A/N: Bei mir ist gerade die totale Hektik ausgebrochen, also seid mir nicht böse, wenn ich mich heute wieder sehr, sehr kurz fassen muss. Ich werde Reviewkommentare dann wohl nachträglich dem Kapitel beifügen, ich bin gerad so was von im Stress, ich bin froh, dass das Kapitel heut überhaupt hoch kommt. (Geschichte lernen, eine Abhandlung über ein sozialpolitisches Problem für Gemeinschaftskunde schreiben, Mathehausaufgaben...mein Kopf explodiert gleich) Bitte verzeiht mir, ich füge meine Kommis noch an!
Ich sollte mir einen Reviewkommentareschreiber zulegen wein
Danke für eure lieben und herzerfrischenden Reviews!
Disclaimer: Nix meins, wie sooft.
Achtung: Chaos auf Tortuga...
.:.-x-.:.
Kapitel 5: Stellt bloß nichts Blödes an
„Dass Eines klar ist, Mister Sparrow...", begann Commodore Norrington in belehrendem Ton, als spräche er zu einem Fünfjährigen. Jack machte sich nicht einmal mehr die Mühe, ihn bezüglich der konstant fehlerhaften Anrede an seiner Person zu korrigieren, sondern nahm es als trauriges Anzeichen von Senilität, die beim Commodore tragischerweise recht früh eingesetzt zu haben schien. „Ihr seid nicht zum Vergnügen auf dieser Insel. Sollte es zu Zwischenfällen oder Ausschreitungen kommen...", fuhr Norrington fort, als die Dauntless gemächlich in den Hafen Tortugas einfuhr. „Aye, dann werdet Ihr die Hölle auf Tortuga loslassen...zum zweiunddreißigsten Mal, Commodore...so weit wird es nicht kommen", entgegnete Jack genervt, „...außer Ihr seht es der Nötigkeit halber vor, mich noch einmal zu belehren, dann würde ich mich aufgrund meines angespannten Nervenkostüms gezwungen fühlen, mich absichtlich Euren Anweisungen zu widersetzen!", brachte Jack in den sarkastischsten Höflichkeitsfloskeln hervor, die in seinem Repertoire vorhanden waren.
Als im Hintergrund das Gekicher von einigen Besatzungsmitgliedern zu vernehmen war, fühlte sich Commodore Norrington genötigt, seine Person gegenüber dem Piraten zu behaupten. „Noch beliebt Ihr zu scherzen, doch seid gewiss, dass dem nicht lange der Fall sein wird."
„Aye, Commodore...war's das?", murrte Jack gelangweilt und ließ kraftlos die Arme an seinen Seiten hinabhängen. „Ja, das war in der Tat alles, was ich Euch zu sagen hatte und ich hoffe, Ihr habt sehr wohl auf den Wortlaut geachtet.", gab Norrington spitzfindig zurück. Eine Spannung baute sich einmal mehr zwischen dem hohen Offizier und dem etwas skurrilen Piraten auf, sodass ein jedes Crewmitglied den Atem anhielt, in Erwartung dessen, dass sogleich noch ein heftiges Wortgefecht folgen würde. Doch zur Erleichterung und vielleicht sogar Enttäuschung mancher blieb ebendieses aus. „Prima. Dann wäre ja alles gesagt. Will, komm schon, bevor der Herr Commodore dir auch noch eine Standpauke zwecks rechter Eheführung hält."
Diese Bloßstellung ließ Will aufs Heftigste erröten und mit leicht eingezogenem Kopf folgte er Jack innerlich brodelnd zur Schiffsmitte, wo schon alles für den Ausstieg vorbereitet worden war – starke Taue hielten an einer Art Flaschenzug zwei breite Planken, die es nach dem Anlegen im Hafen auszulegen galt, damit Pirat, Piratensohn und deren beider Wachpersonal in Uniform problemlos an Land gehen konnten. „Das war eben wirklich nicht nötig, Jack...", raunte der junge Waffenschmied seinem Freund zu, der ihn einen Augenblick lang fragend musterte, bevor er entgegnete: „Meine Meinung, William, meine Meinung. Norrington kann es einfach nicht lassen...er weiß nie, wann genug ist!" Murtogg und Mullroy, die beide Mühe hatten, mit dem Piraten Schritt zu halten, schenkten dem entnervten Will nur einen mitleidigen Blick. Obwohl der Himmel, an welchem Möwen kreischend und einander balgend ihre Kreise drehten, etwas aufgeklart war, roch die Luft nach Feuchtigkeit und noch nicht allzu lang vergangenem Regen. Kaum jemand war in der näheren Umgebung des kleinen Piers zu sehen, was Jack als gutes Zeichen zu deuten wusste. Solange noch niemand Wind davon bekam, dass die Royal Navy mit einem ihrer Schiffe in Tortuga angelegt hatte und nur Dank Captain Jack Sparrow nun den Kurs zu der Pirateninsel kannte, würde die Suche nach einer Crew und die Einholung von Informationen weniger schwierig sein.
Jack ging schnellen Schrittes voran, sodass Mullroy bald schon außer Atem war und bei jedem Schritt schnaufte. „Jack...so eilig haben wir es nun auch wieder nicht. Musst du so hetzen?", fragte Will vorsichtig an, als er das rote Gesicht des dicklichen Mannes sah. „Komisch", entgegnete Jack spöttisch, „Als wir zuletzt hier waren, konnte es dir gar nicht schnell genug gehen, von der Insel runterzukommen und nun willst du dir Zeit für einen Spaziergang nehmen?"
„Nein, aber ich denke, dass unsere beiden Freunde hier nicht lange das Tempo mithalten können und es dann wieder Ärger mit Norrington gibt."
„Will. Ich zwinge niemanden, mich zu beaufsichtigen. Erst recht nicht, wenn ich mir dabei vorkomme wie ein räudiger Hund, der Gassi geführt wird.", murrte Jack ungeduldig. „Du könntest zumindest versuchen, mit Norrington zu kooperieren. Wenn du dich bei jedem Bisschen quer stellst, ist es klar, dass du keinen Vorteil daraus ziehst!", merkte Will etwas kleinlaut an. „Stell mich nicht als den Buhmann dar, der unkooperativ ist. Ich bin schon viel zu kooperativ, wenn du mich fragst. Und ihr? Ihr zwei seid nicht einmal in der Lage zu schwimmen. Wie bitte wollt ihr Taugenichtse einen Piraten wie mich in Gewahrsam halten?", wandte sich der gereizte Jack an die beiden Marinesoldaten, die einander ratlos ansahen, dann aber fast synchron die Waffen zückten. „Ah ja...ich sehe schon, Gentlemen...ihr seid zwei von der harten Sorte", schnaufte Jack herabwürdigend und stapfte sorglos weiter. Er musste irgendwie versuchen, Mullroy und Murtogg loszuwerden, so viel stand fest. Andererseits würde er keine Crew zusammentrommeln können. Vorsichtig schlich sich also Jack auf leisen Sohlen durch eine breite Straße, zu der zu rechter Stunde ein riesiger Trubel herrschte, am Morgen jedoch das große Ausnüchtern anstand und somit keine Menschenseele zu sehen war – abgesehen von denen, die ihren Rausch ausschliefen und sich in der vergangenen Nacht nicht mehr in ihr Bett gefunden hatten oder jenen, welche die leidlichen Opfer eines nächtlichen Überfalls gewesen waren.
Murtogg schielte mit Unmut auf einen Mann, der nur in Lumpen gekleidet und laut schnarchend am Straßenrand lag, den Kopf auf einen anderen bettend, der keinen Mucks mehr von sich gab. Eilig ersuchte der Soldat mit den anderen Schritt zu halten, um nicht etwa auf Tortuga verloren zu gehen. Denn er fühlte sich selbst bei helllichtem Tage nicht wohl, auf der berühmt-berüchtigten Pirateninsel herumzuspazieren. „Hier scheint niemand auch nur in entferntester Weise nüchtern genug zu sein, um mit uns zu sprechen. Wie gedenkt Ihr also eine Crew zu finden, Mister Sparrow?", fragte Mullroy misstrauisch nach. „Es dürfte mir so oder so recht schwer fallen, auch nur mit einer tauglichen Seele zu reden, solange ihr zwei Spaßvögel mit gezogenen Waffen hinter mir herlauft! Ich bitte euch, Kinder...steckt das Spielzeug weg, wenigstens für fünf Minuten. Wie sollte ich mich schon gegen euch behaupten, schließlich haben sie mir alle Waffen abgenommen, klar soweit?", Jack rollte entnervt mit den Augen und nur sehr zögerlich taten die Soldaten wie ihnen geheißen. Dass Jack Sparrow, pardon – Captain Jack Sparrow – von überaus findiger Natur war, musste ihnen niemand zweimal sagen, deswegen durften sie es sich nicht erlauben, ihm zu viel Vertrauen zu schenken, mochten seine Reden noch so überzeugend klingen.
Und obschon die beiden eine fast schon bizarre Sympathie dem Piraten gegenüber empfanden, konnten und wollten sie ihre Pflicht gegenüber der Royal Navy nicht vergessen.
Pfützen säumten die schlecht gepflasterten Wege, machten auf die Schlaglöcher aufmerksam, die sich fast lückenlos aneinander anreihten. Die Sonne drang nur spärlich bis zum Boden vor, da hohe Häuser, die zum Teil eingefallen waren (obgleich niemand bezweifelte, dass selbst in derartigen Bruchbuden noch jemand hauste), ihre weiten Schatten auf die Straßen warfen. „Wo genau gehen wir hin?", fragte Mullroy abermals nach. Auch ihm war deutlich anzusehen, dass er sich weiß Gott Besseres vorstellen konnte, als in dieser verruchten Gegend Patrouille zu laufen. „Im Drunken Sailor´ dürfte selbst zu dieser frühen Stunde was los sein, auch wenn ich befürchte, dass sich dort, wie es der Name erahnen lässt, hauptsächlich Verkoster von gutem Rum aufhalten. Dort werde ich nach einer bekannten Seele Ausschau halten und...den Rest überlasst ihr besser mir, klar soweit?", endete Jack seine Ausführungen, als er in die ungläubigen Gesichter der beiden Männer schaute. Will grinste in sich hinein. Das konnte ein durchaus heiteres Unterfangen werden, wenn Jack Murtogg und Mullroy in eine Taverne bugsierte. Zudem war es nicht unmöglich, dass Jack einer seiner verflossenen Liebschaften begegnete und wieder die ein oder andere Ohrfeige abbekam, was Will ein wenig aufheiterte.
Schweigend gingen sie einige Zeit weiter, bis sie aus nicht allzu weiter Entfernung Lärm vernahmen. Es klang, als wütete ein Sturm, der selbst Stein zum Bersten bringen konnte, doch versicherte lautes Gelächter den Hörenden dessen, dass wohl nur eine heftige Prügelei im Gange war. Und dies wiederum ließ Jack und die anderen erahnen, dass die Taverne ganz nah sein musste. Als die vier Männer letztlich vor einem alten, jedoch noch in allen Bestandteilen vorhandenen Haus standen und auf ein grünes Schild schauten, das sanft vom Wind bewegt wurde und klagend vor sich hin quietschte, waren sie an ihrem Ziel angekommen. Jack rückte seinen Dreispitz zurecht und drehte sich mit zusammengefalteten Händen zu den beiden Herren in Uniform um. „Gentlemen", begann er in schmeichelndem Ton und sein schwarzer Bart wanderte mit seinen Mundwinkeln nach oben, „da es jetzt um Gelingen oder Misslingen dieser Mission geht, empfehle ich Euch, Euch folgende drei Ratschläge meinerseits zu Herzen zu nehmen, ehe Ihr dieses beschauliche Lokal betretet! Nummer eins: Lasst die Waffen stecken, auch wenn Ihr so gern daran herumspielt! Nummer zwei: Sagt kein Wort! Auch wenn Euch jemand anspricht! Tut so, als wäret Ihr stumm und noch dazu taub. Am besten auch blind, denn Ihr wollt mit Sicherheit nicht sehen, was Ihr sehen werdet, wenn Ihr versteht, was ich meine...", Jack holte tief Luft, um seinem Appell die nötige Wichtigkeit zu verleihen: „ Und Nummer drei: Stellt bloß nichts...Blödes an! Fragt Will, der hat genügend Erfahrung damit", endete Jack und schenkte seinem jungen Gehilfen einen belehrenden Seitenblick.
Jack machte sich nun also daran, den „Drunken Sailor" zu betreten und wollte eben mit der rechten Hand den Türknauf umfassen, als die Tür mit lautem Scheppern aufgestoßen wurde, den Piraten beinahe zu Boden riss, und ein Mann heraus stolperte und mit mehrmaligem dumpfen Aufschlagen die vier kleinen Stufen hinabpurzelte, wo er schlussendlich regungslos, aber dennoch amüsiert kichernd, liegen blieb. Murtogg und Mullroy starrten entgeistert auf den Trunkenbold, der noch die zerbrochene Weinflasche in der rechten Hand hielt.
„Denkt an meine Worte!", sagte Jack relativ unbeeindruckt und betrat als Erster das Lokal, in welchem sich Tabakgeruch in dicken Schwaden nebelartig an die Tische, die teils umgestoßen worden waren, schmiegte.
Am Tresen, auf dem umgekippte Gläser und Flaschen aufgereiht waren, saßen etwa acht Männer, die meisten von ihnen waren weit vornüber gebeugt und schauten anscheinend sehr tief in ihre Gläser, manche von ihnen waren sogar in dieser Haltung eingeschlafen, die Nase sog mehr Rum als nötige Luft ein. Doch so unglaublich es schien, vier oder fünf Seeleute unterhielten sich rege, andere spielten Seemannslieder auf einem alten, nicht gestimmten Klavier, wiederum andere tanzten unermüdlich und stellten den Dirnen nach, die sich noch immer rege unter die Leute mischten. Am Boden lagen lachende Männer, die sich zuvor noch prügelnd auf den gleichen Dielen entlang gewälzt hatten, sich zuvor noch gedroht hatten, dem anderen den Garaus zu machen. „Wünsche einen guten Morgen allerseits!", rief Jack fröhlich in die Runde, die sogleich durch ihn einen neuen Grund fand, den Becher zu heben und auf den Neuankömmling in ihrer Mitte zu trinken. Will, dem diese Szenerie zwar immer noch befremdlich, aber immerhin schon bekannt vorkam, heftete sich an Jacks Fersen und bemühte sich, die absonderlichen Leute als normal hinzunehmen.
Wie Jack schon geahnt und befürchtet hatte, fiel dies seinen beiden Wachhunden in Uniform alles andere als leicht. Sie klammerten sich an die Kolben ihrer Gewehre und beäugten jede Bewegung in ihrer unmittelbaren Umgebung mit tiefstem Misstrauen. Doch bisher nahm von ihnen noch keiner Notiz, was Jack als glücklichen Zufall deutete.
Der Pirat nutzte die Gelegenheit, dass ein alter Mann seitlich von seinem Hocker kippte, und ließ sich auf ebendiesem nieder, um den Wirt friedlichen Blickes zu fragen: „Guter Mann, wollt Ihr einem ebenso gutem Piraten eine Auskunft erteilen?"
„Sparrow, was hast du jetzt schon wieder ausgefressen, dass es dich ausgerechnet hier her verschlägt?", knurrte der Wirt, dessen ehemals weißes Hemd mit Flecken übersäht war, deren genauere Herkunft Jack besser nicht hinterfragen wollte. „Nichts, was dich interessieren könnte. Ich suche eine Crew. Eine, die möglichst schnell bereit dazu ist, mit mir in See zu stechen!" Der Wirt runzelte die Stirn, lehnte seinen bulligen Körper weit nach vorn und fuhr mit seiner tiefen Stimme fort: „Wenn man so hört, was du für einen Verschleiß mit deinen Mannschaften hast, bin ich mir nicht so sicher, ob du wirklich jemanden finden wirst, der mit dir kommt. Zumal du die Royal Navy allem Anschein nach hier her gelotst hast!" Als diese Worte gesprochen wurden, verstummte auf einem Schlag die Kneipe, niemand, ganz gleich ob angetrunken oder nicht, sagte ein Wort, ein jeder starrte ungläubig auf Jack, den nun die erste Welle des Unmuts durchlief. Mullroy und Murtogg fühlten sich wie armselige Beutetiere, die einem Rudel Wölfe ausgesetzt waren. „Die beiden meinst du?", rief Jack aus und seinen arbeitenden Gesichtszügen konnte man entnehmen, dass er nach einer Ausrede suchte. Will schwante Böses. „Ach...weißt du, die hab ich auf einer Kostümparty in Port Maria kennen gelernt. Zwei ganz verrückte Kerle, die sich so in ihre Rolle als Marinesoldaten hineinversetzt haben, dass sie schon glauben echte Soldaten zu sein! Verrückt, nicht wahr?"
„Ja, Sparrow. Verrückt, was du dir immer für bescheuerte Ausreden einfallen lässt. Du sollst doch sicherlich jemanden ausliefern, hab ich Recht?", die Miene des Wirtes verfinsterte sich und der ein oder andere Gast erhob sich auf die taumelnden Füße, drohend die Fäuste in die Luft reckend. Jack drehte sich mit zittrigem Lächeln zu Will um, der etwas ratlos in der Gegend herumstand. Die Situation drohte zu eskalieren und Jack wusste, dass es keinen günstigeren Zeitpunkt mehr für ihn geben würde, unbeschadet die Taverne verlassen zu können. Darum sagte er mit zuckersüßem Lächeln: „Dass ihr Leute immer so etwas Schlimmes von mir denken müsst. Na ja...wenn mir hier keiner helfen will, werde ich eben ein anderes Wirtshaus aufsuchen, in dem man noch freundlich behandelt wird, auch wenn man anders als die anderen ist."
Mit diesen Worten drehte Jack einen Zeigefinger an der Schläfe, um zu verdeutlichen, dass seine beiden uniformierten Begleiter nicht mehr alle Tassen im Schrank hatten und es ihnen zu verzeihen sei, dass sie so ausgerechnet in Tortuga herumspazierten. Mullroy und Murtogg waren von Jacks Darstellung natürlich wenig angetan, doch war ihnen alles lieber, als eine Prügelei mit diesen Hünen von Seemännern vom Zaun zu brechen. So folgten die beiden unter den verächtlichen und bedrohlichen Blicken der Korsaren Jack und Will nach draußen, ohne dass ihnen ein Haar gekrümmt wurde.
John Hackles, Inhaber des „Drunken Sailor" und noch dazu ein waschechter Kleinganove, drehte sich, nachdem die Tür seiner Taverne hinter den Besuchern ins Schloss gefallen war, zu den anderen um, bleckte die gelblichen Zähne und knurrte: „Die Royal Navy hat Spürhunde ausgesandt. Sagt so vielen Seeleuten wie möglich, dass sie sich besser nicht auf Sparrow einlassen sollen. Er ist der Köder am Haken der Marine und wir sollten besser dafür sorgen, dass niemand von uns anbeißt!"
Auf John Hackles' Geheiß hin strömten nach und nach (zumindest all die, die noch halbwegs geradeaus gehen konnten) in Tortuga aus, um die schlechte Nachricht wie ein Lauffeuer zu verbreiten. Und sie sollten in ihrem Vorhaben nicht erfolglos bleiben... .
.:.-x-.:.
Kurze Zeit später, fast am anderen Ende der Insel in einem abgedunkelten kleinen Zimmer, fand das Morgenlicht keinen Weg in die stickige, von Rauchschwaden erfüllte Kammer. Ab und an hörte man, wie Zigarrenqualm einem Seufzer gleich ausgebliesen wurde, wie Stühle leise knarrten oder eine Glasflasche plump auf den Dielenboden abgestellt wurde. Ansonsten war alles absolut still. Wenn man genau hinsah – aber selbst dann musste man im Besitz scharfer Adleraugen sein – konnte man im Dunkel die Silhouetten dreier Gestalten ausmachen, die nebeneinander auf den Stühlen lümmelten und lethargisch ihre Zeit absaßen. Die Vorhänge waren so dicht und doppelt und dreifach vor die Fenster geschoben worden, dass man nicht einmal die bläuliche Ursprungsfarbe des Stoffes wieder erkennen konnte. Ein idealer Schlafplatz für Nachtschwärmer, die das Licht scheuten, so konnte man sagen. Aber war dieser Ort nichts anderes als ein Plätzchen zum Nachdenken und Pläne aushecken.
Ein scheues Klopfen an die schwere metallene Tür durchschlug harsch die Stille und zwei der drei Personen wandten sich verwundert zur Tür um. Noch immer sagte keiner von ihnen etwas, aber die Monotonie des Trinkens und Rauchens war nun zerrissen. Sekunden verrannen und nichts geschah. Bis das Klopfen zurückkehrte. Energischer. Fast schon panisch.
Dies bewegte letztlich die dritte Gestalt dazu, sich zu erheben und verärgert den Störenfried zu empfangen. „Welcher ungehobelte Sohn einer Qualle wagt es, uns zu stören?", ertönte eine temperamentvolle Stimme. „Ich bin's, Randy...Kiki, mach auf, es ist wirklich dringend!", kam es dumpf durch die Tür zurück. Ein Seufzer ertönte, dann aber wurde die Tür mit einem lauten Knarren aufgestoßen. Das Tageslicht strömte wie unbändige Fluten eines reißenden Flusses in das Zimmer, ließ dessen Insassen die Augen zusammenkneifen und die Hände schützend vor dieselben legen. „Was is, Randy? Wenn du hergekommen bist, um zu sagen, dass wieder irgendwer irgendjemand anderen verprügelt hat, muss ich dich wohl oder übel erschießen, denn normalerweise dulden wir hier keine Störung.", murrte Kiki und tapste schlaftrunken zurück an ihren Platz, dem Besucher Einlass gewährend. Das bleiche Licht machte nun erstmalig ihre Gestalt sichtbar. Sie trug an beiden Ohren schwere goldene Ringe, ein blaues Tuch hielt ihre lange dunkle Mähne zurück, ein weißes Band hielt ihren einzelnen geflochtenen Zopf zusammen, der ihr weit über den Rücken hinab reichte. Sie war von recht kleiner Statur, ein kleines Bäuchlein, das über ihren breiten schwarzen Gürtel ragte, erzählte von ihren Trinkexzessen auf Tortuga, ihrer Heimat schon von Kindesbeinen an. Ihr Gesicht war weder besonders schön noch auffallend hässlich. Die dunklen Augen verfolgten wachsam alles, was sich um sie herum abspielte.
Sie trug Hosen wie ein Mann, ein weißes, für sie viel zu großes Hemd, das halb aufgeknöpft war, bedeckte teils ihre schwarze Hose, als sie sich wieder auf den Stuhl setzte, die gestiefelten Füße aufeinander legte, die Hände auf dem Bauch zusammenfaltete und erwartungsvoll zu Randy hinüber sah. Zwei Männer, die ihr die ganze Zeit über Gesellschaft geleistet hatten, beäugten den Besucher mit düsterer Miene.
„Nein, Kiki...es ist wirklich wichtig...du wirst es mir nicht glauben!"
„Besser wär's", entgegnete sie, plötzlich eine Pistole in der rechten Hand haltend und auf den hilflosen Randy richtend.
Dieser schluckte schwer, mit den Fingern durch das lichte Haar auf seinem Kopf streichend. „Sag' schon...wie du siehst, habe ich Wichtigeres zu tun, als mir dein Gejammer anzuhören.", knurrte Kiki, ungeduldig mit der Waffe in der Hand herumschwenkend. Randy räusperte sich, ein Schweißausbruch benetzte seine Schläfen und die Stirn mit kleinsten Perlen, in beiden Händen knetete er seinen Hut, knautschte ihn zusammen und zog ihn wieder auseinander. „Jack ist wieder hier.", äußerte er kleinlaut, besorgt um seine Gesundheit zu Boden starrend.
„Waaaas?", allein der Schreck brachte Kiki dazu, den Abzug zu betätigen, zu Randys Glück jedoch verfehlte sie ihr ursprüngliches Ziel und schoss nur ein Loch in die spärlich verputzte Wand. Sie sprang, wie es schien voller Entrüstung, auf und fuchtelte mit dem noch leicht rauchenden Revolver vor den Gesichtern der totenbleichen Männer herum, als sie lospolterte: „Das darf doch nicht wahr sein! Dass der sich noch hierher traut, dieser...Verräter...linker Hund! Teufel!", unruhig stapfte sie durch den Raum und alle drei Männer fürchteten, dass ein nervöses Zucken ihres rechten Zeigefingers erneut zu einer unfreiwilligen Schussabgabe führen konnte. „Dieser Mistkerl! Beleidigung der Piraterie! Wer hat ihn gesehen? Und vor allen Dingen – wo ist er gesehen worden? Randy, ich will alles wissen! Sofort!", mit dieser Aufforderung richtete sie mit zittriger Hand die Pistole erneut auf das armselige Würstchen von einem Informanten, ihre Augen blitzten vor Wildheit gefährlich auf. „Schon gut, schon gut...ich erzähl dir ja alles...aber Kiki?", er sah sie flehentlich an, worauf sie die Stirn runzelte, „Bitte leg zuerst das Ding weg!"
.:.-x-.:.
„Ich hab ihm gesagt, dass es eine bescheuerte Idee wäre, M&M mitzunehmen, aber der werte Herr Commodore hört ja bekanntlich nicht auf das weise Wort eines erfahrenen Piraten!", fluchte Jack lauthals herum, als sie zu viert über einen Platz schlenderten, noch immer daran arbeitend, den kürzlich erlebten Misserfolg zu verdauen. „Mister Sparrow, wenn ich Eines anmerken darf – der Commodore hat nur wegen seiner Pflicht gegenüber der Royal Navy...", begann Murtogg schlichtend, doch Jack schnitt ihm gereizt das Wort ab: „Jaja, blablabla...blöd nur, wenn Pflichtgefühl über dem selbstständigen Denken steht!", schnaufte er abfällig. Schließlich hatte der Auftritt mit den Soldaten verhindert, dass er mit dem Wirt überhaupt in ein Gespräch kommen konnte. „Was hast du jetzt vor?", fragte Will, der besorgt die Rage des Piraten beobachtete. Murtogg und Mullroy folgten mit gesenkten Köpfen und sahen vielmehr wie kleine Kinder aus, die irgendeinen Unsinn angestellt hatten, als Soldaten, die einen berüchtigten Korsaren bewachen sollten.
„Keine Ahnung. Tortuga hat viele Tavernen und viele bereitwillige Seeleute. Wir können nur wieder unser Glück versuchen...aber ich denke, wir werden mehr Erfolg haben, wenn unsere beiden Freunde hier diesmal draußen warten!", Jack blitzte die Soldaten mit seinen dunklen Augen an und torkelte weiter. Selbst in größter Aufruhr verlor er diese Eigenart nicht und wirkte noch immer wie ein stolzer Gockel, dem man zu viel Rum in den Wassernapf geschüttet hatte.
Ratlos die Schultern zuckend, folgte Will dem guten Captain, mit Mullroy und Murtogg hinterdrein.
Die Stunden vergingen und mit dem Stand der Sonne veränderte sich auch Jacks Laune im Laufe des Tages von mies zu noch mieser. Die Kneipen und Gasthäuser, denen sie gemeinsam einen Besuch abgestattet hatten und die sich als nutzlose Zeitverschwendung herausstellten, konnte keiner von ihnen mehr an der Zahl nennen. Überall ging die Kunde um, dass Jack Sparrow für die Royal Navy Köder legte und ein Verräter wäre. Natürlich verbot es alleinig die gottgegebene Einfalt eines jeden Seemanns, dieses Gerücht auch nur im Geringsten zu hinterfragen und so stellte sich ein jeder quer, mit dem Jack anbandeln wollte. Oftmals ignorierte man ihn völlig, behandelte ihn wie Luft, doch dies waren noch die sanftesten Methoden – als Jack zum dritten Mal in Folge von kräftigen Aufpassern aus einem Gasthaus geworfen wurde und sich beinahe die Nase brach, weil er mit der gegenüberliegenden Hauswand kollidierte, spuckte er abfällig gegen die Tür, aus welcher er soeben unfreiwillig marschiert war, und polterte ungezügelt los: „Verfluchte Piraten! Keinen Anstand kennen sie mehr! Undankbare Hunde!", nachdem er letzteres zwischen seinen zusammengebissenen Goldzähnen hinausgezischt hatte, trat er gegen den Stamm einer Palme, die daraufhin entrüstet die fächergleichen Blätter hin und herschwenkte.
„...Und dabei haben wir die beiden bei den letzten sechs Tavernen draußen gelassen...!", setzte er fassungslos hinzu und wäre ihm sein Hut nicht lieb und teuer gewesen, hätte er ihn jetzt mit dem größten Vergnügen auf den Boden geschleudert und wäre haltlos darauf herum gesprungen, bis das edle Leder als solches nicht mehr zu erkennen gewesen wäre.
„Es wird sich mit Sicherheit herumsprechen, dass du mit Leuten von der Royal Navy auf Tortuga bist...", mutmaßte Will. Jack legte den Kopf schief, sodass die Perlen und Ketten in seinem Haar leise klirrten. „Nein wirklich, William! Daran hätte ich überhaupt nicht gedacht!" Genervt seufzte er und stemmte die Hände in die Hüften. Nicht einmal seine Pistole hatte er mehr am Mann, sonst hätte er jetzt einen der beiden uniformierten Dummschwätzer erschießen können – das hätte vielleicht seinen Tag gerettet. Aber wie sooft stellte sich das erbarmungslose Schicksal gegen Captain Jack Sparrow.
„Wenn die Lage so aussichtslos erscheint, würde ich vorschlagen, zurück zur Dauntless zu gehen. Bleiben wir länger hier, wäre das vergeudete Zeit!", schlug Murtogg vor, die braunen Knopfaugen vorsichtig auf den griesgrämigen Piraten richtend. Jack krallte die Finger in seinen Gürtel, um einem völligen Ausraster vorzubeugen. Das lief alles ganz und gar nicht nach Plan. Nicht einmal annähernd. Eigentlich hatte er vorgehabt, einige gute Leute anzuheuern und mit ihnen...und nur mit ihnen... .
„Jack? Pssst! Jaaaaack!", ertönte plötzlich ein leises Flüstern linkerhand. Jack hob die Braue und schielte in die Richtung, aus welcher das ominöse Raunen zu kommen schien. In einem Gebüsch versteckt saß ein älterer Mann mit lichtem Haupthaar. Die wenigen Zähne in seinem Mund ragten wie einsame Felsen einer weiten Graslandschaft aus dem Zahnfleisch, das wund und blutig wirkte. „Randall! Alter Haudegen, dass ich dich hier treffen würde!", rief Jack überrascht aus und Will und die Soldaten konnten erneut nicht anders, als ratlose Blicke zu tauschen. Jacks Bekanntschaften waren immer wieder seltsame und zwielichtige Gestalten, aber dieser alte Herr schien selbst für Jack ein wenig zu seltsam zu sein. Er leckte mit der blassen Zunge über die spröden Lippen, als wäre er ein Hund, dessen Lefzen stets mit Speichel benetzt waren. Die hellen grauen Augen rollten unruhig in den Höhlen, als er sich nervös in alle Richtungen umsah. „Pssst, Jack...nicht so laut...und wann hörst du endlich auf, mich beim vollen Namen zu nennen?!", flüsterte er.
„Ich weiß nicht, ob mich deine Geheimniskrämerei beunruhigen oder neugierig machen soll...was hast du denn zu sagen, Randy...wenn dir das lieber ist.", entgegnete Jack, die Augen verdrehend.
„Nicht hier...zu viele unliebsame Zuhörer in der Nähe. Komm mit...ich hätte da vielleicht etwas, an dem du interessiert wärest."
Jack kniff die Augen zusammen. So recht riet ihm sein Verstand nicht dazu, dem armen Schlucker von einem ehemaligen Seemann zu folgen. Aber andererseits ergab sich durch ihn vielleicht doch noch die Möglichkeit, Jacks Plan in die Tat umzusetzen. Zögernd spielt Jack mit den Zöpfen seines Kinnbartes, ehe er ausstieß, als hätte er gar nicht erst für die Antwort überlegen müssen: „Geh voran, Randy, ich werde dir auf Schritt und Tritt folgen!" Randy grinste und ein kehliges Krächzen entfuhr seinem Mund, als er scheinbar lachte. Will war dieser komische Kauz recht unheimlich und ihm war nicht wohl bei dem Gedanken, dass sie ihm blindlings folgten, auch wenn er scheinbar ein Bekannter von Jack zu sein schien. Mochte es an seiner Art im Allgemeinen liegen oder am merkwürdigen Funkeln seiner hellen Augen – Will war äußerst misstrauisch. Seit er Jack kannte, hatte sich diese Eigenschaft vermutlich stark verschärft. „Jack, meinst du nicht, wir sollten..."
„Nein", sagte Jack mit einem süffisanten Grinsen auf den Lippen, „Komm einfach mit, William, oder lass es. Kann mich nicht erinnern, dass dein Vater so zaghaft gewesen wäre."
Will fand es hinterhältig und unpassend von Jack, dass er stets seinen Vater mit ins Spiel brachte, am ehesten dann, wenn er Kritik an Will üben wollte. Dennoch, sei es aus gutem Willen oder aus Freundschaft zu dem Piraten gewesen, fügte sich Will Jacks Anweisung und begleitete ihn. Mullroy und Murtogg fackelten nicht lang und hefteten sich an die Fersen der beiden. Für einen törichten Augenblick hatten sie doch wahrhaft angenommen, dass Jack klein beigeben und das Theater auf Tortuga ein baldiges Ende nehmen würde. Doch bei diesem außergewöhnlichen Exemplar eines Piraten konnte man sich seiner Sache nie sicher sein. Der alte, leicht bucklige Mann führte die ungewöhnliche Truppe hinter sich her, an Weggabelungen kam es vor, dass er den krummen Rücken gegen die Häuserwand presste und verschwörerisch um die Ecke schielte, um sicher zu gehen, dass die Luft rein war und ihn niemand sah. Als ob es mittlerweile wie ein Geheimnis zu hüten gewesen wäre, dass Jack in der Piratenhochburg eingetroffen war. Die Sonne hatte ihren mittäglichen Zenitalstand lange überwunden und die Schatten hatten allmählich damit begonnen, länger zu werden.
Randy führte die in der Zwischenzeit recht fußmüde gewordenen Männer in einen Hinterhof, der von hohen, dunklen Mauern umschlossen war und eigentlich gar nichts Gutes verheißen konnte. Normalerweise hätten Jacks Alarmglocken schrillen müssen. Aber er wusste, dass im ärgsten Notfall immer noch seine bewaffneten Freunde hinter ihm standen. In der Hoffnung, sie würden ihm in diesem imaginären Notfall nicht aus Versehen in den Hinterkopf schießen, folgte Jack seinem alten Kumpel nun eine schier endlos lange Wendeltreppe hinab. Bald schon musste Randy eine Kerze anzünden, um im dunkler werdenden Gewölbe noch sehen zu können, wohin er trat.
Die Luft roch klamm und verfault, wie ein Keller, dessen Inhalt jahrelang vernachlässigt worden war. Will sah sich mit gerunzelter Stirn um. Die Wände erinnerten beinahe an die Kerkerarchitektur in Port Royal, Wasser sammelte sich zwischen den Gesteinsritzen und bildete kleinere Lachen. Spätestens jetzt wusste Will, warum er dem alten Knaben nicht hatte folgen wollen.
„Wir sind gleich da, wir sind gleich da!", versicherte Randy wieder und wieder und nachdem er das zum wohl hundertsten Male gesagt hatte, hörte Jack auf, seinen Worten Glauben zu schenken. Wie überrascht war der Pirat, als Randy also plötzlich vor ihm stehen blieb und Jack ihm bald in seiner ausschweifenden Gangart die Stiefelspitze in die Kimme gerammt hätte. „So...", Randy hob mit zittriger Hand die Kerze, um die Wand besser begutachten zu können und mit einigen Faustschlägen deren Konsistenz zu überprüfen. „Ich habe ein Déjà-vu. Oh ja, das habe ich!", murmelte Jack, als Randy durch einige weitere Schläge einen Hohlraum hinter der Wand ausmachen konnte und durch drei, vier kräftige Tritte eine zuvor unsichtbare Tür öffnete. „Diese Methode scheint weit verbreitet zu sein in der Karibik, was?", schmunzelte Jack, mit dem Zeigefinger der linken Hand eine Haarsträhne aufwickelnd.
Diesem Kommentar keine größere Bedeutung zuweisend, betrat Randy als Erster den geheimen Raum, der sich als eine Art Korridor herausstellte und wahrscheinlich zu einem noch weiter entlegenem kleinen Zimmer führte. „Mister Sparrow, dieser Ort erscheint mir nicht sonderlich vertrauenswürdig!", merkte Mullroy an, dem das Muffensausen deutlich anzusehen war. Jack drehte sich torkelnd um und schleuderte Will beinahe all seine Haarpracht ins Gesicht. Dann grinste er breit und sagte: „Das ist Tortuga, Jungchen...Vertrauen ist ein Fremdwort auf dieser Insel...klar soweit?"
Mullroy war gar nichts klar von dem, was Jack meinte. Aber er ließ es dabei beruhen. Spinnweben wehten geisterhaft im seichten Luftzug, verursacht durch das Schließen der Tür. Einige von ihnen blieben an Jacks pompösen Hut kleben, die er eiligst wieder abzustreifen versuchte, jedoch kläglich daran scheitern musste. Als er es aufgegeben hatte, wild mit den Händen in seinem Gesicht herumzufuchteln, um die lästigen Fäden loszuwerden, fand sich Jack in einem verdächtig abgedunkeltem Zimmer wieder. Die Luft roch stickiger als im Korridor, zwei weitere Türen stellten sich als potenzielle Fluchtmöglichkeiten zur Verfügung. Zwei hohe Fenster waren nur schemenhaft an der anderen Wand auszumachen. Es schien tatsächlich Tageslicht an diesen tief gelegenen Raum zu gelangen, was daran liegen mochte, dass dieser Bunker, oder wie man diesen Unterschlupf auch benennen wollte, direkt an einem Steilhang liegen musste. Vielleicht boten diese Fenster einen grandiosen Ausblick auf die Küste, einen endlos in die Ferne schweifenden Blick an den Horizont. Und noch viel weiter.
Jack blieb nicht lange Zeit, über den möglichen Ausblick aus den Fenstern zu grübeln, denn Randys Stimme weckte ihn aus seinen Tagträumen. „Warte einen Augenblick, Jack."
„Jetzt wirst du wohl reden können, alter Mann – warum hast du mich hierher gebracht? Ich glaube wohl kaum, dass hier noch unliebsame Zuhörer, wie du es sagtest, anwesend sind. Spuck's aus, Randy...was hast du für mich?"
„Nun...weißt du, Jack...du...", stammelte Randy unsicher und tupfte sich die schweißnasse Stirn mit einem Tuch ab. „Falls es dir entgangen sein sollte, Randylein. Du kannst mich nicht zum Narren halten, klar soweit? Denn ich bin Captain Jack Sparrow!", brüstete sich der Pirat, als Randy auf suspekte Weise seinem Blick auswich und nervös von einem Fuß auf den anderen trat. Dass dies ein geplanter Hinterhalt war, hatte Jack schon lange vermutet, aber die Tatsache, dass er nicht wusste, was genau ihn hier erwartete, ließ selbst ihn ein wenig unruhig werden. Will sah sich argwöhnisch in der Kammer um, als ein leises Lachen ertönte. Blitzschnell, einer Schlange nicht unähnlich, wanderte Wills Hand zum Griff seines Kurzschwerts und bereit ebendieses im Angesicht des noch gesichtslosen Gegners zu ziehen, schlossen sich seine Finger so fest um das Metall, dass die Knöchel weiß hervortraten.
„Lass stecken, Kleiner. Wirst dir noch wehtun damit.", kicherte eine amüsierte Frauenstimme aus dem anderen Winkel des dunklen Zimmers. „Wer ist da? Im Namen der Royal Navy, gebt Euch zu erkennen! Auf der Stelle!", platzte es aus dem aufgeregten Murtogg heraus, der wie sein Freund das Gewehr geschultert hatte und ziellos auf das gähnende Dunkel richtete. Weiteres Gelächter ertönte, diesmal jedoch schien es von mehreren Personen zu stammen. Jack rollte die Augen. Er wusste genau, wem diese Stimmen gehörten. Und er wusste ebenso, dass dieser Tag kein schlechteres Ende hätte nehmen können.
Mullroy wedelte unruhig mit dem Gewehr herum und hätte Jacks Stiefel beinahe mit zwei hübschen Einschusslöchern versehen, als dieser fast gelangweilt mit der Hand den eisernen Lauf zu Boden drückte. Diese Geste war deutlich genug, um den beiden klar zu machen, dass es besser war, die Waffen fallen zu lassen.
„Was hast du dir denn da wieder für Witzfiguren angelacht, hm? Traurig, traurig, wie sehr der gute alte Jack heruntergekommen ist.", sprach die Frauenstimme erneut, diesmal jedoch aus nächster Nähe. Will und die beiden Soldaten konnten eine kleine Gestalt ausmachen, die in noch sicherem Abstand zu Jack aufrecht stand. „Wenigstens nicht so heruntergekommen wie du, Kiki.", brummte Jack, alles andere als amüsiert. Drei Kerzen wurden entzündet und der Raum in schwaches, bronzenes Licht gehüllt. Jetzt erst konnte Will erkennen, dass es ein junges Mädchen von seinem Alter war, das langsam an Jack herantrat und ihn höhnisch belächelte. „Ach, das sind aber bösartige Worte. Freust du dich denn nicht, mich wieder zu sehen? Nach so langer Zeit?", fragte sie, ihre Mimik verstärkte nur den Zynismus in ihrer Stimme. Jack schenkte ihr ein wackeliges Lächeln und sagte: „Nein. Aber ich könnte zumindest so tun, wenn dich das glücklich macht!"
„Immer noch der gleiche blödsinnige Humor...und ich hätte fast gelacht", entgegnete sie in ähnlich schmeichlerischem Ton. Jacks Lächeln wurde breiter und Will wusste nicht richtig, wie er das Gesehene einordnen sollte – waren die beiden Feinde oder alte Freunde, die nur spielerisch so grob miteinander umgingen? „Was willst du, Kiki? Du hättest mir auch weitaus unkomplizierter auf die Nerven gehen können", merkte Jack an.
„Wo bliebe denn da der Spaß?", giftete sie zurück und beäugte die beiden Soldaten mit amüsierten Blicken. „Du solltest eigentlich wissen, dass es wenig Vorteile mit sich bringt, in Tortuga mit Soldaten der Marine gesehen zu werden.", sagte Kiki, die fast pechschwarzen Haare über die Schulter zurückwerfend, in der rechten Hand die Pistole hin und herdrehend.
„Weiß ich."
„Und warum tust du es dann? Stecken wir wieder in der Patsche?", Kiki pfefferte ihm diese Gegenfrage sofort entgegen. Jack taumelte kurzzeitig auf der Stelle, dann beugte er sich leicht vornüber und krümmte belehrend den Zeigefinger. „Ich, Schätzchen...ich stecke in der Patsche...du hast damit gar nichts zu tun und wirst dich auch raushalten!", Jack drehte sich mit diesen Worten schwankend um und machte sich daran, mit großen Schritten den kellerartigen Bau zu verlassen. Ein leises Knacken ertönte.
„Falsch."
Jack sah in Wills kreidebleiches Gesicht und drehte ruckartig und mit bestürzter Miene den Kopf zu Kiki. Das Knacken entstammte aus ihrer Pistole. Sie hatte mit dem Daumen den Hahn gespannt und mit ausgestrecktem Arm richtete sie den feuerbereiten Lauf genau auf die Stirn des Piraten. Jack schielte leicht nach oben und sah so mit beiden Augen auf die Waffe. Da er selbst durch den törichten Commodore unbewaffnet war, beschloss Jack, nichts Blödes anzustellen und lieber den Diplomaten zu spielen, um seinen Hintern unbeschadet aus dieser misslichen Lage manövrieren zu können. „Äh...Kiki...Schatz...lass uns doch reden."
„Nenn mich noch einmal Schatz und du bist längste Zeit im Besitz deines Kopfes gewesen!", funkelte sie ihn zornig an. Die beiden Hünen von Männern, die ihre Leibwache zu sein schienen, hatten sich mittlerweile auch an ihre Seite gesellt und Murtoggs sowie Mullroys Waffe eingesammelt. „Du bist also bereit, deine vorangegangene Aussage zu überdenken?", fragte sie, ein diebisches Grinsen stahl sich auf ihre schmalen Lippen. „In Anbetracht der widrigen Umstände...", begann Jack und schloss kurz die Augen, als sie den Druck verstärkte, mit welchem sie das kalte Eisen auf Jacks warme Stirn presste, „...ja...ich denke schon."
„Prima. Das wollte ich doch nur hören.", antwortete Kiki und rief einem der Männer zu: „Calvin, wärest du so freundlich, die beiden Kerle mit den schlotternden Knien nach draußen zu geleiten. Ich denke, dass das, was hier besprochen wird, nicht für ihre Ohren bestimmt ist."
„Aye, Kiki...soll ich den weichgesichtigen Schmalhans auch mit raus nehmen?", brummte der größere der beiden Männer, dessen bloße Armmuskulatur aussagekräftig genug war, um zu vermitteln, dass es besser wäre, ihm nicht von Mann zu Mann gegenüberzutreten, wenn man beabsichtigte, längere Zeit, und das noch in voller Montur, zu leben. Kiki begutachtete Will und grinste. „Nein, lass mal, Calvin...ich glaube, den wird Jack noch als moralischen Beistand gebrauchen können... . Aber nimm ihm sein Spielzeug weg." Calvin tat wie ihm geheißen, riss Will das Schwert aus der Hand, das dieser wiederum nur widerwillig freigeben wollte, und packte beide Marinesoldaten an den Armen, um sie kurzerhand auf dem gleichen Weg hinaus zu führen, auf welchem sie sich hier eingefunden hatten.
Jack beobachtete mit schwindendem Optimismus die Abführung seiner beiden „Schutzbefohlenen" und auch Wills Miene verriet ihm, dass Stiefelriemens Sohn die Lage für sehr schlecht befand. Als die Tür, schwerfällig wie immer, hinter dem stämmigen Calvin ins Schloss fiel, schob Kiki mit den Füßen zwei Stühle zu Will und Jack. Mit den Worten „So, ihr zwei Hübschen...dann legt mal los...wo drückt denn der Schuh, dass ihr ausgerechnet in Tortuga nach Hilfe sucht?" ließ sie sich selbst auf einen kleinen Schemel nieder, die Pistole nicht aus der Hand legend und Jack triumphierend angrinsend.
„Wir suchen eine Crew!", murmelte Jack, der nicht lange zögerte und sich auf den ihm angebotenen Stuhl niederließ. „Jaja...soweit weiß ich das auch schon...aber das ist nicht der Punkt, Jack. Wofür brauchst du eine Crew?", Kikis Geduld kannte Grenzen. Grenzen, die Jack schon des Öfteren überschritten hatte, „Kleiner, setz dich endlich hin, dein finsterer Schmollblick macht mich ganz nervös!", wandte sie sich dann an Will, der mit der Bezeichnung „Kleiner" nicht wirklich glücklich zu sein schien, sich dann aber, größtenteils um die seltsame Bekannte von Jack nicht übermäßig zu provozieren, ihrer Anweisung gemäß auf den Stuhl neben Jack setzte. „Warum willst du das überhaupt wissen? Es ist keine Sache von großem Profit..."
„Du wirst keine Crew auf Tortuga finden, die mit dir geht, dafür habe ich bereits gesorgt...", unterbrach sie ihn harsch.
„Hab ich gemerkt!", Jack musste sich ein Lächeln abringen, aber innerlich kochte er vor Wut über. „...abgesehen von der meinigen.", endete Kiki, ihre braunen Augen blitzten seltsam verschwörerisch auf. Will runzelte die Stirn. Der Gedanke, mit dieser Frau in See stechen zu müssen, missfiel ihm in höchstem Maße. Sie hatte etwas an sich, das sein Misstrauen erweckte und ihn mit Bedacht die Worte aussprechen ließ, die seine Gedanken kreuzten. Jacks Augen weiteten sich. Anscheinend schien er von Kikis Anspielung ebenso wenig zu halten wie Will. „Verstehe ich das richtig? Du willst mir deine Crew für eine Fahrt überlassen? Einfach so?", hinterfragte er fast kleinlaut.
Kiki stieß ein lautes Lachen aus, fing sich aber bald wieder und konterte: „Nein, Jack. Ich biete dir an, dass wir, meine Crew und ich, dich und deinen Spießgesellen zum gewünschten Reiseziel schippern."
„Wo ist der Haken?"
„Es gibt keinen.", entgegnete sie schnell und strich sich nachdenklich mit den Fingerkuppen über die Fingernägel der anderen Hand, als führe sie eine sehr einfache Form der Maniküre durch.
„Hältst du mich für so dämlich?", lächelte Jack charmant.
„Nein. Dämlich bist du nicht, so viel muss ich dir lassen. Aber unvorsichtig.", mit einem schweren Poltern warf sie den Revolver auf den kleinen Holztisch, der sie von den beiden Männern trennte. „Du bist mir noch was schuldig, Jack und das weißt du", fuhr sie in ernsterem Ton fort, „Wo immer du auch hinzufahren gedenkst – du wirst es mir schon sagen. Und ich erwarte, dass es eine Fahrt ist, die sich für dich lohnt...wozu solltest du sonst nach einer Piratenmeute suchen, wo du doch schon die Royal Navy an deiner Seite hast?" Will schenkte Jack einen fragenden Blick, doch dieser wich ihm abermals aus. „Was denn...hat denn der Kleine geglaubt, Jack würde brav an der Seite der Uniformträger durch die Karibik segeln, wo er doch durch ein Hintertürchen in Tortuga mit einer Crew voller Halunken entschwinden könnte? Dafür, dass du braune Äuglein hast, bist du ganz schön blauäugig.", stellte Kiki im Resümee zusammen. Will wirkte entsetzt. Und enttäuscht. Und alles zur gleichen Zeit. „Du hast Recht, Kiki...", bekannte sich Jack plötzlich und sah zu ihr auf. Mit einem Gesichtsausdruck, wie er ernster nicht sein konnte, fuhr Jack fort: „Es gibt in der Tat eine lohnenswerte Sache. Ich suche nach verschollenen Schiffen der Königlichen Marine. Deren Kammern sind mit Schätzen aus Spanien und dem Mittelmeer zum Bersten gefüllt. Die Navy versucht mich zu erpressen, indem sie meine Crew in Port Royal gefangen hält. Ich gab also vor, zu kooperieren..."
„...um letztendlich nach Tortuga zu gelangen und ihnen allen ein Schnippchen zu schlagen...sieht dir ähnlich, Jack.", murmelte Kiki, die ihn eindringlich musterte, als prüfte sie, ob er log oder die Wahrheit sprach. Wills Mundwinkel waren deutlich nach unten gewandert, die Brauen waren grimmig über die Augen gesenkt. Jack spielte schon wieder mit falschen Karten. Nur vermochte Will im Moment nicht auszumachen, wen er diesmal wahrlich hereingelegt hatte oder hereinlegen würde – seine eigene Crew, die in Port Royal festsaß, die Royal Navy, die auf einem Schiff in Tortugas Hafen vor Anker lag, oder die seltsame Fremde, die er Kiki nannte.
Aber allein der Gedanke, dass Jack nicht in Erwägung zog, zur Dauntless zurückzukehren, machte Wills Gewissen zur schweren Bürde.
„Aye...ich schlage dir was vor, Jack...", Kiki stützte das spitze Kinn auf einen Arm, „Da du nur mit einer Piratencrew solch ein Unterfangen durchziehen kannst, und meine Crew die einzig verfügbare auf ganz Tortuga ist, die im Besitz eines noch dazu intakten Schiffes ist, biete ich dir an, dich mit meiner Crew auf die Suche zu begleiten. Aber nur, wenn dabei mindestens 70 Prozent des Gewinns für mich abspringen!"
Jack verzog die Mundwinkel. „Immer noch das gierige kleine Biest von früher..."
Kiki zuckte mit den Achseln und murmelte: „Ich bin deine einzige Chance, Jack. Nutze sie, oder sieh zu, wie du die Stiefel der Royal Navy blitzblank leckst." Die Arme verschränkt vor der Brust haltend, lehnte sie sich selbstgefällig grinsend zurück. Jack tat so, als müsste er kurz überlegen, dann aber brach es aus ihm hervor: „Abgemacht!"
„Jack!", stieß Will empört aus. Dieser plötzliche Meinungswechsel seines Freundes brachte Will aus der Fassung. Das würde mächtigen Ärger mit Norrington geben. „Du kannst dich nicht einfach davonstehlen...du hast den Vertrag unterschrieben und wenn du nicht wie geplant zurückkehrst, ist das Dokument nichtig."
„Mach dir darüber mal keine Sorgen, Junge", winkte Jack eilig ab, doch Will machte sich Sorgen. Und zwar sehr große. „Selbst wenn dir die Konsequenzen des Vertragsbruches egal sind, wie willst du ungesehen von der Insel verschwinden? Wir haben Mullroy und Murtogg im Nacken und Tortugas Hafen ist nicht gerade der größte, sodass es Norrington auffiele, wenn wir am Kai herumspazierten und auf ein fremdes Schiff gingen." Kiki musterte Will abermals und fragte: „Ich weiß, es klingt wie eine billige Anmache, aber...kenne ich dich irgendwoher?"
Will funkelte sie an, entgegnete aber nichts. Allein Jack erbarmte sich, der Korsarin zu antworten: „Er ist Stiefelriemen Bills Sohnemann."
„Oooh...", kam es in nachdenklichem Ton von Kiki, „Siehst genauso aus wie er."
„Um auf deine Anfrage zurückzukommen...", entsann sich Jack endlich dazu, auf Wills Problemstellung einzugehen, „Ein Vertragsbruch ist nicht vorgesehen...ich werde die Schiffe der Royal Navy übergeben, sobald wir sie gefunden haben. Mullroy und Murtogg kann man leichter abhängen als Schmeißfliegen. Und was machte dir noch Sorgen? Ach ja...der Hafen. Das ist das kleinste Problem von allen. Also mach dir keine Gedanken. Wo waren wir stehen geblieben? Ach ja...die Gewinnaufteilung...", brabbelte Jack dann weiter, als er sich Kiki zuwandte. Will war mittlerweile aufgestanden und ging unruhig im Zimmer auf und ab. Wenn er sich Jack anschloss und die Royal Navy abermals verriet, konnte das schlimme Auswirkungen haben, wenn sie wieder in Port Royal ankämen. Noch dazu traute er dieser Kiki nicht über den Weg. Ihre verschlagene Art und das hinterlistige Grinsen mahnten Will zur Vorsicht. Wie Jack es anstellen wollte, ungesehen Tortuga mit einer Piratenhorde zu verlassen, bevor Commodore Norrington auch nur etwas erahnen konnte, war Will noch immer ein Rätsel. Selbst mit Verkleidung wäre dies ein zu riskantes Unterfangen.
Doch Jack hatte wie sooft weiter gedacht. Und Will sollte bald schon herausfinden, was im Kopf des genialen Piraten vor sich ging... .
.:.-x-.:.
Und ich verdrück mich mal wieder vor meinen Berg an Büchern und Tafelwerken, etc., etc. ...manchmal hasse ich Schule wirklich. Danke an Maria fürs Beta-Lesen! (apropos, wo warst du denn heute???) Kommentare zu den Reviews folgen noch!
