Ordentliches dabei rauskommen...", seufzte Jack und verdrehte die Augen, „Was gäbe ich für eine tüchtige Crew aus Tortuga!"
„Etwas Geduld, Jack...bald wirst du ja deine Crew bekommen.", versuchte Will ihn zu trösten. „Bis dahin sind es aber noch ein Tag und eine Nacht...oder zwei Tage, denn mit diesem Haufen von uniformierten Ignoranten bin ich mir sicher, dass wir eher in Indien landen, als in Tortuga...", murrend stapfte Jack von dannen, das Halfter seiner Pistole, die Norrington zur Sicherheit in Gewahrsam hatte nehmen lassen, klappte bei jedem Schritt, den er tat, gegen sein Bein. Will sah ihm kurz nach und wandte dann seine Aufmerksamkeit dem Matrosen zu, der noch eifrig damit beschäftigt war, das Schießpulver zusammenzukehren. „Kann ich dir helfen?", bot sich Will an, als er neben dem jungen Mann stand, der in gebückter Haltung nach jedem einzelnen Korn zu suchen schien. Fast so, als erschrak er beim Klang von Wills sanfter Stimme, zuckte der junge Mann zusammen, verstreute die mühsam mit Hand eingesammelten Körner weit auf den mit Planken versehenen Boden des Decks. „Nein!", erwiderte er mit etwas barscher, dennoch heller Stimme und räusperte sich, „Nein...vielen Dank."Will runzelte die Stirn. Er hatte sich gedanklich ausgemalt, dass der Schiffjunge seine Hilfe mit Kusshand entgegen nehmen würde. So eine hastige und beinahe verschreckte Reaktion fand er daher recht seltsam. Aber vermutlich wollte sich der junge Matrose nicht vor seinem Vorgesetzten noch unbeliebter machen, indem er die Spuren des eigens fabrizierten Fiaskos nicht einmal eigenhändig beseitigte. Daher respektierte Will die Antwort, blieb noch einen Moment unentschlossen stehen und beobachtete einige Marinesoldaten dabei, wie sie die Segel hissten, als die Anker gelichtet wurden und sich das Schiff langsam in Bewegung setzte.
Die Sonne brach aus dem schwadengleichen Wolkenschleier hervor und malte aberhunderte, nur etwa perlengroße Punkte auf das Wasser, die schimmernd auf den Wellen entlang glitten und am weißen Gestein des Piers reflektiert wurden. Es war, als erführe das Wetter einen Umschwung, sobald die Dauntless den Hafen von Port Royal hinter sich ließ.
Will sah wehmütig und nicht ohne Traurigkeit zu verspüren zu den hellen Kaimauern, die nach und nach immer kleiner wurden. Er hatte sich nicht einmal richtig von Elizabeth verabschiedet. Nie war die Reue und der innere Zwiespalt, den er empfand, so intensiv wie in jenem Moment. Vielleicht hätte er sie doch nicht allein lassen sollen. Will ballte kurzzeitig beide Hände zu Fäusten und sah dann nachdenklich auf den Ring, der seinen linken Ringfinger zierte. Er strich mit dem Zeigefinger zaghaft darüber und hoffte inständig, dass es Elizabeth gut ging.
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Da der Tag mit Arbeit und Räumereien verbunden war, rieselten die Stunden dahin wie der feinkörnige Sand durch das geschliffene Glas einer Sanduhr. Begleitet von kurzen Regenschauern, die in der Regel jedoch nie länger als zehn Minuten andauerten, segelte die Dauntless mit der Abendsonne im Rücken auf der weitgehend ruhigen See. Das Wasser, das den Bug schäumend umspülte, sah aus als bestünde es aus flüssigem Gold, so getränkt war es vom flach am Horizont stehenden Feuerball, der vor seinem Untergang noch ein letztes Mal seine Strahlen über das flüssige Element säte. Keine Stunde würde mehr vergehen, da würden bereits die ersten Sterne funkelnd am Firmament stehen. Obwohl Unstimmigkeiten zwischen Jack und dem Commodore unvermeidlich waren, machten sie recht schnelle Fahrt und würden, wenn man Jacks Prognosen Glauben schenken konnte, bereits im Morgengrauen Tortugas Küste am Horizont erkennen.
Will lehnte an der Reling, den Blick fast sehnsüchtig in die Ferne gerichtet, und ließ sich vom salzigen Wind die Haare ins Gesicht wehen. Es war ein arbeitsreicher Tag gewesen und obgleich Will die Strapazen harter Arbeit durch das von ihm erlernte Schmiedehandwerk durchaus gut kannte, fühlte er, wie seine Armmuskeln widerstrebend schmerzten, wann immer er sich auch nur ein wenig bewegte. Die ganze Zeit über hatte er dabei geholfen, die Lagerräume zu sichern und die darin befindlichen Kisten zu ordnen. Anschließend hatte er in der Kombüse beim Kartoffelschälen mit angepackt und die Segel angeluvt, wenn der Befehl dazu gegeben worden war. Genauso gut hätte er wie einige Soldaten faulenzen und die Fahrt genießen können, aber dann, so wusste Will ganz genau, hätten ihn seine Gedanken wieder eingeholt. Die Gedanken an Elizabeth, die ihn einfach nicht mehr loslassen wollten. Er liebte sie von ganzem Herzen. Und trotzdem hatte er sie allein in Port Royal zurückgelassen. Handelte man so, wenn man Verantwortung für seine Familie übernehmen konnte? Handelte man so, wenn man liebte?
Commodore Norringtons anklagende Blicke und ab und an zynische Bemerkungen, die er ihm zukommen ließ, brachten Will dazu, sich immer wieder jene beiden Fragen zu stellen.
Der Horizont hatte nun die rot glühende Sonne verschluckt, ihre letzten Überreste tauchten die Wolken in ein intensives Purpur, die See in ein dunkles Violett. Will schloss die Augen und rieb sich die Stirn. Jetzt gab es kein Zurück mehr für ihn. Er würde Jack zur Seite stehen, wie er es ihm versprochen hatte. Er war aufrichtig und ein Mann seines Wortes. Wie sein Vater. „Da bist du ja...ich such dich schon die ganze Zeit auf diesem verfluchten Riesenkutter von einem Schiff!", rief Jack aus und riss den jungen Mann aus seinen Gedanken. „Jack...gibt es Probleme?", Will wandte sich zu seinem Freund um, der wieder einmal leicht schwankend auf ihn zugekommen war und abrupt stehen blieb, sodass die Ketten und eingeflochtenen Steine in seinem Haar leise klimperten. „Meinst du, ich suche dich nur auf, wenn es Ärger gibt?", Jack sah ein wenig gekränkt drein, worauf sich Will veranlasst fühlte, hastig zu entgegnen: „Nein...ich habe mich nur gewundert, dass du mich suchst, wo du doch als Captain so viel wichtigeres zu tun hast."
Jack beäugte Stiefelriemens Sohn und rümpfte kurz die Nase. „Kein Sarkasmus, William. Dagegen bin ich allergisch, klar soweit?" Will hob die Hände, um seine Unschuld zu bekunden. „Jack, das war nie und nimmer sarkastisch gemeint...", und doch konnte er sich ein schiefes Lächeln nicht verkneifen. „Jaja, schon gut...ich wollte nur fragen, ob du mit unter Deck kommst? Ich wollte den Faulpelzen der Marine mal beibringen, wie man pokert. Komm doch mit, das wird sicher ein...Riesenspaß", Jacks Augen funkelten und leuchteten regelrecht vor lauter Schalk. Will stellte sich bildlich vor, wie der Pirat Murtogg und Mullroy allen Geldes spielerisch entledigte und sie bis auf die Unterhosen buchstäblich auszog. Ein Grinsen huschte über seine zuvor so nachdenklichen Züge, doch letztlich sagte er: „Danke Jack...aber...ich denke, ich werde mich ein wenig hinlegen. Die nächsten Tage werden sicherlich anstrengend..."
Jacks Grinsen verzog sich im Zeitlupentempo zu einem Ausdruck des Schmollens, die kräftigen Brauen beschatteten seine braunen Augen, als er murrte: „Dann eben nicht. Pass bloß auf, dass du nicht so langweilig wirst wie Norrington. Das liebe Eheleben...dein Vater war genauso wie du, Will. Ein bisschen schade eigentlich.", mit diesen Worten machte er mit einer kunstvollen Drehung kehrt und verschwand wieder von Wills Seite. Jener seufzte und schüttelte lächelnd den Kopf. Jack war schon eine Type für sich. Will sog die laue Meeresluft ein, genoss ihren durch und durch reinen Geruch. Hoch oben auf dem Hauptmast tanzte die britische Flagge im unermüdlichen Wind, die Segel waren durch dessen Drängen wiederum regelrecht aufgebläht und schickten das Schiff auf voller Fahrt voraus.
Stiefelriemens Sohn strich mit dem Daumen gedankenverloren die Form des eigenen Bartes nach, während er einigen Matrosen beim Schrubben des unteren Decks zusah. Der Junge, den sie „Burns" riefen und welcher am Morgen das Malheur mit dem Schießpulver angerichtet hatte, war unter ihnen und schien den Wassereimer zu halten. Wenn er sich wieder so ungeschickt anstellte wie morgens, so dachte Will, würde es nicht all zu lange dauern, bis die ersten Seeleute dem Commodore gegenüber den Wunsch äußerten, den unnützen Knaben einfach über Bord werfen zu dürfen. Einige Zeit lang beobachtete Will die Männer, richtete seine Aufmerksamkeit aber bald wieder auf das Meer, das sich wie ein glatt polierter Spiegel dicht bis an den Horizont schmiegte, wo es der sich verdunkelnde Himmel sanft küsste. Müde schloss Will die Augen, stützte sein schönes Gesicht auf die Ellenbogen und lehnte somit sein Gesicht in die seichte Brise, ohne zu denken, ohne irgendeine Silbe zu sagen oder zu summen. Er lauschte nur dem Rauschen des Wassers, das gegen den Bug schlug und den Stimmen der arbeitenden Seeleute, die ganz leise im Hintergrund zu ihm vordrangen.
Will verlor jegliches Zeitgefühl, vermochte nicht zu sagen, wie lange er in diesem tranceartigen Zustand an der Reling stand – als er die Augen wieder öffnete, hatte sich der Horizont, an welchem zuvor noch die Überreste des Tages in golden flimmernder Farbe verblieben waren, in blasses Blau gefärbt, das, je höher man den Blick zum Himmel richtete, in tiefstes Indigo umschlug.
Konnte es möglich sein, dass er kurzzeitig eingenickt war? Will rieb sich die Augen. In den letzten Stunden hatte sich so viel ereignet. Körperlich wie auch seelisch lasteten schwere Bürden auf ihm, doch gleichzeitig wusste Will, dass er es nicht anders gewollt hatte. Aus dem Augenwinkel nahm er eine rasche Bewegung hinter sich wahr und drehte sich überrascht um. Der junge Burns stand nicht weit von ihm entfernt und trug den Wassereimer vor der Brust, beide Hände umklammerten das Behältnis aus Holz, als würde er nicht die Kraft besitzen, den Eimer in einer Hand zu tragen. „Hallo", stieß Will verwundert aus. Es schien eher so, als mieden die Seeleute im Dienste der Royal Navy den Umgang mit ihm. Anscheinend hatte er bereits jetzt den Ruf als Sohn und Verbündeten eines Piraten, was den ein oder anderen abschreckte. Burns senkte den Blick, sodass die Kappe, die er noch immer auf seinem Kopf trug, sein Gesicht beschattete. „Hallo", entgegnete er knapp, blieb aber stehen, anstatt sich so eilig von Will abzuwenden, wie er es noch am Vormittag getan hatte. „Soll ich dir den Eimer abnehmen?", fragte Will höflich nach einer kurzen Zeit des Schweigens. Burns schüttelte eiligst mit dem Kopf und presste den Wassereimer scheinbar noch fester gegen seinen Körper.
Will seufzte innerlich. Das konnte ja noch eine lustige Fahrt werden, wenn niemand außer Jack mit ihm sprach. „Es ist ein schöner Abend, findest du nicht auch? Sie sagen, wir würden gute Fahrt machen und bald schon Tortuga erreichen..."Wieder erhielt der junge Mr. Turner keine Antwort von dem schweigsamen Matrosen. Frustriert und auch dessen müde, eine Konversation mit einem gänzlich Fremden zu erzwingen, seufzte Will: „Du bist nicht sehr gesprächig, wie?"
Er wandte sich wieder von der stummen Gestalt ab und sah hinab auf das dunkle Wasser, das im gleichmäßigen Takt des Windes Wellen schlug, auf welchen die Dauntless dahin segelte. „Ich...rede gewöhnlich nicht mit...", begann Burns leise und Will sah über die Schulter zu dem Jüngling zurück, dessen Fingernägel aus lauter Nervosität Kerben in das Holz des Eimers schlugen. „Piraten...sprich es ruhig aus", seufzte Will, worauf der Junge erneut den Blick senkte, „Dabei bin ich nicht einmal einer...", fuhr der junge Waffenschmied leise fort, „...warum hält man mich dafür, nur weil es äußerlich so scheinen mag durch meine Bekanntschaft mit Jack?"
„Vielleicht...", brachte Burns leise und stammelnd hervor, „ist es so, weil so wenige hinter die Fassade sehen", er schenkte Will einen bedeutungsvollen Blick, der Stiefelriemens Sohn auf seltsame Weise vertraut vorkam, doch ehe Will weiter darüber nachdenken konnte, sah der Matrose mit der schmächtigen Gestalt fort. „Außerdem fällt es bestimmt schwer zu glauben, du wärest kein Pirat, wenn du mit ihnen auf See fährst.", Burns Stimme barg immer noch diesen seltsamen Ton, sie klang nicht wirklich tief wie die eines Mannes, aber dennoch wirkte Burns wiederum nicht so jung, als dass er noch nicht im Stimmbruch gewesen sein sollte. „Ich will Jack nur helfen. Er ist ein guter Mensch und mein Freund", sagte Will etwas verärgert. „Du bist doch verheiratet, oder?", murmelte Burns plötzlich zögerlich und deutete mit dem Zeigefinger auf Wills linke Hand, als dieser ihn überrascht musterte. „Ja...", entgegnete Will knapp. „Sparrow muss ein wirklich guter Freund von dir sein, wenn du deine Frau allein lässt...", murmelte Burns nachdenklich.
„Ich glaube, das geht dich nichts an", antwortete Will ungewollt barsch, worauf Burns zusammenzuckte. Will bereute es, überhaupt ein Gespräch mit dem Matrosen begonnen zu haben. Allem Anschein nach fruchtete Norringtons Provokation schon innerhalb der Crew, dass jeder ihn für einen schlechten Ehemann hielt, der seine schwangere Frau zu Hause zurückließ, um Pirat zu spielen. „Ent...entschuldige", murrte Burns und wandte sich zum Gehen um. Kurz bevor er in die Kombüse hinab stieg, sagte er noch: „Du solltest unter Deck gehen. Die Nächte auf hoher See können sehr kalt werden. Außerdem sieht es nach Regen aus."
Damit verschwand er und ließ Will allein zurück, der zum Himmel hinaufsah und die Wolken beobachtete, die den noch blassen Mond langsam verdeckten und dann wieder freigaben. Als es wieder leicht zu regnen begann, stand Will noch immer allein an der Reling und starrte auf den dunklen Teppich der See, der sich vor ihm ausbreitete.
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„Was meint ihr, ob Jack es wirklich schaffen wird?", fragte Gibbs in die Runde von Piraten, die mit ihm die große Zelle teilten und seit dem Weggang ihres Captains die meiste Zeit über schweigend zugebracht hatten. Das Stroh, das rar auf dem kalten steinernen Boden verstreut worden war, wirkte in der Dunkelheit der jungen Nacht aschfahl und nicht länger gelblich golden. „Keine Ahnung", kam es leise von Gregory, der als einziger antwortete. „Was ist denn los...blast doch nicht alle Trübsal...es gibt immerhin noch Hoffnung für uns!", forderte Gibbs von seiner Mannschaft, deren Mitglieder zerknirscht und recht armselig dreinschauten. „Gibbs, du bist dumm, wenn du denkst, dass Jack es kümmert, wenn wir hier versauern, während wir auf seine Rückkehr warten...", murrte Anamaria, die vergebens zu schlafen und ihren Hut als Kissen zu benutzen versucht hatte.
„Bei allem Respekt, aber ich glaube, du hackst zu Unrecht auf Jack herum...schließlich hat er die Gelegenheit beim Schopfe gepackt und ist tatsächlich auf den Vertrag eingegangen...obwohl er dafür die Black Pearl zurücklassen musste", argumentierte Gibbs kläglich. „Oh...wie großherzig, dass er einmal sein blödes Schiff vergisst...es geht auch um seinen Hals, Gibbs...vergiss das nicht. Würde er nicht mit drin hängen, würde es ihn herzlich wenig jucken, wie es um uns bestellt ist", äußerte Anamaria ihr hartes Urteil und klopfte ihren Hut aus, um ihn anschließend zusammenzufalten und ihren Kopf darauf zu betten. Den anderen Piraten kehrte sie den Rücken zu, als Zeichen dafür, dass für sie das Gespräch um Jack beendet war.
Gibbs brummte vor sich hin. Wenigstens hatte sein Captain keine Frau bei sich an Bord, denn Frauen beherrschten nichts besser als Unglück zu bringen.
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Als die Nacht ihre schwarzen Vorhänge über Port Royal fallen ließ, saß Governor Swann in seinem gemütlichen Ohrensessel und nippte an einem Glas Rotwein, während das Feuer in seinem Kamin knisterte und orangefarbene Funken warf. Auf dem kleinen Beistelltischchen zu seiner Rechten stand eine leere Vase aus feinem Porzellan auf einem gehäkelten Deckchen, zuckende Schatten, welche die züngelnden Flammen kreierten, huschten an den hohen Wänden entlang und malten eine gespenstische Szenerie in die Stille der Nacht. Der Gouverneur saß unbewegt und schweigend da, sein Blick aus gläsernen Augen wirkte weltabgewandt und ausdruckslos wie der einer Puppe. Sein von Falten durchzogenes Gesicht war bleich und ausgezehrt, die buschigen Brauen waren angestrengt zusammengezogen, die Stirn somit gerunzelt.
Die Perücke saß nach wie vor perfekt auf seinem Haupt, die grauen Locken umgaben kunstvoll sein Gesicht. Die Turmuhr in der Stadtmitte schlug Mitternacht. Und nachdem der zwölfte Schlag verklungen war, wehte ein kühler Westwind durch das leicht geöffnete Fenster, der die weißen Gardinen und die darüber liegenden königsblauen Vorhänge weiter in das Zimmer hinein blies.
Governor Swann schloss die Lider, atmete mehrfach tief durch, bevor er erneut das zusammengefaltete Stück Papier aus seiner Jackentasche zog, das er vor nunmehr fünf Stunden in Elizabeths Gemach gefunden hatte, als er sich nach ihrem Befinden erkunden wollte. Er hatte sich stets in der Annahme sicher gefühlt, sie benötigte etwas Zeit für sich und hätte sich dessentwegen nicht zu Hause gemeldet. Vielleicht hatte sie noch einige Sachen zusammenpacken wollen, ehe sie vorübergehend zu ihrem Vater zog. Ja. Das hatte er sich eingeredet. Er mochte gewusst haben, dass er sie nicht auffinden würde. Aber dennoch traf ihn der Schock heftig, als es gewiss wurde, was Elizabeth getan hatte.
Seine Augen glitten über die filigranen Bögen ihrer Handschrift, über jedes einzelne Wort. Das Papier war schon ganz ausgemergelt, weil er es immer wieder in den Händen gehalten und abwechselnd auseinander und wieder zusammengefaltet hatte. Die Tinte verblasste sogar schon an den Rändern, wo seine Finger den Brief festgehalten hatten. Ganz gleich, wie oft er Elizabeths Abschiedsbrief las, er konnte es einfach nicht wahrhaben.
Es fröstelte ihm leicht und Governor Swann regte sich endlich in seinem Sessel und rieb sich die Oberarme. Es war Zeit, zu Bett zu gehen. Am Geschehenen konnte er im Moment herzlich wenig ändern und vielleicht würde er morgen, sobald er etwas geschlafen hatte, einen klareren Kopf bekommen.
Er erstickte noch das Feuer im Kamin, bis nur noch ein paar wenige Stücke von glimmender Glut am ascheschwarzen Holz entlang schwelten, bald darauf aber erstarben. Port Royal lag still in dieser Nacht. Als betrauerte es ein noch ungeschehenes Unglück.
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Tortuga gehörte zu den Orten, an denen man nie und nimmer schlief. Und wenn man dies doch zu tun wagte, dann nur mit einer Muskete unter dem Kopfkissen und einer geladenen Pistole in der Hand.
Als die Inselküste als blasser Landstreif am frühen Morgen des einundzwanzigsten April am Horizont auftauchte, herrschte schnell reges Treiben an Deck der Dauntless. Die Seeleute waren aufgeregt, schließlich hatte kaum einer von ihnen je diesen sagenumwobenen Ort zuvor betreten. Man sagte, in Tortuga kam ein jeder Mann auf seine Kosten...doch konnte dessen Vergnügen schnell mit seinem Leben bezahlt werden. Jack war schon Stunden vor der Morgendämmerung auf den Beinen gewesen und hatte mit Unruhe verfolgt, wie schnell sich das Schiff dem Hafen Tortugas näherte. Norrington würde sicherlich nicht lange dulden, dass die Dauntless vor der Pirateninsel vor Anker ging. Und möglicherweise würde der gute Commodore ihm noch Ärger machen, wenn er auf die Idee käme, einige unvorsichtige Haudegen festzunehmen. Jack ahnte, dass er entweder als Verräter Seinesgleichen oder als unkooperativ gegenüber der Royal Navy abgestempelt werden würde, egal, wie er handelte. Es gab nichts Schwierigeres, als in Tortuga eine gute Crew zu finden, die sich bereit erklärte, mit Offizieren der Königlichen Marine zu segeln. Daher würde es bestimmter Mittel und Wege bedürfen, gute Leute zusammenzutrommeln. Aber das würde dem Piraten nur dann gelingen, wenn Norrington ihm gewährte, die Insel allein oder notfalls mit Will im Schlepptau zu betreten. Sah man ihn mit Uniformträgern durch Tortugas Gassen schlendern, könnte er sein Vorhaben alsbald vergessen.
Jack brauchte Leute von seinem Schneid, die mit ihm segelten. Soldaten eigneten sich vielleicht für ein paar hübsche Paradeläufe, aber nicht für mögliche Verhandlungen mit anderen Korsaren.
Mantel und Hut hatte er in seinem Quartier zurückgelassen, beides ordentlich in einer kleinen Truhe verstaut. Nachdem er vergebens versucht hatte, Murtogg und Mullroy fürs Glücksspiel zu begeistern, hatte sich Jack in der vergangenen Nacht in seine Kabine zurückgezogen, um ein wenig zu schlafen. Oder zumindest so zu tun.
Jack gesellte sich nun schwankend an die Seite des Commodores, der den ernsten Blick nach Nordosten gerichtet hielt, wohin der Kurs sie alle führte und Tortuga schon blass und ohne Konturen zu sehen war. „Habt Ihr Euren Rausch ausgeschlafen, Sparrow?", fragte er beiläufig, als er sich der Anwesenheit des Piraten gewahr wurde. „Welcher Rausch? Auf diesem Schiff gibt es nicht einmal etwas, das wie Alkohol riecht, woran soll ich mich dann berauschen? An Schießpulver?", Jack schaute Norrington bierernst an, doch dieser ließ sich davon nicht aus der Fassung bringen. „Mister Sparrow, mir ist es gleich, woran Ihr Euch ergötzt, solange die Mission nicht darunter leiden wird. Wie plant Ihr in Tortuga vorzugehen?"
„Sieh mal einer an!", rief Jack plötzlich laut aus, sodass einige neugierige Blicke auf die beiden unfreiwilligen Kollegen gerichtet wurden, „Commodore Norrington fragt mich um Rat. Herrlich. Moment, diesen Augenblick muss ich genießen, denn irgendetwas sagt mir, dass er so schnell nicht wiederkehren wird!", fuhr Jack fort und gestikulierte wild mit den Händen herum, hielt beide dann von sich gestreckt und atmete lang und tief ein. Norrington runzelte die Stirn, äußerte in ärgerlichem Ton: „Mister Sparrow, das ist weder der richtige Zeitpunkt noch Ort, um..."
„Pssssssscht!", zischte Jack, „Gönnt Ihr mir denn gar nichts?"
„Um genau zu sein, nein, tue ich wahrlich nicht! Und jetzt klärt mich Eures Vorhabens auf, ehe wir anlegen.", forderte Norrington streng, die blauen Augen ließen durch ihren kühlen Ausdruck erahnen, dass der Mann nicht zum Spaßen aufgelegt war. „Schon gut, schon gut, schont Euren Kreislauf, Norrie!"
Norrie? Dem Commodore blieb nicht einmal genug Zeit, um über dieses beleidigende Kürzel seines Namens empört den Unterkiefer sinken zu lassen, denn Jack tat nun das, was er mitunter am besten beherrschte – reden. Und jeder, der den Piraten kannte, wusste auch, dass, wenn er denn erst einmal begonnen hatte, nicht so schnell wieder aufhörte. „Wir werden in etwa einer Stunde den Hafen Tortugas erreichen. Da ein paar üble Gesellen an den Docks herumlungern – und wenn ich „übel"sage, dann meine ich das für gewöhnlich auch so – und diese wiederum nicht sonderlich gut auf Eure bezaubernden Soldatchen zu sprechen sind, schlage ich vor, dass ich nur in der Begleitung des jungen Mister Turner die Insel betreten werde. Denn glaubt mir, anderes würde nur unsere...Mission, wie Ihr so hübsch formuliertet, gefährden. Ich werde nicht viel mehr als einen Tag benötigen, um mir meine Crew zusammenzusuchen – das heißt, solange alles wie geplant verläuft und niemand auf irgendwelche blöden Ideen kommt und Ärger macht. Solange werdet Ihr am Hafen warten. Ich muss zudem hinzusetzen, dass ich wünsche, dass sich niemand mit den Leuten auf Tortuga anlegt, denn dieses nette kleine Abenteuer, in das Ihr mich verstrickt habt, geht nur Euch und mich etwas an...niemand anderen. Ich werde im Laufe des morgigen Vormittags mit einer Crew am Kai erscheinen, klar soweit?", Jack fügte nach seiner Ellen langen Aufzählung ein kurzes Lächeln hinzu, um den Commodore gänzlich zu überzeugen.
„Ihr verlangt also von mir, dass ich an Deck der Dauntless darauf warte, dass Ihr mit ein paar Eurer zwielichtigen Gestalten auftaucht und ich mich darauf verlassen soll, dass wir dann wie geplant weiter segeln?", knurrte Norrington. Jack sah kurz nachdenklich auf die Planken und dann wieder zum Commodore. „Bravo, Ihr habt es erfasst."
„Ich kann nicht verantworten, dass Ihr ohne Geleit meiner Männer die Insel betretet."
„Ich bin gerührt von Eurer schier grenzenlosen Sorge um meine Person, Commodore, aber dennoch muss ich darauf bestehen!", zwinkerte Jack ihm spitzbübisch zu.
„Ich bin an Befehle gebunden, Sparrow. Und ebendiese besagen, Euch in der Zeit unserer Reise nicht eine Sekunde aus den Augen zu lassen..."
„Och, das habt Ihr doch schon gestern Abend getan...oder habt Ihr mich etwa beim Schlafen beobachtet?", äußerte Jack entrüstet und mit angewiderter Miene. Norrington, dem es weiß Gott ein Rätsel war, wie es dieses Piratenpack so lange Zeit mit diesem Mann ausgehalten hatte, bemühte sich, die Ruhe zu bewahren. „Ich erlaube Euch, mit Turner Tortuga zu betreten, aber nur unter einer Bedingung – Mister Mullroy und Mister Murtogg werden Euch begleiten!"
Jacks Lächeln gefror auf seinen Lippen. „Und wenn ich diese Bedingung nicht erfüllen möchte?"
„Dann, Mister Sparrow, fürchte ich, Eurem Antrag auf eine eigens auserwählte Crew aus Tortuga nicht stattgeben zu können.", Norrington hob das Kinn, sah den Piraten, der mit finsterer Miene vor ihm stand, beinahe auf gebieterische Art und Weise an. „Aber die gehen in Zivil...ansonsten kann ich nicht für deren Sicherheit garantieren!"
„Mister Mullroy und Mister Murtogg sind ausgezeichnet ausgebildete Soldaten im Dienste der Royal Navy. Sie werden sich schon zu verteidigen wissen, falls es wirklich hart auf hart kommen sollte. Daher gibt es keinen Grund, dass sie die Uniformen ablegen sollten...das ist mein letztes Wort, Sparrow. Findet Euch damit ab oder lasst es bleiben. Die Entscheidung liegt ganz allein bei Euch..."Mit diesen Worten wand sich der Commodore von Jack ab und spazierte mit auf dem Rücken verschränkten Händen über das Deck. Jack biss erzürnt die Zähne aufeinander. Zwar hatte er noch immer die Chance, eine Bande aus Tortuga aufzuschnappen, aber ob es noch gute und vor allen Dingen gescheite Korsaren sein würden, die er mit beiden Kindermädchen an den Stiefelriemen auftreiben konnte, galt es zu bezweifeln.
Und so blickte Captain Jack Sparrow erstmalig missmutig auf das gelobte Eiland, das sich nach und nach immer deutlicher in das Sichtfeld eines jeden schob... .
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Habt ein schönes Wochenende! Wir sehen uns am 29.11. :)
Meine Zeit ist gerade sehr knapp bemessen, weswegen ich die Reviewkommis heute ausnahmsweise mal entfallen lassen muss. Soweit ich weiß, gab es aber auch keine weltbewegenden Fragen. Falls es doch noch irgendetwas gibt, das ihr beantwortet haben wollt, mailt mir und ich werde im Laufe des WEs antworten. Mein Dank gilt Narwain, Soraya, Manu2211, Telepmauriel, Rayo, Yavanna Unyarima, Hecate Triformis, Anneund Jathy(drückt alle ganz doll) Vielen Dank für eure lieben Reviews!!!
Danke auch wieder an Maria fürs Lesen Korrigieren!
Beim nächsten Mal gibt's wieder Kommis.
