Titel: Harry Potter und der Bund des Falken

Autor: Luka

Altersbeschränkung: 12

Disclaimer: Die vorliegende Geschichte ist eine FanFiction zu Harry Potter. Dies zu schreiben macht in erster Linie mir Spaß und liegt fern jedes kommerziellen Gedankens. Dies zu lesen soll allen Spaß machen, die eine neue Geschichte von Harry Potter haben wollen. Sie sollen das tun können ohne eine müde Mark auszugeben. Alle Charaktere gehören Joanne K. Rowling, bis auf die, die in der Geschichte von mir entwickelt wurden und die nicht von JKR stammen. ( So z.B. Henri Perpignan, Llyr, Gwenaela, Imelda Mortescue, die Brüder, Bruder Bertrand, Vater Edgar und Frère Antoine, auch die Druiden der Druidenuniversität und der Compte)

7. Die Brüder

Harry hatte sich einigermaßen beruhigt, als es an seine Appartementtür klopfte. Er wunderte sich über seinen Zorn Imelda gegenüber, denn eigentlich hatte ihn einfreudiger Schreck durchfahren, als er ihre Stimme gehört hatte. Andererseits wollte er sie treffen, denn er fühlte sich nach wie vor von ihr im Stich gelassen. Vielleicht war auch ein bisschen der Wunsch nach Vergeltung die Triebfeder für seinen Wutausbruch gewesen.

Er verstand Imelda einfach nicht. Oft hatte er das Gefühl gehabt. Sie wäre wenigstens eine Spur von verliebt in ihn, was schon mal eine ausbaufähige Basis gewesen wäre. Dann wiederum brüskierte sie ihn, als wolle sie ihn bewusst bremsen oder gar zurück weisen. Normal war das jedenfalls nicht.

Harry hob seine Hand in Richtung der Tür, woraufhin sie aufsprang. Draco steckte seinen Kopf durch die Öffnung, grinste breit und fragte:

„Kann man sich wieder in Deine Nähe trauen?"

Es war noch nicht oft geschehen, dass Harry sich über Besuch von Draco gefreut hatte, aber dieses Mal war er fast dankbar, dass er ihn aus seiner Grübelei herausriss.

„Es wäre das erste mal, dass Du Dich bei mir nicht trauen würdest.", entgegnete Harry salopp. „Komm herein. Ich muss mich noch anziehen. Es ist kalt und regnet, nicht wahr?"

Draco trat ein und ging zum warmen Kaminfeuer.

„Kalt ist es. Aber der Regen hat aufgehört. Hast Du etwas dagegen, wenn wir gleich noch Imelda und Gwen abholen?"

Harry hantierte an seinem Schrank und holte eine dicke Daunenjacke heraus.

„Nein, habe ich nicht.", antwortete er durch offenstehende die Schlafzimmertür. „Dann hat es ja vielleicht noch eine Chance, lustig zu werden."

„Lustig kannst Du es mit mir auch haben. Aber wahrscheinlich nicht, wenn man Potter heißt."

Harry ignorierte die Spitze. Er tauchte nach seinen gefütterten Stiefeln, einem Lichterfest-Geschenk von Sirius, das ihm in den kalten Wintern von Hogwarts schon manches Mal warme Füße beschert hatte. Sie sahen nicht mehr ganz neu aus, dafür war ihm die Pflege immer schon zu aufwändig gewesen. Einmal im Jahr, kurz vor dem Winter, fettete er sie dick ein, damit sie kein Wasser hindurchließen. Dabei entfernte er häufig eine dicke Kruste Dreck. Remus regte sich gerne darüber auf, zumal die Reinigung mit dem Zauberstab zu erledigen war und keine besondere Anstrengung bedeutete.

Warm angezogen kam Harry aus seinem Schlafzimmer heraus und ging zur Tür.

„Kommst Du?", fragte er. Draco löste sich vom Feuer und verließ mit Harry dessen Wohnung.

Ein paar Minuten später stapften sie in Begleitung der beiden jungen Frauen über die Bohlen der Zugbrücke, die den Torbau mir der Burg verband. Harry hatte seinen Zauberstab mit den Lumos-Zauber zum Leuchten gebracht, Gwen hielt eine leuchtende Kugel in der Hand. Draco hielt sich vornehm zurück und überließ Imelda den Platz neben Harry.

Harrys Herz klopfte wild, als sie sich dem Tor näherten. Der Schrecken seiner letzten Fluchterfahrung steckte ihm noch in den Gliedern. Würde der Sturm ihn wieder zurück in den Stollen blasen? Dann musste er grinsen. Imelda hatte es ihm nicht geglaubt. Dann würde sie es wohl glauben müssen. Gwen drehte sich zu ihm um und lächelte.

„Imelda hat es mir erzählt.", sagte sie mit sanfter Stimme. „Ich freue mich, dass es jetzt doch klappt. Mir wäre es komisch vorgekommen, wenn Du nie dabei gewesen wärst, wenn wir ins Dorf gehen. Du gehörst doch dazu..."

Eine Welle von Rührung und Selbstmitleid schoss in Harry empor und er musste kräftig gegen den Klos im Hals anschlucken. Mühsam rang er sich ein Lächeln ab, nicht imstande, ein Wort heraus zu bringen.

„Verhätschele ihn nicht so.", sagte Draco bissig. Das holte Harry in die Wirklichkeit zurück. Fast sah er noch einen Grund, Draco dankbar zu sein.

Die Schritte hallten in dem Stollen. Keiner sprach nun ein Wort. Anscheinend warteten alle darauf, was am Tor mit Harry passieren würde. Um nicht einfach passives Opfer zu sein, beschleunigte Harry seinen Schritt und trat als erster vor die kleine Pforte im Tor.

„Lasst mich bitte.", sagte er leise, aber eindringlich. Er hob seine Hand und berührte mit zittrigen Fingern das Holz. Ein lautes Knarren ertönte, was ihn einen Schritt zurückweichen ließ. Einen Augenblick später sah er durch die Öffnung in einen sternenklaren Himmel. Schwarz zeichneten sich die umliegenden Hänge gegen das samtene glimmen der Nach ab. Vor ihnen spiegelte sich der Mond in einer großen Pfütze, die der Regen vor dem Tor hinterlassen hatte.

„Ich muss schon sagen, Du hast magische Kräfte!", verkündete Draco mit leichtem Spott in der Stimme. Er klatschte geziert in die Hände.

„Hör doch auf.", sagte Gwen. „Findest Du nicht, dass er schon genug Schwierigkeiten hat?"

„Der Arme...", grinste Draco.

Harry spürte mit einem Mal, wie sich ein Arm in den seinen Schob und ihn festhielt. Mit sanftem Druck schob Imelda ihn auf den schmalen, steinigen Fußweg zu, der zum Ort hinunter führte.

„Hör nicht auf ihn, Harry. Er ist wohl noch ein bisschen zurückgeblieben, er pubertiert noch. Sonst bräuchte er nicht ständig diese Selbstbeweihräucherung. Wir beide gehen jetzt ins Dorf und trinken bei Salvatore einen Cappuccino."

Harry ließ sich willenlos führen. Alles, was ihn in den letzten vierundzwanzig Stunden bedrückt hatte, war verflogen. Es gab nur noch das Gefühl dieses zierlichen Armes, der sich in seine Armbeuge geschoben hatte und eine wunderbare Genugtuung, als er das verblüffte Gesicht von Draco sah.

Der Weg war nicht immer ganz ungefährlich. An manchen Stellen waren Stufen in den Fels gehauen und dort, wo es auf der Talseite senkrecht hinunter ging, hatten die Druiden ein stabiles Eisengeländer eingelassen. Aber manche andere Stellen waren nicht so gut befestigt und die natürlichen Stufen der Felsen hatten sehr unterschiedliche Höhe. Leicht konnte man stolpern oder auf dem etwas glitschigen, feuchten Boden ausrutschen. Hätten Imelda und er sich nicht gegenseitig festgehalten, wären Beide mehrmals gefallen. Erst ziemlich weit unten, kurz vor den ersten der weißen Häuser mit den Schiefergedeckten Dächern wurde der Weg flacher und so breit, dass sie alle nebeneinander gehen konnten.

Zwischen den Häusern war die Gasse mit groben Steinen gepflastert, die nass im Fackelschein der Straßenbeleuchtung glänzten. Es hier nicht so windig, wie oben vor der Burg, aber auch hier war es kalt und ungemütlich. Entsprechend wenig Menschen begegneten ihnen. Einige wenige eilten von Hauseingang zu Hauseingang und waren schnell wieder in einer der warmen Stuben verschwunden. Als sie sich dem Marktplatz näherten, kamen ihnen schon einmal angeheiterte Studenten entgegen, die direkt nach der letzten Seminarstunde nach La Valle hinunter gestiegen waren, um den abendlichen Zug durch die drei Kneipen des Orten zu beginnen.

Die erste Kneipe, ein wirklich winziges, windschiefes Gasthaus mit proppevollem Schankraum und einem alten Mann, der gegen den Stimmenlärm in die Tasten eines Klaviers hämmerte, hatten sie nun schon hinter sich und steuerten nun den Kater an, der zentral, mitten auf dem Marktplatz gegenüber der Pizzeria von Salvatore lag. Hier lief gute Musik vom Band, man konnte zwischen sieben belgischen und französischen Bieren wählen und traf hier wirklich jeden, der mit der Universität zu tun hatte. Um diese Tageszeit war es auch hier schon brechend voll.

Viel ruhiger ging es bei Salvatore zu. Im Winter hatte er einen großen Teil seiner Eisdiele in eine Pizzeria verwandelt. Eis konnte man immer noch bei ihm bekommen, aber in der kalten Jahreszeit stand vielen der Sinn eher nach Wärme. Schon der Duft nach Pizza, Olivenöl und Käse machte Appetit. Salvatore selbst war ein fast hagerer, langer Mann, unter dessen schwarzer Stirnlocke zwei ebenso schwarze Augen hervorblitzten. Er hatte sich eine lange, fast bis zum Boden reichende, makellos weiße Schürze umgebunden. Über dem Arm trug er immer, ob er servierte, Wein einschenkte oder kassierte eine saubere, weiße und penibel gefaltete Serviette.

„Ah, Signora Imelda und ihre liebreizende Freundin Gwenaela. Willkommen in meine bescheidene Lokal."

Er streckte sich kurz und sah sich um. Dann wies er mit dem Arm in den Gastraum.

„Ich habe gesehen ihre Platz ist noch frei. Bitte mir zu folgen..."

Er deutete eine Verbeugung an und hob die Hand in Richtung eines leeren Tisches, der in einer Nische unmittelbar neben einem gigantischen Kachelofen stand. Rings um den Ofen verlief eine hölzerne Bank, auf der bequeme Kissen zum Sitzen einluden. Die beiden Frauen fragten nicht, sondern rutschten direkt auf die Bank und lehnten sich behaglich gegen den Ofen.

„Das ist der wärmste Platz im ganzen Dorf.", seufzte Gwen mit einem Augenaufschlag. „Tut mir leid, dass ihr ihn nicht bekommt, aber wir Frauen frieren doch so leicht..."

Draco grinste.

„Hätte mich auch gewundert. Aber Ihr habt recht. Jedes Mal, wenn ich hierher gekommen bin, saßen die Herren auf den Stühlen und die Frauen am Ofen. Ihr tut mir wirklich leid."

„Ich sitze auch gern am Ofen.", meinte Harry.

„Soll ich dazu etwas sagen...", spottete Draco.

„Nee.", sagte Harry trocken. „Machos lieben es härter. Ich weiß. Sie tun mir leid."

„Hört auf Jungs.", sagte Imelda streng. „Ich will nicht, dass Ihr Euch ständig streitet. Auch wenn es Euch Spaß macht, mir macht es keinen, ständig von Euch zu hören, wie toll ihr seid. Darin seid ihr beide Machos!"

Bevor einer der Beiden etwas darauf entgegnen konnte, tauchte Salvatore am Tisch auf und verteilte die Speisekarten, die er in der Armbeuge hielt.

„Darf ich den Herrschaften einen kleinen Apparativ bringen?", fragte er geschäftstüchtig.

„Was ist das?", wollte Harry wissen.

„Dämel.", feixte Draco. „Das ist ein Port oder ein Sherry oder so etwas. Trinkt man vor dem Essen. Man merkt, dass Du in einer Vorstadtsiedlung aufgewachsen bist."

Im nächsten Augenblick schrie er kur auf, dann fuhr seine Hand zum Knie und er begann es mit schmerzvollem Blick zu reiben. Imelda sah ihn nur zornig an.

„Ich weiß, was ein Apparativ ist. Ich wollte nur wissen, was Herr... äh bringen wollte..."

„Sagen Sie einfach Salvatore, Signore.", antwortete dieser. „Ich dachte an eine Camparie Orange, Spezialrezept von unsere Haus."

„Wollt Ihr hier essen?", fragte Harry mit Blick auf die beiden Frauen. Der Duft der Pizza war ihm in die Nase gestiegen und hatte im bewusst gemacht, dass er am Mittag nur eine Kleinigkeit gegessen hatte. Mit einem Mal rumorte es gewaltig in seinem Bauch. Er hatte Hunger.

„Ich esse nur einen Salat...", meinte Gwen.

Imelda dagegen sah Harry fast vorwurfsvoll an. „Meinst Du, ich würde hier nur einen Cappuccino trinken? Die Pizza hier ist viel zu gut."

„Danke Signora." Salvatore gab seiner Stimme einen Unterton von Stolz.

„Ich nehme einen.", verkündete Draco fröhlich.

„Ich auch...Ich auch...", fielen die beiden Frauen ein.

Harry verspürte eher eine Lust auf ein Bier. Wie lange hatte er schon kein Butterbier mehr getrunken. Bei Henry auf Perpignans Place gab es vorwiegend Wein, und, auch wenn es immer sehr gute Weine waren, hatte sich Harry nie richtig daran gewöhnen können. Zwar bildete er langsam einen zielsicheren Geschmack, aber das Bier fehlte ihm einfach.

„Haben Sie Butterbier?", fragte er.

Salvatore sah ihn erstaunt an. Dann lächelte er.

„Sie sind der Inglese, über den in der letzten Zeit so viel gesprochen wurde, nicht wahr?"

„Ich komme aus England...", antwortete Harry zögerlich. „Hier wird über mich gesprochen?"

„Ah, verzeihen Sie Signore. Ich als Chef des Hauses bekomme natürlich einiges mit. Ich dachte, Sie wüssten..."

„Wer redet über mich?", fragte Harry misstrauisch. „Was erzählt man?"

Salvatore wand sich spürbar.

„Nun ja, man erzählte mir...", sagte er verlegen, „Sie seien dieser junge Mann, der hier vor jemandem versteckt wird... Sie sprachen von Ihrer Narbe..."

„Und, wer erzählt das?", bohrte Harry.

„Signore, wir haben hier oft die Lehrer von oben zu Gast. Bei einem Gläschen Wein wird über dies und das gesprochen. Aber seien Sie versichert, man redet nicht schlecht von Ihnen. Allerdings scheinen Sie einiges mitgemacht zu haben..."

Er hatte nach der Serviette gegriffen, die er nun in seinen Händen verdrehte. Es war ihm sichtlich unangenehm. Harry fühlte plötzlich Sympathie für den kleinen Mann. Er nickte und versuchte dabei freundlich zu blicken. Salvatore registrierte das mit Erleichterung.

„Butterbier haben wir keines.", sagte er schnell um das Thema zu wechseln. „Aber ich kann Ihnen ein sehr gutes Trappistenbier anbieten. Es ist dunkel und sehr malzig. Meine Bruder ist Mönch in Saint Juste de Valporal und ich kann versichern, dass es rein und gut ist. Kein Chemie..."

Er sah Harry erwartungsvoll an. Der nickte.

„Gut, das probiere ich."

Salvatore nickte und verschwand hinter der Theke. Eine Weile starrten sie schweigend in die aufgeschlagenen Karten. Es war angenehm leer im Raum. In einigen wenigen Nischen saßen vereinzelt Paare und unterhielten sich gedämpft. Mit einem Mal schob Imelda ihre Hand über den Tisch und berührte Harrys Arm. Ein Schauer durchzuckte ihn, fast war er versucht, den Arm reflexartig zurück zu ziehen, aber er konnte sich im letzten Moment beherrschen.

„Dann hat es ja doch einen Erfolg gehabt, dass wir beide mit dem Besen abhauen wollten.", sagte sie mit sanfter Stimme. Harry fühlte sich hin und her gerissen zwischen der Enttäuschung, die er noch vor kaum einer Stunde gespürt hatte und dieser Annäherung, die ihn so sehr dahin schmelzen ließ, dass ihm wieder einmal die passenden Worte fehlten. Er fühlte seine Wangen brennen, sah verlegen auf den Tisch, aber dann fasste sich und antwortete:

„Ich habe nicht verstanden, warum Du Dich gestern so von mir zurück gezogen hast."

Im gleichen Augenblick bereute er schon, was er gesagt hatte.

„Es tut mir leid.", sagte sie zu seiner Überraschung. „Ich hatte Angst, von der Uni zu fliegen..."

„Diese Angst habe ich nicht. Ich werde niemals von dieser Uni fliegen, solange Voldemort frei herum läuft."

„Ist es wirklich so schlimm mit diesem Voldemort?", fragte sie. Draco sah Harry aufmerksam an. Er schien gespannt, was Harry antworten würde. Harry betrachtete ihn einen Moment lang. Draco war noch nicht zu seiner Hochform aufgelaufen. Unter normalen Umständen hätte er mit Sicherheit schon einen sarkasmustriefenden Angriff auf Harry vorgenommen. Seltsamerweise hielt er sich heute zurück. Jetzt war Harry gespannt, wie Draco auf seine Antwort reagieren würde. Es stand zu erwarten, dass eine Reihe bissiger Kommentare folgen würde.

„Ich weiß nicht, ob man es schlimm nennen kann, wenn dieser Voldemort schon versucht hat einen umzubringen, als ich ein Baby war. Er hat damals meine Eltern getötet, nur ist er dabei fast selbst draufgegangen, als er den Todesfluch gegen mich aussprach und der an mir abgeprallt und auf ihn zurückgeschleudert wurde. Ich durfte dann bei meiner Tante aufwachsen, die wie der Rest ihrer Familie ein Monster in Menschengestalt war. Vierzehn Jahre hatte ich einigermaßen Ruhe vor Voldemort, bis auf ein paar kleine Vorkommnisse, bei denen ich immer wieder um mein Leben kämpfen musste. Aber als ich vierzehn war, kam er wieder und hatte all seine Macht zurück bekommen. Seit dem bin ich immer wieder heftig mit ihm zusammen geprallt und mehr oder weniger auf der Flucht. Es gibt nicht viele Orte, an denen ich sicher bin. Hogwarts war einer..."

„Du bist zäh, Potter.", brummte Draco müde.

„Mir ist das bisher gar nicht so bewusst gewesen.", sagte Gwen mit einem Hauch Mitleid in der Stimme.

„Woher solltest Du es auch wissen?", meinte Harry.

Salvatore kam an den Tisch zurück. Er balancierte ein rundes Tablett auf den gespreizten Fingern seiner linken Hand, worauf drei hohe Gläser mit rötlich trübem Getränk und Strohhalmen und ein Krug mit schwarzem, schaumbekrönten Bier standen. Schwungvoll, jedoch ohne einen Tropfen zu vergießen, senkte er das Tablett und verteilte die Getränke. Dann stellte er das Tablett auf einen Nachbartisch, zückte mit gleich eleganter Bewegung einen Block, schlug ein freies Blatt auf und fragte:

„Haben die Herrschaften schon gewählt?"

Imelda und Harry bestellten sich eine Pizza, Draco wählte eine kleine Portion Cannelloni und Gwen den angekündigten Salatteller.

„Was ist mit Dir, Malfoy?", fragte Harry, jetzt langsam ernsthaft um seinen Wächter besorgt.

„Keine Ahnung...", antwortete Draco. „Ich glaube, ich habe eine Grippe in den Knochen. Es ist ganz schön zugig dort oben."

„Jetzt wird bloß nicht krank.", sagte Harry mit leichtem Schreck. „Ich habe es gerade geschafft, mal aus dem Gemäuer heraus zu kommen, und Du wirst krank? Willst Du etwa, dass ich wieder fest hänge?"

„Weißt Du was, Potter, mir ist es ziemlich egal..."

Draußen fuhr knatternd ein alter Lastwagen vor. Direkt vor der Tür hielt er mit quietschenden Bremsen, Ein Poltern ertönte. Die Tür zum Restaurant wurde aufgerissen und hagerer Mann in einer langen, erdbraunen Kutte kam herein. Es war ein Mönch, dessen kleine, intelligent blickende Augen mit behänder Geschwindigkeit die Leute in den Tischnischen musterten und sich dann zur Theke wandten.

„Salvatore!", rief der Mönch und breitete seine Arme aus. Es folgte eine laute und fröhliche Unterhaltung in Italienisch. Dabei bemerkte Harry, wie Salvatore einen Blick zu ihnen hinüber warf, dem die listigen Augen des Mönchs folgten. Nach einem kurzen Wortwechsel verließ der Mönch das Restaurant. Es war wieder ein Klappern und ein Rumsen zu hören, dann folgte ein rollendes Poltern und der Mönch erschien wieder. Er rollte ein Fass durch die Tür, wuchtete es in einen Schrank unter der Theke, nahm ein offensichtlich leeres Fass auf die Schulter und verschwand mit einem fröhlichen „Arrividerci!", das er mit einem freundlichen Grinsen in Richtung des Tisches warf, an dem die vier jungen Leute saßen.

Als Salvatore das bestellte Essen brachte, sagte er stolz:

„Das war meine Bruder, Vittorio. Er hat gebracht eine neue Fass mit den gute Bier von Trappisten. Schmeckt es Ihnen?"

Er hatte sich mit der Frage an Harry gewandt.

„Es ist gut.", nickte er.

„Vittorio ist ein guter Freund von Alisios.", sagte Salvatore beiläufig und ging wieder zur Theke zurück.

„Was meinte er damit?", fragte Harry verwundert in leisem Ton. „Er tut so, als müsste mich das interessieren..."

„Denk Dir nichts dabei.", antwortete Gwen. „Salvatore ist manchmal etwas seltsam. Aber er ist ein lieber und netter Kerl."

Harry schnitt sich ein Tortenstück aus seiner Pizza heraus. Er hatte Imelda beobachtet, die sich ein Dreieck herausgeschnitten hatte und dieses nun in einer Hand hielt und abbiss. In Hogwarts hatte es, soweit er sich erinnerte nur an Haloween Pizza gegeben und das war eine amerikanische, mit sehr dickem Teig und wenig belag gewesen. Diese, die Harry nun vor sich sah war das genaue Gegenteil und sie duftete verführerisch. Genussvoll biss er hinein. Schon nach wenigen Bissen bedauerte er, vorher noch nie eine echte italienische Pizza gegessen zu haben.

Eher zufällig fiel, als er zu seinem letzten Stück gekommen war, sein Blick auf den Teller von Draco. Zu seinem Erstaunen musste er feststellen, dass der Teller kaum angerührt war.

„Was ist mit Dir?", fragte er.

„Keinen Appetit...", knurrte Draco und schob den Teller von sich. „Lasst uns abhauen."

„Bist Du krank?", fragte Gwen besorgt.

Draco sah sie prüfend an. Dann sagte er langsam:

„Ich bin nicht krank. Ich...glaube, es hängt mit Potter zusammen." Er wandte seinen Blick zu Harry. „Ich weiß jetzt, was der Dekan meinte. Die Dämonen sind nicht sehr weit weg."

„Meinst Du Salvatore?", fragte Harry aufgeschreckt und blickte verstohlen zur Theke hinüber. Salvatore hatte ein Tuch in der Hand und polierte Gläser. Er hielt jedes prüfend gegen das Licht. War es sauber, stellte er es in einen Glasschrank hinter der Theke. Zufällig sah er zu dem Tisch hinüber und bemerkte Harrys Blick. Er lächelte.

„Nein. Es ist nicht Salvatore.", knurrte Draco. „Dann müsste es stärker werden, wenn er kommt. Es ist sehr unbestimmt. Irgendwo hier in der Gegend, vermute ich. Jedenfalls fühle ich mich absolut mies, wenn Du in der Nähe bist..."

Auf dem Rückweg hakte sich Imelda bei Harry ein. Sie hatten in der Kneipe am Markt noch einige Bier getrunken, was zur Folge hatte, dass sie den steilen Weg gefährlich schwankend hinauf stiegen. Draco war missmutig bei ihnen gesessen und hatte ein Bier nach dem anderen hinunter gekippt. Jetzt wankte er voraus, seinen Zauberstab als Laterne nutzend und ständig irgendwelche Verwünschungen murmelnd. Gwen, die klarste von allen, weil sie zum Schluss nur noch Wasser getrunken hatte, versuchte neben ihm zu gehen, was gar nicht einfach war, denn Draco vollführte manchen Schwenker, der ihn gefährlich nahe an den Abgrund brachte. Immer wieder musste Gwen ihren Arm ausstrecken und Draco am Zipfel seines Umhanges zurückzerren, was ihr anfangs noch einigen Spott, je höher sie kamen und je kälter der Wind pfiff jedoch laute Flüche über die Lippen kommen ließ.

Durch die Klarheit der Nacht war es eiskalt geworden. Schwarz stach der Himmel gegen den hellen Fels ab und der Wind fuhr mit eisigen Klauen unter die Kleider. Harry fror nicht. Er fühlte die Berührung von Imelda, was ihn jede Kälte vergessen ließ. Sein Herz pochte wild. Heiße Ströme durchflossen seine Adern. Auf halbem Weg nahm er seinen Umhang ab und legte ihn Imelda um die Schultern. Sie dankte es ihm mit einem tiefen Blick in die Augen.

„Du Imelda...", lallte Harry glucksend. „Weissu was?"

„Nee Harry. Weiß ich nich."

„Weissu was..."

Was wollte er eigentlich sagen? Er hatte das dringende Bedürfnis, ihr zu sagen, dass er sie liebte. Nur das Wort Liebe brachte er nicht über die Lippen. Irgendetwas freundliches musste er jetzt aber sagen, er wusste, dass es der richtige Augenblick war.

„Nun sag es doch endlich, Potter!", grölte Draco von Vorn. „Sag ihr doch endlich, dass Du verschossen bist in sie!"

„Malfoy, du Arsch!"

Harry hätte sich am liebsten losgerissen und sich auf Draco gestürzt. Aber in dem Augenblick blieb Imelda stehen und nahm ihm den Schwung.

„Stimmt das?", fragte sie.

Harry wurde rot. Verlegen nickte er, froh, dass es dunkel war und sie seine Verlegenheit vielleicht nicht bemerkte.

„Du bist süß.", flötete Imelda und setzte sich wieder in Bewegung. Dabei sah sie Harry nahezu geringschätzig an. Ein Stich fuhr durch sein Herz.

Eine viertel Stunde später kamen sie am Tor der Burg an. Draco wankte spritzend quer durch die Pfütze. Die anderen Drei machten einen Bogen darum. Über dem Tor quietschte eine alte Laterne im Wind und warf ein flackerndes Licht auf die Vier. Draco klatschte mit der flachen Hand gegen das Tor, worauf hin es aufschwang. Ein eigenartiges Licht glomm in dem Stollen, der durch die Torburg führte. Es schien wie ein leichtes Glühen in der Wand zu stecken. Das Glimmen reichte aus, den Stollen in ein gedämpftes Licht zu tauchen, gerade so hell, dass man für den Weg keine Lampe benötigte. Draco stand wankend vor der Öffnung und starrte auf das Leuchten.

„Ey, was ist das denn?", grölte er. „Sinnas schon die Dämonen?"

Harry war schlagartig nüchtern geworden. Unsicher sah er sich um, jedoch beleuchtete die schwankende Lampe über dem Tor nur einen kleinen Kreis.

„Wartet. Ich werd's Euch zeigen!", lallte Draco und griff nach seinem Zauberstab, der im Ärmel seines Umhangs steckte.

„Draco, nicht!", rief Harry. „Wenn es die Dämonen sind, wirst Du mit unserem Zauber nichts gegen sie tun können! Außerdem bist Du stinkbesoffen! Mach keinen Blödsinn!"

Draco sah sich einen Augenblick lang um.

„Scheiß drauf.", würgte er mühsam hervor. Dann hob er den Zauberstab und Murmelte einen Spruch, den Harry nicht verstehen konnte. Ein grellweißer Blitz schoss aus der Spitze des Zauberstabes hervor. Er fuhr durch den Stollen, prallte an den Wänden ab und zuckte von Links nach Rechts, Mit einem Mal ertönte ein Schrei.

„Ha, siehst Du? Ich hab einen!", lachte Draco auf. Doch da griffen Hände aus Licht aus dem Stollen heraus und fassten ihn, wie ein Kind, das seine Puppe nimmt, fest an beiden Armen und hoben ihn hoch. Wenige Augenblicke später stolperte Alisios aus dem Stollen hervor, die Kutte versengt und das wenige, übrig gebliebene Haar wirr in alle Richtungen stehend.

„Du Wahnsinniger!" brüllte er. Dann sah er Harry und die beiden Frauen, die wie angewurzelt stehen geblieben waren. Ein kurzer Wink zu den Händen ließ diese verschwinden. Draco fiel zu Boden und kullerte in die Pfütze.

„Gut dass Du kommst.", sagte er zu Harry. „Wir warten schon auf Dich."

Harry war bei dem Fluch schlagartig ernüchtert. Jetzt versuchte er gerade zu stehen und sich nicht anmerken zu lassen, dass auch er einige Bier getrunken hatte. Alisios wandte sich um und betrachtete Draco mit angewidertem Gesicht.

„Wir haben Dich zum Wächter gemacht.", sagte er vorwurfsvoll. „Und Du hast nichts anderes im Kopf, als Dich zu betrinken. Ich glaube, es war eine schwerwiegend falsche Entscheidung. Sie zu, dass Du nüchtern wirst und melde Dich im Sekretariat."

Er winkte Harry kurz und stampfte eilig durch den Stollen. Gwen und Imelda sahen sich Achselzuckend an. Dann nahm Gwen Draco beim Arm und zog ihn durch das Tor.

„Komm", sagte sie fast mütterlich, „ich mache Dir erst einmal einen starken Kaffee und dann sehen wir, welcher Zauber Dich wieder nüchtern macht."

Imelda warf Harry einen kurzen, fragenden Blick zu, dann trottete sie hinter Draco und Gwen her in die Burg.

Mit einem Mal wurde Harry bewusst, dass er fror. Klappernd schlugen seine Zähne aufeinander. Er gab sich einen Ruck und trat durch das Tor. Vor sich hörte er die eiligen Schritte von Draco und den beiden Frauen, hinter ihm fiel das Tor laut in Schloss. Harry beeilte sich, zu Alisios aufzuschließen. Als er ihn erreicht hatte und etwas atemlos neben ihm her lief, meinte Alisios:

„Wir haben anscheinend großes Glück gehabt, dass die Landschaft hier einigermaßen Wasserreich ist. Wir haben alarmierende Nachrichten aus Perpignans Place erhalten."

Dann grinste er vor sich hin.

„Du hast auch einen Grund zur Freude, mein Junge, aber lass Dich dadurch nicht von der Gefahr ablenken, in der Du Dich befindest."

Sie eilten quer über den Hof auf das Hörsaalgebäude zu, gingen schnellen Schrittes durch das gläserne Portal und erklommen am Ende des Flures die Treppe, die in weitem Bogen hinauf zu den Räumlichkeiten von Jermen Goulhen führte. Dieses Mal allerdings wurde Harry nicht in das Büro des Dekans geführt. Alisios ging den Flur entlang und klopfte an dessen rechtem Ende an eine Tür. Von drinnen ertönte leise eine Antwort.

Harry fragte sich gerade, was er mit dem Gang ins Dorf falsch gemacht haben könnte, als Jermen die Tür öffnete und ihn freundlich lächelnd hereinbat. Alisios nickte Harry zu und schloss die Tür von außen, als Harry eingetreten war. Erstaunt sah Harry sich um. Der Raum war, ganz im Gegensatz zum Büro, das eine fast sterile, moderne Atmosphäre ausstrahlte, urgemütlich eingerichtet. Auch hier bedeckte ein Bücherregal eine ganze Wand, doch als Harry, von Jermen in einen der bequemen Sessel gewiesen, seinen Blick kurz über die Bücherrücken gleiten ließ, konnte er feststellen, dass teils sehr triviale Literatur dort zu finden war. Ein niedriger Tisch aus seltsam dunklem und gekerbtem Holz wurde von einem leicht abgewetzten Zweisitzersofa und zwei Sesseln eingerahmt. Mitten auf dem Tisch stand neben einer achtlos hingeworfenen Zeitung eine geöffnete Flasche Bier und in dem Aschenbecher lag eine leise vor sich hinglimmende Zigarre.

„Setz Dich, Harry.", forderte ihn Jermen sanft, aber mit Nachdruck auf. Immer noch leicht beschwippst lies sich Harry in den Sessel fallen. Erwartungsvoll sah er Jermen an.

Dieser ging um den Tisch herum, zog mit einer Hand den zweiten Sessel näher und setzte sich. Dann griff er nach der Pfeife, zog einmal daran, um sie wieder ein wenig anzufachen und blies langsam eine duftend blaue Rauchwolke in den Raum. Dann erst hoh er die Augenbrauen und sah Harry an.

„Es sind zwei Dinge, die ich mit Dir besprechen möchte."

Dann beuge er sich über die Sessellehne, sah hinunter auf den Boden und griff nach einer weiteren Flasche Bier, die er Harry hinhielt.

„Möchtest Du eine?", fragte er. Harry schüttelte den Kopf.

„Danke. Was ist denn passiert?", fragte er vorsichtig.

„Ich sehe, Du kommst direkt auf den Punkt." Jermens Gesicht war für einen Moment ernst geworden. Dann lächelte er wieder. „Ich habe eine gute Nachricht für Dich."

Harry hob die Augenbrauen.

„Sind die Dämonen verschwunden?", fragte er mit Hoffnung in der Stimme. Jermen schüttelte langsam den Kopf.

„Nein, Harry, tut mir leid. Das ist die schlechte Nachricht, die ich für Dich habe. Verfolgst Du die Nachrichten? Zeitung? TV?"

Harry schüttelte den Kopf.

„Nein. Wie denn? Ich bin heute zum ersten mal im Dorf gewesen. Und einen Fernseher habe ich nicht."

„Gut.", sagte Jermen. „Dann muss ich Dir die Nachrichten erzählen. Möchtest Du nicht doch ein Bier?... Es hat heute Nachmittag ein Fährunglück vor Oostende gegeben. Ohne erkennbaren Grund ist eine von Dover kommende Fähre mit einem Küstenmotorschiff zusammengestoßen. Normalerweise sollte man annehmen, dass die Kräfteverhältnisse bei solch einem Zusammenstoß zugunsten der Fähre verteilt sind. Immerhin ist sie gut fünfmal größer als solch ein kleiner Frachter. Aber sie wurde anscheinend unglücklich getroffen, kenterte eine halbe Stunde nach dem Unfall in der Hafeneinfahrt von Oostende und sank binnen Minuten. Ein Kutter wagte sich noch in die Nähe und konnte einige wenige Passagiere Aufnehmen. Manche schafften es schwimmend an Land. Man spricht von Zweihundertfünfundvierzig Toten."

„Aber..." Harry zögerte misstrauisch. „Das kann doch eine ganz normale Ursache haben. Wenn sie unglücklich getroffen wurde..."

Jermen nickte.

„Normalerweise würde ich Dir uneingeschränkt recht geben. Was mich stutzig macht, ist die Tatsache, dass das Küstenmotorschiff verschwunden ist, obwohl es nach Augenzeugenberichten nicht beschädigt war. Der Kutter ist, kaum dass er am Liegeplatz festgemacht hatte in Flammen aufgegangen und ausgebrannt."

„Zufall!", sagte Harry widerwillig und ein kleines Bisschen lauter, als er es wollte.

„Auch das kann vorkommen, Harry, da gebe ich Dir recht. Die Menschen, die sich auf den Kutter hatten retten können, sind allesamt verbrannt. Ein schreckliches Schicksal.

Drei Menschen allerdings haben den Untergang überlebt. Sie hatten nicht bemerkt, dass ein Kutter die Schiffbrüchigen aufgenommen hatte. Zum Land waren es vielleicht noch dreihundert Meter, in dieser Jahreszeit eine tödliche Entfernung. Wenn man sicht Kräfte sein eigen nennt, die nicht jeder hat..."

In den ernsten Blick von Jermen mischte sich ein leises Lächeln. Harry horchte auf.

„Zauberer?!", fragte er gedehnt.

Jermen nickte unmerklich.

„Wir haben das Glück, sie heute hier beherbergen zu können. Ich habe mir gedacht, dass ich sie zu einem Tee einlade, um Dir die Möglichkeit zu geben, aus erster Hand die Ereignisse zu erfahren. Ich weiß, dass Du zweifelst und ich habe die Hoffnung, dass Du die Zweifel durch ihren Bericht verlierst."

Harry verdrehte die Augen. Nach diesem verkorksten Abend hatte er Lust auf alles mögliche, nur nicht auf einen Augenzeugenbericht einer Katastrophe. Immer noch spürte er den Alkohol, der seine Gedanken lähmte. Zwar hatte ihn der Weg vom Dorf hinauf zur Burg einigermaßen ernüchtert, aber die Wärme des Wohnzimmers tat ihr übriges, um ihn müde zu machen. Er gähnte demonstrativ. In dem Augenblick klopfte es an die Tür.

Jermen erhob sich aus dem Sessel und schlenderte zur Tür.

Als er sie öffnete sagte er leise: „Kommt herein. Er ahnt noch nichts."

Dann trat er zur Seite und gab den Blick auf die Hereinkommenden frei. Als erster betrat ein graumelierter Mann den Raum, in dessen Gesicht tiefe Furchen eingegraben waren. Dunkle Augen sahen Harry intensiv an. Langsam formten sie sich zu einem Lächeln.

„Sirius!"

Harry sprang aus dem Sessel hoch und machte zwei schnelle Schritte zur Tür.

„Ron, Hermine!"

Hinter Sirius waren zwei Leute in Harrys Alter eingetreten. Ein sehr in die Höhe geschossener junger Mann mit flammend roten Haaren grinste beim Eintreten über das ganze Gesicht. Die dunkelhaarige Frau lächelte Harry mit strahlenden Augen an. Es waren die Schulfreunde von Harry, Ron Weasley und Hermine Granger. Harry hatte mitten im Sprung inne gehalten. Er starrte ungläubig auf die Drei.

„Ihr wart auf dem Schiff...", stammelte er.

Ron nickte.

„Das war die Hölle, Harry, kannst Du mir glauben. Die ganze Überfahrt war voll durchgeknallt."

„Er meint, dass die Dämonen sich einen Spaß daraus gemacht haben, die Leute in Panik zu versetzen.", fügte Hermine hinzu.

Sirius nahm wortlos Harrys Hand, ging dann zielstrebig auf das Sofa zu und ließ sich mit einem Seufzer in die Polster fallen. Harry löste sich aus seiner Erstarrung. Er nahm Hermine in den Arm und drückte sie.

Auch Ron wurde herzlich, aber nicht auf die Art gedrückt, wie er es bei Hermine tat.

„Mann, was habe ich Euch vermisst.", seufzte er. Dann sah er Sirius an. Sirius Stirn teilte eine tiefe Falte, die von großen Sorgen zeugte.

„Was ist passiert?", fragte Harry, nachdem er sich in den Sessel fallen gelassen hatte.

„Es war ganz schön knapp.", knurrte Sirius. „Wir können von Glück sagen, dass wir vorbereitet waren."

„Es war schrecklich!", sagte Hermine leise. „Diese Schreie... Ich höre sie immer noch..."

„Was ist denn passiert?", fragte Harry mit bleichem Gesicht.

„Wir hatten schon die Hälfte der Überfahrt hinter uns, da hatten wir den ersten Stop. Irgendjemand war über Bord gegangen.", erzählte Ron ernst.

Eine geschlagene Stunde haben wir die See mit Suchscheinwerfern und Rettungsbooten abgesucht. Schließlich ist die Küstenwache gekommen und hat die Suche übernommen, so dass wir weiterfahren konnten."

„Später hat es ein Feuer an Bord gegeben. Das konnte aber schnell gelöscht werden. Dann hatten wir einen Stromausfall, der unser Schiff wieder eine halbe Stunde lang lahm gelegt hatte. Dann hat sich der Kapitän in seiner Kajüte erschossen. Wir wissen das, weil wir uns auf die Suche nach der Ursache für all die Unglücke gemacht haben. Sirius hatte gleich am Anfang den Verdacht, dass sie mit an Bord gekommen waren. Dabei waren wir so vorsichtig."

„Ey, ich hab's fast nicht geglaubt, dass wir mit Besen über die Nordsee geflogen sind, um dann auf diesem Schiff zu landen.", meinte Ron. „Ich habe das für völlig überzogen gehalten."

„Es hätte nicht mehr viel gefehlt, und ich hätte Dich vom Besen geschubst. Harry, Du kannst Dir nicht vorstellen, wie Ron rumgemault hat."

Wieder klopfte es an die Tür, die Jermen hinter den Dreien geschlossen hatte.

Alisios brachte Draco und Remus, letzteren herzhaft gähnend und ersteren mit leicht geröteten Augen und schwer atmend.

„Gut", sagte Jermen, als sie sich ebenfalls eine Sitzgelegenheit gesucht hatten. „Ich fürchte, die Zeit eilt. Möchtest Du kurz berichten, Sirius?"

„Kennt ihr Euch?", fragte Harry verwundert. Jermen lächelte.

„Immerhin schon einen halben Abend. Und wir sind uns einmal kurz auf Perpignans Place begegnet. Es war das erste mal, dass ich Dich und Sirius gesehen habe, auf dem Lichterfest. Ich habe Dich nur von Ferne gesehen, Harry, mit Sirius habe ich mich allerdings fast eine Stunde lang unterhalten."

Harry konnte sich nicht erinnern, dass er Jermen auf dem Fest in seinem fünften Schuljahr gesehen hatte.

„Ich glaube, wir sollten nicht viel Zeit verschwenden.", beantwortete Sirius die an ihn gestellte Frage. „Ich werde noch genug Gelegenheit haben, Harry zu unterrichten. Wir sollten den Maßnahmenkatalog besprechen und zusehen, dass wir einen Ort finden, an dem wir sicher sind."

Jermen nickte.

„Harry", sagte er und sah Harry ernst an. „Auch wenn Du mir nicht unbedingt abnimmst, dass Du dich in höchster Gefahr befindest, ich würde Dich dennoch bitten, dich nicht zu sträuben und die Vorschläge zu befolgen, die Sirius und ich Dir nun machen werden."

Harry nickte stumm. Eine leichte Beklemmung begann sein Herz zu umschließen. Einerseits war er froh, seine Freunde wiederzusehen, auf der anderen Seite war ihm wohl bewusst dass dieses Treffen nichts Gutes bedeuten konnte.

„Wir haben lange gesucht, einen Ort zu finden, der Sicher ist. Das ist gar nicht leicht. Uns kommt eine Sache zu Gute. Dämonen werden von Wasser so abgestoßen, dass sie nur sehr zögerlich versuchen dieses Element zu überwinden. Nur so konnten wir sie überhaupt auf der Reise hierher abhängen und einen kleinen Vorsprung herausholen. Wenn sie an einen Fluss kommen, brauchen Sie einige Zeit, um über eine Brücke zu gehen. Lieber ziehen sie noch eine Weile eine Spur den Schreckens durch das Vorland, bis sie sich endlich entschließen hinüber zu gehen. Meiner Berechnung nach haben wir nur noch ein paar Stunden, vielleicht bis morgen Mittag, dass sollten wir bereits auf dem Weg sein."

„Wohin?", fragte Harry mit einer gewissen Freude, die inzwischen verhassten Mauern verlassen zu können.

„Es gibt in Deutschland einen Fluss namens Rhein.", antwortete Hermine für ihn. „Er besitzt einige Inseln, die für unser Vorhaben geeignet scheinen. Erstens trennen einige große Flüsse den Rhein von Rocheblanc. Die Maas und die Mosel. Dann hat der Rhein über lange Strecken kaum Brücken. Wir haben uns gedacht, dass die Insel Kaub die richtige ist. Im Winter gibt es kein Boot, das hinüber fährt. Wir können einen magischen Kreis um die Insel ziehen. In der Burg auf der Insel lebt es sich ganz Komfortabel, einer unsrer Brüder ist der Besitzer."

Enttäuscht ließ Harry seinen Blick von Hermine zu Jermen und dann über Sirius zu Ron gleiten. Ron hob die Augenbrauen und versuchte einen aufmunternden Blick zustande zu bekommen.

Einzig Sirius schien eine inner Ruhe auszustrahlen. Ein vergnügtes Blitzen in seinen Augen ließ in Harry eine leise Hoffnung keimen.

„Ich dachte mir...", begann Sirius gedehnt, „dass Dir vielleicht langweili sein könnte, wenn Du den ganzen Winter allein mit ein paar dienstbaren Geistern auf einer Burg mitten im Wasser verbringen müsstest. Da ist mir die Idee gekommen, Dir ein Schachspiel mitzugeben. Das würde Deine Langeweile sicher ein wenig vertreiben."

Harry entglitten die Gesichtszüge. Entgeistert starrte er Sirius an, dessen Gesicht sich zu einem breiten Grinsen verzog.

„Natürlich wäre es sinnvoll, Dir einen Lehrer für Schach mitzugeben, ... das wolltest Du doch immer schon, nicht wahr, Schach lernen?"

Harry öffnete den Mund, um zu antworten, aber in seinem Gehirn breitete sich Leere aus.

„Ey, Harry, er will...", sprudelte Ron los, wurde aber durch einen Wink von Sirius gebremst.

„Fällt Dir irgendwer dazu ein?", fragte Sirius unbeteiligt dreinschauend.

„...Ron...", murmelte Harry. „Ich meine, nur Ron könnte..."

„Eben.", stellte Sirius fest. „Wir alle sind der Meinung, dass Du genug gequält wurdest. Wir Drei haben beschlossen, diesen Winter mit Dir zusammen auf Burg Kaub zu verbringen. Bist Du damit einverstanden?"

Ein eigenartiges leises Singen schwebte durch das Fenster herein. Harry hatte sich erhoben, in der Absicht, vor Freude einen Sprung zu machen und seine drei Freunde in den Arm zu schließen. Ein Blick in Sirius Gesicht ließ ihn mitten in der Bewegung stocken.

„Was ist das?", fragte er. Keiner in dem Raum rührte sich. Ein jeder horchte aufmerksam. Mit einem Mal sprang Sirius aus seinem Sessel auf.

„Oh mein Gott!", rief er. „Sie sind da..."