Wieder zu Hause angekommen wurde Lucas ins Bett gepackt mit seinen neuen Schätzen. Minki kam zu ihm gelaufen in der Schnauze das Foto von Darwin, dass sei bereits versteckt hatte. "Hey, wo kommt das denn auf einmal her?" Das Computergenie nahm es ihr ab, als sie bereitwillig damit über seine Bettdecke spazierte. "Ich habe das vorhin schon die ganze Zeit gesucht gehabt!"
Erwartend saß das Kätzchen da. Gab es jetzt etwa keine Belohnung für sie?
"Lucas?" Bridger störte mal wieder.
"Ja?" Er schubste Minki zur Seite, da er von seinen neuen Büchern doch noch gerne etwas gehabt hätte, bevor sie ihre Zähne dort verewigte.
"Kristin hat mir heute morgen einige Dinge aufgeschrieben, die du Essen könntest und was bei dir auch der Magen mit machen sollte. Bevor ich jetzt hier drauf los koche, wollte ich nur wissen, was du davon gerne hättest." Er hielt ihm den Zettel hin.
"Im Grunde ist mir das egal, aber das dort in der Mitte klingt nicht schlecht."
"Ist gut, dann mache ich dir das. Brauchst du etwas?"
Lucas schüttelte den Kopf. Nein, im Moment brauchte er nichts. Er lehnte sich zurück, nachdem er die Kissen wieder in Form gestopft hatte und richtete die Knie auf, damit er seinen Bildband an sie lehnen konnte. Es war ein Buch über die schönsten Plätze auf der Erde. Die farbigen Seiten zeigten ihm Wüsten, Felsformationen und Lagunen und Vulkane und noch viele andere Plätze, die ihn träume ließen. Natürlich nur bis das Kätzchen kam! Das war den gesamten Vormittag allein gewesen und nun schien ihr Herrchen noch nicht einmal Interesse an ihr haben zu wollen. Das ging so natürlich nicht.
Erschrocken fuhr der Teenager zusammen als Minki miauend über das Bett hopste und sich über das Buch schwang. Schmusend schmiegte sie sich anschließend an seine Brust.
"Alles klar, ich habe es verstanden." Er packte das Buch zu und legte es auf die Seite. "Du bist wichtiger." Kraulend fuhr er ihr über den Kopf bis sie wohlig anfing zu schnurren.
Am frühen Nachmittag klingelte es an der Tür und wenig später klopfte jemand bei ihm an. "Lucas, da ist Besuch für dich.", sagte Bridger.
Als er sich im Bett aufrichtete kamen Chris und Lenny in sein Zimmer. "Hallo!", begrüßte ihn Lenny gleich fröhlich.
"Dir ging es gestern gar nicht gut und da Nen meinte, du hättest dann auch noch schlimm ausgesehen, haben wir dir kurzerhand einen Kuchen gebacken." Chris hielt ihm stolz die Pappschachtel hin.
"Ihr seid lustig. Ich kann keinen Krümel in mir behalten und ihr schenkt mir einen Kuchen!"
Bridger nahm ihnen den Karton ab. "Vielleicht solltest du bei den beiden mal Unterricht nehmen. Soweit ich weiß, haben wir deine Backkünste noch nicht getestet."
"Dazu wird es auch nicht kommen!", sagte Lucas.
"So gut sind wir ja auch nicht. Hoffentlich ist es überhaupt genießbar.", sagte Chris mit leicht gerunzelter Stirn. "Lenny's Mutter wird schon gewusst haben, warum sie fluchtartig die Küche verlassen wollte."
"Hey, der sieht doch gut aus!", protestierte Lenny.
Der Captain konnte nicht mehr an sich halten und hob den Deckel des Kartons an. "Schokoladenkuchen?"
Stolz nickten die beiden Teenager. "Jaha, haben wir ganz allein zusammen gepanscht. Hat zwar den gesamten Nachmittag gedauert, aber er ist was geworden und nach der Schule sind wir heute gleich hergekommen."
Lucas reckte den Hals, damit er auch einen Blick in den Karton werfen konnte. Der Kuchen war rund und schien einen Schokoguss zu haben, aber mehr konnte er nicht sehen. Außer, dass die Oberfläche nicht glatt sondern voller Hügel war.
"Ich werde uns ein paar Teller holen gehen. Lucas wird nicht mit uns essen, bis bei ihm alles wieder in Ordnung ist, ist der Kuchen alt und das wollen wir doch nicht." Nathan legte die Schachtel auf den Schreibtisch bevor er nach unten ging.
Lenny setzte sich zu Lucas auf den Bettrand. "Soll meine Mutter dir eine Hühnersuppe kochen? Die hat das schon angeboten, als ich ihr sagte, du seist krank."
"Das ist wirklich nett, aber brauchst du nicht."
"Ich bin im übrigen etwas sauer auf dich.", ließ Chris vernehmen.
Verwundert sah ihn das Computergenie an. "Warum denn?"
"Ich muss ganz allein bei Mour nachsitzen, weil du durch Krankheit ausfällst. Der hat ganz schön blöd aus der Wäsche geguckt, als du an ihm vorbei gezischt bist gestern."
"Oh, wollte der mich wieder nachsitzen lassen? Dachte, das wäre mir noch erspart geblieben."
"Nein, der hat dann gegen Ende der Stunde die Nerven mit Chris verloren.", klärte Lenny auf. "Angeblich hatte er einen Fehler in der Formel und Chris meinte die richtige Lösung zu kennen. Er hat sich mit ihm über den Lösungsweg im Lehrbuch gestritten."
Bridger kam mit Tellern und Besteck in das Zimmer zurück.
"Moment mal, bevor du hier voreilig weiter redest.", unterbrach Chris seinen Freund. "Da war wirklich ein Fehler! Die Formel war an einer Stelle verdreht und dieser Depp von Mour hat das nicht geschnallt. Der hat mir einfach nicht glauben wollen, dass es auch in Lehrbüchern Druckfehler geben kann."
"Ist das nicht immer möglich? Ich kann mich noch erinnern, dass in meiner Schulzeit wir öfters in den Büchern Druckfehler hatten.", sagte Nathan, während er den Kuchen anschnitt.
"Genau das habe ich ihm auch gesagt, aber versuchen sie mal mit Mour zu reden! Keine Diskussion, hat er zu mir gesagt und mir darauf hin gleich einige Stunden nachsitzen beschert, weil ich die Formel mit ihm an der Tafel ganz genau herleiten wollte. Selbst als ich ihm meine Formelsammlung zeigte, in der eben genau diese auch drinnen steht und zwar ohne diesen komischen Faktor, hat der mir nicht geglaubt. Angeblich ist meine Formelsammlung falsch." Zähne knirschend lehnte sich Chris an das Fensterbrett. "Ich hätte ihm an die Gurgel gehen können."
Nathan hielt jedem der Jungen einen Teller mit einem Stück Kuchen und einer Gabel hin. "Das wäre doch genau dein Fall gewesen, Lucas!"
"Oh ja und ob. Mich hätte nichts mehr gehalten. Ob er will oder nicht ich hätte ihm die Formel bis ins kleinste Detail hergeleitet und dann hätte der nichts mehr sagen können! Alle Vorsicht und neuen Identitäten zum Trotz. Der hätte mal mein wahres Ich zu sehen bekommen." Ohne es wirklich zu wollen, krallten sich seine Finger in die Bettdecke.
"Vergiss es. Er hätte dich für den Rest der Stunde genauso aus dem Physiksaal geworfen wie mich. Keine Diskussion. Der ist sogar richtig rot angelaufen. Meine Formelsammlung sei Schrott. Selbst als ich sagte, es ist die von Lennys Vater, der sie sogar an der Universität benutzt, hat das nichts geholfen."
"Du hättest meinen Vater sehen sollen, als der nach dem Unterricht zu ihm mitten in die Vorlesung geplatzt ist und ihn um Bestätigung gebeten hat!", warf Lenny ein.
"Natürlich! Ich kann sowas nicht auf mir sitzen lassen!"
"Soll das heißen du bist in die Universität gerauscht, nur weil Mour zu blöd ist?", fragte Lucas ungläubig.
"Yup! Der hat dem zugestimmt.", sagte Chris stolz, der sich durch Lenny's Vater bestätigt fühlte.
"Und uns raus geworfen. Ich habe mir am Abend was anhören dürfen. Bei seinen Studenten hätten wir einen bleibenden Eindruck hinterlassen.", sagte Lenny, der langsam begann an seinem Kuchen herumzustochern.
"Das wäre wirklich was für dich gewesen.", stimmte Bridger lächelnd mit ein. "Ich versuche gerade dahinter zu kommen, was du bei dieser Vorlesung noch alles getan hättest."
"Na diese gehalten.", sagte der Teenager ganz zuversichtlich.
"Das glaube ich dir aufs Wort!", ließ der Captain vernehmen und schob sich das erste Stück des Kuchens in den Mund. Seine Gesichtsmuskeln verschoben sich zu einem kritischen bis erschrockenen Ausdruck.
"Mein Dad meinte gestern so, ob Chris sich denn auch wohl fühle.", fuhr Lenny weiter fort mit einem Grinsen im Gesicht.
"Bitte was? Wieso denn?" Chris stellte seinen Teller wieder auf die Seite. Das interessierte ihn nun doch.
"Du hast doch sonst immer vorgegeben von nichts eine Ahnung zu haben und nun stürmst du da in eine Vorlesung rein und schmeißt mit Fachausdrücken um dich, als wäre es das normalste von der Welt. Du wusstest ganz genau wovon du redest. Das muss doch jemanden, der dich nur von der anderen Seite kannte doch stutzig machen. Mir hat es nur bewiesen, was ich schon lange vermutet habe. Selbst bei uns in der Klasse wurde nach der Stunde getuschelt." Lenny ließ seinen Teller auf der Hand kreisen.
"Worüber haben die denn getuschelt?"
Der dunkelhaarige Teenager ließ den Kopf hängen. "Na über deinen Auftritt. Er hat heute sogar noch eines drauf gesetzt und noch vor Mathe draußen auf dem Flur auf Mour gewartet."
Lucas setzte sich jetzt gerade auf. Alle Schwäche und Krankheit war aus ihm gewichen. "Und?", fragte er neugierig.
"Ich habe ihm gesagt, dass ich mich bei einem Professor an der Universität meine Behauptung habe bestätigen lassen und seine Formel falsch ist.", erzählte Chris.
Das Computergenie hing an den Lippen seiner Freunde. "Und? Lasst euch nicht alles aus der Nase ziehen!"
"Chris hat für den Rest des Monats Strafarbeiten aufbekommen.", kommentierte Lenny fröhlich den Erfolg seines Freundes.
"Das ist ne ganz linke Nummer sag ich euch! Damit wird der Kerl nicht durchkommen. Keine einzige dieser Strafarbeiten werde ich machen. Ich werde gleich nachher zu deinem Vater gehen, Lenny und mir das schriftlich geben lassen oder ihn morgen mit in die Schule schleifen!"
Vorsichtig nahm Bridger im Hintergrund einen weiteren, dieses Mal kleineren Bissen von dem Kuchen. Der Geschmack hatte sich nicht verändert und nun biss er auch noch auf etwas hartes. Als er es ausspuckte sah es verdächtig nach einer recht großen Eierschale aus. Die zwei hatten da anscheinend mehr rein getan, als unbedingt nötig war.
"Soll ich meinen Vater auch mal anbieten?", fragte Lucas seine Freunde.
Nathan sah auf. "Was ich? Ich gehe nicht zu diesem Lehrer, wenn es nicht unbedingt sein muss."
Den Kopf schüttelnd erklärte Lucas, was er gemeint hatte. "Doch nicht sie, ich meine meinen richtigen Vater. Der ist Physiker, wenn es sein muss, kann der Mour ein Ohr abkauen ohne Ende!" Er lachte schadenfroh. "Das wäre doch mal was. Ich glaube der würde sich den Unterkiefer ausrenken, wenn er dann vor ihm steht. Wir haben nur das Problem, dass der gute Doktor keine Zeit haben wird, um hier mal aufzutauchen."
"Ne, lass nur, ich rede mal mit meinem Vater. Mit Glück kann er Chris doch vor seinen Strafarbeiten bewahren. Dich nur leider nicht." Lenny stellte nun auch seinen Teller auf die Seite und begann in seinem Rucksack zu kramen. Er zog einige Blätter in einem Hefter hervor. "Bitte sehr. Mit besten Grüßen von Mr. Mour. Das ist der Stoff für diese Woche und unsere Hausaufgaben hat er dir auch angestrichen. Dir würde auf diese Weise bestimmt nicht langweilig werden."
Mit zuckendem Augenlid sah der Teenager auf den Hefter, der nun auf der Decke lag. Er überlegte kurz. "MINKI!", rief er dann.
Verwirrt tauschten seine Freunde Blicke aus.
"Die steht auf Mathe, werdet ihr schon sehen.", versicherte Lucas und haute den Hefter auf den Boden.
Bridger stellte nun endgültig den Teller auf den Tisch zurück. Er hatte noch zwei kleine Happen von seinem Kuchenstück gegessen, doch nun gab er es auf. Auch mit fortschreitendem Genuss wurde dieser nicht besser. "Warum esst ihr beiden denn nicht?", fragte er dann an Lenny und Chris gewandt.
"Oh, ganz vergessen.", sagte Chris. Er griff zu seinem Teller, trennte ein Stück mit der Gabel vom Ganzen und schob es sich in den Mund. Nach einmal kauen verzog sich sein Gesicht. Lenny ging es nicht anders.
"Aha.", kam es vom Captain. "Dann habt ihr also auch einen komischen Geschmack!"
"Meinst du das sind die Mohrenköpfe gewesen?", fragte Chris Lenny.
"Nein, die können das nicht gewesen sein. Meine Mutter hat die früher bei Kindergeburtstagen immer für die Torte mit benutzt. Vielleicht hätten wir in den Teig etwas weniger Salz tun sollen."
"Oder wir hätten davon absehen sollen in die geschmolzene Schokolade noch Kakao zu tun.", führte Chris die Diskussion weiter.
"Was ist mit der Schlagsahne, die du mit rein getan hast, damit es cremiger wird?"
"Nein, nein, die kann es nicht gewesen sein. Auf der Sprühflasche stand, dass die erst nächstes Jahr verfällt."
Bridger hielt sich den Mund zu und auch Lucas wurde zunehmend schlechter. "Könntet ihr bitte aufhören? Ich habe zwar gerade nichts im Magen, aber mir wird auch so schlecht und Galle spucken kann ich immer."
Sie sahen ihn verdutzt an. Nathan nahm ihnen schnell die Teller weg. "Ihr habt die Eierschalen vergessen, Jungs."
"Eierschalen?", fragte Lenny ihn.
Der Captain nickte. "Ja, ihr müsst die von dem Inhalt trennen, wenn ihr Eier in den Teig mit rein tut. Am besten ihr zwei lasst euch beim nächsten Mal von euren Müttern helfen. Ich glaube Lucas' Künste in der Küche sind mit euren gleich zu setzen."
"Ich weiß zumindest schon mal wie man eine Waschmaschine bedient!", ließ Chris vernehmen. "Ach und Lucas, deine Katze ist gerade dabei deine Matheaufgaben zu fressen anstatt sie zu machen."
Lucas lehnte sich über den Rand seines Bettes. "Das war auch meine Absicht. Braves Kätzchen! Sie mag Mathe über alles." Er strahlte über das ganze Gesicht als er sich wieder richtig hin setzte.
"Hoffentlich gibt das keinen Ärger.", sagte Bridger, als er die Teller und den wirklich ungenießbaren Kuchen aus dem Zimmer brachte. "Ich gehe schnell etwas anderes zu essen holen." Er sah kurz zu Lucas. "Mit dir ist alles in Ordnung?"
Er nickte. "Ja, bin hier in bester Gesellschaft. Sollte etwas sein, kann man mir bestimmt helfen. Sind alles kluge Köpfe."
Der Captain bezweifelte das mit den klugen Köpfen nicht im geringsten, nur ihm schwante böses wenn es darum ging einen Kranken zu versorgen. Diese Jungs hatten mehr Ahnung von Zahlen und Computern als von Medizin. Er konnte nur hoffen, dass in seiner Abwesenheit keiner von ihnen auf die Idee kam, Arzt spielen zu wollen, weil es seinem Patienten auf einmal wieder schlechter ging.
Minki währenddessen zerrte mit ihren Zähnen lustig an dem Papier herum, das jemand so achtlos auf dem Boden liegen gelassen hatte. Da sich von den anwesenden Menschen keiner um sich kümmerte, ging sie davon aus, es war in Ordnung. Das machte sogar Spaß. Es dauerte nicht lange und sie hatte im ganzen Zimmer kleine Papierfetzen verteilt. Wild lief sie durch den Raum, immer noch den Hefter in der Schnauze. Mal fuhr sie mit den Krallen darüber, damit sich wieder ein Teil löste und mal nagte sie an dem Plastik.
Die Jungen betrachteten das Schauspiel. "Ich bin sicher, diese Ausrede wird Mour dir nicht abkaufen, auch nicht, wenn ich das jetzt fotografieren würde.", meinte Lenny.
"Oh ja, hast du deine Digitalkamera dabei?", fragte Lucas sofort begeistert.
Lenny schüttelte den Kopf.
"Dann geh sie holen!", befahl Chris und schob Lenny bereits aus dem Zimmer, der sich dann doch geschlagen gab. Der blonde Teenager kam zu Lucas zurück. "Gleich machen wir Beweisfotos und Mour kann sagen was er will!"
"Er wird es als Fotomontage ansehen oder gar aus dem Internet gezogen.", zweifelte Lucas.
"Das soll er sich mal trauen. Der wird doch seinen eigenen Hefter hoffentlich wieder erkennen!"
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Kristin trat in die Küche. Ihre Handtasche ließ sie auf einen der Stühle sinken. Argwöhnisch betrachtete sie den Kuchen, der da noch in voller Pracht auf dem Tisch stand sowie drei Teller, die jeweils ein Stück des besagten enthielten. Mit dem Finger fuhr sie über den Rand eines der Stücke. Gleich nach dem Probieren wünschte sie sich jedoch es nicht getan zu haben. Der Kuchen schmeckte scheußlich. Wenn sie nicht genau wüsste, dass Lucas wahrscheinlich schon nach kurzer Zeit in seinem Zustand zusammenbrechen würde, würde sie meinen er wäre von ihm.
Sie hörte Stimmen aus dem oberen Stockwerk und beschloß daher auch genau dort nach Antworten zu suchen. Oben im Flur lagen überall Papierfetzen verstreut. Es sah aus als hätte jemand seinen Papierkorb mit Schwung aus dem Zimmer heraus entleert.
"Was ist denn hier los?", fragte sie, als sie zu Lucas in das Zimmer trat und ihn zusammen mit seinen beiden Freunden antraf, wovon einer eifrig das Kätzchen fotografierte. Zumindest wusste sie schon mal wer für die Unordnung im Haus verantwortlich war.
"Was machen sie schon hier?" Lucas schien entsetzt sie zu sehen.
"Ich kann ja gerne wieder gehen, wenn ich unerwünscht bin!", meinte sie vorwurfsvoll.
"Nein, tut mir leid, so war das nicht gemeint aber ich dachte sie würden noch mindestens zwei Stunden arbeiten."
Die Ärztin ließ den Blick über den Fußboden gleiten ehe sie an seine Seite trat. "Ich habe mir Sorgen um dich gemacht und bin früher nach Hause gekommen. Als ich sagte, mein Sohn sei krank hat man mir sogar angeboten ein paar Tage frei zu nehmen. Was ich auch tun werde, denn von Nathan sehe ich hier gar nichts."
Lenny hörte auf mit Fotos. Die Kamera legte er auf die Seite. "Er wollte einen Kuchen für uns holen gehen, damit wir nicht ganz verhungern."
"Kuchen?" Sie legte die Stirn in Falten und wartete auf weitere Antworten.
"Die zwei sind genau solche Meisterköche wie ich. Ihr Kuchen, den sie mir gebacken haben ist ungenießbar.", verkündete Lucas schadenfroh.
Kristin fuhr sofort alarmiert herum. "Du hast doch hoffentlich nicht auch etwas davon gegessen."
"Keine Sorge. Nachdem ich die Gesichter von allen gesehen habe, ist es mir durchaus vergangen. Außerdem fingen die an noch über ihre Zutaten zu diskutieren. So viele Details will ich eigentlich nie haben."
Sie fuhr ihm über die Stirn. "Geht es dir auch wirklich gut?"
"Einigermaßen, ja. Die haben mir beim Arzt heute gleich wieder eine Spritze rein gehauen. Nicht nett. Erst sie gestern abend und heute wieder. Man könnte meinen ich habe etwas, das man nur mit Nadeln bekämpfen kann."
Dr. Westphalen musste lächeln. Anscheinend konnte man das Junggenie wirklich mit Nadeln ärgern. Sie sah nach der Tasse, die hinter ihm stand. "Brauchst du neuen Tee?"
Lucas nickte. "Gut, dann werde ich dir einen machen gehen. Wie lange seid ihr zwei schon hier?"
"Ähm... eine Weile.", sagte Chris.
"Auf die Uhr habe ich gar nicht gesehen.", stimmte Lenny zu.
"Allzu lange könnt ihr nicht bleiben. Er braucht schließlich Ruhe und hier habt hier schon eine regelrechtes Abenteuer angestellt." Sie wollte sich gerade umdrehen und nach unten gehen, als plötzlich Bridger mit Kuchen in beiden Händen vor ihr stand. Der schien sogar noch überraschter sie zu sehen, als die Jungs zuvor.
"Bekomme ich auch noch ein Stück ab?", fragte sie ihn frei heraus.
Der Captain selbst musste erst einmal mit seiner Überraschung fertig werden, bevor er nickend bestätigte. Anschließend rauschte sie an ihm vorbei nach unten und Lenny drückte gerade noch im rechten Moment auf den Auslöser.
"Hast du mich gerade fotografiert?", fragte er drohend den dunkelhaarigen Teenager.
"Hat er und das Foto wird auf der seaQuest den Hauptschirm zieren sollten wir jemals wieder zurück kehren.", sagte Lucas fröhlich.
"Das werde ich zu verhindern wissen. Ich brauche nur von dir ein paar Bilder im nächsten Fieberrausch machen, das wird sicherlich ebenfalls lustig."
"Bloß nicht.", meinte Lucas dazu nur.
Chris sah sich derweil gelangweilt in dem Zimmer um. "Wirklich viel hast du nicht, womit du dich beschäftigen kannst. Außer Bücher und ... Bücher ... und... oh, ein in Fetzen hängendes Mathebuch. Sehr gut." Er hatte ein früheres Opfer von Minki in einer der Ecken entdeckt.
"Leg das sofort wieder in sein Grab zurück!", befahl Lucas. "Das hatte ich so schön beerdigt gehabt."
"Du hast es dort hingepfeffert!", sagte Bridger. "Wie einen Waschlappen über die Schulter geworfen und es einfach liegen lassen." Er packte den Kuchen aus dem Papier und stellte ihn auf den Tisch. "Ich gehe schnell Teller und Besteck holen. Zum zweiten Mal heute.", den letzten Satz nuschelte er vor sich hin.
"Wie auch immer, das Ding ist in die ewigen Jagdgründe des Dreisatzes eingegangen und soll dort auch bleiben, es sei denn Minki hat nichts mehr zu tun.", fuhr Lucas fort.
"Das sieht lecker aus. Willst du wirklich nichts essen, Lucas?", fragte Lenny ihn, der mit der Nase über den Tortenstückchen hing.
"Bleib mir bitte mit allem vom Leib, das essbar ist. Ich habe keinen Hunger. Würde schon ganz gerne, aber irgendwie... treibt es mir auch die Übelkeit hoch."
Minki ließ von dem Hefter ab. Der war nur noch ein einziger Fetzen und statt dessen schmiegte sie sich um Lenny's Beine. "Darf ich ihr was geben?", fragte er.
"Nein, auf gar keinen Fall. Es reicht wenn einer über der Kloschüssel hängt." Kristin kam mit großen Augen in das Zimmer zurück. "Die kleine bekommt von mir etwas, das wird ihr genauso schmecken wie euer Kuchen. Hier ist dein Tee." Sie stellte die Tasse wieder auf das Bord hinter seinem Bett. "Lass ihn noch etwas abkühlen, dann sollte es gehen."
"Weißt du, ich könnte dir einen meiner Laptops bringen. Dann hast du wenigstens etwas zu tun.", schlug Chris vor.
Die Augen des Computergenies funkelten mit einem Mal. "Das wäre ganz super!"
"Auf gar keinen Fall!" Genau in diesem Moment musste ja der Captain kommen. Er stellte frische Teller und Besteck auf den Tisch. "Das ist zu riskant. Ich muss spätestens übermorgen ebenfalls wieder arbeiten und kann dann kein Auge auf dich werfen. Du machst mir viel zu viele Dummheiten mit dem Ding."
"Was heißt hier Dummheiten? Ich weiß ziemlich gut, wie man damit umgeht und kann mich sehr wohl dort raus halten, wo man mich aufspüren könnte."
Chris ging vorsichtshalber außer Reichweite des älteren Mannes. Schließlich war er der Startschuss für diese Diskussion gewesen.
"Ich glaube nicht, dass du lange widerstehen kannst und darum bleibt es bei einem absoluten Computerverbot. Du kannst dir Filme ansehen oder Bücher lesen, aber keine Computer."
"Er hat recht. Es geht nicht.", stimmte Kristin mit zu. Dankend nahm sie einen der Teller mit einem großen Stück Torte von Bridger, der auch an die beiden anderen solche Exemplare verteilte.
Schweigend aßen alle die nicht krank waren ihren Kuchen, während der Kranke in seinem Bett schmollte. Minki war zu ihm gekommen und schmiegte ihren Kopf an sein Kinn. "Was ist eigentlich mit Nen? Konnte er nicht kommen?" Er vermisste seinen asiatischen Freund in dieser Runde. In der Schule waren sie immer nur als Quartett unterwegs, doch hier auf Besuch nur als Trio.
Chris druckste herum. "Wir haben ihm nicht gesagt, dass wir her kommen."
Lucas sah auf. "Wieso nicht?"
"Ganz einfach, er weiß nichts von diesem kleinen Geheimnis, dass dich umgibt und mal ganz ehrlich, die besten Schauspieler sind wir auch nicht. Das mag zwar in der Schule gut gehen, doch im Privatleben nicht.", erklärte Lenny.
"Ein schlechtes Gewissen habe ich deswegen schon. Er wird uns sicherlich den Kopf abreißen, wenn er davon erfährt, dass wir ganz allein zu dir gekommen sind ohne ihn." Chris schüttelte sich bei der Vorstellung.
"Es ist auch gut so, wenn nicht noch mehr davon wissen. Ich bin zuversichtlich, dass wir bald wieder unserem normalen Leben nachgehen können. Bis dahin ist es leider unvermeidlich, das Spiel weiter zu machen.", sagte Bridger. "Ihr beiden haltet hoffentlich auch weiterhin dicht." Er sah die Teenager eindringlich an.
Lenny salutierte salop und hätte beinahe seinen Teller fallen lassen. "Ja, Sir! ... Ups...."
Kristin saß bei Lucas am Bett. Auf sie machte der Junge einen müden Eindruck. "Ich glaube ihr zwei solltet dann auch bald gehen. Er braucht Ruhe und dieser ganze Wirbel hier laugt ihn sehr aus."
"Das ist gar nicht wahr!", protestierte Lucas.
"Doch, du siehst echt fertig aus!", sagte Chris. "Wir gehen dann auch gleich und fertigen die Bilder für Mour an. Ich kann die bei mir am Computer noch schön bearbeiten und ausdrucken. Der wird Augen machen!"
"Euer Lehrer?", fragte die Ärztin.
"Ja, der hat ihnen Hausaufgaben für mich mitgegeben. Ist das nicht lieb von ihm?", erklärte Lucas sarkastisch. "Als wenn ich das jetzt am meisten brauchen würde."
Ihr Blick glitt über den Fussboden. "Dann nehme ich mal an, dass das hier unten der Rest ist von deinen Hausaufgaben."
Alle anwesenden nickten synchron daraufhin bis auf Minki. Die gähnte herzhaft an Lucas' Schulter, bevor sie sich in seine Arme kuschelte. Lenny und Chris blieben natürlich noch etwas länger als eine halbe Stunde. Schließlich musste der Kuchen gegessen werden, den der Captain gekauft hatte und noch einige andere Neuigkeiten aus der Schule ausgetauscht. Als Dr. Westphalen sie dann endlich nach Hause schickte, bekamen sie den Auftrag, den nächsten Besuch nicht ohne Nen zu machen.
