Wie eine Blume aus Eis, wild und stark, inmitten des Sturms ein Hauch von Schönheit...
Er hielt inne und sein Blick wanderte unwillkürlich zurück zu den Häusern, Steinhäuser, die wohl tröstend wirken sollten, und doch.. kalte Häuser, die eine kalte Blume schützten.
Langsam ging er weiter, Schritt fuer Schritt die Stufen hinauf, die ihn auf die östliche Stadtmauer bringen würde.
Denn im Osten liegen Hoffnung und Verderben gleichermassen.
Dunkle Wolken hingen über der so gefürchteten Grenze zu den schwarzen Landen Mordors, Wolken hingen über den Bergen, die nicht länger Schutz bieten würden vor den Orkhorden, die bereits jetzt ungehindert durch das Land zogen.
Er wandte sich halb ab, um seine Augen vor dem Wind zu schützen, der hier oben in voller Macht blies, senkte den Blick, um beinahe verwundert auf seine eigenen Hände zu blicken. Die Verletzungen waren nahezu verheilt, nur kleine Blessuren, die zur Bedeutungslosigkeit verkamen, verglichen mit dem Schatten, durch den er gewandert war.
Es waren die Hände eines Kriegers, trugen die deutlichen Zeichen eines Mannes, dem das Schwert nicht fremd war, trugen die Zeichen ungezählter Schlachten, und vielleicht würde es noch eine weitere geben, die ihre Schatten schon jetzt warf..
Eher als er es wünschte - und stets kam die Schlacht zu früh - wuerden diese Hände vielleicht ein weiteres Mal diese Stadt verteidigen, wenn der letzte Schlag der Schicksalsglocke die Welt der Menschen in letztem, tödlichen Schlage zerstören würde.
Vielleicht würde er lange genug leben, um das Ende zu sehen.
Er hob den Blick, sah zu der östlichen Wand der Häuser der Heilung und fragte sich, durch welches dieser Fenster sie wohl gen Osten spähen wuerde, wie eine unerklärliche Stimme ihm zuflüsterte, dass sie es tun würde. Er konnte sie nicht sehen von dort wo er stand, und doch versuchte er es.
Immer noch sind wir in Schatten...
Wieder und wieder echoten ihre Worte ihn seinen Ohren, jeder Satz tanzte durch seinen Geist, als er still dastand, nur den Wind zur Gesellschaft. Er erinnerte sich an ihre Augen wie an nichts sonst, an ihre Augen und den Ausdruck, der darin stand, und der ebensogut sein eigener hätte sein koennten.
Denn beide hatten sie längst aufgehört, zu leben.
Wie nebenbei fragte er sich, welchen Eindruck er wohl auf sie gemacht haben könnte. Soweit er es sagen konnte, stand seine Fassade, seine Haltung war dieselbe wie stets, derselbe Ausdruck von etwas, von dem er hoffte, dass es etwas wie Ruhe oder gar Freundlichkeit war, denn es war nicht seine Art, sich über jene zu stellen, die ihm deutlich nicht überlegen waren.
Und doch hatte nichts so wie ein Lächeln geschmerzt.
Doch er hatte gelächelt, in ihrer Gegenwart. Und doch hatte er etwas gespürt, in ihrer Gegenwart.
Du bist zu empfindlich, und du denkst zu viel..
Worte eines Bruders, in geschwisterlicher Liebe gesprochen, und jetzt noch wertvoller, wo der entsprechende Bruder lange schon fort war. Und doch hatte er aufgehört, zu spüren, in dem Augenblick, in dem sein Vater ihm nichts als den Tod gewünscht hatte, hatte alles durch die herrliche Leere des sicheren Todes ersetzt. Doch wie süß war es gewesen, für einen Augenblick nur.. zu fühlen...
Auch wenn es nur das Mitleid für eine junge Dame gewesen sein mochte, für einen schönen Vogel in einem Kaefig, der nichts ersehnte als seine Flügel zu weiten und zurückzukehren dorthin, wohin er gehörte.. so kühl, so traurig...
Auch wenn dieses Mitleid schmerzte
Der Mann, der bald der Truchsess von Gondor sein würde, drehte der drohenden Dunkelheit den Ruecken und stieg die Stufen wieder hinunter in den Garten. Mit weitausgreifenden Schritten ging er zwischen Bäumen und Blumen hindurch, versuchte, nicht zu den Häusern zu sehen und scheiterte meist. Er hatte Fragen.
Und er hatte es niemals verstanden, Fragen ohne Antworten zu tolerieren.
Denn vielleicht, solange es noch eine Sonne gibt, vielleicht lohnt es die Hoffnung..
