Aragorn erwartete Elrond bereits. Er war überrascht Lilain und noch eine Frau bei ihm zu sehen. Aber er hatte nun keine Zeit für Fragen. Er packte Elrond gleich am Arm und zog ihn mit zu Faramir und Eowyn. Ihr Zustand hatte sich in der Nacht wieder sehr verschlechtert. Das Fieber war gestiegen und es war ihm nicht mehr gelungen, es zu senken.
Luvaniel hatte Lilain angesehen und war Elrond und Aragorn hinterher geeilt, auch wenn sie immer wieder alle Türen vor der Nase zugeschlagen bekam, weil der besorgte König ihr kaum seine Aufmerksamkeit schenkte. Sie konnte es ihm nicht verdenken. Er machte sie Sorgen um einen Freund. Und hätte sie nicht geglaubt, dass sie in irgendeiner Weise helfen konnte, wäre sie zu allererst zu ihrem Sohn geeilt. Aber es gab nun Dinge, die im Moment wichtiger erschienen.
Aragorn stieß die Tür zu Faramirs und Eowyns Zimmer auf und führte Elrond zu ihnen. Er hatte die Heilerinnen dazu angehalten, die beiden in Eis zu packen um das Fieber zu senken. Keine Kräuter, kein Handauflegen, kein Aderlass hatte zu einer Besserung geführt und so langsam glaubte Aragorn er würde die beiden verlieren.
Auf dem Weg zu den beiden hatte er Elrond knapp erzählt, was geschehen war und Luvaniel hatte stumm zugehört. Dann war sie stehen geblieben und zurück in die Halle geeilt. Sie musste Lilain finden. Sie ging davon aus, dass das eine Krankheit war, die nur sie würde heilen können.
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Lilain war gleich nachdem sie angekommen war zu Legolas geeilt. Sie war etwas erstaunt ihn im Bett vorzufinden. Noch dazu schlafend. Er sah etwas blass und müde aus. Er musste viel mitgemacht haben und sie setzte sich mit nicht ganz sorgenfreier Miene neben ihn und streichelte sanft durch sein Haar. Sie überrascht als sie ihn Arwens Namen flüstern hörte und ihre Brust zog sich fast schmerzlich zusammen. War da etwa etwas zwischen ihm und der hübschen Königin? Sie konnte es sich nur schwer vorstellen. Aber warum sollte er sonst ihren Namen flüstern.
Erschrocken fuhr sie zusammen als die Tür wieder aufging und sie die Stimme der Königin vernahm.
"Ich hab dir Tee und etwas zum Essen mitgebracht, Le---- Oh hallo Lilain. Wann
bist du denn zurückgekommen?" unterbrach sie sich dann und stellte das Tablett
neben Legolas Bett ab.
„Gerade eben" murmelte Lilain leise und stand auf, verschränkte die Arme vor der Brust.
Ihre ganze heile Welt schien zusammenzustürzen. Ihre ganze Freude auf ein Wiedersehen mit ihrem Schatz war ihr vergangen. Er hatte sie längst einen Ersatz gesucht. Wie hatte sie auch davon ausgehen können, dass er sie jemals so lieben könnte, dass er sein Leben nur mit ihr verbringen wollte?
Arwen lächelte. „Das ist gut. Bist du mit meinem Vater gekommen?"
Lilain nickte knapp. „Ja das bin ich. Und mit seiner Mutter!"
Arwen sah sie verdutzt an. „Mit seiner Mutter? Das ist sehr gut. Sehr gut. Er hat sich bei der Schlacht verletzt und weil er niemanden beunruhigen wollte, hat er es erst später gesagt. Die Wunde hatte sich leicht entzündet und er hat die letzte Nacht etwas unruhig geschlafen. Gut, dass du da bist. Er hat sehr oft nach die gefragt!"
Lilain nickte nur. Nachdem, was sie da gerade beobachtet hatte, erschien ihr das lächerlich. Arwen sah sie wieder an und drückte sie mal.
„Setz dich zu ihm. Ich werde mich um die Kinder kümmern. Ich fürchte sie sind schön böse auf mich, weil ich die ganze Zeit nicht für sie da war. Gilwen ist das Kindermädchen leid!" meinte sie lächelnd und ließ Lilain mit Legolas allein.
Schweigend saß sie neben ihn und beobachtete ihn. Nach einer Weile hob sie die Decke an und besah sich die Wunde. Sie war nicht tief und wenn man sie rechtzeitig behandelt hätte, wäre sie auch sicher nicht gefährlich gewesen. Aber sie konnte deutlich sehen, dass sie sich entzündet hatte und das verwirrte sie. Immerhin war er ein Elb, das sollte ihm also alles eigentlich nichts anhaben und dennoch lag er hier im Bett, kalkweiß und mit schweißnasser Stirn. So viele verwirrende Dinge geschahen im Land seit die neue Bedrohung aus Mordor aufgetaucht war. Sie begann sich zu fragen, ob das ganze vielleicht etwas mit den Steinen zu tun hatte.
Legolas keuchte leise auf, seine Lider flatterten und er öffnete langsam die Augen.
„Lilain" wisperte er nach einer Weile leise. „Bist du hier?"
Sie nickte. „Ja, ich bin hier!" meinte sie dann leise und ergriff seine Hand, die er nach ihr ausstreckte. „Ich bin hier!" wisperte sie noch mal leise.
Ein Lächeln huschte über sein Gesicht und er drückte ihre Hand. Sie erschrak fast. Er schien kaum Kraft zu haben. Sie bekam es mit der Angst zu tun. Was, wenn er auch dieses Fieber bekam? Panik ergriff sie.
Sie versuchte es sich nicht anmerken zu lassen. „Was machst du nur für Sachen?" wisperte sie leise und streichelte sanft über seine Wange.
Vergessen war all das, was gerade noch durch ihren Kopf gegeistert war. Sie liebte ihn so schrecklich sehr, dass allein der Gedanke ihn jemals verlieren zu können ihr entsetzliche Angst einjagte.
„Ich wollte ihnen keinen Angst machen" Seine Stimme war kaum zu hören.
Sie strich über seine Wange. „Du Dummerchen." Wisperte sie leise. « Was, wenn dir was passiert wäre? Was soll denn dann aus mir werden?"
Es fiel ihr schwer nicht zu weinen. Sie hatte solche Angst.
Er lächelte wieder. „Jetzt bist du ja wieder da. Jetzt geht's mir wieder gut!"
Sie küsste ihn sanft, konnte die Tränen nicht mehr zurückhalten.
Legolas erwiderte den Kuss. Diese sanfte, zärtliche Berührung gab ihm neue Kraft und erfüllte sein tiefstes, inneres Selbst mit neuem Leben. Er hatte das Gefühl in einen Strudel gezogen worden zu sein und dieser zarte Kuss riss ihn mit einer Macht zurück ins Leben, dass es ihm schwindelig wurde und er bewusstlos in die Kissen zurück sank.
Lilain erschrak. „Legolas?" wisperte sie voller Panik als sie für einen Moment kein Lebenszeichen von ihm bekam.
Dann riss er die Augen auf und sah sie an.
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Elrond besah sich Eowyn und Faramir. Er legte ihnen nacheinander die Hand auf, aber keine seiner Methoden zeigte auch nur den geringsten Erfolg. Sorgenvoll sah er Aragorn an.
„Es tut mir leid" meinte er dann sehr ruhig. „Aber ich fürchte, dass selbst ich hier mit meiner Kunst nichts ausrichten kann."
Aragorn senkte resigniert den Kopf. Dann gab es also keine Hoffnung mehr für die beiden.
Elrond sah die beiden blassen Gestalten an. „Ich kann keine Krankheit erkennen. Seine Wunden sind sehr gut verheilt und soweit ich das sehen kann, war Eowyn nie verletzt, zumindest nicht in letzter Zeit. Ich kann es mir nicht erklären!"
Aragorn sah ihn wieder an. „Dann sind sie verloren?"
Elrond sah ihn an. „Vielleicht noch nicht. Gehen wir zu Luvaniel. Ich hab da einen Verdacht!"
Aragorn nickte und folgte Elrond zurück in den Palast. Müde raufte er sich die Haare. Er hatte seit Tagen kein Bett mehr gesehen, geschweige denn eine Dusche, seine Frau oder seine Kinder. Erschreckt musste er feststellen, dass er einen großen Teil von Arwens Schwangerschaft vollkommen verpasst hatte und er nicht einmal mehr sagen konnte, wann es nun so weit sein würde. Es schien ihm, als habe er jeglichen Bezug zu seiner Familie verloren. Er scheute sich in einen der vielen Spiegel zu sehen, weil er fürchtete sich selbst kaum noch wiederzuerkennen. Er sah sicherlich schrecklich aus. Sein Bart musste ein einziges Durcheinander sein. Er hatte ihn seit Tagen nicht mehr gestutzt.
Erst als er nun den Saal wieder betrat, stellte er fest, dass die Frau, die Elrond mitgebracht hatte auch eine Elbe war und dass die beiden sich offensichtlich sehr nahe standen. Er konnte es ihm auch nicht verübeln. Er fragte sich sowieso sehr oft, wie Elrond es geschafft hatte eine so lange Zeit ohne seine Frau zu leben.
Und dennoch war da etwas in Elronds Stimme, das ihn stutzig machte, als der Elb ihm die Elbin vorstellte.
„Das ist Luvaniel. Legolas Mutter!"
Augenblicklich hatte Aragorn das Gefühl, dass hinter diesem einfachen Satz mehr steckte, als sein Schwiegervater ihm im Moment bereit war zu sagen. Und wenn er ehrlich war, verspürte er im Moment auch nicht die Lust nachzufragen. Zu erschöpft war er.
Er begrüßte die Elbe mit einem freundlichen „Mae govannen" und bot ihnen beiden einen Platz an.
„Was ist das für ein Verdacht?" fragte Aragorn Elrond dann.
Elrond rieb sich das Kinn und begann zu erzählen.
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Arwen war zu den Kindern gegangen. Sie hatte wieder alle Mühe Gilwen einigermaßen zu vertrösten, weil ihr Vater noch immer nicht da war. Sie vermisste ihren Mann ja auch sehr. Vor allem jetzt. Das Kind in ihrem Bauch war schon sehr aktiv und es wuchs und gedieh. Es machte sie traurig, dass er noch nicht die Zeit gehabt hatte, sanft über ihren Bauch zu streicheln, wenn ihr Kind sich bewegte, so wie er das bei den Mädchen immer gemacht hatte. Sie musste mit einigen Dingen zurückstecken. Aber sie verstand auch seine Sorge, auch wenn es ihr sehr schwer fiel.
Sie machte sich auch etwas Sorgen um Melyanna. Ihre Große redete normalerweise nie viel, aber in letzter Zeit war sie noch stiller geworden und sie hatte das Gefühl, dass auch sie in letzter Zeit nicht genug für ihre Kinder da gewesen war. Ein Umstand, den sie immer hatte vermeiden wollen.
Gellwen sah sie mit großen Augen an. Sie hatte gehört, dass jemand gekommen war. Arwen lächelte als sie sie ansah.
„Lilain ist wieder da" meinte sie lächelnd und dann war Gellwen nicht mehr zu halten. Sie nahm die kleinen Beinchen in die Hand und rannte in Legolas Zimmer.
„Lilain" rief sie freudig und rannte zum Bett. „Warum weinst du denn?" fragte sie ängstlich.
Lilain lächelte und wischte sie sich weg. „Hallo Kleines, wie geht's dir denn?" fragte sie und drückte sie sanft an sich.
„Gut" meinte Gellwen, nicht ganz so glücklich, weil sie ihr nicht sagen wollte, was sie hatte.
Sie sah Legolas an und dann auf den Nachttisch. „Oh Schokobrötchen!" rief sie freudig.
Legolas lächelte matt und setzte sich etwas auf. „Nimm es dir nur Kleines!"
Er konnte sich noch immer nicht erklären, was da gerade mit ihm geschehen war. Bevor sie gekommen war, hatte er sich wie in einem Käfig gefühlt. Er war unfähig gewesen sich zu bewegen. Es war ganz so als wäre er nicht mehr Herr über seinen Körper gewesen. Es hatte sich manchmal so angefühlt als wolle ihn jemand aus seinem Körper vertreiben und er war sich sicher, wenn sie nicht gekommen wäre, wäre es demjenigen auch gelungen ihn zu vertreiben.
Arwens fürsorgliche Pflege war einfach nichts im Vergleich zu der sanften Zärtlichkeit seiner Geliebten. Und dennoch war es Arwen gelungen ihn lange genug zu halten. Die Sicherheit, dass das jemand anderem nicht gelungen wäre, erschreckte ihn. Er hatte mehr denn je das Gefühl, dass ihn mehr mit Arwen verband als er bisher wusste.
Gellwen strahlte und griff mal nach dem Brötchen.
„Schau mal, Lilain. Mein blauer Glücksstein leuchtet!"
Ende Kapitel 27
