Heartless

Vincent Valentine, einer der fähigsten Turks, schritt durch die große Halle des riesigen Privathauses zum Büro des Shinrapräsidenten. Den spärlichen Informationen zufolge würde der Präsident für einige Zeit verreisen und das bedeutete dass sein Sohn, der für die Zeit alleine in dem riesigen Haus bleiben sollte, beaufsichtigt werden musste!

Vincent ahnte bereits wem diese ehrenvolle Aufgabe zu teil wurde.

Endlich vor der Tür angekommen hieß es tief durchatmen und den grimmigen Gesichtsausdruck durch einen gleichgültigen zu ersetzten.

„Ah, mein lieber Mr. Valentine. Treten Sie doch bitte näher! Wir haben sie bereits erwartet."

Der Alte saß hinter seinem Schreibtisch und schien sich gerade mit Rufus Aufpasserin unterhalten zu haben, jetzt schenkte er seine Aufmerksamkeit allerdings dem Turk.

„Wie Sie sicher schon gehört haben, muss ich einige Wochen geschäftlich verreisen."

‚WOCHEN?! Ok, Vincent, jetzt bloß ruhig bleiben!'

„Und ich brauche jemand, der sich um meinen Sohn kümmert. Da Sie einer der Besten unter den Turks sind, werde ich ihn Ihnen anvertrauen!"

„Worin genau werden meine Aufgaben bestehen, Mr. Shinra?"

Der Schwarzhaarige wurde misstrauisch. Anvertrauen klang so . . .

„Sie sollen sich meinem Sohn annehmen, unterrichten sie ihn ein wenig in ihren Spezialgebieten, passen Sie auf das ihm nichts zustößt und leisten sie ihm etwas Gesellschaft. Er fühlt sich in dem großen Haus oft allein."

. . . nach Babysitten!

‚Als ob ich's nicht geahnt hätte!'

„Und ich erwarte erstklassige Arbeit Mr. Valentine, haben wir uns verstanden?"

Es war schwer den drohenden Unterton der öligen Stimme zu überhören.

Ein leichtes Nicken und der Turk durfte sich entfernen. Da er für heute nichts besonderes mehr geplant hatte beschloss er Gabriel Lizar, einen recht guten Freund, aufzusuchen. Gabriel wusste immer über alles Bescheid, sicher würde er ihm zu dem Präsidenten und seinem Sohn einige Fragen beantworten können, denn diese ganze Situation war doch etwas sehr merkwürdig.

Lizar saß in seinem Büro und war gerade mit einer alten Akte beschäftigt, als Vincent eintrat. „Hey, Vince! Was führt dich her?"

Die beiden begrüßten sich freundschaftlich.

„Du siehst richtig erschlagen aus. Lass mich raten, meine Vermutung über deinen neuen Auftrag hat sich bestätigt?"

„Voll und ganz."

Der andere Mann fing an zu lachen. Als er jedoch Vincents Gesicht sah, versuchte er sich zurückzuhalten. Man merkte, dass der andere insgeheim doch mit etwas Besserem gerechnet hatte.

„Sorry, Alter! Man, da haste ja richtig Pech gehabt. Aber hey, es könnte schlimmer sein!"

Das war Lizars absoluter Standartspruch. Vincent hasste ihn.

„Kannst du mir wenigstens sagen was mich erwartet?"

Lizar machte ein beleidigtes Gesicht.

"Also wirklich! Seh ich aus wie eins von diesen fetten Waschweibern, die den ganzen Tag nur tratschen?"

Das ganze Getue wurde dem Schwarzhaarigen zu blöd! Er wollte endlich in sein Quartier und sich über andere Dinge Gedanken machen. Zum Beispiel über diese hübsche Wissenschaftlerin, die letzte Woche in die Dienste Shinras getreten war. Ihr Name war Lukrezia. Er war ihr im Hauptgebäude begegnet.

„Hey, Alter! Alles klar? Du wirkst so abwesend."

Vincent war gezwungen sich wieder auf Lizar zu konzentrieren, welcher nun hoffentlich kommentarlos bereit war seine Fragen zu beantworten.

„Also gut, hör zu! Die geschäftlichen Gründe des Präsidenten, gibt es nicht. Er verzieht sich in den Süden um mit leicht bekleideten Kellnerinnen Bacardi zu schlürfen und den Sohnemann will er natürlich nicht dabei haben, so sieht' s aus!"

‚Natürlich! Darauf hätte ich auch alleine kommen können. Er hat nur irgendeinen Dummen gesucht, nicht den Besten, nein nur irgendeinen Vollidiot.'

„Hey Alter, weißt du eigentlich dass er Rufus sämtliche Betreuerinnen und Lehrer gefeuert hat? Bis auf einen. Hab zwar keine Ahnung wer das sein soll aber er soll nicht zimperlich mit dem Jungen umgehen. Böse Zungen sagen sogar dass er. . . "

„Das reicht. Danke fürs Gespräch Gabriel. Man sieht sich"

Mit einem Klopfen auf die Schulter ließ der Turk seinen Freund wieder alleine.

Mit schnellen Schritten begab er sich wieder in sein Quartier. Morgen würde kein leichter Tag werden. Immerhin würde er seinen Dienst als Babysitter antreten.

------------

Ein lautes Klopfen holte Vincent ziemlich schroff aus einem traumlosen Schlaf. Ein Blick auf die Uhr verriet das es bereits Zeit war an zu treten.

Zum Glück hatte er noch nie lange gebraucht um sich an zuziehen und im Bad fertig zu machen. Innerhalb von zehn Minuten stand er vor der Tür an der ein einfacher Shinrasoldat ihn erwartete.

„Guten Morgen Mr. Valentine! Ich bringe Sie zu ihrem neuen Quartier, einem Gästezimmer in Präsident Shinras Anwesen."

Mr. Valentine war sichtlich verwirrt. Den Teil, dass er in der Villa wohnen sollte hatte er wohl überhört.

Der Alte hatte zwar was von Gesellschaft leisten gesagt aber wer konnte so was schon ahnen?

Na ja, es half alles nichts! Was sein muss, muss sein.

Gedankenverloren folgte er dem Soldaten in das riesige Anwesen.

In der Halle wurde er bereits von einer jungen Frau erwartet.

„Schön Sie zusehen Mr. Valentine Mein Name ist Yuri, ich war diejenige, die hauptsächlich für Rufus Erziehung verantwortlich war."

„War?"

„Ja, Mr. Shinra hat uns alle bis auf Mr. Raid entlassen, wir sollen seinen Sohn verweichlichen. Mr. Raid ist nun sein einziger Lehrer. Er unterrichtet den Jungen sieben volle Stunden von acht bis zwei. Danach sollten Sie sich mit ihm beschäftigen."

Der Turk nickte als Zeichen des Verstehens. Die junge Frau senkte den Kopf, nahm ihre Tasche und sah Vincent noch einmal an.

Etwas unglaubliche Trauriges lag in ihrem Blick. Viel Schmerz und Verzweiflung. Es hatte den Eindruck auf ihn als wolle sie ihm etwas mitteilen. Aber kein Wort kam über ihre Lippen. Bevor sie endgültig ging drehte sie sich noch einmal zu ihm und sagte: „ Er ist ein guter Junge. Daran sollten Sie nie zweifeln."

Die Frau verschwand, während Vincent ihr noch ein paar Sekunden nachsah. Dann machte er sich gemeinsam mit John, Rufus privaten Butler, auf den Weg ins Esszimmer.

‚Soll mir recht sein, dann lerne ich das Bürschchen eben beim Frühstück kennen.'

Valentine hatte den Sohn des Präsidenten schon ein paar Mal gesehen aber er hatte nie etwas mit ihm zu tun gehabt. Von den Turks die bei Festen oder ähnlichem für seine Sicherheit verantwortlich waren hatte er allerdings gehört, das Kind sei frech, aggressiv und verwöhnt.

‚Keine besonders positiven Eigenschaften.'

Die Worte der Frau gingen ihm nicht aus dem Kopf. Er wusste nicht was sie bedeuten und überlegte ob es nicht besser wäre sie einfach schnell wieder zu vergessen.

„Mr. Valentine. Hier wären wir."

Der Butler öffnete die Tür zu einem hellen und großen Esszimmer. Es sah so aus wie Vincent es manchmal im Fernsehen gesehen hatte. Ein langer Tisch, Kronleuchter, luxuriöse Stühle und delikate Speisen.

Natürlich war der Tisch nur für zwei Personen gedeckt aber es sah alles sehr edel aus.

Der Junge saß mit dem Rücken zu ihm. Der Kopf des Tisches war frei, anscheinend war dies der Platz des Präsidenten. Rechts saß Rufus und ihm gegenüber war noch ein Platz gedeckt.

‚Na dann, auf geht's!'

Er wusste nicht genau warum aber Vincent war sehr aufgeregt.