Es war ein befremdliches Gefühl. Sie wusste nicht wie lange sie schon durch dieses Labyrinth irrte. Es schien sich tief unter der Erde zu befinden, zumindest hatte sie bisher die Sonne nicht gesehen. Nicht einmal ein Fenster hatte sie gefunden. Angst hatte sie beschlichen, sich aber schnell wieder gelegt. Zumindest hatte sich das Gefühl so weit in den Hintergrund ihrer Wahrnehmung verkrümelt, dass sie es kaum noch wahr nahm. Das letzte an was sie sich explizit erinnern konnte, waren die Häuser der Heilung in Minas Tirith und die Tatsache, dass sie dort schon einmal gelegen hatte. Aber warum war sie dieses Mal dort gewesen?
Sie konnte sich kaum daran erinnern. Das erste, was ihr hier aufgefallen war, war, dass sie sich in vollkommener Dunkelheit befand. Sie war mehrmals gegen Wände, Türen oder was auch immer gelaufen. Sie war sich nicht sicher, ob das, was sie da fühlte, wirklich existierte oder ob dies nur Gebilde ihres langsam aussetzenden Verstandes waren.
Sie empfand es als sehr befremdlich, dass sie trotz der Dunkelheit sehr, sehr warm hatte. Sie hatte sich bisher vergebens nach einer Wärmequelle umgesehen. Woher kam dann aber die Hitze und Wärme in ihrem Innern?
Frustriert sank sie auf die Knie. Heiße Tränen liefen über ihr Gesicht. Sie fühlte sich einsam und so verlassen. Irgendwas oder irgendjemand fehlten ihr. Aber wer oder was? Und wo war er oder es? Sie schlang die Arme um ihren Körper und zog die Knie an. Da war sie wieder, die Angst. Verdrängte alle anderen Wahrnehmungen und machte sich in ihrem Körper breit, lähmte sie und nahm ihr die Luft zum Atmen.
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Eine Heilerin schreckte auf. „Ruft den König" rief sie der zweiten zu und eilte zu Eowyn. „Sie atmet nicht mehr!"
Die zweite Heilerin rannte los zu den Gemächern des Königs.
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Lange schon irrte er suchend umher. Die Umgebung irritierte ihn nicht mehr ganz so schlimm wie am Anfang. Er hatte gelernt sich darin zurechtzufinden. Er hatte auch festgestellt, dass viele der Umgebungen aus seiner eigenen Angst erwuchsen und das machte es ihm etwas leichter sich zurechtzufinden.
Er hatte außerdem herausgefunden, dass sein Körper fiebrig danieder lag und dass der König versuchte ihn zu heilen, was ihm bisher nicht gelungen war. Er wusste aber auch, dass seine geliebte Frau sich in einem ähnlichen Zustand befand und wenn er sich nicht ganz irrte, dann musste er sie hier auch irgendwo finden. Gefangen in einem Gebilde, gestrickt aus ihren eigenen Ängsten. Er musste nur den Weg zu ihren gemeinsamen Ängsten finden. Und das stellte sich als nicht sehr einfach heraus. Aber er musste sie einfach finden. Er musste ihr helfen.
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Die Heilerin stürmte in die königlichen Gemächer.
„Herr? Wo seid Ihr? Lady Eowyn, sie atmet nicht mehr!"
Aragorn kam aus dem Badezimmer, bekleidet mit einem Handtuch,
„Verzeiht" wisperte die Heilerin beschämt. „Aber wir brauchen Eure Hilfe!"
Seufzend nickte Aragorn. Er ging zurück ins Bad, küsste seine Liebsten, zog sich einen Bademantel über und eilte mit der Heilerin in die Häuser der Heilung.
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Sie kauerte sich in eine Ecke. Was war das? Es war dunkler geworden und es stank entsetzlich. Sie zog die Knie noch enger an ihren Körper. Wie sehr sie Schatten hasste. Sie hasste sie so sehr und sie fürchtete sich entsetzlich vor ihnen. Irgendetwas kam auf sie zu und sie wusste, dass sie danach nicht gesucht hatte. Ihre Zähne klapperten vor Angst und kalter Schweiß rann über ihren Rücken.
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Aragorn kniete neben Eowyns Bett nieder. Er konnte keine Atmung feststellen. Als er sie beatmen wollte, stellte er jedoch fest, dass sie schwitzte und dass ihre Zähne klapperten. Er sah die Heilerinnen an.
„Schickt nach Lilain, Lord Elrond und Luvaniel. Beeilt euch!"
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Arwen war mit ihren Töchtern aus der Wanne gestiegen. Gilwen hatte leise angefangen zu meckern, sich schlussendlich aber doch in ihr Schicksal gefügt. Melyanna bereitete Arwen mehr Sorgen. Sie war sehr, sehr still ihre Große. Sanft streichelte sie ihr über die Wange.
„Träumst du wieder schlecht, mein Liebes?"
Melyanna sah zu Boden und rubbelte sich trocken. Arwen strich ihr durchs Haar, zog sie sanft an sich und rubbelte sie liebevoll trocken.
„Was auch immer es ist, mein kleiner Stern, du kannst es mir sagen!"
Melyanna schmiegte sich an ihre Mutter und nickte, ehe sie ihr unter Tränen erzählte, was sie seit Nächten quälte.
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Luvaniel wurde jäh aus ihrem Gespräch mit Legolas gerissen als Elrond die Tür aufriss.
„Ich störe euch nur ungern, Melisse" rief Elrond aufgeregt. „Aber es eilt. Eowyn hat aufgehört zu atmen und Aragorn braucht Hilfe!"
Die Heilerin hatte ihn und Lilain kurz zuvor auf dem Flur entdeckt und ihnen aufgeregt berichtet, was geschehen war.
Verstört sah Legolas seine Mutter an und dann Elrond. „Melisse?"
„Entschuldige, mein Schatz. Ich erkläre dir das alles später!" rief Luvaniel ihm im Davoneilen zu.
Gellwen kam zu ihm ins Bett gekrabbelt und lehnte sich an ihn. „Da sind sie weg!"
Legolas nickte. Ja, das waren sie. Und nun hatte er noch mehr Fragen, als vorher.
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Lilain folgte Elrond und Luvaniel. Sie hasste es, ihn so zurückzulassen. Aber im Moment mussten sie sich beeilen. Da war keine Zeit für Erklärungen. Auch, wenn sie wusste, dass es einiger Erklärungen bedurfte. Sie hatte sich auf den Flur lange mit Elrond unterhalten und er hatte ihr einiges erzählt, was Legolas sicher noch nicht wusste. Es würde ihn sicher auch ein Stück weit erschüttern. Aber für solche Erklärungen war einfach keine Zeit.
Sie drückte die Steine an sich und eilte in Eowyns Zimmer.
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Sie hatte das Gefühl, als würden Schwingen ihr Gesicht streifen. Ihr wurde kalt und sie schrie angstvoll auf, riss die Augen auf. Die Gestalt vor ihr schien ein Pferd zu sein. Und das Pferd war nicht alleine.
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Just in diesem Moment betrag Lilain mit Luvaniel und Elrond den Raum. Die Steine glühten auf und Eowyn sank zurück in die Kissen, holte tief und pfeifend Luft.
Elrond eilte zu ihr und legte eine Hand auf ihre Stirn.
„Das Fieber ist etwas gesunken!" murmelte er. „Wir sollten die Steine hier lassen."
Er sah nach Faramir und nickte. „Die Steine helfen ihnen. Aber wir brauchen auch den letzten Stein noch!"
Lilain nickte. „Das habe ich auch gesehen!"
Elrond sah sie an und Luvaniel nickte. „Die Steinen haben ihrem Wächter gesagt, was zu tun ist. Das war zu erwarten. Die Steine werden dich zu dem letzten fehlenden Stein führen, Lilain. Aber du solltest nicht allein gehen!"
Aragorn nickte. „Das wäre nicht sehr ratsam. Ich werde dich begleiten!"
Elrond nickte ebenfalls „Und auch ich werde mit dir gehen!"
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In dem Moment, in dem die Steine aufglühten, war die Pferdegestalt verschwunden und noch etwas war geschehen. Sie hatte Menschen um sich herum gesehen. Gesichter, bekannte Gesichter. Und sie hatte eine vertraute Person in ihrer Nähe gespürt.
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Faramir blinzelte. Er hatte sie gesehen, da war er sich sicher. Er hatte sie gesehen und er war sich sicher, dass sie ihn auch gefühlt hatte. Er eilte weiter, rief sie bei ihrem Namen. Er wusste, dass sie nicht weit sein konnte. Dazu hatte er sie zu sehr in seiner Nähe gespürt.
Wovor hatte sie wohl am meisten Angst?
Er überlegte eine Weile.
Vor was hatte er am meisten Angst?
Es dauerte nicht lange diese Frage zu beantworten. Und dieser Angst war er auch schon begegnet. Zitternd atmete er ein. Er musste sich dieser Angst wohl ein weiteres Mal stellen, wenn er sie finden wollte.
Er fasste all seinen Mut zusammen und machte sich auf den Weg dorthin.
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Lilain sah Elrond und Aragorn an. „Wir müssen uns beeilen. Es bleibt uns nicht viel Zeit!"
Die beiden Männer nickten.
Luvaniel hatte sich neben Eowyn gekniet und ihr eine Hand auf die Stirn gelegt. Kleine Fältchen bildeten sich auf ihrer Stirn. Elrond sah sie an.
„Was spürst du?"
„Sie ist gefangen!"
„Gefangen?" fragte Aragorn.
„Gefangen in ihrer Angst. In Dunkelheit und Einsamkeit. Sie findet den Weg nicht zurück!"
Lilain nickte. „Das macht Sinn. Als ich zu Legolas kam, ging es ihm auch nicht gut. Er sagte, ich hätte ihn gerettet, ihn zurückgeholt. Ich war sein Wegweiser. Sonst würde es ihm vielleicht genauso gehen, wie den beiden."
Aragorn sah sie alle an. „Und die beiden haben zur Zeit keinen Wegweiser, keinen der zu ihrem Innersten durchdringt. Das können nur die Steine!"
Luvaniel nickte. „Das können nur die Steine!"
Elrond sah sie an und dann Aragorn. „Stell einen kleinen Trupp zusammen. Wir sollten sobald wie möglich aufbrechen!"
Dann sah er Lilain an. „Ich… was Legolas tun wird, solltet ihr gemeinsam entscheiden!"
Lilain nickte. „Das…."
„Ich komme mit!" kam es von der Tür. „Ich werde mit euch mitkommen!"
Er wollte nicht schon wieder von Lilain getrennt werden.
Elrond nickte. „Na gut, dann solltest du noch etwas schlafen damit du fit bist, wenn wir im Morgengrauen aufbrechen. Im Übrigen sollten wir das alle tun!"
Legolas sah ihn an und dann seine Mutter. Da waren so viele Fragen, so viele, dass ihm fast der Schädel platzte. Aber an ihren Gesichtern sah er, dass jetzt nicht der richtige Zeitpunkt dafür war. Stattdessen nickte er.
Lilain nahm seine Hand und ging mit ihm zurück in seine Gemächer. „Leg dich hin, mein Schatz. Ich bin gleich bei dir!"
Er nickte und legte sich ins Bett. Gellwen schmiegte sich an ihn. Lilain kam, nachdem sie sich gewaschen hatte, auch zu ihnen und legte sich zu ihnen.
„Ich liebe dich mein Schatz!"
„Ich dich auch!"
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Aragorn gab den Heilerinnen noch ein paar Anweisungen, stellte dann eine 15 köpfige Truppe zusammen und eilte zu seiner Frau und seinen Kindern.
Arwen hatte die Mädchen bereits ins Bett gebracht. Ins Ehebett. Aragorn sah sie an.
„Was ist los?"
„Sie träumt wieder!" wisperte Arwen leise und mit belegter Stimme.
Das alles war ihr auf den Magen geschlagen und ihr und dem Baby ging es gerade auch nicht sehr gut.
Aragorn nahm sie in den Arm. „Oh Schatz!"
Sie weinte leise. Er wiegte sie sanft und ließ sie erzählen.
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„Eowyn!" rief er durch das Dunkel.
Wo war sie denn nur? Er fühlte ihre Nähe. Er wusste, dass sie hier irgendwo war. Er rief noch mal nach ihr.
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Sie hörte jemanden rufen.
Einen Namen.
Ihren Namen.
Ein Bild tauchte vor ihrem inneren Auge auf.
„Faramir!" rief sie leise
und noch mal etwas lauter…..
Ende Kapitel 29
