Titel: Harry Potter und der Bund des Falken

Autor: Luka

Altersbeschränkung: 12

Disclaimer: Die vorliegende Geschichte ist eine FanFiction zu Harry Potter. Dies zu schreiben macht in erster Linie mir Spaß und liegt fern jedes kommerziellen Gedankens. Dies zu lesen soll allen Spaß machen, die eine neue Geschichte von Harry Potter haben wollen. Sie sollen das tun können ohne eine müde Mark auszugeben. Alle Charaktere gehören Joanne K. Rowling, bis auf die, die in der Geschichte von mir entwickelt wurden und die nicht von JKR stammen. ( So z.B. Henri Perpignan, Llyr, Gwenaela, Imelda Mortescue, die Brüder, Bruder Bertrand, Vater Edgar und Frère Antoine, auch die Druiden der Druidenuniversität und der Compte)

6. Der Wächter

Harry konnte kaum erwarten, dass es dunkel wurde. Den Nachmittag verbrachte er in Imeldas Gegenwart, wobei die eine Stunde, die er in der Mittagszeit mit ihr verbrachte die angenehmste war. Später waren Gwen, Margie und Draco zu ihnen gestoßen. Remus hatte anscheinend beschlossen, wieder einmal den Nachmittagsseminaren fern zu bleiben. Wie Harry es erwartet hatte, versuchte sich Draco zwischen Imelda und ihn zu drängen, was Imelda zu Harrys Freude jedoch nicht zuließ.

Nervös schlang er sein Abendessen herunter und war schon an der verabredeten Stelle, als die Sonne sich gerade auf die Berge im Westen setzte und das Tal mit sattem rotem Licht bestrahlte. Harry hatte Imelda den kleinen Hof beschrieben, in dessen Eckturm er den Comte getroffen hatte. Er erzählte ihr aber nicht von der seltsamen Begegnung mit dem Geist. Seine Hoffnung war, dass der Comte nicht in Erscheinung treten würde, wenn sie sich dort trafen. Er musste versuchen den Grafen fern zu halten. Als er sie nach einer Vorlesung fragte, ob sie schon einmal mit Geistern zu tun gehabt hatte, schüttelte sie nur den Kopf und hob die Schultern.

Harry stapfte mit dem in den Tarnumhang eingewickelten Besen in der Hand durch das hohe Gras, das sich seit seinem letzten Besuch wieder aufgerichtet hatte. Er ging zur Pforte, die in den Turm führte, stieg die Treppe hinauf und begab sich in den Raum, in dem er den Comte vermutete. Hier wollte er auf Imelda warten, nicht dass er sie hier herauf kommen lassen wollte, aber er konnte der Hof überblicken und saß ein wenig im Windschatten. Das Zimmer lag allerdings unberührt vor ihm. Durch das westliche Fenster schien die untergehende Sonne und tauchte die gegenüber liegende Wand und das Bücherregal in flammendes Rot.

„Herr Graf?", fragte Harry. Er erhielt keine Antwort. Staub, den er mit den Füßen aufgewirbelt hatte, flirrte durch die Luft und tanzte im Sonnenlicht. Harry ging zum Tisch und setzte sich auf den Stuhl. Vor sich auf den Tisch legte er das Bündel mit seinem Besen. Die Möbel machten einen erstaunlich stabilen Eindruck. Sie schienen keineswegs morsch zu sein. Harry blinzelte in die Sonne. Die Berge am Rand des Tals hoben sich schwarz aus der Umgebung. Wie Feuer kroch das Licht über den Grat und floss in das Tal hinunter. Je länger er dem Sonnenuntergang zusah, desto länger wurden die Schatten, die von den Bergen ins Tal geworfen wurden. Als von der Sonne nur noch ein schmaler gleißender Streifen zu sehen war, hörte er, wie jemand durch das Gras stapfte.

„Damenbesuch?", fragte jemand in wohl bekannter Stimme hinter dem Schrank. Harry erschrak, fasste sich aber schnell.

„Nicht das, was sie denken, Graf.", antwortete er. „Tun Sie mir den Gefallen, und erschrecken Sie sie nicht."

„Macht Euch keine Sorgen, junger Freund.", kicherte der Comte.

Harry wollte gerade aufspringen, nach seinem Bündel greifen und hinunter laufen, da verriet Ihm das Knarren der hölzernen Treppenstufen, dass Imelda die Treppe herauf stieg.

„Imelda?", fragte er.

„Harry?", hörte er sie rufen. „Wo bist Du?"

„Ich bin hier oben. Ich habe gerade der Sonne beim untergehen zugesehen."

Sekunden später betrat sie den Raum.

„Was ist das hier?", fragte sie und sah sich um. Sie trug einen engen, geschlitzten schwarzen Rock, der ihr bis an die Knöchel reichte. Ein flauschig weicher Angora- Pullover mit Kunstpelzkragen umschmeichelte ihren Oberkörper mit roten Farben und gab ihr das Aussehen einer Film-Diva. Sie bemerkte Harrys bewundernde Blicke. Mit leicht erhobenen Armen drehte sie sich einmal um ihre Achse und fragte:

„Gefalle ich Dir? Ich habe es unten im Dorf gekauft. Es erschien mir etwas zu gewagt für die Vorlesungen, aber jetzt habe ich das Gefühl, es ist genau das Richtige für solch einen verbotenen Ausflug."

Harry schluckte.

„Es ist toll...", sagte er mühsam.

„Komm, sei nicht so schüchtern.", sagte sie auffordernd lächelnd. „Das steht Dir nicht."

„Ich...ich bin einfach sprachlos.", stotterte Harry mit rotem Kopf. „Es ist etwas ungewohnt, mit einer Frau wie Dir..."

„Mit einer Frau wie mir...", wiederholte sie schmeichelnd. Mit einem Mal fühlte sich Harry unwohl.

„Ich...ich muss Dir sagen, dass wir nicht allein sind....", meinte er verlegen Er verwarf seinen Vorsatz, sie nicht mir dem Comte in Berührung kommen zu lassen. Aber die Situation schien ihm zu heiß und überforderte ihn. Er brauchte Hilfe. Unvermittelt hielt sie inne und sah ihn erstaunt an.

„Nicht allein?", fragte sie. „Hast Du noch jemanden mitgebracht? Remus vielleicht?" Ihre Stimme klang etwas enttäuscht.

„Nein, das ist es nicht. Er ist der ehemalige Besitzer der Burg, der Comte de Rocheblanc, ein Geist..."

„Ein Geist? Harry, Du bist echt ein Spaßvogel!"

Sie lachte aufreizend.

„Madame! Bewahren Sie bitte die Contenance!", war plötzlich die Stimme des Comte zu hören. Er klang streng. Imelda erschrak und flüchtete in Harrys Richtung. Unvermittelt berührte sie ihn erschrocken, lehnte sich an ihn. Harry hob hilflos die Arme. Vorsichtig legte er eine Hand auf ihren Rücken, so vorsichtig, dass es kaum Berührung zu nennen war. Was er fühlte, elektrisierte ihn. Er spürte, wie sie atmete, fühlte den geraden, festen Rücken, fühlte das leichte Beben ihres Schreckens. Er fühlte, dass er sie vor dem Geist schützen musste, und, als er zu ihr hinunter sah, bemerkte er, wie zart und klein sie auf einmal wirkte. Ein Gefühl der Zuneigung jagte durch seine Brust und ließ ihn tief atmen.

Der Comte schwebte hinter dem Schrank hervor, baute sich vor Imelda auf und verbeugte sich dann tief.

„Darf ich mich vorstellen, Madame? Ich bin Edouard de Rocheblanc, Comte de la Valle, letzter wirklicher Graf und Besitzer dieser Burg. Enchanté!"

Harry fühlte, wie sie sich stärker an ihn lehnte, als der Graf näher schwebte. ‚Mein Gott! Lass es nie aufhören!', betete er im Stillen.

Seltsamerweise hielt der Graf auf einmal inne, musterte Imelda und sah dann Harry an. Er schüttelte den Kopf, dann drehte er sich um. Ohne ein weiteres Wort zu sagen verschwand er zwischen den Büchern des Regals. Imelda löste sich von Harry.

„Was war das?", fragte Imelda mit entsetztem Blick.

„Ach das..., das war nur der Comte.", antwortete Harry. „Eigenartig, dass er so plötzlich verschwunden ist. Warum hat er Dich so komisch angesehen?"

„Du...ich...Du tust so, als wärt Ihr alte Freunde...Wieso kennst Du einen Geist?"

„Ach, Geister sind nichts besonderes für mich. In Hogwarts hatten wir vier, in Durmstrang war ebenfalls einer, warum soll es hier keinen geben?"

„Harry! Du tust so als wäre das etwas vollkommen normales!"

Harry hob die Schultern und sah sie hilflos an.

„Für mich ist es normal.", sagte er. „Ich wüsste auch nicht, warum ich mich vor einem Geist erschrecken sollte. Außer dass sie lästig sein können, weil sie überall und zu jeder Zeit auftauchen, können sie uns nichts tun."

„Harry...bitte versprich mir, dass Du Dich von ihm fern hältst.", sagte Imelda flehend. Harry betrachtete sie verwundert. Irgendetwas war zwischen ihr und dem Comte vorgefallen, was er nicht mitbekommen hatte.

„Warum soll ich das?", fragte er nach.

„Ich traue ihm nicht.", antwortete sie. Plötzlich richtete sie sich auf. „Es wird bereits dunkel. Wollen wir nicht losfliegen, bevor wir gar nichts mehr sehen?"

Harry beschloss, nicht weiter nachzufragen. Er nickte.

„Wir wollen unten im Hof starten. Kommst Du?"

Er nahm den Besen und den Tarnumhang vom Tisch und stieg die knarrenden Stufen hinunter. Imelda folgte ihm schnell. Unten im Hof wickelte Harry den Besen aus dem Tarnumhang, ließ ihn mit einem Wink der Hand in der Luft schweben, dann schwang er ein Bein über den Stiel und bedeutete Imelda, sich hinter ihn zu setzen. Umständlich hob sie den Rock und setzte sich hinter ihm auf das Reisig. Harry nahm den Tarnumhang und schwang ihn über sich und Imelda.

„Halte Dich fest.", forderte er sie auf. Sofort fühlte er, wie sich ihre Hände um seinen Bauch schlossen.

„Bitte nicht so wild, Harry.", bat sie. Harry nickte nur. Er fühlte den Besen unter sich vibrieren. Zu lange hatte er das Gefühl von Kraft und Schnelligkeit vermisst. Selbst auf dem sehr sicheren Gelände von Perpignans Place hatte er nicht die Erlaubnis erhalten ein paar Runden mit dem Besen zu fliegen. Henry und Remus hatten es für zu gefährlich gehalten, zumal nach ihrer Meinung eine eindeutige Spur von Magie über dem Gut in die Luft geschrieben wurde, was in dieser wenig bewohnten Gegend mit Sicherheit aufgefallen wäre und die Todesser um Voldemort nur dazu gebracht hätte, auf eine nächste Gelegenheit zu warten, an der sie Harry hätten abfangen können. Für einen Augenblick fragte er sich, warum niemand verhindert hatte, dass er seinen Besen mit nach La Valle nahm. Schnell verdrängte er den Gedanken.

Zärtlich strich Harry über den glatt polierten Stiel. Dann nahm er ihn in die Hand, hob ihn kurz an und stieß sich mit den Füßen ab. Sofort umschlagen ihn Imeldas Arme fester. Sie schrie leise. Harry aber fühlte eine unbändige Freude. Wenn es etwas gab, was ihn von Imelda ablenken konnte, dann war es sein Feuerblitz, der seinerzeit schnellste Besen der Welt unendlich teuer und edel, und ein Geschenk seines Paten Sirius.

Vorsichtig lenkte Harry den Besen zur Mauerkrone. Er wollte, verdeckt durch den Tarnumhang erst eine Runde über der Burg fliegen, um Imelda etwas mehr Sicherheit zu geben, bevor sie sich in den Abgrund stürzten. Er lenkte den Feuerblitz zu der Brücke, die den Torbau von den restlichen Bereichen der Burg trennte. Der Brücke folgend überquerte er den Abgrund, schwebte über die Bastion der Hauptburg und flog über die Dächer in den ersten Hof. Vorsichtig zog er den Besen höher. Ein lange unterdrücktes Glücksgefühl durchfloss ihn. Er fühlte Imelda hinter sich sitzen und wie sie sich an ihn schmiegte. Sie entspannte sich ein bisschen.

In der Gewissheit, nicht mehr aufgehalten zu werden, beschleunigte er, zischte über das Gebäude der Verwaltung, über den Betriebshof hinweg und umkreiste den Hof des Studentendorfes. Dann wandte er den Kopf nach hinten und fragte:

„Sollen wir es wagen?"

„Natürlich!", flüsterte sie heiser. „Das macht ja richtig Spaß, viel besser als Motorradfahren!"

„Ich weiß.", flüsterte Harry. „Pass auf. Ich gehe jetzt runter."

Er zog den Besen über den First des Daches und folgte der Neigung nach unten. Die Strecke zur Dachkante schmolz rasend dahin, jetzt war es nur noch ein Meter, ein halber...Harry konnte den Abgrund sehen. Noch einmal beschleunigte er. Der Wind pfiff um seine Ohren, doch die Dachkante schien mit einem Mal mit ihnen zu fliegen. Sie kamen dem Abgrund nicht näher. Harry trieb den Besen mit aller Kraft vorwärts, doch je mehr er beschleunigte, desto mehr hatte er das Gefühl, die Zeit verlangsame sich. Sie kamen keinen Zentimeter mehr weiter.

Jetzt brach ein wahrer Sturm los, der ihnen entgegen tobte. Der Besen wurde geschüttelt und ächzte, wie ein Baum, der versucht, sich gegen einen Orkan zu stemmen. Der starke Gegenwind trieb Harry die Tränen in die Augen. Er zerrte an dem Tarnumhang, als wolle er ihn zerreißen. Das Heulen und Pfeifen des Sturms dröhnte in seinen Ohren. Jetzt begann der Besen zu bocken. Wild warf er sich hin und her. Er gehorchte nicht mehr den Befehlen. So sehr er sich anstrengte, den Besen in Richtung zu halten, so sehr wehrte sich dieser. Schließlich zog eine Böe den Tarnumhang von Harrys Kopf. Er riss den Besen herum.

„Wir schaffen es nicht!", rief er verzweifelt. „Sie haben einen Zauber um die Burg gelegt."

Kaum hatte er den Feuerblitz gewendet, beruhigte sich der Sturm. Maßlos enttäuscht lenkte er den Besen in den Hof und landete.

Sie wurden von einer aufgeregt durcheinander rufenden Menge Studenten der unterschiedlichen Semester empfangen, die durch das Heulen des Sturms aufgeschreckt worden waren. Laute Stimmen mischten sich mit Gelächter und Schreckensrufen. Als Harry und Imelda zur Landung ansetzten, bildeten sie einen Kreis. Kaum hatten ihre Füße den Boden berührt, teilte sich dieser und eine Delegation von sechs Druiden, angeführt von Alisios kam herbeigelaufen. Alisios blieb vor Harry stehen.

„Ich wusste dass Du es wieder versuchen würdest.", knurrte er ungerührt. „Allerdings habe ich Deine Dummheit unterschätzt. Kommt mit."

Er machte eine unmissverständliche Handbewegung. Die Druiden schlossen einen Kreis um die beiden jungen Leute. Harrys Wille zum Widerstand war praktisch nicht mehr vorhanden. Tiefste Enttäuschung und ein Hauch von Angst, die sich nun in seiner Brust ausbreitete, ließen ihn willenlos hinter Alisios hertrotten. Keiner sprach ein Wort. Imelda ging neben Harry her, als wäre sie eine Fremde. Nicht ein einziges Mal sah sie zu ihm herüber, er nahm es hin. Sie schritten eilig durch den Betriebshof und steuerten auf das Hörsaalgebäude zu. Alisios führte die kleine Gruppe durch den Flur am Hörsaal 1 vorbei, die breite Treppe hinauf und blieb vor der Wohnung des Dekan stehen.

„Wartet hier!", wies er die anderen Druiden an. Er öffnete die Tür und bedeutete Imelda und Harry, die Wohnung zu betreten. Direkt neben dem Eingang führte eine weitere Tür in ein Büro. Sie stand offen. Der Raum war modern und mit einer unverkennbar luxuriösen Note eingerichtet. Hinter einem gigantisch wirkenden Schreibtisch, der aus einer auf Hochglanz polierten Tischplatte aus Kirschbaumholz bestand, saß Jermen Goulhen, der Dekan. Er hatte die Arme auf den Tisch gestützt und die Hände unter dem Kinn gefaltet. Mit wachen, grauen Augen sah er die Hereinkommenden an.

Harry stockte, als er den Dekan sah. Ein sanfter, aber bestimmter Druck in seinem Rücken brachte ihn dazu, das Büro zu betreten. Harry wagte es, seinen Blick einen Moment schweifen zu lassen. Bis auf die Seite, in der das Fenster Sicht die Nacht gewährte, waren alle Wände des Zimmers bis unter die hohe Decke mit Bücherregalen verkleidet, in denen sich in scheinbarem Durcheinander alte, ledergebundene Handschriften neben Taschenbüchern und Zeitungsstapeln die Regalböden teilten. Eine Lichtleiste verlief rundherum und verbreitete ein diffuses, aber durchaus helles Licht.

Der Schreibtisch befand sich im krassen Gegensatz zu den Regalen in nahezu penibler Ordnung. Er stand auf einem nachtblauen, großen Teppich. Fast wie mit Lineal und Winkelmesser angeordnet lag nur eine lederne Schreibunterlage, eine Schale für Federhalter und ein Tintenfass auf dem Tisch. Eine Halogenlampe sorgte für zusätzliches Licht. Sie war so filigran, dass der bläulich strahlende Lichtpunkt in der Luft zu schweben schien. Vor dem Schreibtisch standen zwei Lehnstühle aus Drahtgeflecht, die im Schein des Halogenspots ein wenig glitzerten.

Die Einrichtung überraschte Harry. Sie war so anders, als die eines jeden Zauberers oder Druiden, den er kannte. Druiden zogen eine edle, saubere aber eher altmodische, fast viktorianische Möblierung vor. Bei normalen Zauberern herrschte meist ein mehr oder weniger großes Chaos, das durch die Ansammlung magischer Gegenstände, zum Teil defekter Möbel, die nur durch Magie zusammen gehalten wurden und durch die Haustiere, wie Eulen, Katzen oder Ratten bis hin zum Phoenix verursacht wurde.

Druiden hielten gemeinhin keine Tiere im Haus. Wenn etwas defekt war, wandten sie keine Magie an, um es irgendwie wieder funktionierend zu machen, sondern sie setzten es instand, natürlich auch mit Magie, aber so, dass es nachher wieder so aussah, wie es vorher war. Brach zum Beispiel bei einem Zauberer der Stiel eines Weinglases ab, so brachte er es meistens nur zum Schweben, womit es nach wie vor seinen Zweck erfüllte, vielleicht sogar bequemer zu handhaben war, weil man sich nicht mehr darum zu kümmern brauchte, wo man es hinstellte. Druiden dagegen fügten die zerbrochenen Teile wieder zusammen und ließen die Bruchstellen vollkommen verschwinden.

Dieses Büro machte, trotz der scheinbar ohne höheren Sinn aufgestellten Bücher in den Regalen den Eindruck penibelster Ordnung und Sauberkeit. Keine Spinnwebe hing verloren in einer Zimmerecke herum. Nirgendwo stand ein hektisch umherwirbelndes magisches Instrument. Hier hatte alles seinen zugedachten Platz. Was Harry besonders auffiel war, dass es in einem sehr modernen und geradlinigen Stil eingerichtet war. Dieses Büro konnte auch einem Direktor einer Muggel-Universität gehören.

Jermen Goulhen stand auf und ging um den Schreibtisch herum. Harry zuckte ein wenig zusammen. Imelda stand dicht neben ihm, als suche sie bei ihm Schutz. Inzwischen hatten sich alle sechs Druiden in dem Büro versammelt und bildeten einen Halbkreis hinter ihnen.

Jermen reichte Imelda und Harry stumm die Hand. Dann lehnte er sich mit verschränkten Armen an den Schreibtisch, sah Harry an, musterte kurz die Narbe und begann zu sprechen.

„Schade, dass der Anlass, Dich kennen zu lernen nicht so sehr erfreulich ist, Harry. Du hast nun zweimal versucht zu fliehen. Warum?"

„Warum hält man mich hier fest?", fragte Harry mit Erleichterung darüber, dass Jermen freundlicher klang, als er es erwartet hatte. Der Dekan machte eine Handbewegung zu den sechs Druiden, woraufhin sie das Büro verließen.

„Setzt Euch.", sagte er und deutete mit der Hand auf die Stühle. „Alisios, wenn Du auch sitzen möchtest, hole Dir bitte noch einen Stuhl."

Alisios schüttelte den Kopf. Er stand mit hinter dem Rücken gefalteten Händen neben dem Eingang. Der Dekan ging um den Schreibtisch herum und nahm ebenfalls Platz. Dann holte er tief Luft und ließ sie langsam wieder entweichen.

„Du fühlst Dich, wie ein Gefangener.", stellte er fest. Er ließ seinen Blick zwischen Harry und Imelda hin und her wandern. Harry nickte zögerlich.

„Das tut mir leid. Wir hatten gehofft, dass wir Dir die Situation so erklären können, dass Du diese Gefangenschaft etwas leichter ertragen kannst. Gut, Du bist jung, etwas ungeduldig, was Dir keiner übel nehmen kann. Wer vergisst, wie er selber einmal war, als er Dein Alter hatte, hat nicht gelebt."

Dabei lächelte er.

„Nun", fuhr er fort, „es sollte Dir jemand sagen, der Dir nahe steht, von dem wir angenommen haben, dass Du ihn ernst nimmst und seine Erklärungen verstehst. Deswegen wurde Remus erwählt, Dich über die Situation in Großbritannien in Kenntnis zu setzen. Vieles davon wusstest Du, nur diese Sache mit den Dämonen..."

Er schwieg eine unangenehm lange Zeit. Harry fühlte sich versucht, etwas zu sagen, aber er fand keine Worte.

„Weißt Du, wie gefährlich sie sind?", fragte Jermen plötzlich und sah ihm ins Gesicht.

Harry wurde verlegen. Er glaubte nicht an Dämonen, aber er traute sich nicht, das zu sagen. Warum nur waren diese erfahrenen Leute so besessen von den Dämonen? Jermen schien seine Gedanken zu erraten.

„Ich weiß nicht...", stotterte Harry.

„Du glaubst nicht daran, nicht wahr?" Ohne eine Antwort abzuwarten sprach er weiter. „Es ist schwierig, jemanden von etwas zu überzeugen, wenn dieser nicht daran glaubt. Wenn Du allerdings weiterhin in Deinem Unglauben Dinge tust, die Dich in Gefahr bringen, ihnen zu begegnen, wirst Du bald nicht mehr daran glauben müssen. Du wirst wissen."

Sein Blick bohrte sich in Harrys Augen. Harry blickte zu Boden. Er fühlte sich sehr unwohl.

„Wir haben die Ardennen und insbesondere La Valle ausgesucht, weil zwischen den von Voldemort aufgehetzten Dämonen und uns ein Meeresarm liegt. Auch wenn die Gründe nicht erforscht sind, so steht doch fest, dass Dämonen nicht über natürliche Gewässer wandern können. Es liegt vermutlich an der reinigenden Wirkung von Wasser, die in vielen unserer Rituale bewiesen wird. Leider ist der Schutz durch das Wasser nicht mehr absolut, wie es vor zweitausend Jahren gewesen war. Wie Du weißt, gibt es einen Tunnel, der das europäische Festland mit Großbritannien verbindet. Genau so durchlässig macht diese Barriere der tägliche Fährverkehr zwischen der Insel und dem Festland. Allerdings werden die Dämonen nicht das Schiff wählen, es ist zu viel Wasser um sie herum, als dass sie sich wohl fühlen würden."

Er stand aus seinem Schreibtischsessel auf, verschränkte die Hände hinter dem Rücken und ging langsam zum Fenster hinüber. Dort blieb er stehen und sah in die Dunkelheit hinaus.

„Wir überwachen den Tunnel auf beiden Seiten, jedes verdächtige Vorkommen wird uns sofort über die Telepost gemeldet. Nur, Dämonen sind leider nicht zu sehen, nicht zu riechen und nicht zu spüren, wenn sie sich tarnen. Sie reisen gerne in den Körpern ganz normaler Menschen, die sie steuern, wie es ihnen gefällt. Die Menschen sind ihnen hilflos ausgeliefert, aber oft merken sie nicht, dass sie besessen sind. Sie tun Dinge, die sonst nie tun würden.

Die einzige Chance, sie zu entdecken ist, auf Unfälle und Katastrophen zu achten, denn Dämonen können nicht anders. Sie müssen Unheil verursachen, sie müssen töten und die Seelen der Opfer fressen."

Er drehte sich um. Sein Blick war fest auf Harry gerichtet.

„Du kennst die Dementoren? Sie sind eine besondere Gattung von Dämonen. Denn sie sind willenlos und damit durch Magie steuerbar. Nur ihr Durst nach den Seelen treibt sie dazu, Menschen anzugreifen, wenn sie außer Kontrolle geraten. Ich habe von Henry gehört, dass Du schon mit ihnen zu tun hattest."

„Es gibt einen Zauber gegen sie.", sagte Harry kleinlaut. Imelda sah kurz zu ihm hinüber, dann schien sie noch tiefer in den Stuhl zu sinken. Offensichtlich war sie froh, nicht im Mittelpunkt zu stehen und versuchte unsichtbar zu werden.

„Ich weiß...", lächelte Jermen. „Ich weiß. Aber glaube nicht, dass dieser lächerlich schwache Patronus, so schwer er auch zu erzeugen sein mag, gegen Dämonen hilft! Sie sind viel subtiler."

Harry fuhr auf.

„Dieser Patronus ist mein Vater!", rief er aufgebracht. „Er ist nicht schwach!"

Jermen sah ihn ernst an. Dann lächelte er wieder.

„Ich wollte Deinen Vater nicht kränken, Harry. Ich will Dir nur klar machen, dass das, was Du bisher erlebt hast, nicht zu vergleichen ist mit dem, was kommt. Du kannst nicht gegen einen Gegner kämpfen, den Du nicht siehst...sagen wir...Du siehst ihn erst, wenn sie Dich sicher in ihren Fängen haben...

Was erzähle ich Dir? Du glaubst mir nicht. Aber früher oder später wirst Du Dämonen begegnen. Je später das ist, desto besser für Dich. Die gesamte Gruppe um Llyr ist fieberhaft damit beschäftigt, eine Strategie gegen Dämonen zu entwerfen. Leider kann das keiner von uns aus dem Ärmel schütteln. Druiden haben noch nie etwas mit Dämonen zu tun gehabt. Die Christen kennen sie, haben viele Versuche unternommen um sie zu vertreiben, aber besiegen konnten sie das Böse nicht. Sie haben nicht die Mittel, die uns zur Verfügung stehen.

Meine Aufgabe ist nun, Dich hier vor dem Zugriff zu schützen. Sie dürfen zur Zeit einfach nicht an Dich heran. Deshalb kann ich Dich nicht so ohne weiteren aus dieser Burg lassen. Du hast versucht, diesen Schutz zu umgehen. Warum?"

Harry überlegte.

„Warum hat man mir nicht von Anfang an gesagt, was los ist?", fragte er. Langsam erlangte er wieder ein wenig Sicherheit. „Warum sperrt man mich hier ein, ohne mich zu informieren? Kannst Du Dir denken, dass mir das sehr seltsam vorkommt? Ich wollte nicht in einem Gefängnis sein. Ich habe ein Recht auf meine Freiheit. Niemand darf sie mir nehmen -"

„Du hast ein Recht auf Deine Freiheit. Das ist wahr. Du hast auch ein Recht, Dein Leben aufs Spiel zu setzen. Du hast sogar ein Recht dazu, Deine Seele für immer zu vernichten. Ich bin der Letzte, der Dir dieses Recht streitig macht. Sag, dass Du auf Deinem Recht bestehst, und Du kannst gehen. Du bist unabhängig, volljährig und kannst auch Deine Freunde im Stich lassen. Freunde, die in den letzten Jahren ihr Leben für Deines riskiert haben."

Harry schluckte. Es verletzte ihn, wie der Dekan ihn an seine Freunde erinnerte. Er schämte sich und wurde wütend zugleich. Zornig sah er den Dekan an. Der blieb jedoch ruhig.

„Ich sehe, dass Dir Deine Freunde nicht egal sind. Ich sehe aber auch, wie sehr Du um Deine Freiheit besorgt bist und wie sehr Du leidest... Und ich verstehe Dich. Ich will Dir keinen Schaden zufügen, aber ich bitte Dich um ein bisschen Geduld und Zeit.

Wir sind kurz davor, einen Weg zu finden, wie wir Dich vor den Dämonen verbergen können, ohne dass Du Deine Freiheit verlierst. Du hast eine magische Aura, wie jeder Magier dieser Welt. Sie hat eine Farbe und eine Art Geruch, welche sie unverwechselbar und einmalig macht. Sie haftet an Dir und an den Gegenständen, die Du berührt hast, und die Dämonen können sie wittern, wie Hunde, die auf der Jagd sind. Im Gegensatz zu Hunden sind Dämonen intelligent. Sie können eigenständig und ausgesprochen logisch handeln.

Im Moment haben sie Deine Spur verloren, denn Du bist über das Wasser gefahren und uns ist es gelungen, das Schiff zu dekontaminieren. Aber bald werden sie Dich auf dem Festland vermuten und sie werden alles tun, um Deine Spur zu finden. Solange Du auf dieser Burg bleibst, wirst Du keine Spuren hinterlassen. Sie werden lange brauchen, um Dich zu finden. Lange genug, dass wir etwas gegen sie unternehmen können."

„Ist es denn so unbedingt wichtig, dass ich nur in der Burg bleibe?", fragte Harry missmutig. „Ich meine, das Tal ist doch abgeschlossen, und wenn sie im Dorf sind, werden sie auch in die Burg kommen, ob sie mich im Dorf wittern oder hier..."

Der Dekan schien nachzudenken. Fragend sah er zu Alisios hinüber, der immer noch schweigend am Regal lehnte.

„Ich sage es nur ungern, aber Du hast recht. Wir waren der Meinung, dass jedes, wirklich jedes noch so geringe Risiko vermieden werden sollte. Hier, auf der Burg haben wir Dich unter einer gewissen Aufsicht und Kontrolle. Unten im Dorf werden wir nicht mehr verhindern können, dass Du weiter gehst, vielleicht das Tal verlässt."

„Ich werde das Tal nicht verlassen!", sagte Harry hastig. „Das verspreche ich!"

Der Dekan lächelte gequält.

„Du hast uns vom Gegenteil überzeugt. Hat Alisios Dich nicht gewarnt? Du hast es trotzdem gemacht. Kannst Du es garantieren? Nein."

Harry sah betroffen zu Boden. Imelda neben ihm schien gar nicht mehr da zu sein. Er hörte sie nicht einmal mehr Atmen, traute sich aber auch nicht seinen Kopf zu ihr zu drehen.

„Es gibt vielleicht eine Möglichkeit.", sagte plötzlich Alisios. Harry schaute überrascht auf. Hilfe von Alisios hatte er nicht erwartet.

„Welche?", fragte Jermen, der auch überrascht schien.

„Wir geben ihm einen Wächter mit."

Der Dekan nickte.

„Du hast recht. Darüber habe ich auch schon nachgedacht..."

„Imelda kann mich doch begleiten.", schlug Harry vor, um diesen Strohhalm nur nicht fahren zu lassen.

„Ich glaube nicht, dass Imelda geeignet ist.", entgegneten Jermen. „Ein Wächter ist nicht nur ein Begleiter, Harry. Wir verbinden normalerweise einen Wächter auf etwas verbindlichere Art mit dem, den er bewachen muss. Wir stellen eine geistige, magische Verbindung zwischen den beiden Gehirnen her. Nein Harry, Alisios hat bereits einen Partner für Dich gefunden, nicht wahr?"

„Ich habe ein wenig nachgedacht. Es kommt nur einer in Frage. Draco Malfoy."

„Warum um alles in der Welt ausgerechnet Draco?", stöhnte Harry.

„Das kann ich Dir erklären, Harry.", sagte Jermen milde. „Einen Wächter zu bestellen ist nicht ganz trivial. Es gibt Wächter und Bewachte, die sich nicht miteinander vertragen, ähnlich wie bei den Blutgruppen...auch wenn es im Falle eines Wächters viele hundert verschiedene Unverträglichkeitsmöglichkeiten gibt. Du kannst Dir sicher vorstellen, dass es sehr aufwändig ist, diese Unverträglichkeiten heraus zu finden.

Zufälligerweise wissen wir, dass es zwischen Dir und Draco schon einmal eine Verbindung gegeben hat. Du hast etwas in Dir getragen, was ihm gehörte und es hat Dich nicht im geringsten beeinträchtigt. Erinnerst Du Dich?"

„Meinst Du Parsel?"

Parsel war die Sprache der Schlangen. Harry verstand ihre Sprache, was ihm im zweiten Schuljahr den Ruf eingebracht hatte, der Erbe von Slytherin zu sein. Diese Eigenschaft besaßen nur sehr wenige Zauberer und Harry hatte die seine durch den Versuch Voldemorts erlangt, ihn zu töten. Der Fluch des dunklen Lord war von Harry auf den Angreifer zurück geprallt, tötete um ein Haar Voldemort selbst und hinterließ auf Harrys Stirn eine blitzförmige Narbe, die ihn in der ganzen Zaubererwelt berühmt gemacht hatte. Das allein brachte ihn jedoch nicht in den Besitz dieser Fähigkeit. Wie Harry und Draco im fünften Schuljahr herausfanden, hatte Voldemort diese Fähigkeit schon Dracos Großvater, dem Vater seiner Mutter und damit den Nachkommen des Druiden und Mitbegründers von Hogwarts,Salazar Slytherin, durch einen mächtigen Zauber genommen. Harry schwante böses.

„Genau das meinte ich. Wir haben den Beweis, dass eine magische Verbindung zwischen Dir und Draco möglich ist. Warum sollten wir eine mehrwöchige Zeremonie durchführen, um ein magisches Pendant zu Dir zu finden, wenn der Weg so einfach ist?"

Alisios wurde angewiesen, Draco zu holen. Während der alte Druide unterwegs war, ließ der Dekan Tee zubereiten. Er nutzte die Gelegenheit, etwas mehr über Harry zu erfahren. Auch Imelda fand seine freundliche Aufmerksamkeit, was ihr große Erleichterung verschaffte. Als Alisios gefolgt von Draco Malfoy wieder das Büro betrat, erzählte Jermen gerade von einer Jugendsünde, als er auf die Druidenschule in der Bretagne ging.

Harry freute sich, dass Jermen ganz im Gegensatz zu seinem ersten Eindruck heute Abend anscheinend nicht erbost über seine Flucht war. Als er aber Draco erblickte, wurde er jäh in die Wirklichkeit zurück geholt. Hilfesuchend sah er zu Imelda hinüber, stellte jedoch mit Schrecken fest, dass sie Draco zulächelte und für ihn, Harry, keine Beachtung übrig hatte. Als sich ihre Blicke kreuzten, hatte Harry den Eindruck, in Ihrem Gesicht stünde Gleichgültigkeit. Er war fassungslos.

Draco war auf dem Weg zum Dekan von Alisios über die Geschehnisse aufgeklärt worden. Er grinste hämisch, als Harry ihn mit einer Mischung aus Verachtung und Angst ansah.

„Jetzt muss ich auch noch Babysitter für Dich spielen.", höhnte er. „Was verlangst Du noch alles von mir als Dank dafür, dass du mir das Parseln zurück gegeben hast?"

„Draco, bitte!", wies ihn Jermen freundlich, aber bestimmt zurecht. „Ich glaube, Harry leidet schon genug darunter, sich nicht frei in La Valle bewegen zu dürfen. Mach es ihm nicht noch schwerer."

„War ein Scherz.", winkte Draco grinsend ab.

„Draco, es ist nicht die richtige Zeit für Scherze. Du übernimmst eine ausgesprochen verantwortliche Aufgabe. Wenn du gewillt bist uns zu helfen."

Harry sank in sich zusammen. Er fühlte sich wie ein Klatscher, der von der von den Treibern mit hölzernen Keulen über das Quidditchfeld geschlagen wurde.

„Ich werde gar nicht mehr gefragt...", murmelte er leise.

Jermen hatte es gehört.

„Du musst nicht, Harry, wenn Du nicht willst. Ich bin allerdings überzeugt, dass auch Du eine Chance haben solltest, Dich ein bisschen zu amüsieren. Wenn ich recht unterrichtet bin, ist Draco Dein Schulkamerad aus Hogwarts und Ihr beide seid seit einigen Jahren befreundet."

Draco lachte leise. Er genoss es offensichtlich zu sehen, wie Harry sich wand.

„Möchtest Du auch einen Tee?", fragte Jermen und sah Draco an. Dieser nickte. Jermen öffnete einen kleinen Schrank, der hinter ihm in das Bücherregal eingebaut war und holte eine Tasse heraus.

„Auch für Dich wird es nicht einfach", wandte sich Jermen wieder an Draco, während er den Tee eingoss. „Du wirst die Burg nicht ohne Harry verlassen können. Ihr seid miteinander verbunden, solange der Zauber wirkt. Er kann nicht ohne Dich, Du kannst nicht ohne ihn."

„Heißt das, dass wir jetzt auch in einem Appartement wohnen müssen?", fragte Harry entsetzt. Jermen lächelte.

„Nein. Innerhalb dieser Burg werdet Ihr frei sein. Wir werden die Formel so sprechen, dass sie nur außerhalb dieser Mauern wirkt."

Jermen ging zum Bücherregal auf der fensterabgewandten Seite, suchte kurz und zog ein Buch hervor. Er legte es auf den Schreibtisch. Alisios bat Imelda, hinaus zu gehen und vor der Tür zu warten. Jermen hatte inzwischen eine Seite des Buches aufgeschlagen. Er strich sie glatt, überflog kurz die Zeilen, die in schnörkeliger Schrift von Hand auf das Pergament geschrieben waren und sah dann auf.

„Seid Ihr bereit?"

Draco und Harry nickten. Jetzt sah auch Draco nicht mehr so glücklich aus. Er griff nach der Tasse und stürzte den Tee hinunter. Mit Genugtuung stellte Harry fest, dass Draco sich offensichtlich verbrannt hatte. Dass ein druidischer Zauber an Draco ausgeübt wurde hatte er nur ein einziges Mal erlebt. Es war an dem Tag geschehen, an dem die Lehrerin für Zaubertränke, eine Deutsche namens Helene Baumann die Fähigkeit, Parsel zu sprechen von Harry auf Draco übertrug. Damit wurde das von Voldemort begangene Unrecht rückgängig gemacht.

Für Draco war diese Prozedur sehr unangenehm gewesen, nicht unbedingt wegen seines eigenen Empfindens, sondern weil er erleben musste, wie Harry unter entsetzlichen Schmerzen gelitten hatte. Nie vergaß er die unmenschlichen Schreie seines einstigen Gegners. Damals schwor er bei sich, dass er Harry dafür immer zur Seite stehen würde. Allerdings schloss dieser Schwur nicht ein, dass er immer freundlich zu ihm sein müsse. Er wollte es mit der Freundschaft nicht übertreiben, hätte er doch sein ihm eigenes Wesen verraten müssen.

Harry hatte Angst. Auch er erinnerte sich an diese schlimme Stunde. Danach war er mit druidischen Zeremonien erst einmal in Ruhe gelassen worden. Er wollte keine Schmerzen ertragen müssen. Er sah zu Draco hinüber, der nun neben ihm auf dem Stuhl saß, auf dem Imelda noch wenige Augenblicke vorher gesessen hatte. Draco wandte ihm den Kopf zu. Sein Blick war ernst, sein Gesicht blass und Harry hatte mit einem mal den Eindruck, Draco empfinde ähnlich wie er.

Jermen hatte sein Büro mit Hilfe zweier magischer Kerzen in blaues Licht getaucht. Jetzt hob er die Hände, sah Harry und Draco an und murmelte die Worte, die auf der Buchseite standen. Harry fühlte, wie sich sein Kopf öffnete. Es schmerzte nicht, eher war es ein Gefühl, als wäre ein Fenster geöffnet worden und ein Strom frischer Luft wehte herein. Er spürte, wie sein Geist aus dem Kopf glitt,.. nein, ihn nicht verließ, sondern zu wachsen schien. Wie Tentakel eines Octopus tastete sein Geist nach etwas, das Harry nicht kannte. Dann plötzlich spürte er Widerstand, ein anderer Tentakel berührte seinen und verknotete sich mit ihm.

Jermen beobachtete Harry und Draco. Jetzt schien er zufrieden zu sein. Er nickte, hob die Stimme und sprach einige weitere Worte. Als würde eine Schachtel geschlossen, schloss sich Harrys Kopf. Das Gefühl sein Geist würde wachsen, hörte schlagartig auf. Nichts war mehr zu spüren. Die Kerzen flackerten kurz, drohten zu erlöschen, dann brannten die Flammen hoch, hell und gelb leuchtend und das schwarze Licht verschwand.

„Es ist nur vorübergehend und zu Deinem Schutz, Harry.", wandte Jermen ein. „Du hast jetzt einen Wächter, der nicht Deine Gedanken überwacht, sondern Deine Gefühle. Er wird jede Gefahr sofort erkennen, denn die Dämonen werden Dein Gefühl beeinflussen. Es ist wie ein dunkler Schatten, der sich über Dich legt. Du spürst ihn, nicht mit Deinem wachen Kopf, sondern nur in Deinem Innersten. Und das erkennt Dein Wächter. Er wird Dich außerhalb dieser Burg begleiten. Egal, wo Du hin gehst. Er wird uns warnen, wenn Du La Valle verlassen willst."

Alisios öffnete die Tür und bat Imelda wieder herein. Harry sah verwirrt auf. Im ersten Augenblick fühlte er nichts. Dann spürte er eine Form von Beklemmung, die aber nicht richtig greifbar war. Vorsichtig sah er Draco an und bemerkte, dass dieser sich nicht sehr wohl fühlte.

„Ich wusste nicht, dass Du Dich so mies anfühlst.", knurrte Draco. „Wenn ich das geahnt hätte, hätte ich es nicht gemacht."

„Bei Dir würde ich es nie machen.", entgegnete Harry, der sich über Dracos Bemerkung ärgerte. „Bei Dir weiß ich, dass es nur mies sein kann."

Draco sah Harry ernst an. Er schüttelte langsam den Kopf.

„Kann ich gehen?", fragte Imelda plötzlich. Sie war die ganze Zeit dabei gestanden und hatte sich still verhalten. Jetzt auf einmal schien sie ungeduldig. „Ich meine, es ist spät und morgen beginnen die Vorlesungen wieder um acht. Ich möchte ins Bett."

„Ja, geh nur, Imelda.", sagte Jermen.

„Also dann, Tschüs!"

Sie drehte sich auf dem Absatz um und verschwand. Harry sah ihr enttäusch nach. Er hatte das Gefühl, dass sie sich herausgehalten hatte, gerade so, als wollte sie den Ärger auf Harry abwälzen. Sie hatte die ganze Zeit nichts gesagt und hatte sich so unscheinbar benommen, wie es ein Mensch nur tun konnte. Kein Wort der Verteidigung, keine Geste des Mitgefühls und keine Bezeugung irgendwelcher Freundschaft war von ihr ausgegangen.

Langsam schwand das beklemmende Gefühl. Harry richtete sich auf.

„Also dann", sagte er, „Sie hat das Stichwort gegeben. Können wir auch gehen?"

„Ja.", brummte Jermen nachdenklich. „Ich hoffe, Du nimmst es mir nicht übel. Ich meine es nicht böse mit Dir. Vielleicht wirst Du eines Tages verstehen."

Harry war schon draußen auf dem Flur, als Jermen ihm durch die Tür seines Büros nachrief:

„Noch etwas, Harry, wir werden Dich in Zukunft auf dem Laufenden halten!"

„Ist schon in Ordnung.", murmelte Harry, dann ließ er die Tür ins Schloss fallen.

Am nächsten Morgen wachte er nur mühsam auf. Er fühlte sich wie gerädert. Was für ein verfluchter Tag war gestern gewesen. Warum hatte sich Imelda so komisch benommen, nachdem alles so gut angelaufen war? Die eine Stunde, die sie im Büro des Dekan verbracht hatten, ernüchterte ihn gewaltig. Er fühlte sich von Imelda im Stich gelassen und verraten. Sie hatte kein Wort gesagt, nicht ein einziges mal Partei für ihn ergriffen. Sie hatte sich hinter ihm versteckt.

Harry stieß einen Fluch aus. Warum waren Frauen nur so kompliziert? Ständig musste er raten, was sie wollten, das war schon bei Hermine so, nur bei ihr fiel es ihm etwas leichter, denn er kannte sie fast sein halbes Leben lang.

Von Draco spürte er nichts. Erleichtert atmete er auf. Vielleicht war alles doch nur ein böser Traum gewesen? Er kleidete sich an, schlang ein paar kalte Toasts vom Vortag herunter und verbrühte sich an der Tasse Kaffee, die er in aller Eile aus Instant-Pulver und heißem Wasser gebraut hatte. Ein kurzer Blick auf die Uhr sagte ihm, dass er sich für die erste Vorlesung beeilen musste. Warum musste er sich eigentlich beeilen? Was wollte er hier? Er befand sich in dieser Burg, weil andere es so beschlossen hatten. Sie hatten über seinen Kopf hinweg entschieden, dass er studieren sollte. Er wollte doch nur Sucher in einer Quidditch-Mannschaft sein, nichts mehr, nichts weniger. Zwar waren die Erfolge der Hogwartsmannschaft in der Liga nie besonders berauschend gewesen, aber als Sucher, dass wusste er, konnte er es durchaus mit einigen guten Profis aufnehmen.

Heute, nach den Seminaren, würde er mit Draco sprechen und ihn fragen, ob er nicht ins Dorf mitkommen wollte. Er musste hier heraus. Das wurde ihm mit einem mal so klar, dass der Gedanke den ganzen Tag beherrschte. Draco grinste breit, als Harry ihn fragte.

„Brauchst Du jetzt meine Erlaubnis? Das hättest Du vor acht Jahren nicht gedacht, oder?"

„Hör auf, Draco", sagte Harry sichtlich genervt. „Ich habe keinen Bock auf Deine Sticheleien. Ich will hier raus, und zwar schnell. Tu mir einfach den Gefallen."

Draco zuckte mit den Schultern.

„Schon gut.", sagte er gespielt großzügig. „Willst Du mit Imelda ins Dorf? Ich muss leider dabei sein..."

„Blödmann.", knurrte Harry. „Es ist mir egal, ob Imelda dabei ist oder nicht. Ich will ins Dorf und das ohne großen Aufstand."

„Das ist schade, dass es Dir egal ist.", sagte plötzlich eine Stimme hinter ihm, die ihn zusammenfahren ließ. Er wandte sich um und verdrehte die Augen.

„Das hast Du gewusst, Draco!", sagte er böse. Dann sah er Imelda hilflos an und versuchte, sich zu erklären.

„Nein, es ist mir im Prinzip nicht egal, Imelda. Ich freue mich, wenn Du mitkommst. Ich will das nur nicht mit Draco diskutieren, denn ich finde, es geht ihn nichts an. Deswegen habe ich es gesagt."

Imelda betrachtete ihn mit einer Spur von Spott in ihrem Blick. Als sie jedoch Harrys Verzweiflung sah, besann sie sich und meinte:

„Ich habe das schon verstanden. Du bist ein wenig empfindlich, nicht wahr?"

„Ich bin überhaupt nicht empfindlich", grollte Harry. „Wie wärst Du drauf, wenn Du Dein ganzes Leben lang angestarrt worden wärst, weil Du eine Narbe auf der Stirn hast? Wie wärst Du drauf, wenn ausgerechnet derjenige, der Dich Dein ganzes Leben lang nur gepiesackt und verspottet hat, solch eine Macht über Dich bekommt, dass Du ihn fragen musst, wenn Du ins Dorf willst? Wie wärst Du drauf, wenn ständig irgendein Idiot versuchen würde, Dich umzubringen? Nennst Du das empfindlich?"

Er drehte sich um und stapfte davon, ohne eine Antwort zu erwarten.

„Soll ich Dich nachher abholen?", rief Draco ihm nach.

„Ja mach das.", seufzte Harry.