Aragorn hielt Arwen noch immer fest. Er hatte sich mit ihr aufs Bett gesetzt und legte eine Hand auf ihren Bauch. Ihre innere Unruhe war nun noch deutlicher zu spüren, auch wie sehr es bis zu ihrem Baby durchkam.
Er hasste es, wenn Melyanna so etwas träumte, weil sie noch ein kleines Mädchen war und doch mit all dem nichts zu tun hatte. Die Dinge, die sie träumte waren Dinge, die sie nicht verstehen konnte, Dinge, die ihr einfach nur Angst machten.
Sie hatten sie zwar zum Schlafen bekommen, aber das bedeutet nicht, dass sie schlafen würde. Sie würde träumen und sie würde immer wieder dasselbe träumen und sehen, jede Nacht.
Arwen hatte ihm erzählt, dass sie eine düstere furchteinflössende Festung in ihrem Traum gesehen hatte, mit vielen verworrenen Gängen ohne Ausweg. Und dann hatte sie diesen Stein gesehen, dunkel und schwarz. Und er hatte dunkel aufgeleuchtet, schwarzes Licht verbreitet. Dann hatte seine kleine Tochter nur noch Zerstörung gesehen, den Tod.
Aragorn sah Arwen an und streichelte noch etwas ihren Bauch.
„Was tun wir nun? Das war doch sicher wieder eine Vorahnung."
Aragorn nickte. „Das war es mit Sicherheit."
Seine Stimme war leiser als sonst. Arwen wusste, er machte sich mehr als nur ein paar Sorgen. Und sie wusste auch, dass sie nicht viel tun konnte.
Aragorn strich sich über den Bart und seufzte. Er versuchte das Baby etwas zu beruhigen, was ihm schließlich auch gelang.
Er sah Arwen an, sie erwiderte seinen Blick.
Langsam stand sie auf und ging wieder rüber in Melyannas Zimmer, setzte sich ans Bett ihrer Tochter und streichelte zärtlich durch ihr Haar.
„Wo könnte diese Festung sein?"
„Ich bin mir nicht sicher."
Sie sah auf als er ihr entgegenkam.
„Es klingt sehr nach einer unterirdischen Festung. Es gibt nicht mehr viele unterirdische Festungen in Mittelerde. Zumindest nicht mehr viele, deren Bewohner uns feindlich gesinnt sind!"
Langsam nickte er. Diese Frage beschäftigte ihn auch schon eine ganze Weile.
Er kratzte sich am Kopf. Die Beschreibung sagte ihm nicht sehr viel.
„Ich dachte die Steine würden uns führen. Aber was passiert, wenn wir die Steine mitnehmen? Was wird dann aus Faramir und Eowyn? Es ging ihr erst besser als Lilain die Steine ins Zimmer gebracht hat. Wir können sie also nicht mitnehmen. Das ist unmöglich."
Arwen sah auf.
„Die Gefahr die Steine zu verlieren wäre auch zu groß" meinte er dann leise und bedächtig. „Ich werde die anderen wieder zusammenrufen. Vielleicht weiß dein Vater etwas mit der Beschreibung anzufangen."
Sanft strich er seiner kleinen Tochter durchs Haar.
„Ich werde dafür sorgen, dass deine Nächte ruhiger werden, mein kleiner Engel. Ich werde dafür sorgen, dass du den Schlaf bekommst, den du brauchst."
Sanft küsste er sie auf die Stirn und wand sich zum Gehen. Er wusste, dass er Arwen jetzt besser nicht in den Arm nahm. Sie würde wieder weinen und das würde ihrem noch ungeborenen Kind schaden. Er war froh, dass es sich beruhigt hatte und nun im Bauch seiner Mutter etwas ruhte. Er verließ die Gemächer und rief die anderen zusammen.
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Sie traute sich kaum sich weiterzubewegen. Das wärmende Gefühl in ihrer Nähe war wieder verschwunden und es war noch dunkler als zuvor. Sie war sich sicher, dass sie Faramir ihren Namen rufen gehört hatte. Oder litt sie vielleicht schon an Wahnvorstellungen? Ihr Körper zitterte unkontrolliert.
Sie spürte die Kälte wieder.
Das Geräusch von Schwingen im Wind.
Es kam wieder zurück.
Panik lähmte ihren Körper und sie versank wieder im Nichts.
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Er hatte sie wieder verloren. Heiße Tränen stiegen ihm in die Augen. Wenn ihr Körper genauso schwach war wie sein eigener, dann war sie ernsthaft in Gefahr. Und wenn ihr Geist genauso gefangen war in seiner Angst wie es sein eigener bis vor kurzem gewesen war, dann würde er sie vielleicht nie wieder sehen.
Die Wärme, die ihn noch bis vor Minuten umgeben hatte, hatte sich in Nichts aufgelöst und es wurde immer kälter.
Der Ursprung seiner größten Angst kam immer näher und er war fast am Verzweifeln, wollte schon aufgeben. Allein der Gedanke, dass er sie dadurch verlieren könnte, ließ ihn weitergehen. Hätte er doch nur etwas mehr Wärme und Licht, hätte ihm das etwas mehr Zuversicht gegeben.
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Die Heilerin war sofort wieder alarmiert und schickte wieder nach dem König. Der Bote traf den König in der großen Halle bei einer Besprechung mit Herrn Elrond, Luvaniel, Lilain und Legolas an.
Er wollte gerade Elrond in die Träume seiner Tochter einweihen als er unterbrochen wurde. Sie zögerten allesamt nicht eine Sekunde und eilten wieder in die Häuser der Heilung.
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Hoffnung keimte in ihm auf. Es wurde wieder heller und etwas wärmer. Wieder rief er ihren Namen.
Sie horchte auf. Es war ihr nicht mehr ganz so kalt und wieder hatte sie das Gefühl, es würde sie jemand rufen. Vorsichtig wagte sie es aufzustehen und sich etwas vorzuwagen.
„Faramir?" wisperte sie mit zittriger Stimme.
Er wagte sich weiter vor, rief sie immer und immer wieder. Sie musste doch hier irgendwo sein.
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„Das verstehe ich nicht, Herr" seufzte eine Heilerin. „Als ich nach Euch schicken ließ, hatte ihre Atmung wieder ausgesetzt und sie zitterte am ganzen Leib."
Ratlos sah sie ihren König an, der das Ganze selbst nicht so recht zu deuten wusste und seinerseits Elrond ratlos ansah.
Elrond kratzte sich am Kinn. „Lilain?"
Sie sah auf. „Ja?" fragte sie noch etwas abwesend. Sie war vollkommen in Gedanken versunken gewesen.
„Würdest du bitte das Zimmer verlassen und wieder kommen, wenn ich dich rufen lasse?"
Sie nickte. „Natürlich!"
Zusammen mit Legolas verließ sie das Zimmer.
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Erschrocken fuhr sie zusammen. Die namenlose Kälte schoss wieder in ihre Glieder. Ihr Körper zitterte wieder unkontrollierte. Ihre Beine versagten ihr den Dienst und sie sank in eine Ecke.
Das Geräusch der Schwingen im Wind kam wieder näher.
Panik schnürte ihre Kehle zu …
…. Und wieder versank sie im Nichts.
Faramir seufzte verzweifelt auf. Er hatte sie doch fast schon erreicht.
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Die Heilerin sah den dunkelhaarigen Elben ungläubig an.
Dieser nickte nur und sah Luvaniel an. „Es sind die Steine. Sobald die Steine weg sind, geht es ihnen deutlich schlechter. Es scheint so als würden die Steine sie vor tieferer Dunkelheit schützen."
Luvaniel nickte.
Aragorn sah Elrond an. „Das bestätigt mein Gefühl" meinte er. „Ich hab mich vorhin mit Arwen unterhalten. Ich habe mich gefragt, was passiert, wenn wir die Steine mitnehmen. Ich denke, jetzt kenn ich die Antwort. Die beiden würden nicht mehr lange überleben."
Elrond nickte. „Lasst Lilain wieder herein rufen!"
Die Heilerin nickte und leistete seiner Anweisung folge.
Elrond erklärte Legolas und Lilain kurz, was sie festgestellt hatten.
Eine Weile schwiegen alle.
„Aber wie finden wir dann den 5. Stein?" fragte Lilain schließlich. „Ohne die anderen Steine weiß ich nicht, wo ich nach ihm suchen soll!"
Ein tiefes Seufzen entrang sich der Kehle Aragorns. „Ich denke, die Träume meiner Tochter geben uns darüber Aufschluss!"
Es herrschte betroffenes Schweigen.
„In ihren Träumen hat sie eine Festung unter einem Berg gesehen. Verwundene Treppen und Gänge. Rauch der in den Himmel steigt und eine Menge Schnee. Ich bin mir nicht sicher, wo sich diese Festung befindet. Ich gehe allerdings davon aus, dass sie sich nicht in Gebieten befindet, deren Bewohner uns freundlich gesinnt sind!"
Wieder herrschte eine Weile Schweigen bis schließlich Luvaniel das Wort ergriff.
„Es konnte die alte Festung von Angmar sein!"
Ende Kapitel 30
