Titel: Harry Potter und der Bund des Falken

Autor: Luka

Altersbeschränkung: 12

Disclaimer: Die vorliegende Geschichte ist eine FanFiction zu Harry Potter. Dies zu schreiben macht in erster Linie mir Spaß und liegt fern jedes kommerziellen Gedankens. Dies zu lesen soll allen Spaß machen, die eine neue Geschichte von Harry Potter haben wollen. Sie sollen das tun können ohne eine müde Mark auszugeben. Alle Charaktere gehören Joanne K. Rowling, bis auf die, die in der Geschichte von mir entwickelt wurden und die nicht von JKR stammen. ( So z.B. Henri Perpignan, Llyr, Gwenaela, Imelda Mortescue, die Brüder, Bruder Bertrand, Vater Edgar und Frère Antoine, auch die Druiden der Druidenuniversität und der Compte)

4. Imelda Superstar

Die Existenz seines Tarnumhanges beruhigte Harry wieder. Er schob seinen Groll beiseite und begann kühl und überlegt zu planen, wann und wie er eine Gelegenheit abpassen konnte, aus der Burg zu kommen. Er wollte erst einmal ausprobieren, ob es klappen würde, einen kurzen Gang nach La Valle zu versuchen. Vielleicht war das nächste Wochenende ein guter Termin, wenn die Studenten sich ein paar schöne Stunden beim Einkaufen oder im Cafe am Marktplatz machten. Er fragte sich nur, ob es sinnvoll war, jemanden ins Vertrauen zu ziehen und von ihm geschmuggelt zu werden, oder ob er sich einfach einer Gruppe anschließen und mit ihnen hinaus schlüpfen sollte. Harry beschloss, einen ersten Versuch allein zu unternehmen. Er wollte nicht, dass irgendjemand außer Remus über sein Handicap Bescheid wusste.

Harry sah auf seine Uhr, die er von Sirius zu seinem achtzehnten Geburtstag geschenkt bekommen hatte. Sie gehörte einem Onkel seines Paten, einem, wie Sirius sich ausdrückte, vernünftigen Spross seiner verfluchten Familie, und der hatte sie über all die Jahre in einem Umzugskarton auf dem Dachboden über seiner Wohnung aufbewahrt. Sirius versteckte noch vor seiner Verhaftung diesen Karton an einem sicheren Ort. Als er die Gesindewohnung auf Perpignans Place bezogen hatte und endlich in halbwegs normalen Verhältnissen leben konnte, holte er die Schachtel aus dem Versteck und verstaute sie auf dem Dachboden. Gemeinsam hatten sie den Karton vom Dachboden geholt und geöffnet. Harry fand darin ein paar alte Photos, die Sirius und seine Eltern zeigten, und, was ihn besonders berührte, er hatte plötzlich einen Stapel Pergamentzettel in der Hand, die sich als geheime Nachrichten aus der Zeit von Krone, Tatze, Moony und Wurmschwanz entpuppten. Diese vier Namen waren die Tarnnamen der Freunde James Potter, Sirius Black, Remus Lupin und Peter Pettigrew zu der Zeit, als sie Hogwarts besuchten.

Die Uhr zeigte Viertel vor Zehn. Die erste Vorlesung des Tages hatte er anscheinend verpasst. Er griff nach dem Vorlesungsverzeichnis und sah nach, um welches Fach es sich handelte. „Geschichte der Alltags-Magie.", las er halblaut. Er erinnerte sich an die langweiligen Unterrichtsstunden bei Professor Bins, der in eintönigem Geleier die Daten herunterbetete, so dass man ernsthafte Schwierigkeiten hatte, wach zu bleiben. Was kam nach Geschichte der Alltags-Magie? Aha, ‚Zeremonielle Magie'. BeiDiboan Colledoc.

Harry musste diesen Namen zwei mal lesen. Er konnte sich an diese keltischen Namen nicht gewöhnen. Außerdem fand er es irritierend, dass die Vorlesungen nicht bei Professoren stattfanden, wie es in Hogwarts der Fall gewesen war und das war nur eine Schule. Selbst bei den Muggeln wurde an der Universität von Professoren unterrichtet. Zwar hatte keiner aus seiner Verwandtschaft eine Universität besucht, aber immerhin gab es das Fernsehen, das nach wie vor von seinem Cousin Dudley intensiv genutzt wurde. Harry hatte ab und zu die Gelegenheit genutzt, hinder dem Türrahmen zu stehen und durch den Spalt an der Sucht von Dudley teilzunehmen. Besonders hatte er mit Spannung Sendungen verfolgt, bei denen es um Forschung und Lehre ging. Oft war Dudley einfach nur zu faul gewesen, umzuschalten. Lieber maulte er während der ganzen Sendung herum, wann dieses langweilige Zeug endlich zu Ende sei.

Zeremonielle Magie erinnerte Harry an die erste magischen Zeremonie, mit der Henry Perpignan ihm und Hermine den Schwur des Schweigens abgenommen hatte. Inzwischen war der Schwur aufgehoben worden, denn die Druiden hatten erkannt, dass das Zusammenwachsen von Druidischer und moderner Zauberei für den gemeinsamen Kampf gegen die Todesser wichtig wurde. Harry beschloss, diese Vorlesung zu besuchen. Sie fing um Zehn Uhr Fünfzehn an und fand im Hörsaal 3 statt. Am Ende des Buches fand Harry eine Skizze der Burg, in der die Hörsäle und andere öffentliche Einrichtungen der Universität eingezeichnet waren. Hörsaal 3 lag in einem der unteren Geschosse.

Nachmittags begannen dann die Seminare und praktischen Übungen. Harry las, dass er sich in der ersten Stunde anmelden musste. Das hieß, dass er in dieser Woche kein Seminar verpassen durfte, was ihn darin bestärkte, seinen ersten Ausbruch am Wochenende zu versuchen. Für den heutigen Tag standen die Kurse „Grundlagen der Kräuterverwendung" und „Übungen zur Zeremoniellen Magie" auf dem Stundenplan. Danach sollte laut dem Kalender, der sich an das Vorlesungsverzeichnis anschloss eine Informationsveranstaltung über sportliche Angebote für Erstsemester stattfinden. Wenn Harry heute bereits zur ersten Vorlesung gegangen wäre, hätte er für den heutigen Tag sechs volle Stunden Unterricht und eine dreiviertel Stunde Informationsveranstaltung gehabt. Insgesamt würde der Pflichtteil des Tages in etwa um 18 Uhr zuende sein. Das schien sich auf diese Art durch die ganze Woche zu ziehen und Harry erkannte, dass er gar nicht in der Lage war, jede Unterrichtsstunde oder Vorlesung zu besuchen. Für Hermine wäre das allerdings eine leichte Übung gewesen, und wenn ihre Zeit nicht gereicht hätte, hätte sie bestimmt einen Druiden um einen Zauber gebeten, der aus ihrem Tag einen mir sechsunddreißig Stunden gemacht hätte.

Er machte sich auf den Weg. In seine Tasche hatte er nur einen Block aus Pergamentblättern, sein Tintenfass und eine Feder gepackt. Vom mittleren Hof aus führte eine weit geschwungene Wendeltreppe hinab in das Stockwerk, in dem sich der Hörsaal 3 und einige der Seminarräume befanden. Langsam stieg Harry die breite Treppe hinab. Hier war ein Kommen und Gehen von grau gewandeten Studenten. Manchmal allein, manchmal in kleinen Gruppen kamen ihm schwatzend und lachend junge Leute entgegen oder überholten ihn. Auf Treppenabsätzen standen Studentinnen und Studenten zusammen, unterhielten sich über die gerade beendete Vorlesung, oder planten den Nachmittag. Die Untergeschosse sprudelten vor Leben, was Harry mit großem Erstaunen wahrnahm, denn oben im Hof war er kaum jemandem begegnet. Er hatte sich schon gefragt, wo sich all die Studenten aufhielten, denn bislang hatte er nur wenige gesehen.

„Harry?", hörte er aus einem der abzweigenden Flure eine Frauenstimme.

Er sah hinüber und erkannte Imelda, die ihn fröhlich winkend anlächelte. Sie stand mit ihren beiden neuen Bekanntschaften Margie und Gwenaela zusammen. Jetzt sagte sie kurz etwas zu ihnen, dann löste sie sich aus der Gruppe und stöckelte auf Harry zu. Sie trug unter dem grauen Umhang, den sie nicht mit der Schnur zusammengebunden hatte, einen kurzen, schwarzen Rock, der viel von ihren langen, schlanken Beinen sehen ließ. Ihr rotes Top hatte einen Kunstpelzkragen, der ihren Hals und ihr Decolltée anmutig umschmeichelte.

Harry blieb stehen. Er lächelte zurück und winkte Margie und Gwenaela zu. Dann sah er Imelda zu, wie sie ging und wie sie mit jeder Faser ihres Leibes Weiblichkeit ausstrahlte. Sie sah einfach nur gut aus. Harry schluckte. Plötzlich befiel ihn Panik. Was sagte er jetzt? Er musste etwas sagen, das über ein einfaches Hallo hinaus ging. Was?! Er fühlte, wie sich sein Hals zuschnürte und wie Schweißperlen auf seine Stirn traten. Er fühlte seine Hände feucht werden. Was sollte er tun, wenn sie ihm die Hand hinstreckte? Was würde sie über eine schweißnasse Hand denken, die sich ihr entgegen streckte?

Aber noch bevor er irgendeinen Gedanken zu Ende gedacht hatte, war sie heran, berührte ihn sanft am Arm und fragte besorgt:

„Wo warst Du, Harry? Ich habe Dich in der Vorlesung vermisst. Bist Du krank?"

„Hmmm, äh, nee.", keuchte er. „Ich... ich habe verpennt."

Er empfand große Erleichterung, dass ihm eine vergleichsweise harmlose Ausrede eingefallen war.

„Verpennt?", fragte sie nach und lächelte, als sie sah, wie Harry das Blut ins Gesicht schoss. „Gleich am zweiten Tag? Ich muss sagen, dass ich es viel zu aufregend finde, um zu verschlafen."

Harry schüttelte den Kopf.

„Das ist, äh..., weil..., ich finde es auch aufregend. Ich konnte gestern nicht einschlafen und da war ich heute früh wohl so müde, dass ich nicht rechtzeitig aufgewacht bin. Ich habe vergessen, den Weckzauber einzustellen. Kann passieren..."

„Das muss Dir nicht peinlich sein.", meinte sie lächelnd. Dabei wirkte sie so fröhlich und locker, dass Harry sich anstecken ließ. Etwas mutiger geworden fragte er:

„Wie war denn die Vorlesung? Habe ich viel verpasst?"

„Nein.", antwortete sie abschätzend. „Aber der Druide ist wirklich ein netter. Er sieht gut aus..."

Sie sah ihn von der Seite an. Harry versuchte zu verbergen, dass die letzten Worte ihn trafen, wie eine spitze Nadel.

„Nein, ich meinte inhaltlich...", sagte er, Interesse heuchelnd. Dabei beobachtete er sie und erkannte an dem Blitzen in ihren Augen, dass sie ihn provozieren wollte. Er beschloss, sich keine Gedanken darüber zu machen, was ihm jedoch während des ganzen Tages gründlich misslang.

Harry ging gemeinsam mit Imelda und ihren neuen Freundinnen in die Vorlesung ‚Zeremonielle Magie'. Der Druide Diboan mit dem Nachnamen Colledoc war ein Mann mittleren Alters, der mit einer gewissen Begeisterung von einem an sich sehr trockenen Stoff erzählte. Allein seine Begeisterung bewirkte, dass mehr als drei viertel der Anwesenden ihm bis zum Schluss zuhörten.

Harry dagegen war vollkommen mit den Gedanken an Imelda beschäftigt. Einerseits schwelgte er in dem Wohlgefühl, neben ihr zu sitzen, ihren Duft einzuatmen und die Wärme ihres nahen Körpers zu spüren, andererseits kroch ein seltsames Gefühl in ihm empor, das ihm mitzuteilen versuchte, er sei ihr nicht gewachsen. Sie hatte alles, was eine junge Frau brauchte, um von Männern umschwärmt zu werden: Witz, Charme, Anmut, Geist, Bildung, Ausstrahlung und Anziehungskraft, die man schon fast magisch nennen konnte.

Gwenaela und Margie waren nicht zu vergleichen mit Imelda. Gwenaela sah lieb aus, nett und freundlich, wie sie Harry ihre blitzenden Zähle beim Lächeln zeigte. Aber sie wirkte mit ihrem konservativen Pagenschnitt und glattem blondem Haar eher langweilig und farblos. Auch war sie gewiss nicht zierlich wie Imelda sondern groß und kräftig, nicht dick, aber stämmig. Sie hatte ein liebes Gesicht und eine angenehme Stimme, schien intelligent und wachsam, insgesamt eine Frau für eine gute Freundschaft.

Margie fehlten nur noch sie Pickel, um das Bild eines Pickeligen Teenagers zu vervollständigen. Sie trug eine Brille mit großen Gläsern, hatte ein langes und schmales Gesicht, das von wild wachsenden, formlosen braunen Haaren eingerahmt wurde und dadurch noch länger und schmaler wirkte und damit im krassen Gegensatz zum Rest ihres Äußeren stand. Ihre Stimme erinnerte an eine Bandsäge, die sich durch ein hartes Holz quälen musste. Ihr Gesicht war vollkommen blass, ihre Augen grau und ihr Mund war kaum wahrzunehmen, weil sie entweder keine Lippen besaß oder sie mit äußerster Anstrengung zusammenpresste.

Harry wunderte sich, dass Imelda sich mit diesen beiden Studentinnen abgab. Er hatte sie so eingeschätzt, dass sie hübsche Frauen um sich scharte. Aber offensichtlich suchen Frauen ihre Freundinnen nicht nach dem Aussehen aus. Was Jungs ja auch nicht taten.

Wie sah sich Harry gegenüber Imelda? Er fühlte sich unscheinbar, stoffelig, verklemmt, ungebildet, hinterwäldlerisch und er fand immer neue, negative Definitionen seiner selbst. Wie konnte er sich nur einbilden, Imelda verspürte auch nur einen Hauch mehr Interesse für ihn, als für eine zufällige Anfangsbekanntschaft in einer neuen Lebenssituation erübrigt werden konnte? Harry kam sich so schäbig vor, dass er am liebsten aufgesprungen und von ihr fortgelaufen wäre, wäre da nicht dieses zauberhafte Lächeln gewesen, das ihn vollkommen einwob wie ein Spinnennetz. Und selbst eine Frau wie Imelda, nein, gerade eine Frau wie Imelda lächelte nicht umsonst. Ein solches Lächeln wurde nicht jedem geschenkt. Vielleicht einem Draco, weil er mit seinem vornehm-blassen Erscheinungsbild und seiner selbstsicheren und seinem Adel entsprechenden leicht arroganten Art ohnehin ein hochinteressantes Objekt weiblicher Begierde darstellte. Halt! Sie hatte ihn, Harry angelächelt, so wie jede andere Frau einen Draco Malfoy angelächelt hätte. Sollte das etwa bedeuten...

Harry schreckte aus den Gedanken hoch, als er wieder die Stimme des Dozenten vernahm. Störend und aufdringlich schob sie sich als erhobener Zeigefinger des Alltags in sein Bewusstsein, als Colledoc ankündigte, dass das eben besprochene heute Nachmittag Inhalt der Übungen sein sollte. Was war besprochen worden? Harry konnte sich nicht im mindesten daran erinnern.

Er wagte einen Seitenblick auf Imelda, die er bis jetzt mit allen Sinnen, bis auf seine Augen wahrgenommen hatte. Sie sah aufmerksam zu Colledoc hinunter. Harry folgte ihrem Blick. Colledoc war etwa vierzig Jahre alt, erheblich jünger als Remus. Er war braun gebrannt, die Schläfen begannen leicht grau zu werden und seine blauen Augen wanderten wachsam über die Reihen der Studenten. Harry musste zugeben, das er gut aussah. Gleich fühlte er einen Stich in der Brust, denn er verstand, dass Imelda ihn auch deswegen beobachtete.

Er wollte nicht, dass sie den Druiden beachtete. Er fand, dass sie viel zu jung war, um Interesse für einen Mann seines Alters zu empfinden. Er überlegte, wie er sie von Colledoc ablenken konnte, verwarf aber gleich den Gedanken, ihn vor ihr schlecht zu machen. Es würde nur ihm selbst schaden, das wusste er aus den Erfahrungen mit Cho und Hermine.

Colledoc räumte seine Unterlagen vom Dozentenpult und schob die Pergamente in eine lederne Umhängetasche. Nachdem er den Studenten noch einmal zum Abschied zu gewunken hatte, verließ er den Hörsaal durch eine seitliche Tür.

Auf einmal fiel Harry ein, dass er Remus noch nicht gesehen hatte.

„Hast Du Remus schon gesehen?", wandte er sich an Imelda. Sie antwortete nicht gleich. Erst nach einem unendlich wirkenden Augenblick wandte sie ihm ihr Gesicht zu, sah ihn an und fragte:

„Remus?"

„Ja, erinnerst Du Dich nicht? Der... Ältere, der mit mir gestern in der Auftaktvorlesung war. Ich habe Euch doch vorgestellt."

„Ach, klar.", antwortete sie und tippte mit einem Finger an ihre Stirn. „Namen... Manchmal kann ich mir Namen schlecht merken. Ich dachte zuerst, du meintest diesen gut aussehenden blonden Jungen, den wir getroffen hatten. Er hieß anders, nicht wahr? Drago? Oder so ähnlich?"

„Das war Malfoy.", sagte Harry leicht gereizt. Sie trieb es auf die Spitze. Harry fühlte, dass sie ihn wieder einmal zu necken versuchte. Oder war sie wirklich so unbedarft, frei in ihrer Entscheidung, in ihrem Geschmack? Sofort merkte Harry, dass seine Gedanken naiv und dumm waren. Natürlich war sie frei. Sie konnte denken und fühlen, was sie wollte. Aber sie sollte sich verdammt noch mal mit ihm beschäftigen, und nicht mit anderen Jungs.

„Was machst Du heute Nachmittag?", fragte er. Sie sah ihn erstaunt an.

„Heute Nachmittag sind Übungen. Es ist doch klar, dass wir dort hin gehen! Oder?"

„Ja, natürlich. Was machst Du heute Abend?"

Jetzt musste sie lachen.

„Du bist hartnäckig, nicht wahr? Ich weiß es noch nicht. Hast Du schon etwas vor?"

Harry verkrampfte. Wo bekam er jetzt auf die Schnelle eine Idee her. Sie blieb aus.

„Ich weiß es noch nicht.", meinte er betont gelassen. Er wollte nicht, dass sie seine Anspannung bemerkte. „Vielleicht könnten wir etwas zusammen machen? Zusammen essen zum Beispiel?"

„Hey, Gwen, Margie, was haltet Ihr davon? Sollen wir heute Abend zusammen kochen? Das wäre ein Mordsspaß!" Imelda stieß Gwenaela in die Seite, dass diese quiekte. Margie kicherte, sah Harry schmachtend an und sagte gurrend:

„Oh ja. Das finde ich toll. Kannst Du gut kochen?"

Harry schluckte. Margie? Und Gwen? Fatal! Diese beiden wollte er eigentlich nicht dabei haben.

„Ich dachte...", begann er, verschluckte den Rest des Satzes aber. Es wäre peinlich gewesen, jetzt zu sagen, er wolle den Abend mit Imelda allein verbringen. Warum hatte sie das nicht bemerkt? Warum musste sie diese beiden Gänse hinzu ziehen? Und Margie? Warum säuselte sie so? Wollte sie etwa etwas von Harry? Bitte nicht!

„Es geht.", antwortete er enttäuscht.

„Super.", sagte Imelda bestimmend. „Ich finde, jeder sollte etwas aus seinen Vorräten mitbringen und wir kochen ein Überraschungsmahl. Aber nicht vorher verraten. Ja? Das wird ein Spaß."

‚Das wird ein Spaß', äffte Harry innerlich nach. Er ärgerte sich. Aber irgendwann kam die Einsicht, dass es besser wäre, neben Imelda ihre beiden Freundinnen zu ertragen, als sie am Abend gar nicht zu sehen.

„Wo sollen wir uns denn treffen?". fragte Gwen.

„Warum nicht bei Dir?", fragte Imelda zurück. Harry, der gehofft hatte, dass dieser Abend wenigstens bei Imelda stattfinden würde, weil er dadurch vielleicht hier und da einen Grund finden könnte, sie zu besuchen – man könnte ja etwas vergessen haben – biss die Zähne zusammen. Es war das zweite, was ihm den Abend nicht besonders schmackhaft machte. Er versuchte, gute Miene zum bösen Spiel zu zeigen, nickte und sagte betont fröhlich:

„Gute Idee!"

Mehr Frohsinn brachte er nicht zustande. Er bemerkte, dass Gwen ihm dankbar zulächelte. Dann fiel ihm wieder Remus ein.

„Hast Du Remus heute schon gesehen?", fragte er Imelda noch einmal. Sie überlegte kurz, dann schüttelte sie den Kopf.

„Nein. Vielleicht hat er auch verschlafen?"

„Ich werde mal nachsehen.", antwortete Harry. Er stand auf, nahm seine Tasche, die er nicht ausgepackt hatte und wandte sich zum Gehen. „Seid ihr gleich in Elementkunde I?"

Alle drei nickten.

„Sollen wir Dir einen Platz freihalten?", fragte Gwen.

Harry nickte. Gwenaela schien einigermaßen vernünftig zu sein. Sei war bei Weitem nicht so albern, wie Margie. Sie wirkte eher zurückhaltend und war Harry relativ sympathisch.

„Macht mal.", sagte er und schob sich dann durch die Reihe der Klappsessel zum Ausgang.

Er fand Remus in seinem Appartement. Remus hatte gute Laune. Er hatte lang geschlafen, ausgiebig gefrühstückt und war gerade im Begriff, sich mittels Shaving-Zauber rasieren zu lassen. Er hatte ihn kurz unterbrochen, um Harry die Tür zu öffnen, dann hatte er sich wieder in seinen Sessel gesetzt und mit einer lockeren Handbewegung das Rasiermesser aufgefordert, weiter zu machen.

„Harry, freut mich, dass Du kommst.", sagte er freundlich und wies auf den freien Sessel. „Suchst Du mich schon? Ich habe es heute etwas ruhiger angehen lassen. Weist Du, Es ist zwar schön, wenn man wieder Student ist, man wird wirklich wieder jünger, aber ich muss es auch nicht übertreiben."

„Warum bist Du dann hier?", wollte Harry wissen. Wieder keimte der Verdacht auf, das Remus nur als Aufpasser mitgeschickt worden war.

„Sagen wir einmal, ich habe Spaß an den Druiden gefunden. Es interessiert mich wirklich, wie sie leben, denken und zaubern. Aber ich habe bereits einiges gelernt in meinem Leben, zum Beispiel, dass ich nicht mehr alles lernen muss."

„Haben nicht die Druiden gesagt, dass Du hier studieren sollst?", fragte Harry nach.

Remus schüttelte den Kopf.

„Nein, die Druiden haben nichts damit zu tun. Es war Sirius, der mich überredet hat." Dabei lächelte Remus geheimnisvoll.

„Sirius?!", fragte er. „Wenn Du studieren solltest, warum eigentlich nicht er?"

„Weist Du, Harry. Wir haben lange überlegt, wer mit Dir nach Belgien gehen soll. Schließlich einigten wir uns, dass ich auf Dich aufpassen soll. Solange Du mit Deiner Ausbildung nicht fertig bist, soll ich Dir als Freund zur Seite stehen. Sirius dagegen hat bessere Verbindungen zu den Geheimbünden in Großbritannien, ja sogar bis in das Ministerium...obwohl es dort Stellen gibt, die ihn noch suchen. Er steuert die Aktionen von London aus. Seitdem Moody körperlich nicht mehr in der Lage ist, als Auror zu arbeiten, hat Sirius viele seiner Aufgaben übernommen. Er hat eben den Vorteil, die Druidenwelt und die Zaubererwelt zueinander bringen zu können."

Harry atmete tief durch.

„Das ist schade. Ich wünschte, er wäre auch hier. Aber ich freue mich, dass Du hier bist, Remus.", sagte er, „Du bist so ein wohltuender Gegensatz zu Draco Malfoy".

Remus lächelte.

Der Shaving-Zauber war inzwischen mit seiner Arbeit fertig. Pinsel und Rasiermesser schwebten regungslos in der Luft, bis Remus ihnen mit einem Wink bedeutete, zu verschwinden. Der Pinsel schüttelte sich, dass die Seife durch die Luft spritzte. Sie verschwand im Nichts. Das Messer klappte zusammen, eine Holzschatulle öffnete sich und beide Instrumente verschwanden darin.

„Was für eine Vorlesung kommt denn jetzt?", fragte Remus, offensichtlich erleichtert, das Thema wechseln zu können.

„Elementkunde I.", antwortete Harry.

„Ah, Elemente sind das Thema. Wasser, Luft, Erde und Feuer. Das ist sehr. Gut, ich denke, da komme ich mit. Wollen wir gehen?"

Der Nachmittag versprach halbwegs interessant zu werden. Mit etwas Mühe gelang es Harry sogar, sich von den Gedanken an Imelda zu lösen und dem Unterricht zu folgen. Was im Vorlesungsverzeichnis großspurig „Übung" genannt worden war, schien Anfangs eine etwas abgewandelte Form von Vorlesung zu sein. Zwei junge Druiden namens Fegu und Jikel hielten die Übung ab. Sie schienen selbst noch Studenten zu sein, denn sie trugen die graue Kutte, hatten jedoch als Zeichen ihres fortgeschrittenen Standes nicht eine einfache Schnur, welche die Kutte zusammen hielt, sondern trugen eine blaue Kordel, die von einem Silberfaden durchwirkt war.

Es stellte sich heraus, dass diese Kordel ein Zeichen für das bestandene erste Hauptexamen war, das den Abschluss des Studiums an sich darstellte. Studenten, die dieses Hauptexamen mit Auszeichnung bestanden hatten, was ein ‚Sehr gut' in zwölf von vierzehn Prüfungen bedeutete, konnten sich für die höhere akademische Laufbahn, sprich den druidischen Vorstand entscheiden. Sie begannen ihre Laufbahn als Hilfsdozenten, erlangten tiefergehende druidische Kenntnisse und spezialisierten sich. Mit solchen Druiden hatten es die Erstsemester in den Übungen zur Zeremoniellen Magie zu tun.

Nachdem Fegu einen eher langweiligen, halbstündigen Vortrag über moralische Aspekte der Zeremoniellen Magie gehalten hatte, begann der zweite und wesentlich spannendere Teil der Übung. Jeder Student hatte zur Aufgabe bekommen, den Tisch, an dem er saß, für eine Zeremonie vorzubereiten. Jikel erklärte, was die Studenten zu tun hätten.

Um einen gegenseitigen Einfluss zwischen den Tischen zu vermeiden, wurden durch einen einfachen Zauber abschirmende Wände zwischen ihnen aufgebaut. Jeweils zwei Studenten teilten sich eine solcherart entstandene Kabine. Harry hatte neben Remus gesessen und bildete nun mit ihm eine Gruppe. Pergamente mit Beschwörungsformeln und blaue Kerzen wurden verteilt. Dann sollten sie beginnen.

Die Aufgabe war, mit Hilfe der Kerzen und der Beschwörungsformeln einen magischen Raum zu schaffen, den Harry nach der Erklärung Jickels als den in dem Labor von Henry Perpignan entstandenen zu erkennen glaubte. Der Raum bestand aus schwarzem Licht, der alles weiße zum Leuchten bringen musste. Dies sollte die Voraussetzung für zeremonielle Magie schaffen und wurde als die Grundlage für den Rest des Seminars hingestellt. Wer diesen Raum nicht zu schaffen verstand, würde nie eine Chance haben, eine magische Zeremonie durchzuführen.

Die Formeln waren in Runenbuchstaben auf das Pergament geschrieben. Harry nahm sich das Blatt und begann zu lesen. Er tat sich immer noch schwer mit den Runen und manche Worte entzifferte er erst nach mehrmaligem Versuch und Nachfrage bei Remus. Allerdings war auch Remus nicht unbedingt eine Quelle des Wissens, so dass Harry sich auch an Imelda wenden musste, die mit Gwen das Nachbarteam bildete.

Remus ließ Harry den Vortritt. Harry hatte sich die Formel soweit eingeprägt, dass er sie flüssig sprechen konnte. Er wandte einen einfachen Flammenzauber an, um die zwei Kerzen anzuzünden, die er links und rechts des Pergamentes aufgestellt hatte. Dann hob er beide Hände über den Tisch, als lägen sie auf einem unsichtbaren Ball und begann langsam und gleichmäßig die Formel zu rezitieren. Jikel hatte betont, dass man die Formel in der gleichen Geschwindigkeit direkt wieder anfangen sollte, falls es das erste Mal nicht funktionieren sollte. Zunächst tat sich bei Harrys Versuch gar nichts.

Er konzentrierte sich stärker, versuchte Imeldas Bild aus seinem Kopf zu verdrängen. Er wusste, dass schwierige Zauber nur mit großer Konzentration funktionierten. Man musste ein Gefühl für den Zauber entwickeln, wissen, was geschehen sollte, sich das Ergebnis vorstellen und herbeirufen, dann hatte man Erfolg. Er versuchte, sich in Gedanken nach Perpignans Place zu versetzen. Nachdem er die Formel zweimal wiederholt hatte begann er, den Zauber zu fühlen.

Eine ungeahnte Kraft sammelte sich in seinen Schultern. Kribbelnd wie elektrischer Strom floss sie durch seine Arme und quoll aus den Fingerspitzen. Unwillkürlich spreizte Harry die Finger auseinander. Dann sah er, wie die Fingerspitzen violettes, dunkles Licht ausstrahlten, das über eine imaginäre Kugel floss, den Tisch in Besitz nahm und schließlich die ganze kleine Kabine füllte. Plötzlich flackerten die Kerzen und erloschen. Dann flammten sie erneut auf und strahlten schwarzes Licht aus. Harry sah auf. Remus hatte sich auf die andere Seite des Tisches gestellt. Jetzt sah Harry die weißen Hemdenkragen seines Freundes hellviolett strahlen.

„Du machst das wirklich gut, Harry.", sagte Remus beeindruckt.

„Oh ja, wirklich gut machst Du das. Wie heißt Du?"

Jikel war unbemerkt in die Kabine getreten.

Harry sah sich um.

„Harry."

„Gut, Harry. Es ist erstaunlich, dass Du es beim ersten Mal schaffst. Das können nicht viele. Versuche, es zu halten. Jetzt, wo es da ist, ist es kinderleicht. Du musst nur versuchen, es mit einem Gedanken zu halten. Du kannst die Hände übrigens herunter nehmen."

Harry ließ seine Arme sinken.

„Darf ich eben die anderen holen? Vielleicht können wir auch die Wände der Kabine entfernen, aber dafür brauchst Du noch etwas Konzentration. Der Raum füllt sich. Meinst Du, Du schaffst es?"

„Ich versuche es.", sagte Harry leise. Jikel verließ die Kabine.

„Hört Ihr alle bitte einmal her? Einer Eurer Kommilitonen hat es geschafft. Vielleicht wollt Ihr es Euch einmal ansehen, damit Ihr wisst, wie es aussieht? Wir entfernen mal die Kabinenwände. Bist Du bereit, Harry?"

„Ja", sagte Harry.

Dann spürte er auf einmal ein starkes Ziehen in den Fingern. Er fühlte, wie der Raum um ihn wuchs und er fühlte, wie die Magie versuchte den Raum zu füllen. Es zog ihm das Licht aus den Fingern, was fast weh tat. Er konzentrierte sich, so gut es ging. Wieder flackerten die Kerzen und kleine Sprenkel normalen Kerzenlichts mischten sich mit den schwarzen Flammen. Harry trat der Schweiß auf die Stirn. Jetzt war er jedoch so gefangen von dem Vorgang, dass er an nichts anderes mehr dachte. Langsam, langsam und mit ungeheurer Anstrengung blähte er den Magischen Raum auf, bis er den gesamten Seminarraum füllte. Die Kerzen beruhigten sich und brannten mit gleichmäßiger Flamme.

„Ausgezeichnet, Harry!", sagte Jikel. Auch Fegu kam jetzt herbei und klopfte Harry auf die Schulter.

„Ich muss schon sagen. Super gemacht. Hast Du das schon einmal geübt?"

Harry schüttelte den Kopf.

„Nein", sagte er. „Ich habe es nur schon einmal gesehen, mehr nicht."

„Seht Ihr!", wandte sich Jikel jetzt an die Umstehenden. „Wie unser junger Druide es soeben gesagt hat: Wenn Ihr das schon einmal gesehen habt, fällt es Euch leichter, es selbst zu machen. Ihr wisst, was das Ergebnis sein soll. Harry hat gezeigt, wie einfach es ist, wenn man weiß, was man machen soll. Also: Wir bauen die Wände wieder auf und ihr versucht es noch einmal."

Harry war stolz darauf, etwas so wichtiges auf Anhieb geschafft zu haben. Allerdings befürchtete er, dass dieses Können, das er eher dem Zufall und glücklichen Umständen zuschrieb, Neid erzeugte und ihm nicht gerade Freunde machte. Aber nichts bestätigte ihn in dieser Befürchtung, so dass er sie bald wieder vergaß. Im Gegenteil, Imelda begegnete ihm nach der Seminarstunde mit einer gewissen Achtung, was sogar Remus nicht verborgen blieb.

Harry hatte sich von Gwen erklären lassen, wie er ihr Appartement finden konnte. Es lag im untersten Stockwerk, was allerdings, bis auf die Tatsache, dass die Fenster etwas kleiner waren, als in den höheren Etagen, keinen entscheidenden Nachteil mit sich brachte. Das Treppensteigen wurde durch die wunderbare Einrichtung erleichtert, dass die Treppenstufen, stellte man sich auf eine, errieten, in welches Geschoss man wollte und sich dann mit atemberaubender Geschwindigkeit selbständig auf den Weg machten. Man wurde ohne die geringste Anstrengung hinauf und hinunter befördert, ob man nun allein oder zu Zweit war, oder ob man zu mehreren unterwegs war. Diese Form der Treppen war allerdings nur im Sudentendorf zu finden.

Harry hatte sich nach der letzten Vorlesung zurückgezogen, einmal, um sich von den Anstrengungen des ersten Studientages zu erholen, andererseits wollte er sich umziehen und frisch machen. Die wollenen Kutten, die sie tagsüber als Anstaltskleidung zu tragen hatten, waren sehr warm, was im Winter sicher einen gewaltigen Vorteil in den zugigen Fluren und Höfen der Burg brachte, an den sonnigen und erstaunlich warmen Herbsttagen jedoch eher zu Schweißausbrüchen führte.

Gerade hatte er sich eine Jeans über die Beine gezogen, da hörte er ein eigenartiges, jedoch nur allzu bekanntes Geräusch vom Fenster her. Er hob den Kopf und sah in die Dämmerung hinaus. Vor der Scheibe flatterte ein heller Schatten hin und her. Harry knöpfte schnell die Hose zu und eilte zum Fenster. Er öffnete es weit. Der helle Schatten kreiste noch einmal in der Luft, als wolle er Anlauf nehmen, dann schoss er durch die Öffnung und landete auf der Lehne des Sessels.

„Hedwig!", rief Harry erfreut. Hedwig war die inzwischen in die Jahre gekommene Schneeeule, die Harry zusammen mit Hagrid noch vor seinem ersten Schuljahr in der Winkelgasse gekauft hatte. Sie war Harrys persönliche Briefbotin und hatte jahrelang seine Nachrichten in alle Welt besorgt. Harry hatte sie auf Henrys Rat hin nicht mitgenommen. In Druidenkreisen wurden Nachrichten anders übermittelt, als in Zaubererkreisen. Daher gab es in La Valle keine Eulerei, wie es in Hogwarts der Fall gewesen war. Harry hätte sich nicht in der Weise um seine Eule kümmern können, wie es erforderlich war, zumal Hedwig mit nun sieben Jahren schon eine ziemlich betagte Dame war.

Henry hatte sich bereit erklärt für den Vogel zu sorgen und sie hier und da mit einem Brief an Harry zu beauftragen, dass es ihr nicht allzu langweilig wurde. Sie konnte sich Zeit lassen, denn wichtige Nachrichten wurden gemeinhin mittels telepatischen Stationen übermittelt. Das besorgten speziell ausgebildete Druiden, die, für den Zeitraum ihres Dienstes in den Zustand der Trance versetzt, sich nicht an den Inhalt erinnern konnten und somit das Briefgeheimnis gewahrt blieb. Es gab unterschiedliche telepatische Netzwerke, von denen einige öffentlich waren und dem privaten Briefverkehr dienten, andere geschlossen bis geheim von Ämtern und Druidenorganisationen betrieben wurden.

„Hast Du einen Brief für mich?", fragte Harry und sah nach ihrem Bein, an dem die Pergamentröllchen im Normalfall befestigt wurden. Als hätte Hedwig seine Worte verstanden, streckte sie ihr Bein vor. Es war kein Brief daran befestigt. Harry sah nach, ob es vielleicht eine unsichtbare Post war, wie er sie schon einmal bei Henry kennen gelernt hatte, tastete die Beine und das Gefieder ab, aber er fand nichts.

„Bist Du einfach weggeflogen?", fragte er mit gespielter Strenge. Hedwig sah ihn mit großen, bernsteinfarbenen Augen ruhig an und drehte den Kopf, als wollte sie ‚Nein' sagen.

„Was ist los, Hedwig? Schade, dass Du mir nichts erzählen kannst. Hat Dich die Sehnsucht hierher getrieben? Das war aber eine weite Strecke. Nun gut. Du kannst Dich erst einmal hier ausruhen. Morgen schreibe ich dann einen Brief an Henry und schicke Dich damit zurück. Meinst Du, das ist in Ordnung?"

Wieder sah er nur in bewegungslose große Augen. Harry ging in die Küche und suchte nach etwas, das er Hedwig anbieten konnte. Er öffnete den Kühlschrank und sah gerade noch, wie die rückwärtige Tür ins Schloss fiel. In vorderster Reihe entdeckte er eine Dose, die einen Aufkleber mit einem Eulenkopf und der Aufschrift ‚Mäuseragout' trug.

Harry schüttelte verwundert den Kopf.

‚Seltsam.', dachte er. ‚Woher wissen sie von meinem Besuch? Nett von ihnen, mir Eulenfutter zu bringen.'

Er zog seinen Zauberstab hervor und berührte die Dose. Der Deckel sprang ab und der Rand der Dose faltete sich auf, bis eine Schale entstanden war, in deren Mitte ein Häufchen appetitlich aussehenden Fleisches drapiert lag. Harry nahm die Schale und stellte sie auf den Tisch. Hedwig hatte den Kopf gedreht, um ihm zuzusehen. Sie folgte jedem seiner Schritte mit den Augen. Jetzt breitete sie die Flügel aus und glitt von der Sessellehne auf den Tisch. Sie stieß einen dankbaren Schrei aus. Dann machte sie sich über ihre Mahlzeit her.

Harry sah auf die Uhr. Es wurde Zeit zu gehen. Schnell suchte er sich ein Hemd aus dem Stapel in seinem Schrank und zog es über den Kopf. Im Badezimmer sah er in den Spiegel. Er kontrollierte seine Bartstoppeln, die aber noch nicht so stark gewachsen waren, dass er eine Rasur für notwendig befunden hätte. Er fand, dass ein Dreitagebart ihn etwas älter aussehen ließ und sein Gesicht interessanter machte. Allerdings konnte ein wenig Rasierwasser nicht schaden. Er öffnete die Flasche, die Hermine ihm zum Geburtstag geschickt hatte, schüttete etwas in seine Hand und verteilte die kühle Flüssigkeit auf seinen Wangen. Es roch gut. Hermine war in solchen Dingen immer so traumwandlerisch sicher, dass Harry sie fast beneidete. Aus dem Kühlschrank nahm er ein Stück in Folie eingeschweißten Lachs. Er hatte lange nachgedacht, was er zum Essen beisteuern konnte und sich für den Fisch entschieden, der ihm schon am Morgen aufgefallen war.

„Ich muss leider los, Hedwig. Soll ich das Fenster offen lassen, dass Du noch ein bisschen jagen gehen kannst?"

Hedwig gurrte zustimmend. Harry sah sie einen Augenblick an. Dann ging er zur Tür und verließ das Appartement. Er wandte sich zum Treppenhaus, stieg auf die Stufe und begann eine rasende Abfahrt in das Geschoss, in dem Gwens Wohnung lag.

Als sie die Türe öffnete, drangen von innen schon fröhliche Stimmen an sein Ohr.

„Oh, Harry, schön dass Du kommst.", sagte Gwen lächelnd. „Die anderen können sich nicht über das Menü einigen. Vielleicht hast Du ja eine Idee?"

Sie zog ihn am Ärmel in die Wohnung. Zu Harrys Entsetzen war Draco Malfoy anwesend. Er saß breitbeinig auf einem gemütlichen Sofa, links von ihm Margie und zu seiner rechten Imelda. Draco sah Harry selbstgefällig an und hob eine Hand zum Gruß. Harry nickte nur.

Er blieb stehen und ließ kurz seinen Blick durch den Raum wandern. ‚So sieht eine Frauenwohnung aus!', schoss es ihm durch den Kopf. Auf dem Tischchen, das vor dem Sofa stand, lag eine Tischdecke. Darauf stand eine flache Schale, in der die Köpfe von Blumen schwammen im Wasser schwammen und ein paar lange Gräser dekorativ herausragten. An den Fenstern hingen Gardinen, die Wände wurden durch gerahmte Photos und Bilder geschmückt, die akkurat aufgehängt worden waren. Überall entdeckte er Deckchen, schmückendes Beiwerk und bequeme Kissen. Es hatte eine gemütliche und sehr persönliche Note, war sauber und... roch gut.

Seine Wohnung dagegen und die Wohnung von Remus ähnelten sich auf frappierende Weise: Nachdem er eingezogen war, hatte er es gerade noch geschafft, sein Bett zu beziehen und ein Handtuch und seine Zahnbürste ins Bad zu legen. Auf seinem Tisch stand noch das Geschirr vom Frühstück und er wusste, dass das bei Remus ebenfalls so sein würde. Im Wohnzimmer stand die Tür des Sideboard auf, und sie würde auch morgen noch aufstehen, wenn er sie nicht schließen würde, weil er sich vielleicht sein Bein daran gestoßen hat. Es war nicht schmutzig, nein, so war Harry nicht, aber er legte nicht besonders viel Wert auf Schmuck und Dekoration und auch nicht auf Ordnung. Für ihn war es ein Hochgefühl an Gemütlichkeit, wenn im Kamin ein Feuer flackerte und er sich in seinen Lieblingssessel setzen konnte. Für ihn war es schön, in den Strahlen der Morgensonne die Staubkörner tanzen zu sehen. Frauen funktionierten einfach anders.

Remus hatte sich am Tisch niedergelassen und dirigierte mit seinem Zauberstab ein Küchenmesser, das emsig damit beschäftigt war Gemüse zu putzen. Broccoli und Rosenkohl standen sauber aufgereiht in der Luft und warteten geduldig darauf, verarbeitet zu werden, Immer wenn das Messer ein Gemüseteil geputzt hatte, gab es ihm einen Schubs, dass es in hohem Bogen in eine Schüssel mit Wasser hopste, dann kam das nächste an die Reihe. Es schien Remus sichtlich Spaß zu machen, denn als er zu Harry aufsah, grinste er über das ganze Gesicht.

„Habe ich von Mutter Weasley gelernt.", sagte er. Harry erinnerte sich. Vor einem Jahr hatte Frau Weasley Harry und Remus für zwei Wochen in den Fuchsbau eingeladen. Remus hatte mit Begeisterung Mutter Weasley beim Kochen über die Schulter gesehen. Es war eine Tätigkeit, mit der er in seinem ganzen Leben nicht viel zu tun gehabt hatte. Als er dann die Kunstfertigkeit von Molly Weasley kennen lernte, war er fasziniert. Die Weasleys hatten Remus nach dem ersten Ligaspiel der Hogwarts-Mannschaft kennen gelernt. Obwohl sie das Spiel verloren hatten, fand ein Fest in den Mannschaftsräumen des Stadions statt, zu dem alle, die mit Hogwarts zu tun hatten, eingeladen waren.

„Ich finde, ein Gratin ist die beste Art, dieses Gemüsezeug herzurichten. Schön mit Käse überbacken, knusprig und braun, so mag ich es am liebsten.", tönte Dracos Stimme durch das Zimmer.

„Das ist doch viel zu fett.", antwortete Magie. „Ich mag es gerne gedünstet. Aber knackig."

„Hast Du Angst um Deine Figur?", grinste Draco abfällig.

„Du hast kein Problem damit. Das sehe ich wohl!", schnappte Magie gekränkt. Sie war nicht dick, aber man sah, dass es ihr schwer fiel, schlank zu bleiben. Sie hatte rundherum ein wenig Speck auf den Hüften. Gwen hatte ebenfalls nicht die ideale Figur, wobei sie nicht dick war, und es schien ihr nicht viel auszumachen. Während Margie mit ihrem immer leicht mürrisch wirkenden Gesichtsausdruck deutlich ihre Unzufriedenheit ausdrückte und sich vieles versagte, konnte man Gwen schon mal mit einem Schokoladenriegel in der Hand sehen, den sie mit Genuss verspeiste.

Harry betrachtete Margie. Vielleicht war es auch die Körperhaltung von ihr, die sie ein wenig unsympathisch machte. Sie wirkte schlaff, lustlos, selbstmitleidig und unzufrieden mit sich selbst.

„Was hast Du mitgebracht?", fragte Gwen, die immer noch neben Harry stand.

„Etwas Lachs.", antwortete er, öffnete die Tasche und zog den halben Fisch hervor. „Er ist nicht geräuchert."

„Fisch?", rief Draco durch den Raum. „Willst Du uns vergiften?"

„Ich wusste, dass Deine verwöhnte Zunge so etwas nicht mag. Nur deshalb habe ich es mitgebracht.", antwortete Harry.

„Gut gekontert, Potter.", sagte Draco grinsend. „Hast Du bei Professor Trelawney doch noch die Hellseherei gelernt? Ich war gar nicht eingeladen!"

„Du hast Dich wieder einmal aufgedrängt, nicht wahr? Typisch für Dich!"

„Hört auf zu streiten.", sagte Imelda begütigend. „Ich habe Draco gerade getroffen, als wir zu Gwen gehen wollten. Ich habe ihn einfach eingeladen."

Harry antwortete nicht. Er drehte sich um. Es war unerträglich für ihn zu sehen, dass Imelda neben Draco saß und ihn auch noch in Schutz nahm. Und es war unerträglich für ihn zu sehen, dass Draco den Arm auf der Seite von Imelda auf die Sofalehne gelegt hatte und ganz offensichtlich nur auf die Gelegenheit wartete, ihn auf ihre Schulter senken zu können.

„Was sollen wir mit dem Fisch machen? Wie hast Du ihn Dir vorgestellt?", fragte Gwen. Harry wandte sich ihr zu. Sie sah ihn freundlich an.

„Du magst ihn nicht besonders?", fragte sie leise. Harry nickte.

„Früher waren wir erbitterte Feinde. Vor zwei Jahren hat uns das Schicksal einander näher gebracht, aber seinen Charakter hat es nicht sonderlich verbessert. Wir akzeptieren uns, müssen uns aber nicht immer mögen."

„Ich habe das gespürt. Er sieht gut aus, aber ich mag seine Blasiertheit nicht. Ein richtiger Macho."

Harry grinste. Gwen hatte gerade eine Menge Punkte bei ihm gesammelt.

„Von der Bettkante würde ich ihn allerdings nicht schubsen...", fügte sie mit einem Spitzbübischen Lächeln hinzu. Harry strich die Punkte.

„Ich habe mir vorgestellt, dass wir ihn in Stücke schneiden und grillen.", lenkte er ab.

„Ja, das ist gut.", nickte sie. Sie sah Harry mit einem grinsen auf den Lippen an. „Ich wollte Dich nur ein wenig ärgern.", fügte sie hinzu.

„Das ist Dir gelungen.", brummte er.

„Was meinst Du, sollen wir lieber Pommes Frites oder Salzkartoffeln dazu machen?"

„Was geht schneller?", fragte Harry

„Fritten!", sagte Remus. „Ich hab schon angefangen, sie klein zu schneiden."

Harry sah auf den Tisch. Remus hatte das Messer dazu gebracht, in Windeseile Kartoffeln zu schälen und in Stäbchen zu teilen. Die fertigen Kartoffelschnitze flogen in hohem Bogen in einen brodelnden Topf mit heißem Fett.

Harry machte sich an die Arbeit, den Fisch zu putzen und zu zerteilen. Er schnitt ihn in sechs gleich große Stücke, salzte sie ausgiebig und legte sie auf das Rost des Backofens. Mit seinem Zauberstab entfachte er zwei Glutpolster unten und oben im Ofen und schob das Rost hinein.

Inzwischen alberten Imelda, Draco und Margie auf dem Sofa herum. Gwen und Harry hatten sich zu Remus gesetzt, der das Gemüse in einen Topf geschickt hatte, wo es nun auf kleiner Hitze vor sich hin schmorte. Bald schon breitete sich ein appetitlicher Duft im Zimmer aus.

Remus erzählte von seinen Erlebnissen, die er in der Zeit als Werwolf hatte, bevor er als Lehrer nach Hogwarts gekommen war. Er erzählte nicht, dass er Werwolf war, aber Anderes verschwieg er nicht. Es waren durchaus dramatische Geschichten, die er zu erzählen wusste, voll von Bitterkeit, aber Remus würzte sie mit Humor, so dass Harry und Gwen zwischendurch lachen mussten. Nach einer Weile schien es Draco langweilig geworden zu sein, sich mit Margie und Imelda zu befassen. Er erhob sich aus dem Sofa und kam zum Tisch herüber. Um sich zu setzen, zog er einen der hochlehnigen Sessel heran.

„Was macht denn das Essen?", fragte er mitten in die Unterhaltung hinein.

„Schau nach!", forderte Harry ihn kühl auf.

Draco klopfte ihm auf die Schulter.

„Was ist los?", fragte er lässig. „Schlecht gelaunt?"

Harry kämpfte mit sich. Er war schlecht gelaunt, wenn Draco ihm zu nahe kam. Und Draco war ihm zu nahe gekommen, wenn er sich so an Imelda heranmachte, wie er es gerade noch getan hatte. Aber Harry wollte sich keine Blöße geben. Um sich nicht zu einer gehässigen Antwort hinreißen zu lassen, schüttelte er nur den Kopf.

„Du könntest auch etwas für das Essen tun.", sagte Gwen sanft, aber bestimmt. Draco stierte sie an.

„Hey, ich habe keine Ahnung vom kochen!", sagte er überheblich und es klang, als sei er auch noch stolz darauf. „Das haben bei uns zuhause immer die Hausangestellten gemacht."

„Oh, der feine Draco kommt aus gutem Hause?", fragte Imelda spöttisch. Sie war zum Esstisch herüber gekommen, stand nun hinter Harrys Stuhl und stützte sich mit einer Hand auf die Lehne. Harry durchfuhren heiße Wellen. Warum stand die hinter ihm und nicht hinter Draco? Er wertete es als Ausdruck von Zuneigung, auch wenn er sich darüber im Klaren war, dass es genau so gut Zufall oder vielleicht sogar Gleichgültigkeit sein konnte. Schade, dass sie nicht auf der anderen Seite des Tisches stand. Zu gerne hätte er in ihr Gesicht gesehen, ihre Miene beobachtet.

„Ich mach's schon.", verkündete Margie, die sich bereits einen Topflappen geschnappt hatte. Sie öffnete die Backofenklappe und sah hinein.

„Oh, das riecht lecker!", sagte sie. „Ich glaube, es ist fertig."

„Du könntest ja mal den Tisch decken, Draco!", schlug Gwen vor. Sie sah ihn über ihre Schulter hinweg an. „Das würde entschuldigen, dass Du zum Kochen nichts beigetragen hast."

Draco sah sie eisig an. Als er aber das Grinsen der Anderen wahrnahm, stand er auf und ging in die Küche.

„Wo hast Du denn die Teller?", fragte er und klappte missmutig mit den Schranktüren.

„Da, wo Du auch Deine findest.", antwortete Gwen.

„Keine Ahnung, wo meine Teller sind.", maulte Draco. „Das macht alles mein Hauself."

„Du hast einen eigenen Hauself mitgenommen?", rief Harry entrüstet. Draco grinste hämisch.

„Soll ich verhungern, oder was?"

Harry schüttelte den Kopf. Imelda zuckte mit den Schultern.

„Ich weiß gar nicht, was Du hast, Harry.", sagte sie unbeteiligt. „Wenn er es sich leisten kann?!"

„Leisten kann?", begehrte Harry auf. „Sie sind Sklaven! Sie kosten ihn keinen Sickel!"

„Reg Dich nicht auf, Harry.", brummte Remus. „Es ist in der Zaubererwelt nun mal so, dass Hauselfen gehalten werden und die Hausarbeit zu erledigen haben. Du hast selbst gesehen, was mit Hauselfen passiert, die mit ihrer Freiheit nichts anfangen können."

„Sie fangen an zu saufen!", kicherte Draco gehässig. Er hatte nach einigem Suchen einen Stapel Teller aus dem Schrank genommen und begann, sie auf dem Tisch zu verteilen. Da er zu viele genommen hatte, stellte er die übrig gebliebenen in die Mitte des Tisches. Dann setzte er sich wieder.

„Wir sind hier nicht mehr in der Zaubererwelt.", sagte Harry mit einem Unterton der Resignation in der Stimme. „Wir sind bei den Druiden, falls es Euch entgangen sein sollte."

„Lass es, Harry.", sagte Imelda nun. „Auch wir Druiden nutzen die Dienste niederer magischer Wesen. Es ist wie Tierhaltung bei den Menschen. Was ist dagegen einzuwenden.?"

„Sie können denken..."

Harry war verärgert, auch wenn er wusste, dass sein Versuch der Verteidigung kläglich wirkte. Er hatte einfach nicht den Biss einer Hermine, die zuerst stundenlang diskutiert hätte und dann erhobenen Hauptes hinaus gelaufen wäre. Am Ende interessierten ihn auch weniger die Hauselfen, als die Dreistigkeit, mit der Draco seinen Luxus sogar bis hier her mitgenommen hatte und ihn auch noch publik machte. Allein die Tatsache, dass Draco trotz des Zerwürfnisses mit seinem Vater nicht verarmt war und immer noch zur reichen Oberschicht der zaubernden Welt gehörte, ärgerte Harry, auch wenn er selbst ein Vermögen besaß, dass sich vor dem der Malfoys nicht zu verstecken brauchte. Oft hatte er Draco in Verdacht gehabt, mit den Todessern gemeinsame Sache zu machen, was sich im Nachhinein jedoch immer als unbegründet herausgestellt hatte.

„Ist egal.", sagte Harry bestimmt. „Lasst uns essen. Ich habe einen Bärenhunger."

Gwen stand auf, nahm mit einem bösen Seitenblick auf Draco die übrig gebliebenen Teller und stellte sie in den Schrank zurück. Dann brachte das fehlende Besteck aus der Küche.

„Hast Du noch zwei Stühle?", fragte Imelda.

„Kein Problem.", meinte Remus. Er nahm seinen Zauberstab, richtete ihn auf die Kissen, die an einer Lehne des Sofas zusammengeknautscht lagen und murmelte: „Wingardium Leviosa." Die Kissen erhoben sich in die Luft. Remus dirigierte sie zum Tisch und ließ sie dort auf den Boden fallen. Dann murmelte er „Crecedium Silla", ein kurzes Ploppen erklang und zwei Stühle standen auf dem Boden.

„Oh, netter Trick.", flötete Imelda mit einem zauberhaften Lächeln. „Den musst Du mir bei Gelegenheit einmal zeigen."

Sie zog einen der Stühle herbei und setzte sich. Margie hatte inzwischen den Fisch aus dem Bratrohr geholt und auf einem Teller drapiert. Sie brachte den Teller herein und stellte ihn auf den Tisch.

„Das mit dem Lachs war eine gute Idee.", sagte Gwen, nachdem sie gekostet hatte. Harry nickte kauend. Dann sah er zu Draco hinüber, der ihn hämisch angrinste.

„Sag nichts!", knurrte Harry.

„Was sollte ich sagen?", fragte Draco scheinheilig.

„Dass Deine Hauselfen besser kochen können und den Lachs niemals so zerbraten hätten, oder so etwas in der Richtung!"

„Ich? Ich würde so etwas nie sagen."

„Hack doch nicht immer so auf Draco herum.", meinte Imelda. „Ich weiß gar nicht, was Du gegen ihn hast."

„Ich habe nichts gegen Draco.", entgegnete Harry betont ruhig. „Ich muss doch nicht gleich dick Freund mit ihm sein, nur weil er mir ständig nachläuft."

Draco lachte schrill.

„Ich Dir nachlaufen? Potter, du fängst wieder an zu träumen."

„Jungs, hört auf zu streiten!", sagte Remus begütigend.

„Ich streite nicht.", meinte Draco. Dabei grinste er zu Harry hinüber.

„Da, schaut alle hin! Er streitet nicht! Aber grinsen kann er!"

Harry war aufgebracht. Er war immer aufgebracht, wenn er sich mit Draco stritt und dabei feststellen musste, dass er keine Chance hatte gegen diese Ansammlung von Arroganz anzukommen..

„Du lernst es nie, Potter.", grinste Draco abfällig.

„Da hast Du ausnahmsweise recht, Malfoy. Ich will es auch nicht lernen. Du bist abschreckendes Beispiel genug."

Harry hatte sich wieder im Griff. Er rang sich ein Grinsen ab, auch wenn tief in seinem Inneren Wut und Enttäuschung brodelten. Er hatte das Gefühl, vor Imelda den kürzeren gezogen, sich selbst als Verlierer dargestellt zu haben. Er sah in die Runde, konnte aber nicht feststellen, dass irgend jemand diesen Disput ernst genommen hatte. Nur Imelda ließ ihren Blick kurz und prüfend zwischen Harry und Draco hin und herwandern.

Harry schob sich ein Stück Lachs in den Mund. Er kaute und war froh, sich für einen Augenblick aus dem Gespräch heraus ziehen zu können. Heute Abend lief gar nichts so, wie er es sich gewünscht hatte. Imelda schien ihn nicht zu registrieren, Draco spielte seine Überheblichkeit aus und die Frauen schienen das nicht einmal schlimm zu finden. Im Gegenteil, je großspuriger Draco auftrat, desto mehr schienen sie ihm an den Lippen zu hängen. Harry beschloss, Imelda direkt über etwas persönliches zu fragen und so ihre Aufmerksamkeit auch sich zu lenken.

„Sagtest Du nicht, Du seiest mit Llyr verwandt?", fragte er und sah sie an.

„Sagte ich das?", fragte sie erstaunt.

„Ja, vorgestern, als ich vor dem Tor auf dem Stein gesessen habe."

„Mag sein.", meinte sie ohne lange nachzudenken. „Ja. Ich bin seine Nichte. Eine entfernte Nichte allerdings. Die Schwester meiner Mutter ist mit seinem Bruder verheiratet."

„Sieh an, Draht nach ganz Oben!", bemerkte Draco.

„Hattest Du viel mit ihm zu tun?", fragte Harry, Dracos Einwurf ignorierend.

„Ach, eigentlich nicht. Ich habe ihn zwei oder drei mal gesehen, wenn irgend ein großes Familienfest war. Geredet haben wir nicht viel miteinander. Ich wüsste auch nicht worüber. Die vom Orden sind mir alle zu sehr abgehoben. Er ist auch viel zu alt, um sich für mich zu interessieren."

Das irritierte Harry. Hatte sie nicht erzählt, dass ihr Onkel Llyr erzählt hätte, Harry würde hier studieren. Sie hatte geklungen, als wäre sie nahe verwandt mit ihm. Zumindest war in ihm der Eindruck erweckt worden.

„Ach so.", sagte er. „Ich dachte, Du kennst ihn besser. Wo kommst Du denn her?"

„Ich bin in der Nähe von Preston geboren.", antwortete sie. „Ein winziges Dorf namens Gammonshead, drei Häuser und eine Kirche."

Zum ersten Mal an diesem Abend schien sie zu lächeln. Anders zu lächeln, als es ein albernes Lachen braucht, das durch Kitzeln oder sonst welche Annäherungsversuche verursacht wird. Es war ein Lächeln, das eine frohe Erinnerung zur Ursache hatte.

„Wir hatten viele Tiere.", fuhr sie fort. „Hühner und Enten, zwei Schweine namens Berta und Louise und einen kleinen Hund. Er war mein Freund."

„Das muss sehr schön gewesen sein.", sagte Harry leise.

„Das war es. Ich war den ganzen Tag draußen, im Sommer wie im Winter. Meine Mutter hat mich immer mitgenommen, wenn sie Kräuter sammelte. Sie zeigte mir die schönsten Stellen in der Gegend. Zumindest, was damals noch davon übrig geblieben war. Heute ist alles zugebaut. Gammonshead gibt es nicht mehr. Ich glaube, jetzt steht ein Supermarkt mit einem riesigen Parkplatz darauf."

Hier brach sie ab. Sie sah traurig aus.

„Das tut mir leid.", sagte Harry.

„Und, wo bist Du aufgewachsen?", fragte sie plötzlich aufblickend.

„Im Schrank unter der Treppe.", antwortete er unbedacht und bereute es sogleich, so offen gewesen zu sein. Sofort war Draco wieder zur Stelle.

„Im Schrank? Potter! Das hast Du ja gar nicht erzählt. Hattet Ihr zuhause so wenig Platz?"

„Du brauchst Dich nicht über mich lustig machen, Draco." Harry nannte ihn bewusst beim Vornamen um klarzustellen, dass er keinen Spott dulden würde. „Ich weiß nicht, was mit Dir passiert wäre, wenn Deine Eltern ermordet worden wären."

Gwen entfuhr ein unterdrückter Schrei.

„Ermordet?", fragte sie mit bleicher Miene. „Das ist ja schrecklich!"

„Ich habe davon gehört.", sagte Imelda regungslos. „Du bist zu Deinen Verwandten gekommen, nicht wahr?"

Harry nickte.

„Es war nicht so erbaulich.", meinte er und hob die Schultern. Diese Zeit lag weit hinter ihm. Mit den Dursleys hatte er zuletzt an seinem achtzehnten Geburtstag zu tun gehabt, als er von Tante Petunia einen Brief erhalten hatte, dass er hoffentlich nicht mehr zum Ligusterweg kommen müsse, wenn er nun volljährig sei. Seine Sachen hätte man in einen Karton gepackt und bei der örtlichen Post unter seinem Namen eingelagert. Er könne sie bei Gelegenheit dort abholen.

„Wie ist das mit Deinen Eltern passiert?", fragte Gwen, die vor Entsetzen allen Appetit verloren zu haben schien.

„Gwen!", sagte Margie streng. Harry schüttelte jedoch den Kopf

„Kennst Du einen dunklen Magier namens Voldemort?", fragte er.

Gwen nickte. In Druidenkreisen war Voldemort zwar bekannt als jemand, der den normalen Zauberern einige Scherereien bereitete, aber direkte Übergriffe waren, bis auf ganz wenige Vorkommnisse noch nicht geschehen. Allerdings machte man sich in weniger gut informierten Kreisen lustig über seine Versuche, sich unter dem Deckmäntelchen, er sei der Erbe von Slytherin bei den Druiden einzuschleichen und sie zu unterwandern. Viel mehr wusste Gwen auch nicht.

„Voldemort hatte in der Zeit, als mein Vater und meine Mutter geheiratet hatten und ich auf die Welt kam, die Zaubererwelt fest im Griff. Er verbreitete Angst und Schrecken. Mein Vater gehörte einer Gruppe an, die sich gegen Voldemort und seine Todesser stellten."

„Todesser? Was soll das denn? Leute, die den Tod essen?"

„Ich weiß auch nicht, was das genau heißen soll. Vielleicht soll es besonders finster klingen.", antwortete Harry. „Jedenfalls hat Voldemort meine Eltern mit dem Todesfluch getötet. Ich habe durch Glück überlebt, nein, ich habe überlebt, weil meine Mutter mich schützte und sich für mich geopfert hat. Das hat Voldemort fast sein eigenes Leben gekostet und mir diese Narbe eingebracht."

Er schob seine Stirnlocke beiseite und zeigte sie. Die Mädchen studierten sie mit einer Mischung aus Ehrfurcht und gruselnder Begeisterung.

„Seit dem Tag versucht er mich zu töten. Das ist ihm aber bisher noch nicht gelungen."

Die letzten Worte sprach er betont gelassen aus, was ihm einen fragenden Seitenblick von Imelda einbrachte.

„Hast Du nicht furchtbare Angst?", wollte Gwen wissen.

„Man gewöhnt sich daran. Es nervt eher."

„Mich erstaunt Deine Gelassenheit, Harry.", sagte Imelda. „Seit wie vielen Jahren ist er hinter Dir her? Hast Du noch nie daran gedacht, dem ein Ende zu machen?"

„Du scherzt. Er hat zig Jahre Zaubereierfahrung, und ich bin ihm mit meinen sieben Schuljahren sicher überlegen. Tolle Idee."

„Du hast Freunde.", sagte sie fest.

„Diese Freunde haben bisher ziemlich viel damit zu tun gehabt, ihn immer wieder vor Voldemort zu schützen.", brummte Remus unwillig. „Vielleicht ist er hier ja für eine Weile sicher, so dass sie Luft holen und sich etwas überlegen können. Im Übrigen schätzt Harry die Situation durchaus richtig ein, Imelda. Voldemort ist gefährlich, auch wenn das noch nicht bis zu allen Druiden durchgedrungen ist."

„Wenn Du meinst, dass er sich bisher nicht getraut hat", sagte Draco, „dann muss sogar ich zugeben, dass er kein Feigling ist. Ich war zwar nicht dabei, als er in den Karpaten Voldemort heraus gefordert hat, um seinen Freund zu befreien, aber diejenigen, die mir davon erzählt haben, sind absolut glaubwürdig."

„Hey, Draco, Du wächst über Dich hinaus.", grinste Harry. „So kenne ich Dich ja gar nicht."

„Blödmann.", schimpfte Draco. „Ich habe in den letzten Jahren einiges gelernt, was man von Dir offensichtlich nicht behaupten kann."

„Hört auf, Jungs.", mischte sich Remus ein. „Wir hatten uns hier getroffen, um uns kennen zu lernen und ein bisschen Spaß zu haben. Nicht um zu streiten. Ist noch etwas von dem Lachs da?"

Als Harry spät in der Nacht in sein Appartement kam, rief er direkt nach Hedwig. Sie war nicht da. Das Fenster stand offen, so wie er es hinterlassen hatte. Kühle und angenehme Nachtluft hatte das Zimmer gefüllt. Er ging sofort ins Bett. Es hatte noch Wein gegeben und er hatte einige Gläser davon getrunken, so dass er hoffen konnte, schnell einzuschlafen. Aber dann dachte er an Imelda und es war vorbei mit der Müdigkeit. Mit offenen Augen lag er in seinem Bett und starrte zu seinem Fenster hinaus in das Mondlicht, dachte an Imelda. Sie verwirrte ihn, wie er es noch nie bei einer Frau erlebt hatte. Einerseits vermittelte sie ihm ständig das Gefühl, sie würde sich für ihn interessieren, wenn er aber mit ihr allein sein wollte, schien sie ihm auszuweichen. Offensichtlich mochte sie ihn, aber er war nicht genügend interessant für sie. Lieber schien sie mit Draco herum zu albern. Er zeigte sich von ihr vollkommen unbeeindruckt, manchmal direkt ablehnend, und das schien sie an ihm zu reizen.

‚Was soll ich tun?', fragte er sich. ‚Ich bin nicht so, wie er.'

Er wusste nicht, was er an sich verändern sollte, um ihre Aufmerksamkeit zu erlangen. Und er verlor den Mut, seine Gefühle offen zu zeigen. Nur wusste er das noch nicht.