Kapitel 2
Nur schwach nahm Manadhil wahr, wie er durch den Wald getragen wurde. Nach einer Ewigkeit, wie es ihm schien, brachen sie durch das Gestrüpp des äußeren Waldsaums und fanden sich auf ebenem Gelände wieder. Erschöpft warfen sich die nun stark dezimierten Orks in eine Mulde und blieben sitzen. Der Ork, der noch immer Manadhil auf dem Rücken hatte, nahm diesen herunter und ließ ihn hart auf den Boden fallen. Manadhil bemerkte seine Chance und versuchte aus der Reichweite des Orks zu kommen. Doch dieser war noch nicht so müde, dass er Manadhils Versuch übersehen hätte und ließ sich auf den Elben fallen.
Scharf sog Manadhil die Luft ein, als er das Gewicht des Orks auf sich spürte. Er kämpfte gegen eine Ohnmacht an und es gelang ihm auch einigermaßen, das Bewusstsein zu behalten. Der Ork drehte ihn auf den Rücken und fesselte ihn. Manadhil war zu schwach, sich auch nur im geringsten zu wehren. Zu viel Blut hatte er durch seine Wunde verloren.
Der Ork schien zu merken, dass der Elb verbluten würde, wenn sich niemand um seine Wunde kümmerte. Mit einem Grunzen kniete er sich neben Manadhil und zückte sein Messer. Manadhil versuchte, sich vor der langsam näherkommenden Klinge zurückzuziehen, doch dies brachte ihm nur einen unergründlichen Blick des Orks ein, bevor dieser das Hemd des Elben zerschnitt und so die Wunde freilegte. Geronnenes Blut verkrustete bereits Teile der Wunde, doch an einer Stelle floss noch immer ein zähflüssiges Rinnsal heraus.
Der Ork packte Manadhil an der Schulter und drehte ihn auf die unverletzte Seite. In einer für den Elben unverständlichen Sprache rief er einem seiner Kameraden etwas zu. Dieser erhob sich und brachte ihm einen Wasserschlauch. Der Ork riss ein Stück von Manadhils Tunika ab und reinigte die Wunde. Obwohl er sehr vorsichtig vorging, zuckte der Elb vor Schmerzen zusammen.
Der Ork bemerkte die Reaktion des Elben und hielt inne. Er legte das Tuch zur Seite und beugte sich über Manadhil. Behutsam drehte er den Kopf des Elben so, dass er in seine Augen sehen konnte. Die Augen des Elben waren vor Schmerzen geweitet, doch der Ork glaubte, auch Furcht in ihnen zu sehen. Furcht und Hass. Er erwiderte den Blick und lange sahen sie sich schweigend an. Langsam wich der Schmerz aus Manadhils Augen und der Ork griff wieder zu dem Tuch.
Diesmal zuckte Manadhil nicht zurück, als der Stoff seine Haut berührte und die Wunde reinigte. Als der Ork seine Arbeit beendet hatte, zog er sein Hemd aus und riss es in Streifen, aus denen er dem Elben einen provisorischen Verband machte. Ungläubig sah Manadhil den Ork an. Doch dieser schien sich nicht darum zu kümmern, sondern verknotete mit unergründlicher Miene den Verband um Manadhils Hüfte.
„Warum?"
Kam es leise über Manadhils Lippen. Der Ork stockte und sah den Elben an. Wie schon zuvor verwunderten die Augen des Orks den Elben. Er konnte keinen Hass in ihnen sehen, noch Grausamkeit oder Wut. Doch das, was er sah, konnte er nicht deuten. Denn wie Mitleid kam es ihm vor. Und wie Trauer. Doch das konnte nicht sein. Orks konnten diese Gefühle nicht haben. Sie durften diese Gefühle nicht haben. Und doch war es dem Elben, als würde genau das aus den Augen seines Gegenübers sprechen.
Der Ork antworte nicht auf die Frage Manadhils. Er wandte sich wieder ab und ging zu seinen Kameraden, nicht ohne sich vorher versichert zu haben, dass Manadhil nicht fliehen konnte. Dieser blieb mit seinen Gefühlen zurück und sah dem Ork nach. Er konnte nicht glauben, was er in den Augen des Orks gesehen hatte. Doch bevor er sich noch weitere Gedanken machen konnte, übermannte ihn die Müdigkeit und er glitt in einen tiefen und erholsamen Schlaf.
Huhu? Ließt das irgendwer??
