Disclaimer: Alle Rechte an der Serie seaQuest DSV und ihren Charakteren gehören nicht mir. Für das Schreiben dieser Geschichte erhalte ich kein Geld.

Kurzes Spin-off zu "Idyllisches Familienleben", das ich mir selbst zum Geburtstag schenke. Sobald ich aus meinem Zwangsurlaub zurück bin, gibt es den Schluß. Ihr habt jetzt ganze sieben Tage Ruhe vor neuen Updates.

Elterliche Pflege

by YuryJulian

Im Halbschlaf dämmerte Lucas vor sich hin. Vereinzelt hörte er draußen die Vögel zwitschern, doch sie störten ihn nur. Warum konnte er nicht genau sagen. Er war genervt. Sein Kopf schmerzte und in seinem Bauch machte sich ein leichtes Ziehen bemerkbar.

Er drehte sich zur Seite, da er meinte, die Schmerzen kamen von eine Mulde der Federn seiner Matratze, doch wenig später musste er sich selbst eingestehen, dass dem nicht so war. Aufseufzend schlug er die Augen auf. In seinem Zimmer war es noch dunkel. Ein kurzer Seitenblick auf die Uhr sagte ihm, dass es vier Uhr morgens war. Viel zu früh also, um bereits aufzustehen.

Sein Mund fühlte sich trocken an und ein seltsamer Geschmack befand sich darin. Kurz entschlossen warf er die Bettdecke beiseite und schwang die Beine aus dem Bett. Zu schnell und zu schwungvoll, denn kaum hatte er sich aufgestellt, drehte sich alles um ihn herum und er sank zurück. Er blies eine störrische Haarsträhne aus dem Gesicht und probierte es erneut. Dieses Mal langsamer. Der Schwindel blieb weg.

Langsam ging er zu seinem Schreibtisch, der in der Ecke zwischen Fenster und Wand stand. Durch das spärliche Licht, das von der Nacht in sein Zimmer fiel, konnte er die Umrisse seiner Lampe erkennen. Wenig später drückte er den Knopf und fand sich nicht mehr in völliger Dunkelheit wieder. Gerade als er sich herum drehte, da er raus wollte, entdeckte er unter dem Schreibtisch eines der Kissen von der Couch im Wohnzimmer und Minki, die friedlich darauf schlief.

"Das wird dem Doc aber gar nicht gefallen, was du da wieder gemacht hast.", sagte er und tapste auf die Tür zu.

Im Flur herrschte, welch großes Wunder, völlige Finsternis. War nun die Zimmertür zum Schlafzimmer seiner Eltern zu oder nicht? Seit dem er ein paar Mal sich Abends wieder aus dem Bett geschlichen hatte, weil er Fernsehen wollte, blieb diese öfters mal geöffnet. Jetzt das Licht anzuschalten konnte durchaus keine gute Idee sein. Er tastete sich bis zum Schlafzimmer vor und versuchte auf die Weise heraus zu finden, ob er gefahrlos Licht anschalten konnte, ohne gleich besorgte oder auch verärgerte Personen zu treffen.

Erleichtert stellte er fest, dass sie zu war. Seine Hand glitt über die Wand und fand den Schalter nach einer Weile auch. Nun lief er nicht mehr Gefahr gegen die Wand zu laufen oder über den Teppich zu stolpern. Seine nette "Mutter" ging mittlerweile ganz auf in ihrer Rolle und hatte vor kurzem für den oberen Flur drei kürzere Läufer gekauft. Gleich in der zweiten Nacht ist Lucas über einen von diesen gestolpert und der Länge nach hingefallen als er zur Toilette wollte, da er im ermüdeten Zustand sich nicht die Mühe machte die Füße zu heben.

So schnell würde ihm das hoffentlich nie wieder passieren, aber nun runter in die Küche und etwas zum trinken holen. Auf der Anrichte stand noch eine angebrochene Flasche mit Mineralwasser. Er holte sich aus dem Schrank ein sauberes Glas und trank sofort zwei Schluck, bevor er das Licht wieder aus schaltete und in sein Zimmer zurück kehrte.

Das Glas stellte er auf das Bord, am Kopfende seines Bettes, anschließend machte er das Licht im Flur aus und schloss seine Tür hinter sich. Minki war zwischenzeitlich aufgewacht und zog gerade das Kissen unter dem Schreibtisch hervor, um es vor seinem Bett liegen zu lassen. Müde blickte ihn das Kätzchen an, bevor es mit seinen kleinen Pfötchen auf das Kissen stieg und sich wieder einrollte.

Lucas kniete sich vor dem Bett nieder, um ihr über das Fell zu streichen. Nun machte sich auch wieder der Schmerz in seinem Bauch bemerkbar. Mit der Hand strich er sich darüber. Vielleicht musste er nur wieder ins Bett und sich ausschlafen. Das würde dann schon werden, war es bisher immer. Er nahm noch einen letzten Schluck und schaltete auch an seinem Schreibtisch das Licht aus. Auf dem Weg in die warmen Kissen zurück, musste er aufpassen, nicht über Minki zu stolpern. Sobald er im Bett lag, machte er die Augen zu und schlief auch sofort wieder ein.

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Schrill klingelte der Wecker auf. Das erste, was er verspürte als er sich nach dem Gerät streckte, war der stechende Schmerz in seinen Eingeweiden. Stark war es nicht, aber lästig. Auf allen vieren krabbelte er durch das Bett. Auf dem Tisch stand das Glas von der Nacht. In seinem Mund hatte sich bereits dieser komische Geschmack zurück gebildet.

Vor seinem Bett versteckte Minki das kleine Gesicht hinter einer Pfote. Sie war ebenfalls von dem Wecker aus ihren Träumen gerissen worden.

Irgendwie fühlte Lucas sich noch zu verschlafen, um aufzustehen. Nachdem er einen Schluck von seinem Wasser genommen hatte, ließ er sich zurück sinken. Gegen zehn Minuten konnte keiner was einzuwenden haben, doch er schlief ein und aus den zehn Minuten wurden zwanzig. Erst als ihn jemand an der Schulter leicht rüttelte, kam er langsam wieder in das hier und jetzt zurück.

"Willst du nicht langsam aufstehen?", fragte Bridger ihn, der in seinen durchgeschwitzten Joggingklamotten da stand.

"Ja doch, ich wollte nur noch zehn Minuten dösen.", nuschelte er zwischen den Kissen hindurch.

"Du müsstest in spätestens zehn aus dem Haus sein!"

Völlig verwirrt blickte ihn Lucas an. Irrte sich Nathan oder sah der Junge nicht gut aus? Wahrscheinlich noch vom Schlaf. Der Teenager sah auf seinen Wecker zurück. "Mist, ich bin zu spät." Sofort strampelte er sich von der Decke frei und versuchte aus dem Bett zu kommen, nur ihm war auf der einen Seite der Weg durch Minki und auf der anderen durch Bridger versperrt. Kurzerhand packte er das Kissen mit der Katze und tat es auf sein Bett, dann huschte er zu seinem Schrank. Dort warf er achtlos einige Sachen hinaus, bis er hatte, was er brauchte und verschwand im Badezimmer.

Mit einem Lächeln beobachtete der Captain das Schauspiel, ehe auch er sich zu seinem Kleiderschrank aufmachte. Er musste aus den verschwitzten Sachen raus und anschließend wollte er unter die Dusche, die augenblicklich frei wurde, denn er hörte die Tür zum Bad zuknallen. Lucas musste also bereits fertig sein. Unten an der Haustür klingelte es. Das war sicherlich Lenny, der seinen Freund abholte.

"Ich habe doch noch gar nichts gegessen.", rief Lucas, als er die Treppe hinunter stürzte, wo Doktor Westphalen seinen Freund soeben einließ.

"Kein Problem, lass dir Zeit, wir haben ja nur Physik in der ersten.", sagte Lenny mit einem Achselzucken und legte seine Schultasche ab, um ihm in die Küche zu folgen.

"Hier!" Kristin stellte ihm ein bereits gemachtes Frühstück hin. "Ich habe vermutet, du hast verschlafen, da ich dich noch nicht rumpoltern hörte und als Nathan vom Joggen zurück kam, habe ich ihn dich wecken geschickt. Willst du auch etwas?", fragte sie an Lenny gewandt.

Der dunkelhaarige Teenager setzte sich an den Tisch. "Nein, danke, bin zu Hause ausreichend mit einem Frühstück versorgt worden. Meine Mutter ist vom Typ, das Frühstück ist die wichtigste Mahlzeit des Tages. Ich brauche bis heute Abend nichts mehr, wenn es nicht sogar bis morgen reichen sollte."

Lucas selbst schlang sein Essen mit einer Schnelligkeit in sich hinein, die seinesgleichen suchte. Die Hälfte ließ er jedoch auf dem Teller zurück, denn die Schmerzen wurden langsam schlimmer. "Danke.", presste er zwischen dem Kauen hindurch.

"Du hast doch noch gar nicht aufgegessen.", meinte Dr. Westphalen, als er Anstalten machte, aufzustehen. "Bist du sicher, dass es dir gut geht?"

Er nickte. "Ja, alles okay, nur ein wenig schlecht geschlafen. Wir sind dann weg."

"Halt, warte. Willst du nicht noch was mitnehmen?"

"Nein, ich kann mir in der Schule noch etwas besorgen." Schon hatte er seinen Rucksack genommen und verschwand mit Lenny aus dem Haus. Wenig später kam auch Nathan frisch geduscht nach unten.

"Ist das für mich?", fragte er auf den Teller zeigend, den zuvor noch Lucas hatte.

"Eigentlich nicht, aber du kannst es gerne aufessen, dann muss ich das nicht weg werfen." Sie setzte sich ihm gegenüber. "Kam er dir auch so blass vor?"

"Ja, aber ich dachte, das ist einfach nur vom schlafen." Der Captain machte keinen Hehl daraus, wie gut ihm das Essen schmeckte.

"Das sagte er mir auch, aber..." Sie wischte mit einer Handbewegung alle Zweifel beiseite. "Ach, bestimmt war nichts. Sollte er sich doch krank fühlen, würde er doch mit Freuden zu Hause bleiben, schon allein weil er diesem Lehrer dann entgeht."

"Würde ich nicht unbedingt behaupten.", warf Bridger dazwischen.

Das reichte, um die Ärztin wieder auf ihren Stuhl zurück zu holen. "Wie meinst du das? Er hat doch sogar schon versucht uns eine Krankheit vorzuspielen, weil er nicht zur Schule wollte."

"Bevor er sich letzte Woche richtig mit ihm angelegt hat, genau! Jetzt gönnt er diesem Mann keine ruhige Minute mehr."

"Hat er erneut was angestellt? Nathan! Erzähl mir was los ist und lasst mich nicht immer im dunkeln."

Der Captain legte das Besteck zur Seite und spülte mit einem Schluck Saft das Essen seine Kehle hinunter. "Naja, er hätte beinahe wieder einen Verweis bekommen. Keine Sorge, nicht weil er sich daneben benommen hat, sondern weil er recht hatte. Ich kann mir das sogar sehr gut vorstellen, wieso er derartig reagiert hat. Letzte Woche haben sie ein neues Thema angefangen und als sein Lieblingslehrer einige Aufgaben vorrechnete hat er mehrere Fehler gemacht, die auf seinen Lösungsweg zurück zu führen sind. Lucas konnte nicht mehr an sich halten und hielt vor der ganzen Klasse einen Vortrag, wie man diese Aufgaben einfach und in nur zwei Schritten lösen konnte. Das hat ihm der gute Lehrer nicht geglaubt und er wurde zum Direktor und zum Schulcounselor geschickt. Die haben dann das nachgeprüft und am Ende musste sich Mour noch bei ihm entschuldigen."

"Deswegen muss er jetzt immer da sein?" Irgendwie verstand sie den ganzen Sinn hinter dieser Sache nicht.

"Genau, denn er sagte nach der Entschuldigung zu ihm, er werde ein Auge auf Mour werfen. Ich habe richtig mit mir hardern müssen, ob ich Lucas nun eine Predigt halte, oder doch lieber es so sein lasse. Er kann nicht einfach so mit höherer Mathematik um sich werfen, wenn er eigentlich als eine Niete gilt."

"Hast du richtig mit ihm darüber geredet oder ist das wieder unter gegangen?"

"Wie meinst du das?"

"Naja, er hat das Talent dich von deinen ursprünglichen Absichten ganz schnell abzubringen und zu seinem Vorteil zu wandeln."

"Das ist doch völlig aus der Luft gegriffen!"

"Nicht?" Sie sah ihn musternd an. "Wenn du meinst. Ich muss jetzt zur Arbeit. Bis heute Abend." Sie hauchte ihm einen Kuss auf die Stirn und machte sich fertig.

- - - - - - - -

Ganz knapp vor Unterrichtsbeginn betraten die beiden das Schulgebäude. Sie eilten zum Physiksaal, wo sich die anderen bereits eingefunden hatten. In der letzten oberen Reihe besetzten Chris und Nen zwei Plätze für sich an dem langen Tisch.

"Wir dachten schon ihr kommt gar nicht mehr.", sagte Chris und rutschte nach außen zum Fenster.

Lucas setzte sich auf den freien Platz am Gang und war froh endlich zu sitzen. Irgendwie war ihm jetzt seltsamer als zuvor. Er nahm vieles nur leicht verschwommen wahr und starke Schmerzen durchzogen seine Stirn.

"Angeblich ist die McTyler krank. Mit Glück gibt's jetzt ne Freistunde.", meinte Nen über beide Ohren strahlend.

"Das wäre ein Segen. Ich bin tierisch müde und würde ganz gerne eine Runde schlafen.", sagte Lucas und wollte sich auch schon zurecht setzen, als ein knirschendes "Guten Morgen, Herrschaften." mit einer wohlbekannten Stimme durch den Raum halte.

Am liebsten wäre der Teenager nach vorne gestürzt und hätte Mour was erzählt, wie er es denn wagen könne, hier aufzutauchen und ihn auch heute bereits in der ersten Stunde zu belästigen.

Mr. Mour eilte zu dem langen Pult, stellte seine Tasche darauf ab und ließ den Blick durch die Schüler streifen, die ihn allesamt etwas verwirrt ansahen. "Ich bin ihre Vertretung für heute und wahrscheinlich für die nächsten Wochen. Mrs McTyler hatte einen Unfall und befindet sich bis auf weiteres im Krankenhaus. Nachdem ich ihre Anwesenheit überprüft habe, möchte ich von ihnen wissen, wie weit sie im Stoff sind und dann fangen wir auch sofort an.

Er ließ nichts anbrennen, sondern holte sich sofort bei einem der Strebertypen aus der ersten Klasse, die auch immer für die Klassenbücher verantwortlich sind, dieses zu sich, um alle einzeln aufzurufen. Bridger musste er mehrmals laut anfragen. Obwohl er Lucas schon längst beim Hineinkommen gesehen hatte, gab er sich erst zufrieden, als er das mürrische und schlecht gelaunte "Anwesend!" zu hören bekam.

Dem Teenager ging es nicht gut und dieser Kerl war der letzte, den er in diesem Zustand sehen wollte. Wenn er daran dachte, den nach der Mittagspause nochmals zu haben, wurde ihm bange. Eigentlich wollte er ihn ja haben, da er versuchte ihn einfach nur durch seine Anwesenheit in den Wahnsinn zu treiben, doch irgendwie hätte er heute vielleicht doch zu Hause bleiben sollen. Ihm war gar nicht gut. Seine Bauchschmerzen waren schlimmer geworden, das Schlucken fiel ihm zudem noch schwer.

Lenny stieß ihn von der Seite an. "Hey, geht's dir gut?"

"Ja, ja, habe nur was schlechtes gegessen. Das wird schon."

Sein Freund schien das nicht so ganz zu glauben, doch nahm es so hin. "Wenn du das sagst."

Mour war endlich durch die Anwesenheitsliste, das Klassenbuch behielt er bei sich, während er in den Unterlagen der Schüler in der ersten Reihe nach dem aktuellen Wissenstand der Klasse suchte.

"Ah, sie waren bei der Bewegungslehre. Nun, dann machen wir einführend eine kurze Wiederholung. Welche zwei Arten von Bewegung gibt es?" Er verschränkte die Hände hinter dem Rücken und lief vor den ersten Reihen vor und zurück, während er sich aus den freiwilligen jemanden heraus zu suchen schien. Leider fiel ihm jemand anders ins Gesichtsfeld.

"Mr. Bridger, da sie anscheinend den Unterricht zum schlafen nutzen wollten, können wie die Frage gerne beantworten."

Lucas bemerkte erst beim Fallen seines Namens, dass sein Kopf beinahe auf die Tischplatte geschlagen wäre. "Äh, was?"

"Ich habe sie nach den zwei Arten der Bewegung gefragt."

"Oh, sie meinen kriechende, schleichende oder schnelle?" Die Klasse begann in Gelächter auszubrechen. Zufrieden stellte er fest, dass diese Antwort ihre Wirkung nicht verfehlt hatte, denn Mours Gesichtszüge verzogen sich ärgerlich.

"Hören sie auf bereits am frühen morgen ihre Scherze mit mir zu treiben! Mr. Clearmont, die Antwort bitte!"

"Tut mir leid, Mr. Mour, aber ich habe die letzten Stunden nicht aufgepasst, da ich mit Zeichnen beschäftigt gewesen bin. Ich würde jedoch Mr. Bridger zustimmen, falls dies richtig gewesen sein sollte.", antwortete Chris wie aus der Pistole geschossen.

"Mir scheint sie beide sind auf ein paar Stunden Nachsitzen aus. Wie sieht es mit ihrem Nachbarn aus? Haben sie mehr Ahnung von dieser Materie, als ihre beiden Kameraden?"

Die Frage war an Nen gerichtete. Sie kam unerwartet, aber er hatte nicht so ganz diese Verschlagenheit seiner Freunde, da zu kontern. "Ähm, ja, die zwei Arten der Bewegung. Also einmal ist da die ebene und dann gibt es noch eine räumliche Bewegung."

"Gut und welche Arten gibt es?", bohrte Mour weiter.

Nen zupfte sich am Kragen seines Pullovers, doch bevor er antworten konnte, stürzte Lucas von seinem Platz auf und rannte an dem hinter ihm her schreienden Mour vorbei. Er schaffte es gerade noch so zu den Toiletten, als sein Frühstück sich auch schon in die Schüssel ergoss. Ihm war als würde sein Magen gar nicht mehr aufhören wollen und atmen konnte er durch dieses aufstoßende Gefühl auch kaum. Es schien fast eine Ewigkeit. Er konnte von Glück sagen, dass sich im Moment keiner in der Toilette aufhielt.

Irgendwann ließ der Brechreiz nach und er konnte sich wieder etwas fangen, langsam klarere Gedanken fassen als die Sorge nach dem nächsten Atemzug. Jemand war in die Toilette gekommen.

"Lucas? Bist du hier?", fragte jemand, der sich verdammt nach Nen anhörte.

"Ja.", versuchte der Gesuchte mit einem Krächzen heraus zu bringen. Seine Stimme klang viel schwächer als er sich fühlte, oder vielleicht war er so schwach.

"Ist alles in Ordnung?"

Der Teenager versuchte verächtlich aufzulachen. "Mein Frühstück ist soeben die Kanalisation hinunter, aber ja, mir geht es gut."

Nen lehnte an der Tür zu der Kabine. "Dann geh ich das mal Mour sagen. Der glaubt nämlich, du willst dich vor dem Unterricht drücken."

"Dann hätte ich ihm wohl lieber mein halbverdautes auf den schönen Anzug verschmieren sollen?"

"Nette Vorstellung. Ich bin gleich zurück."

Lucas hörte wieder die Tür und sank erschöpft auf den kalten Kachelboden. Mit den Zeigefingern rieb er sich die schmerzende Stirn. Es schien, als würde es von Minute zu Minute schlimmer werden. Mittlerweile war er sich ganz sicher, besser zu Hause geblieben zu sein.

Wenig später fühlte er sich endlich gut genug aus der Kabine heraus zu kommen. Das gröbste war wohl überstanden. An der Wand entlang hangelte er sich zu den Waschbecken. Er musste unbedingt diesen säuerlichen Geschmack aus seinem Mund bekommen. Hinter ihm ging die Tür auf und Nen kam zurück.

"Du sollst dich ins Krankenzimmer legen, während ich im Sekretariat Bescheid sage, dass dich jemand abholen soll?"

Lucas sah ihn verwirrt an. "Wie?"

"Also in dem Zustand kannst du ganz sicher nicht hier bleiben."

"Ja, aber bei mir ist doch gar keiner zu Hause!"

"Sind die Nummern der Firmen deiner Eltern nicht in deiner Akte eingetragen?"

"Keine Ahnung? Kann sein."

"Dann sag mir doch, wo sie arbeiten, die Tanten finden schon raus, wie die Nummern sind."

Das Computergenie nickte und drehte sich zu dem Waschbecken zurück. Er wollte sich den Mund ausspülen. Bei einem kurzen Blick in den Spiegel erschrak er selber. Seine Lippen waren von der übrigen Gesichtsfarbe nicht mehr zu unterscheiden. Die frische Farbe war völlig daraus erloschen. Irgendwie erschien ihm die Aussicht auf das Krankenzimmer doch nicht so ganz schlecht. Nen half ihm dann auch zu diesem, bevor er sich auf machte im Sekretariat Bescheid zu sagen. Er würde später noch Lucas' Schulsachen vorbei bringen.

Eine Schwester gab ihm ein Glas Wasser und er konnte sich auf eine der dort bereits stehenden Liegen legen. Sobald er sich ausgestreckt hatte, legte er den Arm über die Augen, damit ihn die Deckenbeleuchtung nicht zu sehr blendete. Alles was er jetzt brauchte war ein wenig Ruhe und Schlaf.

Der Schlaf kam aber nicht und so dümpelte er eine Weile vor sich hin, bis irgendwann eine Männerstimme in dem Raum ertönte, die nach einem Lucas Bridger fragte. Es war der Captain. Ziemlich schwach richtete er sich auf, da kam die Schwester mit dem älteren Mann im Schlepptau auch schon zu ihm.

"Wir hätten dich heute morgen doch da behalten sollen.", sagte er, als er in das bleiche Gesicht blickte. Er fuhr ihm über die Stirn. "Fieber scheinst du keines zu haben."

"Mir geht's dennoch nicht gut.", nuschelte Lucas.

"Das glaube ich dir, du siehst aus wie der Tod persönlich."

"Das geht nicht. Der Tod hat eine Sense und ist ein Skelett. Außerdem hatte er zuletzt ein kleines Problem mit einer Pensionierung.", erzählte er schwach, als ihm der Captain aus dem Bett half.

"Fantasierst du?"

"Ich rede von meinem Buch. Terry Pratchett hat auch einen Tod in seiner Scheibenwelt und der hat da so gewisse Komplexe. In dem Band, den ich gerade lese ist er pensioniert worden." Lucas wollte nach seinem Rucksack greifen, doch Bridger kam ihm zuvor.

"Komm, lass uns nach Hause fahren, du gehörst ins Bett."

Der Teenager ließ sich bis zum Wagen stützen, einmal hatte er gemeint, es ginge schon, doch als er beinahe zusammen gebrochen wäre, ließ er sich weiterhin helfen. Zu Hause angekommen, fiel er froh in sein Bett und versuchte etwas zu schlafen, während Nathan ihm einen Tee zubereitete. Er wollte Kristin nicht auch von der Arbeit her beordern. Es reichte, wenn einer seinen Job verlor und bei ihm sah es nun ganz danach aus. Schade war es nicht, nur würde es nicht leicht sein etwas neues zu finden. Mit Glück konnte ihm aber die UEO eine ähnliche Stelle verschaffen. Wer rechnete denn auch damit, dass einer so genau auf seine Arbeitszeiten achtete. Einmal krank, dann ein längerer Urlaub und hier und da mal früheres Gehen, weil mit dem Kind etwas nicht in Ordnung war. Man könnte meinen, in der Firma gäbe es nur Leute ohne Kinder.

Minki hatte sich zu Lucas ins Bett gekuschelt und ließ sich von ihm drücken, wie ein Stofftier.

"Ich habe dir einen Tee gemacht." Nathan kam mit einer dampfenden Tasse zu ihm ins Zimmer. Irgendwie tat ihm sein Sohn auf Zeit leid. In diesem Zustand sollte er eher bei seinen richtigen Eltern sein und nicht bei ihm und Kristin und der Ungewissheit, welche Gefahren auf sie lauern könnten.

"Hmm.", nuschelte der Junge wieder. Er fühlte sich überhaupt nicht wohl. Sicherheitshalber fuhr Nathan ihm nochmals über die Stirn und streifte einige Haarsträhnen zurück. Auch jetzt hatte er noch kein Fieber und er hoffte inständig, dass dies so bleiben würde. Mit Glück war es nur eine kleine Magenverstimmung. "Jetzt bist du dran mit gepflegt werden.", sagte er lächelnd. "Ich stelle dir den Tee dort hin, wenn du etwas brauchst, nimmst du es dir. Ich bin nur mal schnell telefonieren und dann komme ich zurück."

"Ist gut, sie brauchen sich nicht zu beeilen. Ich bin so müde, ich werde wohl etwas schlafen." Lucas gähnte auf und schloss daraufhin auch schon die Augen. Minki schien ihm das nachmachen zu wollen, denn sie hatte ihr Herrchen beobachtete und gleichzeitig mit ihm die Schnauze weit aufgemacht. Kaum waren seine Augen zu, schloss sie die ihren auch.

Das Kätzchen war wirklich süß, dachte Bridger bei sich, ehe er das Zimmer verließ. Es war wirklich besser ihn vorerst ein wenig schlafen zu lassen. Die Tür ließ er offen.