Kapitel 4
Die Trolle hatten sich aus der Höhle getrollt und sahen sich nun fragend an.
„Wo sollen wir sie denn suchen? Wir wissen doch gar nicht, wo der dämliche Elb sie hingebracht hat" meinte der eine.
„Ich weiß es ja auch nicht!" meinte der andere und sie setzten sich sprachlos nebeneinander.
So saßen sie da den ganzen Tag und starrten auf die Straße.
Derweil machte sich der Schrecken der Berge auf den Weg zu seinem Arbeitgeber. Er lachte sich noch immer ins Fäustchen, dass die Trolle solche Angst vor ihm hatten. Hätten sie ihn in seiner normalen Gestalt gesehen, dann hätten sie sich wahrscheinlich über ihn totgelacht. Er war ein Gnom. Einer der wenigen Gnome, die es in Mittelerde noch gab. Seine Vorfahren waren von den Menschen vertrieben worden und es bereitete ihm das größte Vergnügen Missgunst und Zwietracht unter ihnen zu sähen. Bald schon würden sie ihr Ziel erreicht haben. Er und sein Meister. Bald schon würde alles wieder so sein, wie es schon vor 4 Jahren hätte sein sollen.
****************************************************************************************
Legolas nahm diesmal gegen jede seiner Gewohnheiten die Straße. Er konnte ja immer noch behaupten, er würde mit seiner Frau und seiner Tochter umherziehen. Etwas gequält verzog er das Gesicht. Jedes mal, wenn er über so was wie Familie nachdachte, lief ihm ein Schauer über den Rücken. Seine eigene Familie war nicht gerade ein Musterbeispiel dafür, wie es in glücklichen Familien ablaufen sollte. Sein Vater war goldgierig, hatte Krieg mit den Zwergen angefangen und seine Mutter mehr als einmal betrogen. Er hätte zu gern gewusst, ob er nicht irgendwo noch ein paar Geschwister hatte, von denen er nichts wusste. Und jetzt würde er zu einem Ort reiten, an dem es genau so eine Familie gab, wie er sie immer hatte haben wollen. Er freute sich sehr für Aragorn, aber zugleich schmerzte es ihn jedes Mal. Er hätte auch gerne zwei so süße Kinder gehabt. Tief in Gedanken versunken, vergaß er ganz, dass er ja nicht allein war. Lilain schlug ihm auf die Schulter.
„Du herzloser Mistkerl!" fuhr sie ihn an. „Sie hat dich nach Wasser gefragt!"
Legolas fuhr zusammen.
„Was?"
Lilain wurde richtig wütend und verpasste ihm noch einen Schlag.
„Au, verdammt. Was soll das? Hör auf mich zu schlagen!"
Das konnte er ja jetzt gar nicht gebrauchen. Die Kleine sah Lilain an.
„Nicht schlagen. Er war doch nur in Gedanken!"
Legolas sah die Kleine genauso verdutzt an wie Lilain. Sie hatte offensichtlich einen sehr guten Sinn für so was.
„Ich hätte gern was zu trinken!"
Legolas lächelte und hielt ihr seine Wasserflasche hin. Die Kleine sah ihn aus ihren hellblauen Augen an und nahm die Flasche.
„Danke." Sagte sie schön artig und trank einen Schluck.
Lilain beobachtete das kleine Mädchen. Sie erinnerte sich, wie sie selbst als Kind gewesen war und musste leicht lächeln.
„Sag mal, Kleines, hast du auch einen Namen?" fragte Lilain schließlich.
Die Kleine richtete ihre wunderschönen Augen auf Lilain.
„Gellwen." Meinte sie dann.
Lilain lächelte. Sie sprach zwar nicht so perfekt Elbisch nur ein paar bestimmte Sachen, aber sie wusste, dass es „die Freude" bedeutete.
„Das ist ein sehr schöner Name."
Damit brachte sie die Kleine zum Strahlen. Legolas lächelte vor sich hin. Mit Kindern schien sie ja gut zu können.
„Hast du schon mal daran gedacht Kindermä…"
und zack hatte er wieder eine in der Seite.
„Aua!" meinte er. „Wofür war das nun wieder?!"
„Für dein freches Mundwerk, Elb!"
Die Kleine verstand zwar nicht genau, was Lilain meinte, sagte dazu aber nichts. Sie mochte die beiden irgendwie.
„Hey, Gellwen, du bist ja eine Elbe." Meinte Lilain plötzlich.
Ihre Wut auf Legolas ließ nach. Das Mädchen hatte gerade die Haare zurückgeschoben und Lilains Blick war auf ihre Ohren gefallen. Die Kleine nickte.
„Jaha."
Lilain, die sich an Legolas festhielt, spürte, wie er sich versteifte, als ihm auch diese Tatsache bewusst wurde. Ein kleines Elbenmädchen als Sklavin. Nein, das konnte nicht sein. Das durfte nicht sein. Lilain versuchte zu erraten, was in ihm vorging, aber sie schaffte es nicht und fragen wollte sie nicht, denn im Gegensatz zu ihm besaß sie ja Taktgefühl. Lilain sah Gellwen an. Dieselben traurigen Augen wie ihre eigenen eine Weile gewesen waren. Aber dieses kleine Mädchen war stark.
„Hey, großer Held, wo reiten wir nun hin?!" fragte Lilain schließlich.
„Raus aus diesem Dorf!" meinte er angewidert.
Er trieb Galad an, aber das arme Pferd wollte nach einer Strecke nicht mehr. Sie mussten rasten und stiegen ab. Gellwen sah Legolas an, der Feuerholz sammelte.
„Warte, das kann ich doch machen." Meinte die Kleine.
Legolas sah sie an.
„Nein, Kleines, du setzt dich hin und bleibst bei Lilain. Du musst nicht arbeiten, Süße."
Die Kleine sah ihn an. Man hatte ihr aber doch gesagt…
"Du tust mir nicht weh, oder?"
„Niemals."
Er lächelte und küsste ihre Stirn. Gellwen ging langsam zu Lilain zurück, die ihre Arme aufhielt.
„Komm her."
Gellwen tat das auch. Lilain kuschelte sie an sich. Sie drückte und herzte die Kleine etwas, denn sie wusste nur zu gut, wie man sich fühlte, wenn man so etwas durchmachte. Lilain dachte an ihre Kindheit. Sie war schön gewesen, in einem herrlichen kleinen Palast. Sie, ihre Geschwister und ihre Eltern. Sie war die Jüngste gewesen. Und sie hatte sich an dem Tag versteckt. Sie war damals neun Jahre alt gewesen. Und noch so unschuldig. Vielleicht war es Schicksal gewesen, dass sie den ganzen Tag in dem Baum gesessen hatte. Als sie zurückgekommen war, war alles ganz ruhig gewesen. Sie war zum Zimmer ihrer Geschwister gelaufen, aber da war niemand gewesen. Als sie ins Schlafzimmer ihrer Eltern gekommen war, hatte sie zu schreien begonnen. Sie hatte die blutüberströmten Leichen ihrer Eltern gefunden. Und dann waren sie gekommen. Diese Männer in schwarz, hatten sie mitgenommen und zur Sklavin gemacht, bis ihr Lehrmeister sie gerettet hatte. Er war ein großer und Furcht einflößender Mann gewesen, aber zu ihr immer ganz lieb. Als sie dreizehn geworden war, hatte er mit ihrer Ausbildung begonnen. Er hatte ihr beigebracht, wie man Waffen aller Art nutzte und wie man sich verteidigte. Sie war die perfekte Killerin, aber sie hatte noch nie getötet. Diese Trolle hatten ihr dieses Zeug verabreicht und sie war plötzlich nur eine wehrlose Frau gewesen. Das war schrecklich gewesen. Sie hatte nichts tun können und war gedemütigt worden ohne Ende. Sie kämpfte gegen eine Träne an, denn sie wollte keine Schwäche zeigen. Sie drückte Gellwen an sich und achtete nicht darauf, dass Legolas zurückkam. Sie achtete auch nicht auf ihn. Sie hatte sich einfach seinen Mantel genommen und ihn umgeschlungen und sich und die Kleine darin eingewickelt. Sie küsste das Mädchen auf Haar und bemerkte, dass die Maus bereits eingeschlafen war. Legolas hatte auch ein Feuer gemacht und hatte Lilain die ganze Zeit beobachtete. Die harte Schale schien für einen Moment völlig weg gewesen zu sein und er hatte soviel Verletzlichkeit gesehen, aber als sie seinen Blick bemerkt hatte, hatte sie wieder ihre kühle, ausdruckslose Miene aufgesetzt. Mann, sie schien echt ein Problem mit Männern zu haben.
„Hunger?" fragte er sie.
Sie nickte knapp und er reichte ihr etwas Lembas. Sie aß ein kleines Stück davon.
„Was glotzt du so?!" fragte sie ihn.
„Entschuldige bitte, wenn ich dich ansehe! Mann, Weiber!" maulte er vor sich hin.
Wäre sie nicht so hübsch, würde er ihr mal zeigen, wo's lang geht, aber das würde er sicher noch tun. Lilain verzog nur spöttisch das Gesicht. Warum sollte sie ihm denn vertrauen? Dazu hatte sie keinen Grund. Sie musste erst mal wissen, was er vorhatte. Er fuhr sich durch die kurzen Haare und trank mal einen Schluck Wasser.
„Ich werde heute Nacht Wache halten, ich brauche kaum Schlaf." Meinte er dann und sah sie übers Feuer hinweg an.
„Ich kann auch Wache….nein es ist okay." Meinte sie dann.
Ihr war klar, dass sie Schlaf brauchte. Er nickte. Lilain legte sich mit Gellwen im Arm zurück und drückte die Kleine an sich und schloss auch die Augen. Legolas suchte nach etwas zum Überziehen. Er hatte kalt. Er zog einen Wollpullover über. Er setzte sich neben die beiden und beobachtete sie. Eine kleine Familie wäre schon nicht schlecht. Obwohl er sich sicher war, dass diese Frau wohl nicht die Richtige dafür war. Eine Frau, bei der man sich blaue Flecken einhandelte war eindeutig nicht das Richtige.
Ende Kapitel 4
*******************************************************************************************************
@Eledhwenlin: Das mit den Absätzen geht nicht immer. Manchmal kann man sie einfach nicht kürzer machen, denn sonst geht der Inhalt verloren. Wir haben schon Absätze gemacht, auf Fins Rat hin, so gut's ging.
