Mit noch immer starken Schmerzen, wachte Lucas irgendwann auf. Minki war nicht mehr in seinem Arm, aber das spielte auch keine große Rolle. Er sah auf die Uhr, es war kurz nach Mittag. Er hatte demnach ziemlich lange geschlafen, doch seinen Kopfschmerzen tat das keinen Abriss. Kaum begann er wach zu werden, wurden sie auch schon stärker. Selbst das Blinzeln tat ihm weh.
Er drehte sich schwer auf die Seite. Wo war das kleine Kätzchen hin? Er konnte jetzt wirklich ein wenig kätzlichen Trost vertragen. Da Minki jedoch nicht in seinem Zimmer war, versuchte er sich aus dem Bett zu befreien und schwankte zur Toilette. Auf dem Rückweg machte sein Kreislauf nicht mehr mit. Ihm wurde schwarz vor Augen und erst als er zitternd versuchte wieder aufzustehen, bemerkte er, was geschehen war. Desorientiert blickte er sich um.
"Lucas!" Bridger kam sofort zu ihm geeilt. "Hast du dir weh getan?"
"Keine Ahnung.", sagte er und er meinte es auch. Noch immer zitterte er am ganzen Körper und wusste nicht recht was geschehen ist.
Nathan half ihm auf und stützte ihn auf den Weg zurück in sein Zimmer. Sobald er wieder im Bett war, setzte sich der ältere Mann zu ihm und blickte ihn besorgt an. "Dich danach zu fragen, ob es dir besser geht, wäre bestimmt völlig sinnlos?"
Der Teenager saß leicht aufgerichtet. Die Decke hatte er sich bis zum Kinn hoch gezogen. Er nickte stumm. Das Zittern hatte nach gelassen. "Mir ist irgendwie schwindlig geworden."
Erneut versuchte Nathan anhand einer Berührung der Stirn des Jungen heraus zu finden, ob er fiebrig war. Er sah nicht danach aus und fühlte sich auch nicht heiß an, aber er erinnerte sich doch noch gut an sein letzte Grippe. Da kam das Fieber auch erst später. "Bleib am besten im Bett. Ich mache dir etwas zum Essen, das bringt dich vielleicht wieder zu Kräften."
"Nicht nötig, ich habe keinen Hunger."
"Doch, du musst etwas essen."
Lucas beließ es dabei.
"Brauchst du sonst etwas?"
Er überlegte. Eigentlich brauchte er überhaupt nichts. Alles was er wollte, war in seinem Bett liegen und in ruhe leiden. "Minki?"
"Ich gehe sie suchen, aber steck sie nicht an!" Mit einem Lächeln verschwand Bridger und brachte wenig später ein miauendes Fellknäul, das sich mit den Krallen in seine Hand gebohrte hatte.
"Sie hat sich an der Couch zu schaffen gemacht. Wenn Kristin den Schaumstoff sieht, den sie aus dem Loch raus gerissen hat, wird sie bestimmt Luftsprünge machen."
"Weil sie nichts anständiges zum spielen hat, ist doch klar." Lucas nahm seine kleine Freundin entgegen. Bei ihm krallte sie sich nicht fest, sondern kuschelte sich an seine Arme und ließ sich streicheln.
Bridger blieb in der Tür stehen. Mit sorgenvollem Gesicht sah er zu seinem jüngsten Crewmitglied. "Du bist dir sicher nichts zu brauchen?"
"Nein! Sagen sie mal, nerven sie immer so rum, wenn einer krank ist? Das haben sie auf der seaQuest nie gemacht!"
"Auf der seaQuest bist du nicht praktisch vor meinen Augen zusammen gebrochen. Außerdem war dort jederzeit ein Arzt in der Nähe, der sich um dich gekümmert hat. Hier sind nur wir."
"Dann rufen sie meine Lieblingsärztin an, die wird ihnen sagen, dass sie völlig überreagieren. Kranke brauchen ihre Ruhe und keine Nervtorturen, ob es ihnen gut geht oder sie noch etwas brauchen. Ich habe alles, was ich wollte." Er zeigte auf das Kätzchen, das in die Decke biss und sich selbst damit zudecken wollte. "Sehen sie?"
Nathan lächelte. "Ist gut. Ich werde dann mich in der Küche zu schaffen machen. Wenn etwas sein sollte... dann ruf oder schick deine Freundin nach mir."
Lucas nickte und war heilfroh, als der Captain endlich das Weite suchte. Er war es nicht gewohnt, aller fünf Minuten nach seinem Zustand gefragt zu werden. Minki krabbelte unter seine Decke und wenig später war eine wandelnde Beule unterwegs zu seinen Füßen. Dem Kätzchen war nicht nach schmusen zumute und er musste sich etwas anderes suchen. Nur was?
Er würde wieder schlafen, wenn er nicht langsam aber sicher wach wurde. Ihm ging es schlecht, doch deswegen musste er ja noch lange nicht schlafen. Er sah sich in seinem Zimmer um. "Captain!", rief er krächzend. Es tat ihm im Hals weh. Der Teen wartete ab. Mit Glück musste er kein zweites Mal rufen.
Schon hörte er jemanden zu ihm eilen. Bridgers Kopf erschien daraufhin hinter der Tür. "Ja?"
"Können sie mir mein Buch von dort geben?", fragte er auf das Regal zeigend.
"Natürlich." Nathan eilte zu dem Regal. "Welches?" Doch er brauchte die Antwort nicht mehr zu hören, denn er konnte sich schon denken, welches der Teenager haben wollte. "Terry Pratchett?"
"Genau!"
"Hast du Minki bereits wieder aus dem Bett geworfen?" Bridger brachte ihm das Buch und setzte sich noch kurz auf den Bettrand.
"Nein, die ist gerade dabei mir eine meiner Zehen abzukauen.", sagte Lucas sarkastisch. Mit dem Buch zeigte er auf eine dritte Delle am Ende des Bettes, welche keine von seinen Füßen war.
Nathan beugte sich rüber und zog das Kätzchen, das ziemlich verwundert aussah hervor. "Macht es dir Spaß dein krankes Herrchen zu ärgern?"
Mehr als Miau hatte das Kätzchen nicht zu seiner Verteidigung zu sagen.
"Ich denke übermäßige Niedlichkeit befreit sie von jeder Schuld." Bevor der Captain es mitbekam, nahm das Computergenie sein Haustier an sich.
"Ach, ist das neuerdings auch eine Möglichkeit sich raus zu reden?"
"Wollten sie nicht was kochen?"
"Willst du mich los werden?"
"Nur lesen, das kann ich aber nicht, wenn mich hier einer die ganze Zeit vollquasselt, während ich mörderische Kopfschmerzen habe."
Erneut wollte Bridger nach seiner Stirn greifen, doch Lucas war schneller und beugte sich unter der ausgreifenden Hand weg. "Hast du sonst noch irgendwelche Beschwerden? Falls ich einen Arzt rufen muss, muss ich wissen, was ich dem erzähle."
"Es reicht, wenn Westphalen nachher mal kurz nach mir sieht. Es wird schon alles wieder werden. Ich leide bestimmt nur unter Mouritis. Das soll ja hin und wieder vorkommen."
"Solange du deinen Humor nicht verlierst. Trink deinen Tee!" Er stand auf und ging wieder nach unten, in der Hoffnung sein vorübergehendes Kind ausreichend versorgt zu haben. Zumindest glaubte er ihm alles gegeben zu haben, was er wollte; sein Kätzchen, sein Buch und einen heißen Tee hatte er auch. Nur leider kannte er Lucas und wusste, dass der Tee wohl unangetastet bleiben würde.
In der Küche kochte bereits das Wasser und es wurde Zeit diesem mehr Aufmerksamkeit zu schenken, wenn er nicht wollte, dass hier ein Unglück geschah.
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"Leg das Buch zur Seite." Auf einem Tablett balancierte der Captain einen randvollen Teller bis zum Bett.
Bei dem Anblick des Essens, kam Lucas beinahe die Galle hoch. Er hatte gleich noch weniger Appetit als vorher. Die Schmerzen in seinem Bauch waren endlich etwas abgeklungen. Nur sein Kopf machte ihm noch zu schaffen, aber dagegen hatte der ältere Mann etwas dabei.
"Aspirin! Sehr viel wird es zwar nicht helfen, aber es ist immerhin besser, als gar nichts. Vorher wirst du nur etwas essen." Er setzte sich auf den Bettrand. Das Tablett hatte an allen vier Enden kleine Füße, damit man es auch im Bett sicher abstellen konnte. Lucas machte keinerlei Anstalten weder Buch noch Minki aus den Händen zu legen. Das Kätzchen war an seine Brust gekuschelt wie ein Stofftier.
"Nun, ich habe nichts dagegen dich zu füttern." Nathan hielt bereits den Löffel eintauchbereit.
"Geben sie her!" Lucas ließ das Buch fallen und entnahm ihm den Löffel.
Neugierig beschnupperte Minki das Tablett. Sie hatte sich aus dem Arm von Lucas gelöst und begann leicht am Rand des Tellers zu schlecken.
"Für dich habe ich in der Küche etwas viel besseres.", sagte Bridger und hatte die Katze auch bereits genommen, um sie hinunter zu tragen. Vorher war es besser, den Jungen von dem Tier zu trennen.
Er lud Minki in der Küche vor ihrem Fressnapf ab und eilte wieder in das Zimmer des Teen zurück. "Schmeckt es?"
Lucas nippte immer nur ein wenig an der Suppe anstatt sie richtig zu essen.
"Wie es aussieht, muss ich da doch mehr nachhelfen, oder sehe ich das falsch?"
Beschwichtigend hob er eine Hand und tauchte mit der anderen den Löffel voll in die Suppe. "Schon gut, ich esse ja!"
"Braver Junge. Carol hat diese Suppe früher immer gemacht wenn Robert krank war. Bei mir ist sie zwar nicht so gut wie bei ihr, doch sie sollte ihre Wirkung nicht verfehlen. Etwas festes wird deinem Magen derzeitig wahrscheinlich nicht so gefallen."
"Ganz ehrlich, der mag das hier auch nicht besonders. Ich habe noch immer Bauchschmerzen und nicht wirklich großen Hunger."
"Ein wenig kannst du aber essen. Dein Magen braucht etwas, so ganz ohne ist auch nicht gut."
"Ich habe gerade so ein starkes Deja Vú Gefühl. Wer hat bei seiner letzten Grippe auch nichts essen wollen?"
Bridger lachte. "Das lag nicht daran, weil ich nicht wollte, sondern an deinen Kochkünsten, erinnerst du dich?"
"Man konnte es essen! Wenn man verschnupft ist, hat man sowieso keine Geschmacksnerven und der Doc hat es ja auch gegessen!"
"Was habe ich gegessen?" Kristin stand unvermittelt in der Tür und beide sahen überrascht auf.
"Hallo!", begrüßte Nathan sie. "Was machst du denn schon hier?"
"Ich habe Mittagspause und war einkaufen, da ich sonst nicht dazugekommen wäre." Sie blickte von dem Captain zu dem Teenager. Sie legte ihre Handtasche auf den Boden und eilte an seine Seite. "Ich habe schon geahnt, dass es dir nicht gut geht." Liebevoll strich sie ihm über das Gesicht und legte ihm ebenfalls wie Bridger bereits mehrere Male an diesem Tag die Hand auf die Stirn.
"Ist schon gut, habe meine private Krankenschwester hier." Er zeigte auf den älteren Mann an seiner Seite.
"Mich hat die Schule angerufen, kaum, dass ich mit der Arbeit begonnen hatte, dass ich ihn besser abholen sollte."
Besorgt sah sie den Jungen an. "Was ist denn passiert?"
"Mour hätte beinahe Bekanntschaft mit meinem Frühstück gemacht, aber ich war schneller auf der Toilette.", sagte Lucas fast ärgerlich.
"Und was ist das hier?", fragte Kristin mit einem Blick auf seine Suppe.
"Das habe ich ihm gemacht. Er brauchte etwas zum essen.", antwortete Bridger.
Sie sah noch einen Moment kritisch in den Teller, dann beließ sie es dabei Lucas noch kurz über das Haar zu wuscheln. "Mir scheint du bist bereits in guten Händen. Ich werde schnell nach sehen, was ich für dich habe. Was genau brauchst du denn?"
"Er sagt, er hat Kopfschmerzen.", antwortete erneut Bridger.
Dr. Westphalen sah ihn vorwurfsvoll an. "Ich will von ihm hören, was ihm fehlt." Sie richtete sich auf. "Warum gehst du nicht nach unten und räumst die Einkäufe weg? Ich habe nicht viel Zeit bevor ich wieder zurück muss."
Der seaQuest Captain verstand den Hinweis und machte sich auf den Weg nach unten. Jetzt wo Kristin da war, würde sich die Situation ein wenig entspannen. Er hatte noch nie viele Nerven in Krankheitsfällen gehabt. Ihm war wesentlich wohler zumute, wenn sie da war. Im Gegensatz zu ihm wusste sie am ehesten was man mit Lucas unternehmen sollte, um ihn schnell wieder gesund zu bekommen.
"Wenn du keinen Hunger hast, dann musst du das nicht in dich hinein stopfen.", sagte sie, als sie sich wieder zu dem Computergenie an das Bett setzte.
"Gut, ich hätte nämlich nicht mehr viel runter bekommen."
"Fehlt dir sonst etwas?"
"Nur diese Kopfschmerzen und der Bauch ein wenig, aber der Kopf ist am schlimmsten."
"Ist gut, ich hole dir schnell etwas. Leg dich wieder hin. Am besten du bleibst liegen und versuchst ein wenig zu schlafen." Sie nahm das Tablett und brachte es hinaus.
Lucas folgte ihrem Rat und ließ sich in die Kissen tiefer sinken. Kaum lag er drinnen, kam jemand direkt vor sein Gesicht gesprungen. Diese blauen Augen würde er unter tausenden erkennen. "Hey, komm her." Er streckte seine Hand aus, die sofort abgeschleckt wurde. "Hat dir dein Essen geschmeckt?" Soeben wollte er sich aufrichten, um doch einmal etwas von dem Tee zu trinken, als er spürte, wie sein Magen wieder Revolte schlug. Schon begann ihm das Schlucken schwer zu fallen. Auf Minki konnte er jetzt keine Rücksicht nehmen. Er schlug die Decke beiseite, vergrub somit das Kätzchen darunter und hastete in das Badezimmer.
Es war ein Glück, dass ihm erst über der Toilettenschüssel schwarz vor Augen wurde. Hier konnte er sich abstützen und fiel nicht mitten im würgen im Flur der Länge nach hin. Dann verabschiedete sich das Geheimrezept von Carol Bridger.
Aus dem Schlafzimmer kam Kristin mit zwei und drei Tablettenpäckchen in jeder Hand angeeilt. Ihr tat der Junge so unendlich leid, am liebsten würde sie mehr für ihn tun, als ihn mit Tabletten abzuspeisen. Sein Magen vertrug augenblicklich nicht sonderlich fiel, das merkte sie sofort.
Sie sah auf die Auswahl in ihren Händen. Einige davon konnte sie demnach wieder zurück legen. Dr. Westphalen legte die Tabletten auf den kleineren Schrank im Flur und trat in das Badezimmer. "Geht es wieder?" Sie kniete sich zu Lucas, der soeben die Spülung betätigt hatte und sich den Arm über den Mund hielt. Er nickte stumm, doch er sah elendlich aus.
"Komm, wir bringen dich wieder ins Bett zurück. Bis ich nach Hause komme ist jegliches Essen für dich verboten!"
Minki versuchte noch immer sich unter der Decke zu befreien. Kläglich vor sich hin miauend versuchte sie von einer Seite auf die andere hervor zu kommen. Lucas erbarmte sich und half hier, so schwach er auch war. Sobald sie wieder an der frischen Luft war, schüttelte die Katze den Kopf.
"Du kleiner Racker. Er ist krank und du leidest fast genauso wie er." Dr. Westphalen nahm Minki auf den Arm und streichelte ihr liebevoll über den Rücken, während ihr großes Sorgenkind unter die Decke krabbelte. "Weißt du was für einen Tee Nathan dir gekocht hat?"
"Nein.", antwortete er schwach.
Sie nahm die Tasse in die Hand und roch daran. "Naja, trink einen kleinen Schluck, aber nicht zuviel, sonst bist du gleich wieder im Bad."
"Sofern ich es bis dahin schaffe. Mich hat es heute schon hin gehauen."
"Bitte?"
"Mir wurde schwarz vor Augen und ich bin zusammen geklappt."
"Dann bringe ich dir am besten gleich noch eine Schüssel mit, wenn dein Kreislauf verrückt spielt."
"Haben sie etwas, was mir hilft?"
"Ja, ich sehe nochmal nach, denn wenn dein Magen derartig empfindlich ist, dann ist es vorerst besser, wenn ich dir ein paar Tropfen gebe und keine Tablette. Vielleicht habe ich auch etwas zum injizieren, das wäre noch besser, denn dann kommt es sofort in die Blutbahn. Bleib liegen, ich bin gleich zurück."
Sie eilte in das Schlafzimmer zurück gerade als ihr Bridger entgegen kam. Mit einem Handzeichen bedeutete sie ihm, ihr zu folgen. "Er braucht absolute Ruhe. Das mit der Suppe war gut gemeint, doch ich glaube sehr viel Essen wird er nicht können, wenn es im nächsten Moment gleich wieder raus kommt."
"Hat er sich übergeben?", fragte er.
Kristin nickte. "Ja, sein Magen hat da ganz empfindlich drauf reagiert. Ich suche ihm jetzt etwas raus, was hoffentlich in ihm bleibt, bis es seine Wirkung ausbreitet. Andernfalls ist das alles ziemlich sinnlos. Ich wünschte, ich müsste jetzt nicht wieder arbeiten."
"Meinst du, es ist ein guter Moment, um dir zu sagen, dass ich wahrscheinlich meinen Job verliere?"
"Kannst du ruhig machen, ich bin mir sicher, die UEO findet ganz schnell was neues für dich."
"Wären wir eine richtige Familie gäbe das Grund zur Sorge!"
"Wir sind es aber nicht.", sagte sie während sie in einer Schachtel voll mit Medikamten wühlte. "Außerdem hast du noch immer deinen Sold."
"Ich kann nicht auf mein normales Konto zugreifen. Genausowenig wie du. Was soll ich mit Lucas den Nachmittag über machen?"
"Behalt ihn im Auge. Ich gebe ihm etwas. Er hat kein Fieber, also besteht die Möglichkeit einer Magenverstimmung. Da passen seine Kopfschmerzen nicht mit rein, aber vielleicht ist das nur Zufall." Sie hatte gefunden was sie suchte. "Ich gebe ihm das hier und dann bin ich weg. Sollte doch etwas sein, dann rufst du mich an. Ich schreibe dir die Nummer auf." Schon griff sie nach einem Zettel und schrieb eilig eine Nummer darauf. Anschließend verschwand sie im Zimmer des Teenagers.
Sobald sie dann wieder auf dem Weg zur Arbeit war, kam Nathan zu Lucas. Die tränigen Augen sahen ihn neugierig an. Er tat ihm richtig leid, wie er da so zusammengesunken in seinem Bett lag. Minki hatte sich an seine Schulter gekuschelt.
Er setzte sich zu ihm auf den Bettrand und fuhr ihm mit der Hand übers Haar. "Kristin sagt, du brauchst Ruhe. Bevor ich dich also allein lasse und auch das Kätzchen mitnehme."
Lucas sah protestierend zu ihm auf. "Nein, keine Widerrede. Sie lenkt dich nur ab. Ich werde mich schon gut genug um sie kümmern, mach dir da mal keine Sorgen. Brauchst du noch etwas?"
Betrübt schüttelte der Kranke den Kopf.
"Gut." Bridger stand auf und nahm Minki mit der rechten Hand vom Kopfkissen. Verwundert sah sie zu ihrem Herrchen, warum der das zuließ. Sie wollte doch gar nicht von dem gemütlichen Kissen weg. "Ich lasse die Tür wieder auf, falls etwas ist. Ich bin später dann im Schlafzimmer."
Dass er verstanden hatte, bestätigte er nickend und schon war er wieder allein in dem Zimmer. Draußen begann es zu regnen. Die ersten Tropen fielen hohl gegen seine Fensterscheibe. Eine Zeit lang betrachtete er betrübt das Treiben, bevor er sich herumdrehte und lieber nach seinem Buch griff.
Die Medizin der Ärztin hatte geholfen und die Kopfschmerzen waren ein wenig zurück gegangen und auch seinem Bauch ging es besser. Er stopfte sich sein Kissen soweit zurecht, dass er lesen konnte. Ein Foto Darwins diente als Lesezeichen. Als sie ihn im Urlaub damals besucht hatten, hatte Lucas alle Möglichkeiten genutzt und ihn fotografiert, bis es kein Halten mehr gab. Auf seinem Schreibtisch hatte er eines, das ihn mit seinem Freund gemeinsam zeigte, eingerahmt. Ein kurzer Blick auf die Fotos machte ihn glücklich. Seine Stimmung hob sich. Jedesmal dauerte es eine Weile bis er mit Lesen begann, denn zu sehr zog ihn der Anblick des Delphins in seinen Bann.
Nach einer geraumen Weile kam Bridger zu ihm ins Zimmer. "Alles okay bei dir?", fragte er ihn besorgt.
Gähnend sah er von seinem Buch auf. "Ja, ich denke schon. Mir ist nicht mehr so schlecht. Ab und an dreht sich mal wieder alles und ich habe das Gefühl zu fliegen in meinem Bett, aber mir geht es nicht mehr so schlimm, wie heute Vormittag."
"Ist gut. Ich bin nebenan."
"Minki?"
"Die bleibt vorerst wo sie ist." Nathan trat ins Zimmer. "Ich werde das Fenster einen Spalt öffnen, damit du etwas frische Luft abbekommst. Deck dich ein wenig zu, damit du nicht zu sehr frierst, oder soll ich dir noch eine Decke bringen?"
"Nein, geht schon so.", sagte der Teenager und zog die Decke bis zum Kinn. Sein Buch musste er schließen, aber das machte nichts. Er war müde und würde jetzt erst ein wenig schlafen.
Der Captain trat an seine Seite und befühlte seine Stirn. "Du hast jetzt doch ein wenig Fieber bekommen. Weißt du, ob Kristin dir etwas für diesen Fall gegeben hat?"
Müde schüttelte der Gefragte den Kopf.
"Naja, so schlimm ist es nun auch nicht. Du bist nur leicht warm." Er sprach mit sanfter Stimme, wie Lucas ihn nur selten bisher erlebt hatte. Damals als Darwin krank war, hatten einige ihn bereits von seiner fürsorglichen Seite kennen lernen können, doch das hier war jetzt wieder ein ähnlicher Fall. Nur konnte hier jemand den Captain auch von einer Seite sehen, von der er nur gehört hatte.
Sobald dieser gegangen war, rutschte er tiefer in die Kissen und schloss die Augen. Fast augenblicklich schlief er ein und wachte erst wieder auf, als er die Stimme der Ärztin vernahm. Dr. Westphalen musste erst gerade von der Arbeit zurück gekehrt sein. Draußen war es dunkler geworden und der Regen stärker. Obwohl er so tief und auch lange geschlafen hatte, fühlte er sich nur schlechter. Die Kopfschmerzen waren zurück gekehrt und ihm war heiß. Zu heiß für diese Decke. Er strampelte sie von sich und schleppte sich raus aus seinem Zimmer, weil er zur Toilette wollte, doch soweit kam er nicht.
Im Türrahmen zum Badezimmer hielt er an. Ein erneuter Schwächeanfall überkam ihn, glücklicherweise ging es kurz darauf wieder und als er das Bad verließ, lief er direkt seiner Mutter auf Zeit in die Arme.
"Lucas!" Sie wollte sich umziehen gehen, frei nach dem Motto; Bloß raus aus den Arbeitsklamotten.
"Hallo.", sagte er schwach, dann wurde ihm wieder schwarz vor Augen. Seine Hand war noch am Türrahmen und er fiel zum Glück nicht um. Er wollte ganz eilig in sein Bett zurück, denn wie es aussah, würde sein Kreislauf das hier nicht so mitmachen, wie er sollte.
Dr. Westphalen ergriff sofort seinen Arm, um ihn zu stützen. "Warte, ich bringe dich ins Bett zurück. Wie fühlst du dich, besser oder schlechter als heute mittag?"
Er stöhnte, bevor er antworten konnte. Ihm fiel selbst das Reden schwer. "Irgendwie wird alles schlimmer anstatt besser."
Miauend kam Minki die Treppe hoch gehüpft. Sie lief zu den beiden und schmiegte sich an Lucas nackte Füße. Der spürte nur die Berührung, konnte sich aber nicht auf das Kätzchen konzentrieren.
"Du siehst auch nicht sonderlich gut aus." Sie half ihm zurück ins Zimmer. Gerade rechtzeitig, denn kaum standen sie davor, brach er auch zusammen. Seine Kräfte hatten ihn verlassen.
"Lucas? Lucas!" Erschrocken kniete die Ärztin neben seinem Bett nieder. Er selbst war nur dazu in der Lage sich kriechend in die richtige Lage zu bringen, damit er auf die Weise verweilen konnte. Er hielt sich mit der linken Hand die Stirn. Sie wollte ihn zudecken, aber er wehrte sich. "Mir ist einfach zu warm!"
Kristin fuhr ihm sanft über die Stirn, da wusste sie Bescheid. "Du ziemlich hohes Fieber. Bleib liegen, ich bin gleich zurück."
Völlig von ihr unbeachtet sprang Minki zu Lucas ins Bett. Er lag mit geschlossenen Augen da. Sie zu streicheln hätte ihn zu sehr angestrengt. Die Katze schmiegte ihren Kopf an seinen Hals und wuschelte ihm mit der Nase in den Haaren herum, bis jemand mit einem Fieberthermometer zurück kam. "Minki!" Unsanft wurde die Katze zur Seite geschoben.
"Ich denke ich werde kalte Umschläge machen müssen, bis die Medikamente wirken." Eilig verließ sie das Zimmer wieder. Das Thermometer hatte einundvierzig Grad Fieber angezeigt. Er war knapp bei zweiundvierzig gewesen. Das Fieber musste ganz schnell gesenkt werden. Im Schlafzimmer streifte sie schnell ihre Schuhe ab. Diese Absätze konnte sie jetzt überhaupt nicht gebrauchen. In ihren medizinischen Vorräten suchte sie nach den geeigneten Mitteln. Ob es Lucas gefiel oder nicht, er würde von ihr jetzt eine Spritze gegen das Fieber bekommen.
"Willst du Nudeln oder Reis?", fragte Nathan sie, der auf einmal im Türrahmen stand. Als er sie mit der Spritze herum hantieren sah, wurde ihm ganz flau im Magen. "Was ist los?"
"Ich muss mich erst um Lucas kümmern. Das Essen muss warten." Sie blickte zu ihm auf. "Er hat ziemlich hohes Fieber."
"Dann ist es also gestiegen? Ich hatte gehofft, es würde nicht so schlimm werden. Er hatte nur leichte Temperatur, als ich nach ihm gesehen hatte die letzten Male. Da er schlief, hielt ich es für besser dies auch weiterhin so zu belassen, da ihm das doch nur gut tun konnte."
"Du brauchst dich nicht zu rechtfertigen. Das konnte keiner voraussehen, dass er so hohes Fieber bekommen würde."
"Kann ich dir helfen?"
Sie suchte nach einem ganz bestimmten Mittel und wühlte in der Kiste mit den kleinen Glasfläschchen. "Ja, du kannst mir einen Eimer mit kalten Wasser bringen, kleinere Handtücher und auch einen Waschlappen."
"Mach ich." Er drehte sich um und ging in die Küche zurück, wo er den Eimer holte und dann oben im Badezimmer mit kaltem Wasser zur Hälfte füllte.
Lucas war viel zu schwach um sich gegen die Spritze zu wehren, doch was er an Kraft aufbringen konnte, reichte der besorgten Frau die Nerven zu rauben. "Ich lasse keine weitere Diskussion zu. Du bist krank und ich habe etwas, das dir helfen kann und wenn du das nicht willst, dann ist mir das egal. Ich werde diese Nadel jetzt in deine Haut stechen und du kannst nichts tun!"
Obwohl ihm heiß war, zog sich der Teenager die Decke bis ans Kinn hoch. "Nein, nein. Die tun weh. Minki ist auch schon geflüchtet."
"Die ist weg, weil du dich so gegen diese Spritze wehrst."
"Soll ich ihn festhalten?", bot Bridger grinsend an. Böse funkelten daraufhin die blauen Augen ihn an.
Leicht verzweifelt saß die Ärztin auf dem Boden vor dem Bett. "Bitte!"
"NEIN!", rief Lucas. Er versuchte zumindest zu rufen, doch seine Kraft reichte nicht. Mit den Händen krallte er sich an seine Bettdecke fest, denn sobald der Eimer auf dem Boden abgestellt war, hatte Bridger mit Leichtigkeit ihm diese entzogen.
"Wie kann man sich nur so anstellen?", fragte er lächelnd, obwohl ihm nicht zu lächeln zu mute war. Er hielt den Jungen fest und endlich konnte Kristin ihm die Spritze geben.
"War das nun so schlimm?", fragte sie anschließend.
Lucas sah auf seinem Arm und den roten Tropfen Blut, der aus der Wunde herausquoll. "Ich habe auch ein Pflaster für dich, wenn es sein muss." Er nickte und bekam eines.
Kristin tauchte den Waschlappen in das kalte Wasser und nachdem sie ihn ausgewrungen hatte, gab sie diesen Bridger, der ihn auf die Stirn des Teenagers legte, dann begann sie mit den Umschlägen.
"Ich komme mir hier irgendwie bescheuert vor.", ließ das Computergenie von sich hören.
"Wieso das denn?", fragte die Ärztin ihn.
"Na kommen sie. Ich liege total hilflos hier und muss mir kalte Lappen auflegen lassen. Im übrigen ist mir noch immer heiß und diese Lappen sind gar nicht kalt."
"Das kommt dir nur so vor, weil du so hohes Fieber hast.", erklärte Kristin. Konzentriert tauchte sie die Handtücher in das Wasser.
"Was ist daran bescheuert?" Bridger saß nach wie vor bei ihm auf dem Bettrand. "Das ist doch recht normal, dass man sich so um jemanden kümmert, wenn er krank ist."
Der Teenager seufzte auf. "Dann muss bei mir wohl zu Hause immer was falsch gelaufen sein. So viel Mühe hat sich da keiner gemacht. Wenn es wirklich mal ernster war, wurde ich gleich in ein Krankenhaus gebracht und da haben die sich teilweise nicht mit solchen Methoden abgemüht." Er drehte den Kopf zur Seite. Minki war wieder da. Sie legte eine Pfote auf seinen Hals während ihr Gesicht an seine Wange schmuste.
Diesen Moment nutzten Nathan und Dr. Westphalen um sich vielsagende Blicke zu zu werfen. Diese sagten einiges über ihre Achtung vor den Eltern des Patienten aus. "Was willst du essen? Nudeln oder Reis?", unterbrach der Captain die Stille. "Ich kann hier gerade nichts tun und da mache ich dir lieber was zu essen."
"Nudeln sind in Ordnung.", gab sie ihm mit einem Zwinkern zu verstehen. Lucas klopfte er aufmunternd auf die Schulter, bevor er aufstand und das Zimmer verließ.
Die beiden sorgten sich wirklich rührend um ihn. Minki hatte sich an seine Seite gelegt und die Augen geschlossen. Auch er tat es ihr gleich, sobald er es bei ihr gesehen hatte. Was anderes konnte er im Moment sowieso nicht tun außer vor sich hinzudösen. Hoffentlich wurde das hier nicht schlimmer und er musste in ein Krankenhaus. Bei seinen Eltern war ihm das eigentlich relativ egal gewesen. Meistens hatten sie ihm immer was mitgebracht, wenn sie ihn besuchten, doch hier war es anders. Hier hatte er jemanden, der sich ununterbrochen um ihn zu kümmern schien und dem es noch nicht einmal etwas auszumachen schien.
Nach einer ganzen Weile schlief er jedoch ein und bekam für eine lange Zeit nicht mehr mit, was um ihn herum geschah.
